Skip to main content
Erschienen in: Psychotherapeut 6/2016

19.10.2016 | Psychotherapie | Schwerpunkt: Langzeitpsychotherapie - Originalien

In 300 Stunden um die Welt

Zum Durcharbeiten in analytischen Langzeitbehandlungen

verfasst von: Prof. Dr. Timo Storck

Erschienen in: Die Psychotherapie | Ausgabe 6/2016

Einloggen, um Zugang zu erhalten

Zusammenfassung

Die Dauer psychoanalytischer Langzeitbehandlungen bemisst sich an deren Zielen und den Mitteln, sie zu erreichen. Dabei wird das Konzept des Durcharbeitens zentral. Für Freud bezieht es sich auf Widerstände gegenüber dem Annehmen einer Deutung unbewusster Konflikte. Ebenso kann im klassischen Verständnis von einem Durcharbeiten der Übertragungsneurose gesprochen werden. Die konzeptuellen Bezüge zur Trauerarbeit (im Sinne eines Abzugs von Besetzungen) lassen eine Schwierigkeit erkennbar werden, nämlich die Gefahr des Missbrauchs einer Langzeitbehandlung und der therapeutischen Arbeitsbeziehung darin zur Vermeidung von Trennung und Abschied. Für Patienten mit nichtneurotischen Erkrankungen lässt sich der Grundgedanke des Durcharbeitens ebenso aufrechterhalten wie für die Arbeit in modifizierten, analytisch begründeten Therapieverfahren in geringerem Umfang und geringerer Frequenz, wenn auch unter Berücksichtigung der jeweiligen Veränderungstheorie. Allerdings sollte beachtet werden, dass eine 3‑fache Bedeutung des Durcharbeitens in der zeitgenössischen Psychoanalyse (Durcharbeiten von Widerständen, Durcharbeiten der Übertragungsneurose, strukturell ändernde innere Arbeit des Patienten) darauf hinweist, die Frage nach der nötigen Dauer von Langzeitbehandlungen weder in einer Logik ökonomischer Effizienz noch einer berufspolitischen Positionierung zu bemessen, sondern aus der Logik der Dynamik der Erkrankung und der Behandlungsplanung heraus zu begründen.
Fußnoten
1
Ich verwende im Folgenden aus Gründen der Lesbarkeit die männliche Form; es sind immer ebenso Patientinnen gemeint.
 
2
Von der „Ichveränderung“ als Ziel der Analyse spricht Freud z. B. in der genannten Arbeit von 1937, also in seinem Spätwerk, das sich vornehmlich auf die „zweite Topik“ bzw. das Strukturmodell der psychischen Instanzen Ich, Es und Über-Ich bezieht. Eine Formulierung Freuds wie „Es ist unzweifelhaft wünschenswert, die Dauer einer analytischen Kur abzukürzen, aber der Weg zur Durchsetzung unserer therapeutischen Absichten führt nur über die Verstärkung der analytischen Hilfskraft, die wir dem Ich zuführen wollen“ (1937c, S. 74) deutet die Richtung der sich konstellierenden Ich-psychologischen „Schule“ der Psychoanalyse an.
 
Literatur
Zurück zum Zitat Alexander F & French TM (1946) Psychoanalytic therapy: Principles and application. New York: Ronald Press. Alexander F & French TM (1946) Psychoanalytic therapy: Principles and application. New York: Ronald Press.
Zurück zum Zitat Brenman Pick I (1985) Working through in the countertransference. Int J Psychoanal 66:157–166 Brenman Pick I (1985) Working through in the countertransference. Int J Psychoanal 66:157–166
Zurück zum Zitat Brenner C (1987) Working through: 1914–1984. Psychoanal Q 56:88–108PubMed Brenner C (1987) Working through: 1914–1984. Psychoanal Q 56:88–108PubMed
Zurück zum Zitat Fenichel O (2001) Probleme der psychoanalytischen Technik. In: Fenichel O (Hrsg) Probleme der psychoanalytischen Technik. Psychosozial-Verlag, Gießen, S 27–106 Fenichel O (2001) Probleme der psychoanalytischen Technik. In: Fenichel O (Hrsg) Probleme der psychoanalytischen Technik. Psychosozial-Verlag, Gießen, S 27–106
Zurück zum Zitat Ferenczi S & Rank O (1924) Entwicklungsziele der Psychoanalyse. Wien: Internationaler Psychoanalytischer Verlag. Ferenczi S & Rank O (1924) Entwicklungsziele der Psychoanalyse. Wien: Internationaler Psychoanalytischer Verlag.
Zurück zum Zitat Freud S (1895) Studien über Hysterie. GW I, S 75–312 Freud S (1895) Studien über Hysterie. GW I, S 75–312
Zurück zum Zitat Freud S (1912) Zur Dynamik der Übertragung. GW VIII, S 363–374 Freud S (1912) Zur Dynamik der Übertragung. GW VIII, S 363–374
Zurück zum Zitat Freud S (1914) Erinnern, Wiederholen und Durcharbeiten. GW X, S 125–136 Freud S (1914) Erinnern, Wiederholen und Durcharbeiten. GW X, S 125–136
Zurück zum Zitat Freud S (1915a) Triebe und Triebschicksale. GW X, S 209–232 Freud S (1915a) Triebe und Triebschicksale. GW X, S 209–232
Zurück zum Zitat Freud S (1915b) Zeitgemäßes über Krieg und Tod. GW X, S 323–355 Freud S (1915b) Zeitgemäßes über Krieg und Tod. GW X, S 323–355
Zurück zum Zitat Freud S (1917) Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse. GW XI Freud S (1917) Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse. GW XI
Zurück zum Zitat Freud S (1917) Trauer und Melancholie. GW X, S 427–446 Freud S (1917) Trauer und Melancholie. GW X, S 427–446
Zurück zum Zitat Freud S (1919) Wege der psychoanalytischen Therapie. GW XII, S 181–194 Freud S (1919) Wege der psychoanalytischen Therapie. GW XII, S 181–194
Zurück zum Zitat Freud S (1923a) „Psychoanalyse“ und „Libidotheorie“. GW XIII, S 209–233 Freud S (1923a) „Psychoanalyse“ und „Libidotheorie“. GW XIII, S 209–233
Zurück zum Zitat Freud S (1923b) Das Ich und das Es. GW XIII, S 235–289 Freud S (1923b) Das Ich und das Es. GW XIII, S 235–289
Zurück zum Zitat Freud S (1926) Hemmung, Symptom und Angst. GW XIV, S 111–205 Freud S (1926) Hemmung, Symptom und Angst. GW XIV, S 111–205
Zurück zum Zitat Freud S (1937) Die endliche und die unendliche Analyse. GW XVI, S 59–99 Freud S (1937) Die endliche und die unendliche Analyse. GW XVI, S 59–99
Zurück zum Zitat Greenson RR (1986) Technik und Praxis der Psychoanalyse. Klett-Cotta, Stuttgart (Erstausgabe 1967) Greenson RR (1986) Technik und Praxis der Psychoanalyse. Klett-Cotta, Stuttgart (Erstausgabe 1967)
Zurück zum Zitat Henseler H, Wegner P (2000) Psychoanalysen, die ihre Zeit brauchen, 3. Aufl. Westdeutscher Verlag, Wiesbaden Henseler H, Wegner P (2000) Psychoanalysen, die ihre Zeit brauchen, 3. Aufl. Westdeutscher Verlag, Wiesbaden
Zurück zum Zitat Laplanche J, Pontalis JB (1970) Das Vokabular der Psychoanalyse. Suhrkamp, Frankfurt am Main (Erstausgabe 1967) Laplanche J, Pontalis JB (1970) Das Vokabular der Psychoanalyse. Suhrkamp, Frankfurt am Main (Erstausgabe 1967)
Zurück zum Zitat Margraf J (2009) Beziehungsgestaltung und Umgang mit Widerstand. In: Margraf J, Schneider S (Hrsg) Lehrbuch der Verhaltenstherapie, 3. Aufl. Bd. 1. Springer, Heidelberg, S 485–497CrossRef Margraf J (2009) Beziehungsgestaltung und Umgang mit Widerstand. In: Margraf J, Schneider S (Hrsg) Lehrbuch der Verhaltenstherapie, 3. Aufl. Bd. 1. Springer, Heidelberg, S 485–497CrossRef
Zurück zum Zitat Novey J (1962) The principle of ‚working through‘ in psychoanalysis. J Am Psychoanal Assoc 10:658–676CrossRefPubMed Novey J (1962) The principle of ‚working through‘ in psychoanalysis. J Am Psychoanal Assoc 10:658–676CrossRefPubMed
Zurück zum Zitat Ogden TH (2007) A new reading of the origins of object relations theory. In: Fiorini LG, Bokanowski T, Lewkowicz S (Hrsg) On Freud’s “mourning and melancholia”. Karnac, London, S 123–144 Ogden TH (2007) A new reading of the origins of object relations theory. In: Fiorini LG, Bokanowski T, Lewkowicz S (Hrsg) On Freud’s “mourning and melancholia”. Karnac, London, S 123–144
Zurück zum Zitat Sandler J, Dreher AU (1999) Was wollen die Psychoanalytiker? Das Problem der Ziele in der psychoanalytischen Behandlung. Klett-Cotta, Stuttgart Sandler J, Dreher AU (1999) Was wollen die Psychoanalytiker? Das Problem der Ziele in der psychoanalytischen Behandlung. Klett-Cotta, Stuttgart
Zurück zum Zitat Sandler J, Dare C, Holder A (1979) Die Grundbegriffe der psychoanalytischen Therapie. Klett-Cotta, Stuttgart (Erstausgabe 1973) Sandler J, Dare C, Holder A (1979) Die Grundbegriffe der psychoanalytischen Therapie. Klett-Cotta, Stuttgart (Erstausgabe 1973)
Zurück zum Zitat Storck T (2013) Doing transference. Agieren als Verhandeln der Übertragungsbeziehung. Jahrb Psychoanal 66:81–120 Storck T (2013) Doing transference. Agieren als Verhandeln der Übertragungsbeziehung. Jahrb Psychoanal 66:81–120
Zurück zum Zitat Storck T (2016a) Psychoanalytic and psychodynamic therapies. In: Miller H (Hrsg) Encyclopedia of theory in psychology. SAGE, London, S 750–754 Storck T (2016a) Psychoanalytic and psychodynamic therapies. In: Miller H (Hrsg) Encyclopedia of theory in psychology. SAGE, London, S 750–754
Zurück zum Zitat Storck T (2016b) Psychoanalyse und Psychosomatik. Kohlhammer, Stuttgart Storck T (2016b) Psychoanalyse und Psychosomatik. Kohlhammer, Stuttgart
Zurück zum Zitat Storck T (2017) Szenisches Verstehen. In: Gumz A, Hörz-Sagstetter S (Hrsg) Psychodynamische Psychotherapie in der Praxis. Beltz, Weinheim (im Druck) Storck T (2017) Szenisches Verstehen. In: Gumz A, Hörz-Sagstetter S (Hrsg) Psychodynamische Psychotherapie in der Praxis. Beltz, Weinheim (im Druck)
Zurück zum Zitat Storck T, Stegemann D (2018) Psychoanalytische Konzepte in der Psychosenbehandlung. Kohlhammer, Stuttgart (in Vorbereitung) Storck T, Stegemann D (2018) Psychoanalytische Konzepte in der Psychosenbehandlung. Kohlhammer, Stuttgart (in Vorbereitung)
Zurück zum Zitat Storck T, Warsitz RP (2016) Neue Entwicklungen in der allgemeinen psychoanalytischen Psychosomatik. Psychotherapeut 61(1):73–88CrossRef Storck T, Warsitz RP (2016) Neue Entwicklungen in der allgemeinen psychoanalytischen Psychosomatik. Psychotherapeut 61(1):73–88CrossRef
Zurück zum Zitat Weischede G, Zwiebel R (2009) Neurose und Erleuchtung. Klett-Cotta, Stuttgart Weischede G, Zwiebel R (2009) Neurose und Erleuchtung. Klett-Cotta, Stuttgart
Zurück zum Zitat Zepf S, Hartmann S (2003) Durcharbeiten, Ersatzbildungen und Widerstand. In: Zepf S (Hrsg) Psychoanalyse, Bd. 2. Psychosozial-Verlag, Gießen, S 381–405 Zepf S, Hartmann S (2003) Durcharbeiten, Ersatzbildungen und Widerstand. In: Zepf S (Hrsg) Psychoanalyse, Bd. 2. Psychosozial-Verlag, Gießen, S 381–405
Zurück zum Zitat Zwiebel R (2007) Von der Angst, Psychoanalytiker zu sein. Klett-Cotta, Stuttgart Zwiebel R (2007) Von der Angst, Psychoanalytiker zu sein. Klett-Cotta, Stuttgart
Metadaten
Titel
In 300 Stunden um die Welt
Zum Durcharbeiten in analytischen Langzeitbehandlungen
verfasst von
Prof. Dr. Timo Storck
Publikationsdatum
19.10.2016
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Die Psychotherapie / Ausgabe 6/2016
Print ISSN: 2731-7161
Elektronische ISSN: 2731-717X
DOI
https://doi.org/10.1007/s00278-016-0137-9

Weitere Artikel der Ausgabe 6/2016

Psychotherapeut 6/2016 Zur Ausgabe

Schwerpunkt: Langzeitpsychotherapie - Übersicht

Evidenz für psychodynamische Langzeittherapie

Demenzkranke durch Antipsychotika vielfach gefährdet

23.04.2024 Demenz Nachrichten

Wenn Demenzkranke aufgrund von Symptomen wie Agitation oder Aggressivität mit Antipsychotika behandelt werden, sind damit offenbar noch mehr Risiken verbunden als bislang angenommen.

Weniger postpartale Depressionen nach Esketamin-Einmalgabe

Bislang gibt es kein Medikament zur Prävention von Wochenbettdepressionen. Das Injektionsanästhetikum Esketamin könnte womöglich diese Lücke füllen.

„Psychotherapie ist auch bei sehr alten Menschen hochwirksam!“

22.04.2024 DGIM 2024 Kongressbericht

Die Kombination aus Medikamenten und Psychotherapie gilt als effektivster Ansatz bei Depressionen. Das ist bei betagten Menschen nicht anders, trotz Besonderheiten.

Auf diese Krankheiten bei Geflüchteten sollten Sie vorbereitet sein

22.04.2024 DGIM 2024 Nachrichten

Um Menschen nach der Flucht aus einem Krisengebiet bestmöglich medizinisch betreuen zu können, ist es gut zu wissen, welche Erkrankungen im jeweiligen Herkunftsland häufig sind. Dabei hilft eine Internetseite der CDC (Centers for Disease Control and Prevention).