Erschienen in:
22.01.2020 | Opioide | Übersicht
Suchtmedizin unter kustodialen Bedingungen am Beispiel des Berliner Justizvollzuges
verfasst von:
Dr. med. Julia Krebs, Prof. Dr. med. Norbert Konrad, Dr. med. Annette Opitz-Welke
Erschienen in:
Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie
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Ausgabe 1/2020
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Zusammenfassung
Bislang haben nur wenige Studien die speziellen Aspekte der suchtmedizinischen Behandlung unter Haftbedingungen systematisch untersucht. Auch sind dabei die Datenqualität und Vergleichbarkeit bei einer heterogenen Versorgungslandschaft immer wieder zu diskutieren. Dies steht in starkem Kontrast zur Relevanz der Thematik. Angesichts der hohen Prävalenz substanzbezogener Störungen extramural wie auch in Haft kommt gerade der suchtmedizinischen Behandlung in den Justizvollzugsanstalten eine wichtige Funktion zu, die sowohl individualmedizinische als auch Public-Health-Ansätze beinhaltet und von gesundheitsökonomischer Relevanz ist. So gilt es nicht nur im Sinne des Äquivalenzprinzips durch spezifische medizinische (inkl. psychiatrisch- psychotherapeutische) und soziotherapeutische Interventionen den Gesundheitszustand der Patienten zu stabilisieren zu verbessern und das Überleben sicherzustellen, sondern auch weitergehende Maßnahmen einzuleiten, um die individuelle Lebensqualität zu verbessern und eine gesellschaftliche Teilhabe wieder zu ermöglichen. Dadurch wird auch indirekt zur Erfüllung des gesetzlichen Auftrags des Strafvollzuges beigetragen, die Gefangenen zu befähigen, „künftig ein Leben in sozialer Verantwortung ohne Straftaten zu führen“ (§ 2 StVollzG). Das differenzierte extramurale Suchthilfesystem mit seinen vielfältigen Akteuren findet sich allerdings nur eingeschränkt auch intramural wieder. Unter dem Aspekt, dass ein Großteil der abhängigkeitserkrankten Inhaftierten nur kurze Haftstrafen verbüßt oder auch eine Verzahnung nach extramural z. B. bei Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG („Therapie statt Strafe“) infrage kommt, muss ein viel intensiverer Austausch mit größerer Durchlässigkeit zwischen intra- und extramuralen Settings gefordert werden. Im Bereich der Prävention ist anzumerken, dass Präventionsprojekte in Haft sich vornehmlich auf Opioiddrogenkonsumenten und diesbezüglich auch mehrheitlich auf die Substitutionsbehandlung beschränken und weniger auf Alkohol, Tabak oder auch Cannabinoide fokussieren.