CCTA: Wie sinnvoll ist der Blick ins Diabetiker-Herz?

Diabetiker mit nur geringer KHK haben ein ähnliches Risiko für Herzinfarkt und kardiovaskulären Tod wie Diabetiker mit einer obstruierenden Stenose. Dieses Ergebnis einer Fünf-Jahres-Studie, die beim RSNA-Kongress in Chicago vorgestellt wurde, ist ziemlich unerwartet und überraschend - und steht im Widerspruch zu anderen Studien. Oder doch nicht? Gerade erst wurden die Ergebnisse der Studie FACTOR-64 veröffentlicht (JAMA 2014;312(21):2234-2243). In die Studie waren 900 Typ-1- und Typ-2-Diabetiker aufgenommen worden, bei denen zuvor keine koronare Herzkrankheit (KHK) bekannt war. Sie wurden randomisiert entweder leitliniengerecht medikamentös behandelt mit den Zielparametern HbA1c unter 7, LDL unter 100 mg/dL und RR systolisch unter 130 mmHg. Oder sie wurden der Gruppe zugeteilt, die eine koronare CT-Angiografie (CCTA) bekamen. Je nach CCTA-Befund wurden sie dann entweder wie die andere Gruppe behandelt, oder aggressiver mit Zielparametern wie HbA1c unter 6, LDL unter 70 mg/dL und RR systolisch unter 120 mmHg, oder invasiv zur Stenosebeseitigung. Nach im Mittel vier Jahren Beobachtungszeit ergaben sich jedoch keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen bezüglich kardiovaskulären Ereignissen wie Angina pectoris, Herzinfarkt oder Tod. Daraus schlossen die Studienautoren, überspitzt zusammen gefasst: Behandelt die Diabetiker lieber ordentlich, anstatt sie zur CCTA zu schicken - denn die bringt ja doch nichts, außer Kosten und Strahlenbelastung. Radiologen kontern mit ihren Daten von doppelt so vielen Patienten Jetzt aber konterten Kollegen um die Radiologen Dr. Jonathon Leipsic und Dr. Philipp Blanke von der University of British Columbia in Vancouver, Kanada in Chicago mit Fünf-Jahres-Daten von 1823 Diabetikern. Und kamen zu anderen Ergebnissen. Die Studienpatienten gehören zu dem internationalen multizentrischen Patientenregister CONFIRM* mit derzeit über 34.000 Patienten. Die 1823 im Median knapp 62 Jahre alten Studienpatienten hatten zuvor zwar keine KHK-verdächtigen Symptome wie Brustschmerz, aber sie hatten alle eine Indikation für die CCTA, etwa auffallend geringe Belastbarkeit bei der Fahradergometrie, zum Beispiel wegen beklagter "Muskelschwäche". Es handelte sich also nicht um Screening-CCTA, wie Leipsic betonte. Je nach Befund in der CCTA wurden drei Kategorien von KHK definiert: keine in der CCTA sichtbare KHK, n=443, geringe KHK (Stenose(n) zwischen 1 bis 49 Prozent), n= 425 obstruktive KHK (Stenose(n) größer 50 Prozent), n= 955. Von diesen hatten 433 Patienten eine Ein-Gefäßkrankheit, bei 239 waren zwei Gefäße betroffene und 283 hatten drei stenosierte Arterien. Nach fünf Jahren waren 5 Prozent der Patienten in der "Normal"-CCTA-Gruppe gestorben; 20 Prozent mit zwei oder drei stenosierten Arterien - und jeweils 10 Prozent derjenigen mit insgesamt 246 Patienten gestorben, davon 22 Patienten ohne KHK-Befund in der CCTA. Und das ist der Knackpunkt der Studie: Anders als bislang aus Zwei-Jahres-Studien bekannt, haben also Diabetiker ohne wesentliche Koronararterienstenosen ein ähnliche Risiko, innerhalb von fünf Jahren zu sterben wie Diabetiker mit einem deutlich verengten Gefäß. Dazu sagte Blanke, man könne daraus durchaus schließen, dass "Patienten mit einem geringen Befund in der CT von einer aggressiveren Medikation profieren könnten, als sie bislang erhalten haben". Sowohl Blanke als auch Leipsic wiesen aber darauf hin, dass genau das noch nicht in Studien evaluiert ist. Dennoch: Es könnte für für betroffene Diabetiker ein Ansporn sein, selbst bei einem geringen Befund in der CCTA (mehr) compliant zu sein; und vielleicht erleichtert es auch in dem einen oder anderen Fall die Entscheidung, wenn bereits über eine stärker medikamentöse Diabetes-Therapie nachgedacht wird. Auf die Studie FACTOR-64 angesprochen, die genau eine Woche zuvor an selber Stelle beim Herzkongress AHA vorgestellt worden war, sagte Leipsic, die Daten seien sehr interessant und sprächen durchaus für die Vorteile einer guten leitliniengerechten oder auch aggressiveren Therapie. Denn in FACTOR-64 waren die Diabetiker ja sehr gut therapiert worden. Kann man den eine CCTA als "Herz-Screening" für alle Diabetiker empfehlen? Auf keinen Fall, sagte Leipsic. Dies ist auch aus Kostengründen und Strahlenhygiene nicht vorstellbar, nicht einmal in Deutschland. Aber wenn aus was für Gründen auch immer bei Diabetikern eine CCTA gemacht wird, sollten Ärzte in Zukunft einen nur "leichten" Befund nicht mehr auf die leichte Schulter nehmen. *CONFIRM steht für Coronary CT Angiography Evaluation for Clinical Outcomes: An International Multicenter. In CONFIRM wird in 17 Zentren in neun Ländern, unter anderen in Deutschland, bei derzeit über 34.000 Patienten untersucht, wie hoch der CCTA-Vorhersage-Wert bei KHK bezüglich kardiovaskulären Ereignissen ist. Von über 12.000 Patienten liegen inzwischen Fünf-Jahres-Daten vor.

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