Minimalinvasive posteriore segmentale Instrumentation und intraartikuläre Fusion mit dem Facet Wedge.
Indikationen
Sämtliche Fusionsindikationen bei degenerativen Bandscheibenerkrankungen ohne nennenswerte translatorische Instabilität, Postnukleotomiesyndrom, Spondylarthrose, Diszitis.
Kontraindikationen
Translatorische Instabilitäten, Zustand nach Dekompression mit partieller Facettengelenkresektion, Spondylolyse im betroffenen Segment.
Operationstechnik
Über einen 3 cm langen Hautschnitt stumpfes transmuskuläres Eingehen auf das entsprechende Facettengelenk L1/2 bis L5/S1. Eröffnen der Gelenkkapsel und Darstellen des Gelenkspaltes. Entknorpelung der Gelenkflächen und Implantation eines Facet-Wedge-Implantates intraartikulär. Fixation des Implantats durch 2 winkelstabil eingebrachte Schrauben in den entsprechenden Facettengelenkanteilen.
Weiterbehandlung
Frühmobilisation nach Abklingen der Narkose unter Thromboseprophylaxe. Tragen einer rumpfstabilisierenden Orthese je nach Art und Ausdehnung des Eingriffes bis zu 12 Wochen. Keine Einschränkung bezüglich Gehstrecke, Stehen und Sitzen unmittelbar postoperativ nach Schmerzvorgabe.
Ergebnisse
Es wurden 27 Patienten im Zeitraum von 02/2015 bis 9/2017 mit insgesamt 31 versorgten Segmenten in die prospektive nicht randomisierte Studie eingeschlossen. Das Durchschnittsalter betrug 51,2 Jahre (30 bis 76). In 23 Fällen wurde eine ventrodorsale Operationstechnik verwendet, in 4 Fällen ein rein dorsales Vorgehen mit Interposition eines intervertebralen Cages. Das Follow-up betrug 2 Jahre. Der Oswestry-Score (Oswestry Disability Index [ODI]) verbesserte sich von durchschnittlich präoperativ 40,6 % auf 16,6 % postoperativ. Die visuelle Analogskala (VAS) bezüglich des Rückenschmerzes verbesserte sich von präoperativ 6,7 im Durchschnitt auf 2,1 im 2‑Jahres-Follow-up. Im Rahmen dieses Beobachtungszeitraumes wurden 2 implantatspezifische Komplikationen beobachtet. Ein Facet Wedge musste aufgrund einer Fehlpositionierung mit frühzeitiger Lockerung revidiert werden. In einem weiteren Fall kam es zu einem Korrekturverlust bei einer präoperativ bestehenden erstgradigen Spondylolisthese mit Revision auf ein dorsales Schrauben-Stab-System.
Hinweise
Redaktion
M. Mayer, München
Zeichnungen
R. Himmelhan, Mannheim
Vorbemerkungen
Bisher repräsentieren Pedikelschrauben den Goldstandard der posterioren Instrumentierungstechnik, um Rekonstruktion, Stabilität und Fusion eines Bewegungssegmentes zu erreichen. Selbst bei Verwendung technischer Hilfsmittel wie Bildverstärker oder intraoperativer Computertomographie (CT) inklusive Navigation ist jedoch eine nicht zu vernachlässigende Rate der Schraubenfehllagen in der Literatur beschrieben [4, 7, 9]. Zudem wird die Verletzung des kranialen Facettengelenkes mit einer Pedikelschraube als Ursache einer akzelerierten Anschlusssegmentdegeneration gesehen [2]. Der Ansatz der alleinigen segmentalen Facettengelenkblockierung mit einer Schraube wurde von King bereits 1944 erstmals beschrieben [6]. Im Laufe der Zeit kam es zu einer technischen Anpassung der „Facettengelenkinstrumentierung“. Magerl entwickelte die translaminare Facettenschraube mit guten Langzeitergebnissen für Patienten mit einer strengen Indikation für Kurzsegmentspondylodese, intakter dorsaler Zuggurtung und einer geringen präoperativen Bandscheibenhöhe [1, 8]. Eine weitere Modifikation war die Facetteninterferenzschraube, die in Bezug auf die Primärstabilität biomechanisch ähnliche Eigenschaften aufweist wie die translaminare Schraube. All diesen verschiedenen Techniken war gemeinsam, dass die Primärstabilität den „Goldstandard“-Pedikelschrauben insbesondere in der Extension und Rotation unterlegen war [5]. Im Jahr 2014 veröffentlichten Hartensuer et al. [3] eine biomechanische Bewertung einer verfeinerten Technik zur lumbalen Facettenfixierung – das sog. Facet Wedge – und zeigten, dass dieses Implantat eine vergleichbare Primärstabilität wie Pedikelschrauben aufweist. Somit könnte das Facet Wedge eine minimalinvasive Alternative für eine Schrauben-Stab-Konstruktion definitiv ohne das Risiko einer Verletzung des kranialen Facettengelenkes darstellen. Im Rahmen einer klinischen Anwendungsbeobachtung konnten erste positive klinisch-radiologische Ergebnisse bereits belegt werden.
Operationsprinzip und -ziel
Über einen minimalinvasiven transmuskulären Zugang wird das entsprechende Facettengelenk eröffnet, die Gelenkflächen werden dekortiziert, und das Facet Wedge wird als posteriores Instrumentations- und Fusionsimplantat intraartikulär in Kombination mit autologem Knochenmaterial bzw. diversen Knochenersatzstoffen eingebracht. Abschließend erfolgt die winkelstabile Fixation mit dem Processus articularis inferior des kranialen Wirbels als auch mit dem Processus articularis superior des kaudalen Wirbels.
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Vorteile
Minimalinvasive, transmuskuläre Fusionstechnik
Risiko der Nervenverletzung durch Implantatfehllage nahezu ausgeschlossen
Verletzung des kranialen Anschlusssegmentes bzw. des Facettengelenkes theoretisch nicht möglich
Kurze Operationszeit mit geringem Blutverlust
Visuelle Kontrolle der Instrumentation mit Mikroskop gut möglich
Strahlenbelastung für Patient und OP-Personal/Chirurgen gering
Keine Irritation des Implantates in der Muskulatur durch komplettes Versenken in der Facettengelenkebene
Mit Schrauben-Stab-System auf einer Seite (MIS-TLIF [„minimally invasive surgery – transforaminal lumbar interbody fusion“]) kombinierbar
Kurze steile Lernkurve
Nachteile
Keine dorsalen korrigierenden Manöver möglich
Tendenziell ein kyphosierendes Implantat
Versorgung bei voroperierten Patienten nur möglich, wenn ausreichend anatomische Strukturen vorhanden sind (v. a. bei Zustand nach Dekompression)
Erschwerter Zugang v. a. im Segment L5/S1 bei großen Facettengelenkwinkeln und evtl. Überlagerung des Beckenkammes
Indikationen
Prinzipiell ist das Implantat für alle degenerativen Fusionsindikationen geeignet, wie z. B.:
Bandscheibendegeneration (DDD),
Facettengelenkarthrose,
Rezidivbandscheibenvorfall, der ggf. eine Fusionsindikation nach sich zieht,
unilaterale Implantation in Kombination mit Schrauben-Stab-System kontralateral.
Additives Verfahren zu weiteren Fusions- und Stabilisierungstechniken (ventrale intervertebrale Fusion über ALIF(„anterior lumbar interbody fusion“)-, OLIF(„oblique lumbar interbody fusion“)- oder XLIF(„eXtreme lateral interbody fusion“)-Zugang; einseitiges Schraubenstabkonstrukt mit TLIF („transforaminal lumbar interbody fusion“), wie es typischerweise bei MIS-TLIF-Technik verwendet wird).
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Kontraindikationen
Translatorische Instabilitäten (wie z. B. lytische Spondylolisthesen, aber auch bei instabilen degenerativen Spondylisthesen)
Rigide segmentale Kyphosen
Zustand nach Laminektomie bzw. ausgedehnter Facettengelenkresektion nach Dekompression
Gegebenenfalls Erweiterung der Instrumentation auf Schrauben-Stab-System
Operationsvorbereitungen
Röntgen der LWS (Lendenwirbelsäule) in 2 Ebenen mit Funktionsaufnahmen zur Beurteilung der Mobilität des Bewegungssegmentes, Bestimmung der topografischen Korrelation der Segmente zum Beckenkamm und Identifikation von dorsalen Spondylophyten
Magnetresonanztomographie der LWS zur Beurteilung der Facettengelenkorientierung (ggf. Planung und Ausmessen der Distanz zur Mittellinie auf Hautniveau bei orthograder Präparation auf den Gelenkspalt) (Abb. 1a, b)
Bei ausgeprägten osteophytären Anbauten Computertomographie zum Ausschluss von Spontanfusionen bzw. Identifikation und Verlauf der Spondylophyten
Gegebenenfalls Haarentfernung im Operationsgebiet kurz vor dem operativen Eingriff
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Instrumentarium
Operationsmikroskop bzw. anderweitige Lichtquellen bzw. Lupen
Langenbeck-Haken bzw. tubuläres Dilatations- und Spreizersystem
Knochenentfernungszange
Facetteneröffner
Kirschner-Draht
Probeimplantat/Raspel zum Dekortizieren der Gelenkflächen
Fräser zur Schaffung des Implantatbettes
Ahle zur Eröffnung der kortikalen Gelenkfläche zur winkelstabilen Verschraubung
Anästhesie und Lagerung
Intubationsnarkose, peripherer venöser Zugang, ggf. arterielle Druckmessung, je nach Länge des additiven Eingriffes Blasenkatheter, Magensonde
Bauchlage in Neutralstellung mit abgespreizten Armen (Abb. 2)
Fluoroskopische Höhenlokalisation und topografische Projektion der entsprechenden Facettengelenke auf die Haut
Es ist sehr empfehlenswert, diese Art der dorsalen Instrumentation (als Alternative zu einem Schrauben-Stab-Konstrukt) mit einer soliden ventralen Abstützung zu kombinieren. Dies kann am einfachsten mit einer vorausgehenden ventralen Cage-Interposition über einen ventralen Zugang erfolgen (Abb. 9). Sollte die Notwendigkeit einer zusätzlichen Dekompression bzw. Diskektomie bestehen, muss im Vorfeld die Ausdehnung der notwendigen knöchernen Resektion der medialen Facettengelenkanteile kritisch abgeschätzt werden. Meist ist der verbleibende knöcherne Facettengelenkanteil zu klein, um das Facet Wedge pressfit zu verankern, sodass die Gefahr einer Fraktur der verbliebenen Facette zu groß ist. Als Alternative hierzu kann diese Technik für die kontralaterale Seite in Kombination mit einem Schrauben-Stab-Cage-System ipsilateral verwendet werden (Abb. 10).
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Vor allem bei dem Facettengelenk L5/S1 kann die perkutane Einbringung des intraartikulären Implantates aufgrund des großen Facettengelenkwinkels in Kombination mit einer limitierenden Beckenkammanatomie große Schwierigkeiten bereiten. Deshalb sollte v. a. für dieses Segment eine genaue präoperative Planung – und ggf. auch die Entscheidung gegen diese Versorgungstechnik – durchgeführt werden. Je mehr der operative Zugangswinkel vom Facettengelenkwinkel abweicht, desto größer können die Schwierigkeiten bei der Präparation des Gelenkspaltes wie auch bei der Implantation aufgrund der fehlenden Konvergenz werden.
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Bei der Wahl der Implantatgröße sollte die kleinstmögliche Dicke, die noch ausreichend Halt gewährleistet, verwendet werden. Zum einen vermeidet man hierdurch eine Facettengelenkfraktur beim Einschlagen, und zum anderen minimiert man den kyphosierenden Effekt dieser posterioren Stabilisierung.
Postoperative Behandlung
Thromboseprophylaxe mit fraktioniertem Heparin bis zur vollständigen Mobilisation
Frühmobilisation am 1. postoperativen Tag ohne Einschränkungen von Sitzen, Gehen und Stehen
Stabilisierende Rumpforthese je nach Art des Eingriffes und additiver dorsaler Versorgung bis zu 12 Wochen
24-stündige antibiotische Abdeckung (z. B. Cefuroxim 1,5 g i.v. alle 6 h)
Primärer Pflasterverband für 48 h postoperativ, dann je nach Befund
Röntgenkontrolle in 2 Ebenen bei entsprechender Mobilisation im Stehen postoperativ sowie nach 3 und 12 Monaten
Die Arbeitsfähigkeit ist je nach beruflicher Belastung und individuellem Heilverlauf nach 6 bis 12 Wochen in der Regel wieder gegeben.
Fehler, Gefahren, Komplikationen
Fraktur eines Processus articularis: Sollte es bei der Präparation bzw. beim Einschlagen des Implantates zur Fraktur kommen, muss ein alternatives Stabilisierungsverfahren gewählt werden (Pedikelschrauben-Stab-System). Die kontralaterale Seite kann natürlich weiterhin mit Facet Wedge stabilisiert werden.
Schrauben lassen sich nicht in der Abschlussplatte versenken: Sollte die Schraube nicht in der entsprechenden Winkelung in das Implantat eingebracht werden, steht der Schraubenkopf über, und die winkelstabile Verankerung ist nicht gewährleistet. Dies kann lediglich bei falsch konnektiertem Implantathalter passieren. Die Schraube ist zu entfernen, der Halter erneut aufzusetzen und nach einem erneuten Ahl-Vorgang die Schraube in dem passenden Winkel zu platzieren.
Der Eintrittspunkt bzw. der Gelenkspalt ist nicht auffindbar: Bei ausgeprägten osteophytären Anbauten kann es zu einer kompletten Überlagerung mit dem dorsalen Gelenkspalt kommen. Über eine schrittweise Resektion der Osteophyten und ggf. eine fluoroskopische Kontrolle kann der Gelenkspalt zur Darstellung kommen. Sollte dieser nicht aufzufinden sein (ggf. auch aufgrund einer spontanen Fusion), ist ebenso ein alternatives Verfahren zu wählen.
Im Verlauf kommt es zu einer sekundären Gelenkfortsatzfraktur bzw. zu einer Implantatdislokation: Sollte es sekundär zu einer Implantatlockerung aufgrund einer Pseudarthrose mit Dislokation des Implantats oder einer Facettengelenkfraktur kommen, ist bei entsprechenden klinischen Beschwerden die Indikation zur Revision auf ein Schrauben-Stab-System mit Entfernung des Implantates gegeben. Als Ursache für eine sekundäre Fraktur des Gelenkfortsatzes ist neben der Pseudarthrose auch die Wahl eines zu dicken Implantates mit Entlordosierungstendenz zu diskutieren. Die Wahl der Implantatdicke sollte immer auf die kleinstmögliche, aber mit initial sattem Halt fallen.
Ergebnisse
Im Rahmen einer prospektiven nicht randomisierten Studie wurden 27 Patienten (9 männlich und 18 weiblich) im Zeitraum vom 02/2015 bis 09/2017 nach schriftlichem Einverständnis der Patienten konsekutiv erfasst. Das Durchschnittsalter betrug 51,2 Jahre (30 bis 76 Jahre), der Body-Mass-Index durchschnittlich 27. Die Fusionslevel erstreckten sich im Bereich von L1/2 bis L5/S1. In 25 Fällen wurde eine 1‑Level-Fusion und in 2 Fällen eine 2‑Level-Fusion durchgeführt. In 23 Fällen wurde ein ventrodorsales Vorgehen und in 4 Fällen ein rein dorsales Vorgehen inklusive Cageinterposition durchgeführt. Bei einem Follow-up von 2 Jahren wurden prä- und 24 Monate postoperativ jeweils der Oswestry-Score sowie die visuelle Analogskala (VAS) für Rückenschmerzen erhoben.
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Im Oswestry-Score zeigt sich eine signifikante Verbesserung von präoperativ 40,6 % auf 16,6 % 24 Monate postoperativ. Einen ähnlichen Verlauf zeigte die VAS-Rückenschmerz.
Hier verbesserte sich der Wert von präoperativ 6,7 im Durchschnitt auf 2,1 im 2‑Jahres-Follow-up. Im Rahmen dieses Beobachtungszeitraumes wurden 2 implantatspezifische Komplikationen beobachtet. Ein Facet Wedge musste aufgrund einer Fehlpositionierung mit frühzeitiger Lockerung revidiert werden. In einem weiteren Fall kam es zu einem Korrekturverlust bei einer präoperativ bestehenden erstgradigen Spondylolisthese. In beiden Fällen wurde eine Revision mit Entfernung des Facet Wedge und Neuinstrumentation mit einem dorsalen Schrauben-Stab-System durchgeführt.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
C. Mehren, D. Sauer, C. Würtinger und A. Korge geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts, über die Patienten zu identifizieren sind, liegt von ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern eine schriftliche Einwilligung vor.
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