Neue medikamentöse Option für Kinder mit Narkolepsie

Der Histamin-H3-Rezeptorblocker Pitolisant wurde kürzlich von der EMA zur Narkolepsie-Therapie für Kinder ab sechs Jahren zugelassen. In einer Phase-3-Studie wirkte er sich signifikant auf die Erkrankung und Tagesschläfrigkeit aus und bietet neben off-label Medikamenten eine weitere Behandlungsoption. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Die Therapieoptionen bei Kindern und Jugendlichen mit Narkolepsie sind nach wie vor limitiert. Zwar empfehlen europäische Leitlinien Substanzen wie Modafinil, Natriumoxybat, Amphetamine, Methylphenidat und Pitolisant auch bei Minderjährigen gegen die Schlafstörung, allerdings kommen solche Substanzen – mit Ausnahme von Natriumoxybat – in den meisten Ländern nur off-label zur Anwendung. Mit Pitolisant steht nun ein weiterer zugelassener Wirkstoff zur Narkolepsie-Therapie von Kindern und Jugendlichen zur Verfügung. Mitte März hat die Europäische Zulassungsbehörde EMA die Indikation erweitert: Das als selektiver Antagonist und inverser Agonist am Histamin-H3-Rezeptor wirkende Medikament ist nun für Personen ab sechs Jahren mit oder ohne Kataplexie zugelassen. Basis der Indikationserweiterung ist eine soeben publizierte Phase-3-Studie mit 110 Kindern und Jugendlichen im Alter von 6 bis 17 Jahren. An der Untersuchung beteiligten sich elf Schlafzentren aus fünf Ländern (Italien, Frankreich, Niederlande, Russland und Finnland). Die Minderjährigen mussten vor Beginn der Studie alle Psychostimulanzien absetzen mit Ausnahme von Natriumoxybat gegen Kataplexie, sofern sie stabil darauf eingestellt waren. Das berichten Schlafmediziner um Professor Yves Dauvilliers vom Gui-de-Chauliac-Krankenhaus in Montpellier in Frankreich. Sämtliche Teilnehmenden wurden im Verhältnis 2:1 auf zwei Gruppen verteilt: 72 bekamen acht Wochen lang Pitolisant, 38 Placebo. Die Dosis des Medikaments betrug bis zu 20 mg/d für Kinder mit weniger als 40 kg Gewicht, sowie bis zu 40 mg/d für Personen mit höherem Gewicht, Pitolisant wurde in den ersten Wochen langsam aufdosiert. Nach dem Ende der zwei Monate dauernden kontrollierten Phase konnten alle die Medikation offen weiter erhalten. Rund 80% der Beteiligten hatten eine Typ-1-Narkolepsie mit Kataplexie, die übrigen wurden dem Typ 2 zugeordnet. Im Mittel waren die Kinder und Jugendlichen 14 Jahre alt, ein Drittel galt als adipös, rund 35% hatten zuvor schon Psychostimulanzien gegen ihre Narkolepsie erhalten, etwa jede zehnte Person nahm Natriumoxybat. Weniger Tagesmüdigkeit bereits nach zwei Wochen Zu Beginn erreichte der Wert auf der Ullanlinna-Narkolepsie-Skala (UNS) im Schnitt 25 Punkte in der Gruppe mit Pitolisant sowie 24 Punkte in der Placebogruppe. Das Tool enthält elf Fragen zu Tagesschläfrigkeit, Kataplexie und Schlaflatenz, maximal möglich sind 44 Punkte bei starken Beschwerden, ab 14 Punkten wird von einer Narkolepsie ausgegangen. Nach acht Wochen war der UNS-Wert in der Gruppe mit Pitolisant um rund ein Viertel (minus 6,2 Punkte) gesunken, in der Placebogruppe hingegen nahm der Wert nur wenig ab (minus 2,6 Punkte). Die Differenz von rund 3,7 Punkten war statistisch signifikant. Ein Nutzen deutete sich sowohl bei Personen mit Typ-1- als auch Typ-2-Narkolepsie an. Unter Pitolisant ergaben sich auch Vorteile nach der Pediatric Daytime Sleepiness Scale (PDSS, maximal 32 Punkte). Der Wert sank ausgehend von 20 Punkten ebenfalls um rund ein Viertel (minus 5,5 Punkte), unter Placebo hingegen deutlich weniger (minus 2,1 Punkte). Auch diese Differenz war statistisch signifikant. Deutliche Unterschiede waren hier bereits in der zweiten Studienwoche erkennbar. Empfehlung der Redaktion Schlafmedizin – Themenseite Schlafstörungen können teilweise auf Fehlfunktionen des Nervensystems zurückgeführt werden. Beiträge zu Diagnostik und Therapien in der Schafmedizin finden Sie auf dieser Themenseite. Nebenwirkungen registrierte das Team um Dauvilliers bei rund einem Drittel der Teilnehmenden in beiden Gruppen. Mit Pitolisant traten vor allem Kopfschmerzen (19% versus 8%) und Insomnien (7% versus 3%) etwas häufiger auf als unter Placebo. Zwei Personen entwickelten unter dem neuen Medikament einen transienten Blutdruckanstieg, bei einer weiteren verringerte sich in der vierten Woche die Herzfrequenz, EKG-Auffälligkeiten wurden aber bei keiner der beteiligten Personen erfasst, ernste unerwünschte Wirkungen traten ebenfalls nicht auf. Dauvilliers und Mitarbeitende sehen Pitolisant als eine weitere First-Line-Option für Kinder und Jugendliche mit Narkolepsie. Ein Vorteil sei die einmal tägliche Einnahme, auch könnten Ärztinnen und Ärzte bei Personen mit besonders komplexer Erkrankung eine Kombination mit Natriumoxybat erwägen, das gute Sicherheitsprofil erlaube dies. Das Wichtigste in Kürze Frage: Welchen Nutzen hat der Histamin-H3-Rezeptor-Antagonist Pitolisant für Kinder und Jugendliche mit Narkolepsie? Antwort: In einer Phase-3-Studie ließ sich die Narkolepsie-Symptomatik und die Tagesschläfrigkeit im Vergleich zu Placebo deutlich reduzieren. Bedeutung: Mit der soeben erfolgten EMA-Zulassung haben Ärztinnen und Ärzten nun eine weitere medikamentöse Option zur Narkolepsie-Therapie bei Kindern und Jugendlichen an der Hand. Einschränkung: Relativ kurze Studiendauer.

Springer Medizin

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