Erschienen in:
03.05.2021 | Psychotherapie | Nachruf
Nachruf auf Professor Dr. phil. Peter Fürstenau
verfasst von:
Prof. Dr. med. Ulrich Sachsse
Erschienen in:
Die Psychotherapie
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Ausgabe 3/2021
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Auszug
Einen Nachruf auf Prof. Dr. phil. Peter Fürstenau
1 kann ich nicht ausgewogen, vernünftig oder abgeklärt schreiben. Ich kann ihn nur sehr persönlich schreiben. Herbst 1988. Seit etwa einem Jahr bin ich Oberarzt des Funktionsbereiches Psychotherapie am Niedersächsischen Landeskrankenhaus Göttingen. Ich habe mir eine Sitzung Einzelberatung bei Fürstenau geleistet, nicht gerade billig, aber sehr preiswert. Eine Viertelstunde lang lamentiere ich, dass mein Engagement als innovativer Oberarzt zu wenig Resonanz erfährt, häufig geradezu verpufft. Ich unterstelle vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern passiven Protest, Desinteresse, Unengagiertheit: Halt Bremser im Öffentlichen Dienst. Als Fürstenau mir antwortet, überschüttet er mich zunächst mit Lob und Bestätigung. Validierung in voller Dröhnung, würden das Verhaltenstherapeuten heute nennen. „Jaah, lieber Herr Sachsse, das ist ja alles ganz, ganz priiima. Und dass Sie Oberarzt geworden sind, das haben Sie wirklich verdient. Das war eine sehr kluge Entscheidung Ihrer Klinik. Offenkundig arbeiten Sie da an einer richtig guten Klinik. Und dass Sie jetzt alles neu machen wollen, das finde ich auch ganz priiima. Wenn es keine innovativen Oberärzte gibt, dann tut sich ja nichts. Dann ist ja Stillstand. Dann entwickelt sich gar nichts, und gerade ein Landeskrankenhaus kann Entwicklung richtig gut gebrauchen. Wenn sich da was entwickeln würde, wäre das wirklich richtig priiima.“ Recht hat er! Da sitzt einer, der mich versteht und richtig sieht. Mir ist warm ums Herz. Ich bin seelisch weit offen, ein mildes Strahlen auf dem Gesicht. Fürstenau fährt fort, lächelnd und immer noch sehr freundlich zugewandt: „Und dann machen Sie die schwierige, ja richtig ungerechte Erfahrung, dass Ihre Mitarbeiter, wir können auch sagen Untergebenen, das gar nicht honorieren. Die ziehen nicht mit. Die bleiben stehen, die wollen sich gar nicht entwickeln. Die wollen offenkundig so einen traditionellen, altertümlichen Oberarzt, der nicht immer sagt ‚Das bringen wir jetzt erst mal ins Team, in die Gruppe‘, sondern der selbst entscheidet und bestimmt, wo es lang geht, an dem man sich orientieren kann.“ Jetzt, wo ich seelisch so weit offen bin, trifft mich das doch etwas schmerzlich. Ich höre sehr genau zu, meine Mentalisierung (Gab es den Begriff damals eigentlich schon? Hat der da schon wieder was gemacht, was es noch gar nicht gab?) der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wuchs und wuchs, ich bin insgesamt aber mit mir immer noch sehr zufrieden. Einige Minuten später stehe ich vor der Tür, gehe eine schöne Düsseldorfer Allee entlang und frage mich: Ulrich, was machst du da eigentlich für einen Stuss? Was ich wirklich gedacht habe, veröffentliche ich nicht. Was entnehme ich seiner website? …