Erschienen in:
05.05.2017 | Begutachtung | Begutachtung
Begutachtung des leichten Schädel-Hirn-Traumas
Welche unfallchirurgischen Informationen benötigt der Gutachter?
verfasst von:
Prof. Dr. P. Marx
Erschienen in:
Trauma und Berufskrankheit
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Ausgabe 4/2017
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Zusammenfassung
Die frühere Annahme, leichte Schädel-Hirn-Traumen (SHT) heilen folgenfrei ab, hat sich als falsch herausgestellt, da sich bei 15–30 % der Betroffenen hirnorganische Folgen mit bleibenden kognitiven und/oder emotionalen Störungen nachweisen lassen. Ursache ist meist eine traumatisch bedingte axonale Läsion. Die einfache Bestimmung des GCS (Glasgow Coma Scale) ist für gutachtliche Fragestellungen völlig unzureichend. Entscheidende Hinweise ergeben sich aus der Verlaufsdokumentation von quantitativen (Benommenheit, Somnolenz, Sopor, Koma) und qualitativen (delirante Syndrome mit Orientierungsstörungen, Verwirrtheit, Halluzinationen, ängstlichen Verkennungen, Unruhe, Agitiertheit, Aggressivität und/oder Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus, aber auch auffällige Passivität und emotionale Instabilität) Bewusstseinsstörungen. Die Dokumentation derartiger Störungen und ihrer Dauer gehört zur Sorgfaltspflicht einer unfallchirurgischen Versorgung. Zudem sollte eine neurologische Untersuchung in der Frühphase obligat sein. Bildgebend ist die Magnetresonanztomographie mit T1, T2, Flair und insbesondere diffusionsgewichteter Bildgebung der Computertomographie hoch überlegen. Mikroblutungen als Ausdruck einer axonalen Läsion können über viele Jahre mit T2*- oder Suszeptibilitätssequenzen nachgewiesen werden. Positronenemissionstomographie, Single-Photon-Emissionstomographie, „functional magnetic resonance imaging“, „diffusion tensor imaging“ und Biomarker sind gutachtlich bisher nicht ausreichend validiert. Die Anforderungen an ein neurologisches Gutachten entsprechen denen anderer Fachgebiete, müssen aber neben den allgemeinen Gutachtenregeln zusätzlich psychiatrische und neurokognitive Aspekte berücksichtigen, die hier nur erwähnt werden können. Die Darstellungen werden durch eine illustrative Kasuistik ergänzt.