Erschienen in:
24.03.2020 | Pathologie | Geschichte der Pathologie
Politischer Mitläufer oder linientreuer Nationalsozialist?
Zur Rolle des ehemaligen DGP-Präsidenten Herbert Siegmund (1892–1954) im „Dritten Reich“
Erschienen in:
Die Pathologie
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Ausgabe 5/2020
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Zusammenfassung
Hintergrund
Herbert Siegmund (1892–1954) gehört zweifelsohne zu den wirkmächtigsten deutschen Pathologen des 20. Jahrhunderts. Ihm wurden sowohl im „Dritten Reich“ als auch nach 1945 zahlreiche hohe Ehrungen zuteil: So war er u. a. Rektor der Universität Münster (1943–1945), Träger der von Hitler verliehenen Goethe-Medaille (1944), Ehrendoktor der Universität zu Köln (1949), Empfänger der Paracelsus-Medaille (1953) und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pathologie (DGP, 1954).
Die nahezu nahtlose Nachkriegskarriere war v. a. deshalb möglich, weil Siegmund nach 1945 zu den politisch unbeteiligten Hochschulmedizinern gezählt wurde. Erst nach der Jahrtausendwende erhielt dieses Bild Risse.
Material und Methode
Der vorliegende Beitrag basiert auf z. T. erstmals ausgewerteten Primärquellen der Landesarchive Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen, des Universitätsarchivs Münster, des Bundesarchivs Berlin, des Universitätsarchivs Köln und des Stadtarchivs Stuttgart. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen 2 Fragestellungen: (1) Lässt sich nachweisen, dass Siegmund nach 1933 karrieretechnisch vom NS-Staat profitierte? (2) Finden sich Hinweise darauf, dass er sich dem NS-Regime und seinen Netzwerken andiente? Zudem ist zu diskutieren, wie Siegmund selbst seine Rolle im „Dritten Reich“ beschrieb und inwieweit seine Aussagen einer kritischen Überprüfung standhalten.
Ergebnisse
Der Aufsatz kommt zu dem Ergebnis, dass Siegmund in mehrfacher Weise dazu beitrug, das nationalsozialistische System hoffähig zu machen. Nach 1945 setzte er sich zu keinem Zeitpunkt in eine kritische Distanz zu seinem Wirken im „Dritten Reich“. Vielmehr zeichnete er von sich – weitgehend unwidersprochen – das Bild eines politisch unbescholtenen Wissenschaftlers.