Einleitung
Nach neuen Schätzungen sind in Deutschland 1,5–1,9 Mio. Menschen abhängig von Arzneimitteln, insbesondere – neben Benzodiazepinen und Z‑Substanzen – von opioidhaltigen Schmerzmitteln [
4]. Annähernd 17 % der deutschen Erwachsenen leiden an chronischen Schmerzen unterschiedlicher Arten [
11]. Als chronisch werden Schmerzen dann eingestuft, wenn sie wiederkehrend sind (z. B. bei Migräne und Neuralgien) oder seit mindestens 6 Monaten bestehen. In Form des Schmerzsyndroms können chronische Schmerzen eine eigenständige Erkrankung darstellen. Außerdem hängt eine Chronifizierung von Schmerzen häufig auch mit der psychischen Konstitution der Patient:innen zusammen [
17].
Personen, die unter chronischen Schmerzen leiden, sind in ihrem Alltag häufig stark eingeschränkt und werden oft nur unzureichend behandelt. Dies hat wiederum gravierend negative Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Lebensqualität der Betroffenen [
14]. Neben der Prävention scheint eine multimodale Schmerztherapie im Sinne eines integrativen gesundheitsförderlichen Programms die effektivste Behandlungsmethode chronischer Schmerzen zu sein [
1].
Das Therapieverfahren EMDR („eye movement desensitization and reprocessing“) wurde von der US-Psychologin und Literaturwissenschaftlerin Francine Shapiro entdeckt und zunächst zur Behandlung posttraumatischer Belastungsstörungen eingesetzt. EMDR kann ins Deutsche mit „Desensibilisierung und Neuverarbeitung durch Augenbewegung“ übersetzt werden [
22]. Verschiedene Studien weisen nun auf die Wirksamkeit von EMDR zur Therapie chronischer Schmerzen hin. Im Rahmen gesundheitsförderlicher, nichtpharmakologischer Interventionen stellt sich deshalb die Frage, ob die Lebensqualität von Patient:innen mit chronischen Schmerzen verbessert werden kann, wenn diese mit EMDR behandelt werden.
Hintergrund
Die Fähigkeit zur Schmerzwahrnehmung ist aus biologischer und entwicklungsgeschichtlicher Perspektive ein überlebenswichtiges System. Potenzielle Gewebeschädigungen werden dem Gehirn innerhalb von Millisekunden gemeldet, so dass Gefahren für den Organismus abgewehrt oder verringert werden können. Dieser akute Schmerz ist zeitlich begrenzt sowie im Normalfall auf eine Ursache oder Erkrankung und deren zeitlichen Verlauf zurückzuführen. Somit ist auch eine wirksame Behandlung der Schmerzen möglich und stellt daher keine größere Belastung für den/die Patient:in dar. Chronischem Schmerz hingegen liegen pathophysiologische und plastische Veränderungen zugrunde, die das Nervensystem sensibilisieren. Aufgrund von Fehlreaktionen des Nervensystems kann sich aus dem Schmerz als Krankheitssymptom eine eigenständige Schmerzkrankheit herausbilden. Solche dauerhaften Umstrukturierungen im Gehirn und Nervensystem werden auch unter dem Begriff „Schmerzgedächtnis“ zusammengefasst. Aus dem chronischen Schmerz folgen körperliche und psychosoziale Verhaltensweisen, die ebenfalls zur Chronifizierung beitragen oder diese verstärken können. Das Wohlbefinden und die Lebensqualität der Personen werden mehr oder weniger stark beschnitten, woraufhin Folgekrankheiten wie Depression und Angsterkrankungen entstehen können, die wiederum verstärkend auf das Schmerzerleben einwirken können [
23].
Der Begriff der Lebensqualität beinhaltet persönliche, politische und ökonomische Dimensionen und ist deshalb sehr breit definiert. Die gesundheitsbezogene Lebensqualität lehnt sich im Wesentlichen an die WHO-Definition von Gesundheit an, die in der Präambel der WHO-Verfassung festgelegt wurde und beinhaltet, dass Gesundheit ein Zustand des völligen physischen, psychisch-kognitiven und sozialen Wohlbefindens ist [
21]. Die gesundheitsbezogene Lebensqualität umfasst somit das subjektive Wohlbefinden in verschiedenen Lebensbereichen [
16]. Nicht mehr nur die Erkrankung, sondern das Individuum in seiner persönlichen und spezifischen Lebenswelt mit ihren biologischen, psychologischen und sozialen Auswirkungen auf Lebensqualität und Wohlbefinden steht im Mittelpunkt der Betrachtung [
8].
Wie bereits dargestellt haben chronische Schmerzen jedoch erheblichen Einfluss auf die Lebensqualität und das Wohlbefinden der betroffenen Personen sowie auf deren gesamte Lebenswelt. Präventionsmaßnahmen sind bisher v. a. auf die Verringerung und Vermeidung muskuloskelettaler Schmerzen ausgerichtet, andere Schmerzarten und Schmerzstörungen finden wenig Beachtung [
12].
Die multimodale Schmerztherapie verfolgt nun zum einen den Ansatz, nicht nur Symptome zu behandeln, sondern auch Hintergründe für den Schmerz zu eruieren. Zum anderen werden verschiedene Therapieelemente patientenindividuell kombiniert und bei Bedarf angepasst. Ziel vieler Maßnahmen ist es auch, die Selbstwirksamkeit und das Kohärenzgefühl der Betroffenen zu stärken, sie aus ihrer Passivität heraus zu holen und aktiv an ihrer Behandlung zu beteiligen [
3,
5].
EMDR
Auch EMDR als Therapiemethode folgt aufgrund ihrer unspezifischen begleitenden Effekte – beispielsweise auf die Stärkung des Kohärenzgefühls, der Partizipation an der Behandlung oder auf die Ressourcenaktivierung – dem salutogenetischen Ansatz [
18]. Die kürzlich verstorbene US-amerikanische Psychologin Francine Shapiro entdeckte die salutogenen Effekte der bilateralen Stimulation durch synchronisierende Augenbewegungen zufällig im Jahr 1987 während eines Spaziergangs und entwickelte es zu einem umfassenden Modell der Informationsverarbeitung zwischen beiden Hemisphären. Ein wichtiges Prinzip für die Behandlung mit EMDR geht davon aus, dass in allen Menschen ein physiologisches System angelegt ist, das dazu dient, eintreffende Informationen adäquat zu verarbeiten, um den Zustand geistiger Gesundheit aufrechtzuerhalten oder wieder zu erreichen. Dies beinhaltet, dass Lernprozesse stattfinden und auch mit dem Erlebnis verbundene potenziell negative Gefühle aufgelöst werden können, weil Informationen des Ereignisses so integriert werden, dass sie zukünftig ohne größere negative Gefühle abgerufen werden können. Dieses System kann durch Traumata oder extremen Stress gestört sein, aber seine Funktion kann mithilfe von EMDR korrigiert und normalisiert werden. Somit sind die Desensibilisierung und kognitive Restrukturierung Nebenprodukte des Prozesses der Adaption, die das vorrangige Ziel der Behandlung darstellt und maßgeblich auf neurophysiologischer Ebene stattfinden soll. Shapiro bezeichnet dieses Konzept der Verarbeitung von Informationen als „Modell beschleunigter Informationsverarbeitung“ („accelerated information processing model“, AIP). Dieses Modell bietet die Möglichkeit, die Wirkweise der EMDR-Behandlung nachzuvollziehen und allgemeingültige Aussagen über eine Erfolg versprechende Anwendung der Methode zu treffen. Die Annahme, dass im Gehirn ein eigenes Informationsverarbeitungssystem existiere, führte zum „Konzept der Erinnerungsnetzwerke“ [
18]. Vereinfacht stellt ein Erinnerungsnetzwerk ein „assoziatives System von Informationen“ dar [
18]. Dies ist als ein System von „Kanälen im Gehirn“ vorstellbar, in denen miteinander verwandte Erinnerungen, Gedanken, Bilder, Gefühle und Empfindungen abgespeichert und auf assoziative Weise miteinander verknüpft sind. Die Behandlung mit EMDR scheint ebenfalls die Existenz solcher Erinnerungsnetzwerke durch die Fokussierung auf eine bestimmte Erinnerung oder ein spezifisches Erlebnis mit den damit verbundenen körperlichen Empfindungen und Gedanken zu bestätigen. Bei erlebten Traumata wird die Information genau in der Art abgespeichert, wie sie erlebt wurde, ohne das Informationsverarbeitungssystem zu durchlaufen. Die Information ist so eingefroren, wie sie zur Zeit des Geschehens erlernt und gespeichert wurde. Durch EMDR kann diese mit negativen Gefühlen und Schmerz einhergehende eingefrorene Erinnerung der Theorie nach aufgelöst werden [
18]. In der letzten Zeit wird der Einsatz von EMDR aber auch außerhalb der Traumatherapie zunehmend für die nichtpharmakologische Behandlung chronischer Schmerzen diskutiert.
EMDR und chronischer Schmerz
Die zunehmende Sensibilisierung für die Bedeutsamkeit emotionaler Faktoren bei chronischen Schmerzen sowie die neurobiologische Forschung zu emotionalen Aspekten von Schmerzwahrnehmung hat eine große Bedeutung dafür, wie chronische Schmerzleiden erfolgreicher behandelt werden können [
10].
Neuere Studien zeigen, dass während des Prozesses der Chronifizierung von Schmerzen im Gehirn eine Verschiebung im Sinne der Neuroplastizität stattfinden kann. Die Gehirnregionen, die ursprünglich den Schmerz verarbeiten, sind nicht mehr aktiv, der Schmerz wird in die Emotionsnetzwerke des Gehirns verlagert, wodurch er chronifiziert [
22]. Dieser „emotional shift“ scheint dafür verantwortlich zu sein, dass sich Schmerz im Gedächtnis „festsetzen“ kann [
19]. Bisher ist der Wirkmechanismus der EMDR-Methode noch nicht vollständig geklärt, jedoch scheint diesem ein bestimmter neurobiologischer Mechanismus im Zusammenhang mit der Zusammenarbeit der beiden Hemisphären des Gehirns zugrunde zu liegen (Lateralisation). Neuere Untersuchungen belegen, dass die duale Aufmerksamkeitsfokussierung auf das zu bearbeitende Thema und auf die Augenbewegungen eine eigene Bedeutung für den positiven Effekt hat. In jedem Fall beinhaltet die Therapiemethode auch viele schmerztherapeutische, der EMDR-Methode nicht eindeutig zuzuordnende, aber eindeutig salutogenetisch orientierte Interventionskomponenten wie Psychoedukation, Ressourcenaktivierung und Steigerung der Selbstwirksamkeit. Auch deshalb findet die Behandlung mit EMDR zunehmend bei chronischen Schmerzpatient:innen als gesundheitsförderliche Maßnahme Anwendung [
19].
Methodik
Studiendesign und Datenerhebung
Als Studiendesign wurde eine explorative, kontrollierte Interventionsstudie mit Prä-post-Vergleich (t0 und t1) festgelegt. Zur Gewinnung von Daten zur Beantwortung der wissenschaftlichen Fragestellung, ob sich die Lebensqualität von Patient:innen mit chronischen Schmerzen durch die Behandlung mit EMDR verbessert, wurde eine quantitative Erhebung mittels drei valider Fragebögen – Subskalen des DSF (charakteristische Schmerzintensität, Marburger Fragebogen zum habituellen Wohlbefinden MFHW, Screening auf Angst, Depressivität und Stressbelastung; [
3]), dem Pain Disability Index (PDI; [
5]) sowie dem WHOQOL-BREF [
2] – zu zwei MZP durchgeführt.
Die Gesamtstichprobe bestand aus 30 Personen, die jeweils zur Hälfte der Interventions- und der Kontrollgruppe angehörten. Alle Probanden litten unter chronischen Schmerzen, weitere Ein- oder Ausschlusskriterien lagen nicht vor. Der Rekrutierungsprozess erfolgte für die Interventionsgruppe (IG) über die Kontaktaufnahme mit EMDR-Therapeut:innen in ganz Deutschland. Die Kontrollgruppe (KG) wurde durch die Kontaktaufnahme mit Selbsthilfegruppen für chronische Schmerzpatient:innen akquiriert. Die Datenerhebung erfolgte zwischen August und November 2020 im Paper-pencil-Format zum ersten MZP (t0) sowie erneut nach 8 Wochen (t1). Während der 8 Wochen startete die EMDR-Therapie zur Behandlung der chronischen Schmerzen bei den Personen der IG.
Außerdem wurde die Intervention ausschließlich von zertifizierten EMDR-Therapeut:innen nach eingängiger Indikationsstellung durchgeführt. Die Anzahl sowie Dauer der Sitzungen legten die jeweiligen Therapeut:innen individuell mit den Studienteilnehmer:innen fest. Die KG erhielt keine Intervention. Mit der Ausgabe der Fragebögen wurde jedem Studienteilnehmenden eine auf Grundlage der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) erstellte, auf die Datenerhebung angepasste und von der Verfasserin unterzeichnete Datenschutzerklärung ausgehändigt [
7]. Eine Einwilligungserklärung der Studienteilnehmenden erfolgte mit Ausfüllen der Fragebögen zu beiden MZP.
Das Forschungsvorhaben wurde von der Ethikkommission der Hochschule Coburg, bei der im Juni 2020 ein Ethikantrag eingereicht wurde, befürwortet.
Statistische Analysen
Das Ziel der statistischen Analysen bestand darin, Hypothesen bzgl. der Verbesserung der Lebensqualität und Wirksamkeit der Intervention zu prüfen.
Nach manueller Kodierung der Antworten wurden diese anhand der Auswertungsvorgaben der jeweiligen Fragebögen mit der statistischen Analysesoftware SPSS® für Windows (Version 28.0.0.0, IBM, 2021, Armonk, NY, USA) per Syntax ausgewertet und analysiert. Alle Datensätze konnten in die Analyse einfließen, fehlende Werte wurden auf Grundlage der Auswertungsvorgaben der jeweiligen Fragebögen behandelt [
2,
5,
15]. Bei den Fragebögen PDI und WHOQOL-BREF bestand allerdings nicht die Problematik fehlender Werte.
Für die Auswahl der unterschiedlichen statistischen Testverfahren, deren Ergebnisse im Folgenden berichtet werden, wurden die Ergebnisse der Kolmogorov-Smirnov-Tests auf Normalverteilung (n < 50), die jeweils für beide Gruppen getrennt voneinander durchgeführt wurden, zugrunde gelegt. Bei normalverteilten Parametern wurden Varianzanalysen mit Messwiederholung, für abhängige Stichproben für nicht-normalverteilte Variablen Wilcoxon-Tests durchgeführt. Aufgrund des explorativen Charakters und der damit verbundenen kleinen Stichprobengröße dieser Pilotstudie wurden bei den Varianzanalysen mit Messwiederholung nur Tendenzen, aber keine Signifikanzen gefunden. Eine Power-Berechnung mittels der Software G*Power legte nahe, dass der Stichprobenumfang hierfür zu klein war. So lag die statistische Power bzgl. der Zwischensubjektfaktoren der ANOVA mit Messwiederholung bei 33 % und bzgl. der Innersubjektfaktoren sowie der Zwischen- und Innersubjektinteraktionen bei 75 %. Die Effektstärken des Unterschiedes beider MZP in beiden Gruppen wurden deswegen zusätzlich deskriptiv verglichen. Hierzu wurde jeweils die Intragruppeneffektstärke d nach Cohens auf Grundlage der gepoolten Standardabweichung (SD) berechnet. Lineare Zusammenhänge für nicht-normalverteilte Variablen wurden anhand der Rangkorrelationsanalyse nach Spearman berechnet, während bei normalverteilten Parametern die Korrelation nach Pearson bestimmt wurde.
Das Signifikanzniveau wurde aufgrund des explorativen Studiencharakters auf p < 0,05 und das Konfidenzintervall bei 95 % festgelegt.
Ergebnisse
Beschreibung der Stichprobe (Tab. 1)
Die Gesamtstichprobe umfasste 30 Personen mit chronischen Schmerzen. Sowohl die Interventions- als auch die Kontrollgruppe bestand aus 15 Personen. Die Studienteilnehmenden waren zu 76,7 % weiblich (23 Frauen) und zu 23,3 % männlich (7 Männer). Der Altersmedian lag bei 56,5 Jahren (Minimum [Min] 27, Maximum [Max] 78). Die Mehrheit der Stichprobe war verheiratet 66,7 % (20 Personen [P.]), 13,3 % (4 P.) lebten allein. Jeweils 6,7 % (2 P.) waren verwitwet oder lebten mit einem/r Partner:in zusammen, während jeweils 3,3 % (1 P.) getrennt lebten oder geschieden waren. Der höchste Schulabschluss bestand bei 36,7 % (11 P.) aus der Mittleren Reife, jeweils 20 % (6 P.) hatten einen Hauptschulabschluss oder die Fachhochschulreife erworben. Das Abitur oder einen Fachhochschulabschluss hatten jeweils 10 % (3 P.), während 3,3 % (1 P.) postgraduiert waren. Die Gruppen waren aufgrund ihrer soziodemographischen Merkmale miteinander vergleichbar.
Tab. 1
Charakteristika der Stichprobe. (Eigene Darstellung)
Geschlecht | 73,3 % weiblich 26,7 % männlich | 80,0 % weiblich 20,0 % männlich |
Alter | 53,0 Jahre (Md) 27 (Min) bis 73 (Max) Jahre | 62,0 Jahre (Md) 32 (Min) bis 78 (Max) Jahre |
Familienstand | 6,7 % alleinlebend 6,7 % mit Partner 6,7 % getrennt lebend 80,0 % verheiratet | 6,7 % mit Partner 6,7 % geschieden 13,3 % verwitwet 20,0 % alleinlebend 53,3 % verheiratet |
Höchster Bildungsabschluss | 6,7 % Hauptschulabschluss 6,7 % Fachhochschulabschluss 6,7 % postgraduiert 13,3 % Abitur 33,3 % Mittlere Reife 33,3 % Fachhochschulreife | 6,7 % Fachhochschulreife 6,7 % Abitur 13,3 % Fachhochschulabschluss 33,3 % Hauptschulabschluss 40,0 % Mittlere Reife |
Deutscher Schmerzfragebogen (DSF; Tab. 2)
Der Wilcoxon-Test für verbundene Stichproben bei nicht-normalverteilten Variablen bezüglich der charakteristischen Schmerzintensität zeigte, dass innerhalb der IG ein signifikanter Unterschied zwischen beiden MZP bestand (z = −2;
p = 0,05;
n = 15; [
15]). Dies entsprach mit einem Korrelationskoeffizienten von r = 0,52 einem starken Effekt. Während also zum ersten Messzeitpunkt (MZP) noch 14 von 15 P. der IG eine hohe Schmerzintensität angaben, verringerte sich die Anzahl der Personen zum zweiten MZP auf 10 von 15 P. mit einer hohen Schmerzintensität. Für die KG zeigte sich kein signifikanter Unterschied.
Tab. 2
Ergebnisse des Deutscher Schmerzfragebogen (DSF) und Pain Disability Index (PDI) im Prä-post-Vergleich. (Eigene Darstellung)
DSF |
Charakteristische Schmerzintensität t0 | Md = 2 | 0,26 | Wilcoxon: z = −2; p = 0,015* (n = 15) | CC: r = 0,52 | Md = 2 | 0,46 | Wilcoxon: z = −1,41; p = 0,16 (n = 15) | – |
Charakteristische Schmerzintensität t1 | Md = 2 | 0,49 | Md = 2 | 0,35 |
Allgemeines Wohlbefinden t0 | MW = 9,21 | 6,33 | ANOVA mit Mwdh.: Faktor „MZP“ der Innersubjekteffekte F (1, 27) = 7,27; p = 0,01 (n = 29) | η2 = 0,21 (≙ Cohens f = 0,52) | MW = 14,93 | 7,86 | Siehe IG | Siehe IG |
Allgemeines Wohlbefinden t1 | MW = 13,86 | 8,13 | MW = 15,80 | 8,20 |
– | Gepoolte SD = 7,29 Cohens d = 0,64 | Gepoolte SD = 8,03 Cohens d = 0,11 |
Screening Stressbelastung (DSF) t0 | Md = 1 | 0,46 | Wilcoxon: z = 0; p = 1 (n = 15) | – | Md = 1 | 0,53 | Wilcoxon: z = 0; p = 1 (n = 15) | – |
Screening Stressbelastung (DSF) t1 | Md = 1 | 0,46 | Md = 1 | 0,53 |
Screening Depressivität (DSF) t0 | Md = 1 | 0,49 | Wilcoxon: z = −2,24; p = 0,03* (n = 15) | CC: r = 0,58 | Md = 0 | 0,52 | Wilcoxon: z = −0,58; p = 0,56 (n = 15) | – |
Screening Depressivität (DSF) t1 | Md = 0 | 0,49 | Md = 0 | 0,51 |
Screening Angst (DSF) t0 | Md = 1 | 0,49 | Wilcoxon: z = −2; p = 0,05* (n = 15) | CC: r = 0,52 | Md = 0 | 0,51 | Wilcoxon: z = −0,58; p = 0,56 (n = 15) | – |
Screening Angst (DSF) t1 | Md = 0 | 0,51 | Md = 0 | 0,49 |
PDI |
PDI Level t0 | Md = 0,5 | 0,52 | Wilcoxon: z = 0; p = 1 (n = 12) | – | Md = 0 | 0,51 | Wilcoxon: z = 0; p = 1 (n = 12) | – |
PDI Level t1 | Md = 0,5 | 0,52 | Md = 0,50 | 0,52 |
PDI Prozentrang zur Behinderungseinschätzung t0 | Md = 45,00 | 29,12 | Wilcoxon: z = −0,17; p = 0,87 (n = 12) | – | Md = 35,00 | 24,29 | Wilcoxon: z = −1,10; p = 0,27 (n = 12) | – |
PDI Prozentrang zur Behinderungseinschätzung t1 | Md = 40,00 | 37,01 | Md = 50,00 | 29,6 |
Weiterhin zeigte eine Varianzanalyse (ANOVA) mit Messwiederholung, dass sich das allgemeine Wohlbefinden (MFHW; [
15]) signifikant für den Faktor (MZP) der Innersubjekteffekte (F [1,27] = 7,27;
p = 0,01; [
15]), verbunden mit einer großen Effektstärke (η
2 = 0,21 [≙ Cohens f = 0,52]) unterschied (Tab.
2). Es fanden sich innerhalb der Personen signifikante Unterschiede zwischen beiden MZP, die aber keinen signifikanten Unterschied in Bezug auf die Gruppenzugehörigkeit und den MZP auswiesen. Ein deskriptiver Vergleich der Effektstärken bzgl. des MZP beider Gruppen legt aber nahe, dass die signifikanten Unterschiede bzgl. des MZP der ANOVA in der IG lagen (IG: Cohens d = 0,64; KG: Cohens d = 0,11). Das allgemeine Wohlbefinden hat sich innerhalb der IG von t0 zu t1 also signifikant verbessert.
Im Screening auf Angst, Depressivität und Stressbelastung [
15] veränderte sich in keiner Gruppe die erhöhte Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer erhöhten Stressbelastung. Hinsichtlich des Screenings auf Depressivität zeigte sich in der IG ein signifikanter Unterschied zwischen den beiden MZP. Während vor Interventionsbeginn zehn von 15 P. der IG eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer ausgeprägten Belastung durch eine depressive Störung zeigten, lag die erhöhte Wahrscheinlichkeit zum zweiten MZP nur noch bei fünf von 15 P. der IG vor. Der Wilcoxon-Test wies diesen Unterschied als signifikant aus (z = −2,24;
p = 0,03;
n = 15) und zeigte mit einem Korrelationskoeffizienten von r = 0,58 einen starken Effekt. Ebenso für das Screening auf Angst zeigte sich in der IG ein signifikanter Unterschied zwischen beiden MZP. Vor Interventionsbeginn lag wiederum bei 10 von 15 P. eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer ausgeprägten Belastung durch eine Angststörung vor, während zum zweiten MZP nur noch 6 von 15 P. eine erhöhte Wahrscheinlichkeit hierfür zeigten. Auch hier war der Unterschied nach Wilcoxon signifikant (z = −2;
p = 0,05;
n = 15). Dies entsprach aufgrund des Korrelationskoeffizienten r = 0,52 ebenfalls einem starken Effekt. Für die KG ließen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden MZP bzgl. der Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer ausgeprägten Belastung durch eine depressive Störung oder Angststörung nachweisen.
Subjektive Behinderungseinschätzung bei chronischen Schmerzpatient:innen (PDI; Tab. 2)
Bei der Auswertung des PDI zeigten sich für beide Gruppen keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden MZP.
Erfassung der subjektiven Lebensqualität (WHOQOL-BREF; Tab. 3)
Hinsichtlich der Domäne 1 „Physisches Wohlbefinden“ des WHOQOL-BREF ergab eine ANOVA mit Messwiederholung einen signifikanten Unterschied der Innersubjekteffekte für den Faktor „Gruppe“ unter Berücksichtigung des MZP (F [1, 28] = 6,25;
p = 0,02). Dies entsprach nach Cohen einem starken Effekt mit η
2 = 0,18 (≙ Cohens f = 0,47). Die Lebensqualität im Bereich des physischen Wohlbefindens verbesserte sich in der IG zwischen beiden MZP, während sie sich in der KG verschlechterte.
Tab. 3
Ergebnisse des WHOQOL-BREF (WHO Quality of Life-Kurzversion) im Prä-post-Vergleich. (Eigene Darstellung)
Domäne 1: Physisches Wohlbefinden |
Physisches Wohlbefinden t0 | MW = 48,65 | 16,91 | ANOVA mit Mwdh: Faktor „Gruppe“ unter Berücksichtigung des MZP: F (1, 28) = 6,25; p = 0,02* (n = 30) | η2 = 0,18 (≙ Cohens f = 0,47) | MW = 52,86 | 13,98 | Siehe IG | Siehe IG |
Physisches Wohlbefinden t1 | MW = 55,24 | 21,59 | MW = 47,42 | 14,83 |
Domäne 2: Psychisches Wohlbefinden |
Psychisches Wohlbefinden t0 | MW = 40,56 | 18,86 | ANOVA mit Mwdh.: Faktor „MZP“ der Innersubjekteffekte: F (1, 28) = 5,32; p = 0,03* (n = 30) | η2 = 0,21 (≙ Cohens f = 0,52) | MW = 52,50 | 16,87 | Siehe IG | Siehe IG |
Psychisches Wohlbefinden t1 | MW = 50,44 | 21,60 | MW = 55,00 | 18,65 |
– | Gepoolte SD = 20,28 Cohens d = 0,49 | Gepoolte SD = 17,78 Cohens d = 0,14 |
Domäne 3: Soziale Beziehungen |
Soziale Beziehungen t0 | Md = 58,33 | 18,31 | Wilcoxon: z = −0,21; p = 0,83 (n = 15) | – | Md = 58,33 | 19,85 | Wilcoxon: z = −0,56; p = 0,58 (n = 15) | – |
Soziale Beziehungen t1 | Md = 58,33 | 26,17 | Md = 50,00 | 18,54 |
Domäne 4: Umweltbedingungen |
Umweltbedingungen t0 | Md = 75,00 | 17,42 | Wilcoxon: z = −0,15; p = 0,88 (n = 15) | – | Md = 71,88 | 13,87 | Wilcoxon: z = −1,09; p = 0,28 (n = 15) | – |
Umweltbedingungen t1 | Md = 78,13 | 16,36 | Md = 65,63 | 16,36 |
Domäne globale Lebensqualität |
Globallebensqualität t0 | MW = 28,33 | 20,30 | ANOVA mit Mwdh: Faktor „Gruppe“ unter Berücksichtigung des MZP: F (1, 28) = 7,88; p = 0,01* (n = 30) | η2 = 0,22 (≙ Cohens f = 0,53) | MW = 50,00 | 20,59 | Siehe IG | Siehe IG |
Globallebensqualität t1 | MW = 40,83 | 20,85 | MW = 47,50 | 20,70 |
Auch für die Domäne 2 „Psychisches Wohlbefinden“ des WHOQOL-BREF zeigte die ANOVA mit Messwiederholung, dass bzgl. der Innersubjektfaktoren die Veränderung des Maßes an psychischem Wohlbefinden mit dem MZP zusammenhing (F [1, 28] = 5,32; p = 0,03; n = 15). Die Effektstärke nach Cohen lag bei η2 = 0,21 (≙ Cohens f = 0,52) und entsprach einem starken Effekt. Ein deskriptiver Vergleich der Effektstärken bzgl. des MZP beider Gruppen legte nahe, dass die signifikanten Unterschiede bzgl. des MZP der ANOVA in der IG lagen (IG: Cohens d = 0,49; KG: Cohens d = 0,14). Das psychische Wohlbefinden hat sich innerhalb der IG von t0 zu t1 also signifikant verbessert.
Die Domänen 3 „Soziale Beziehungen“ und 4 „Umweltbedingungen“ wiesen keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Gruppen und MZP auf.
Für die Domäne der globalen Lebensqualität des WHOQOL-Bref wiederum zeigte eine ANOVA mit Messwiederholung, dass ein signifikanter Unterschied der Innersubjekteffekte für den Faktor „Gruppe“ unter Berücksichtigung des MZP (F [1, 28] = 7,88; p = 0,01) vorlag. Dies entsprach nach Cohen einem starken Effekt (η2 = 0,22 [≙ Cohens f = 0,53]). Die Lebensqualität im Bereich der globalen Lebensqualität verbesserte sich also in der IG zwischen den beiden MZP, während sie in der KG fast gleichblieb.
Korrelationen (Tab. 4)
Die globale Lebensqualität korrelierte in der IG zum zweiten MZP signifikant mit der charakteristischen Schmerzintensität. Das negative Vorzeichen des Korrelationskoeffizienten ließ erkennen, dass es sich hierbei um einen sehr starken negativen Zusammenhang der beiden Variablen handelte. Dies bedeutete, dass höhere Werte der Lebensqualität mit niedrigeren Werten der charakteristischen Schmerzstärke einhergingen.
Tab. 4
Korrelationen zwischen der Globallebensqualität und dem Prozentrang zur Behinderungseinschätzung. (Eigene Darstellung)
GLQ t0 und charakteristische Schmerzintensität t0 | −0,26 | 0,35 | −0,20 | 0,47 |
GLQ t1 und charakteristische Schmerzintensität t1 | −0,75 | 0,001* | −0,28 | 0,33 |
GLQ t0 und Prozentrang zur Behinderungseinschätzung t0 | −0,71 | 0,004* | −0,77 | 0,004* |
GLQ t1 und Prozentrang zur Behinderungseinschätzung t1 | −0,81 | 0,002* | −0,74 | 0,002* |
GLQ t0 und Schweregrad nach v. Korff t0 | −0,69 | 0,004* | −0,16 | 0,56 |
GLQ t1 und Schweregrad nach v. Korff t1 | −0,79 | < 0,001* | −0,42 | 0,16 |
GLQ t0 + Screening auf Depressivität t0 | −0,58 | 0,03* | −0,6 | 0,02* |
GLQ t1 + Screening auf Depressivität t1 | −0,52 | 0,05* | −0,42 | 0,12 |
Auch korrelierte die Globallebensqualität signifikant mit dem Prozentrang zur Behinderungseinschätzung in beiden Gruppen und zu beiden MZP. Die negativen Vorzeichen der Korrelationskoeffizienten ließen auch hier erkennen, dass es sich nicht um gleichsinnige Beziehungen der jeweils beiden Variablen handelte und sehr starke negative Zusammenhänge bestanden. Dies bedeutete, dass höhere Werte der Lebensqualität mit niedrigeren Werten des Prozentranges zur Behinderungseinschätzung einhergingen.
In der IG korrelierte die globale Lebensqualität ebenfalls signifikant mit dem Schweregrad nach v. Korff [
15] zu beiden MZP. Die negativen Vorzeichen der Korrelationskoeffizienten ließen auch hier erkennen, dass es sich nicht um gleichsinnige Beziehungen der jeweils beiden Variablen handelte. Dies bedeutete, dass höhere Werte der Lebensqualität mit niedrigeren Werten des Schweregrades nach v. Korff einhergingen und starke bis sehr starke negative Zusammenhänge bestanden.
Schließlich korrelierte die Globallebensqualität mit dem Screening auf Depressivität zum ersten MZP in beiden und zum zweiten MZP in der IG. Die negativen Vorzeichen der Korrelationskoeffizienten ließen auch hier erkennen, dass es sich hierbei nicht um gleichsinnige Beziehungen der jeweils beiden Variablen handelte. Dies bedeutete, dass höhere Werte der Lebensqualität mit niedrigeren Werten des Screenings auf Depressivität und damit einer geringeren Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer ausgeprägten Belastung durch eine depressive Störung einhergingen und starke negative Zusammenhänge bestanden.
Diskussion
Die Ergebnisse dieser explorativen Erhebung zeigen, dass EMDR zur Behandlung chronischer Schmerzen und zur Verbesserung der Lebensqualität eine vielversprechende Therapieoption sein könnte.
Die Reduktion der Schmerzintensität im Prä-post-Vergleich wirkte sich vermutlich positiv auf das allgemeine Wohlbefinden und die Lebensqualität der Patient:innen aus. Bisher existieren nur wenige RCT, die eine Linderung der Schmerzintensität verschiedener Schmerzzustände durch die Behandlung mit EMDR nachweisen [
22]. Eine RCT von Tesarz et al. [
20] aus dem Jahr 2013 untersuchte die Effekte von EMDR auf unspezifische chronische Rückenschmerzen mit zusätzlicher Analyse der zugrunde liegenden Mechanismen. Die Ergebnisse gaben einen vorläufigen Beweis dafür, dass EMDR wirksam und nützlich in der Behandlung von chronischen Rückenschmerzen war, jedoch blieb der zugrundeliegende Mechanismus weiterhin unklar.
Auch führten Gerhardt et al. im Jahr 2016 [
9] eine randomisierte kontrollierte Pilotstudie zur Wirksamkeit von EMDR vs. Standardbehandlung bei Patienten mit unspezifischen chronischen Rückenschmerzen mit erlebten psychischen Traumata durch. Die Studienergebnisse gaben Hinweise dafür, dass die Behandlung mit EMDR eine klinisch relevante Reduktion der Schmerzstärke und Beeinträchtigung bei Patienten mit unspezifischen chronischen Rückenschmerzen erreichte.
Im Jahr 2008 wurde von Marcus [
13] eine randomisierte Kontrollstudie durchgeführt, die die Anwendung von integriertem EMDR in der Behandlung akuter Migräneattacken untersuchte. Zwar wurde in beiden Gruppen eine signifikante Schmerzreduktion erreicht, die Patient:innen der EMDR-Gruppe waren jedoch deutlich schneller schmerzfrei. Neben den randomisierten kontrollierten Studien legen auch einige Fallstudien die Wirksamkeit von EMDR bei unterschiedlichen chronischen Schmerzzuständen nahe.
Die signifikanten Veränderungen innerhalb der IG im Screening auf Stress, Angst und Depressivität legen nahe, dass mit der EMDR-Behandlung und der Schmerzreduktion auch eine Verbesserung der Stimmung einhergeht. Diese These unterstützt auch eine RCT von Estergard aus dem Jahr 2009 [
6], die die Wirksamkeit von EMDR in der Behandlung nicht näher bezeichneter chronischer Schmerzen nachwies und neben einer signifikanten Schmerzreduktion auch eine Verbesserung der Stimmung in der EMDR-Gruppe feststellte.
In der IG verbesserte sich das Maß der Lebensqualität in den Domänen „Physisches Wohlbefinden“, „Psychisches Wohlbefinden“ sowie „Globallebensqualität“ signifikant. Dies ist ein Hinweis dafür, dass durch die Intervention mit EMDR zur Behandlung der chronischen Schmerzen die Lebensqualität verbessert wird. Diese These wird in unseren Daten auch durch die berichteten Korrelationen gestützt.
Vor dem Hintergrund, dass chronische Schmerzen mehr Einfluss auf die Lebensqualität eines/r Patient:in als alle anderen chronischen Erkrankungen haben, ist es jedoch unabdingbar, alle krankheitsbedingten Beeinträchtigungen zu erfassen. Denn neben der Schmerzintensität ist vor allem die schmerzbedingte Beeinträchtigung aller Aspekte des täglichen Lebens sowie der Lebensqualität und des individuellen Wohlbefindens von zentraler Bedeutung für chronische Schmerzpatient:innen. Dennoch bedeutet die Verbesserung der Lebensqualität von chronisch Schmerzkranken zuerst eine ausreichende und effektive Schmerzkontrolle und -therapie, da die anderen Komponenten einer multimodalen Schmerztherapie, die vor allem auf eine Erhöhung des Funktionsniveaus und der Lebensqualität abzielen, sonst nicht gelingen können [
14].
Zukünftige Behandlung chronischer Schmerzen mit EMDR
Da dennoch Hinweise für die Wirksamkeit einer Behandlung mit EMDR bei Patient:innen mit chronischen Schmerzen und der Verbesserung ihrer Lebensqualität vorliegen, sind zukünftig Langzeitstudien mit Follow-up-Erhebungen sinnvoll und wichtig, um sichere Aussagen über die Wirksamkeit einer EMDR-Therapie bei chronischen Schmerzen und die Auswirkungen auf die Lebensqualität der Patient:innen treffen zu können. Zu untersuchen, welche Langzeiteffekte EMDR auf den Verlauf einer chronischen Schmerzerkrankung hat, ist ebenso von Interesse wie Aussagen über die Wirksamkeit von EMDR auf die verschiedenen Schmerzarten und Schmerzursachen.
Auch im Kontext der Gesundheitsförderung, die dem salutogenetischen Ansatz folgt und in deren Zentrum auch die Themen Lebensqualität und individuelles Wohlbefinden stehen, scheint die Behandlung chronischer Schmerzen mit EMDR vielversprechend zu sein und positive Auswirkungen auf die Lebensqualität zu haben. Des Weiteren sind zukünftige Untersuchungen indiziert, um festzustellen, inwieweit die Partizipation an der Behandlung, die Steigerung der Selbstwirksamkeit und das Schulen des Interozeptionsvermögens sowie die Aktivierung individueller Ressourcen und die Stärkung des Kohärenzgefühls [
19] durch die Behandlung mit EMDR bei Patient:innen mit chronischen Schmerzen erreicht werden können. Diese Variablen könnten ebenfalls einen Einfluss auf die Resilienz und die Lebensqualität der Patient:innen haben und liegen im Fokus der Gesundheitsförderung.
Limitationen
Die Interpretation der beschriebenen Forschungsergebnisse ist allerdings nur mit großer Vorsicht vorzunehmen und die gewonnenen Daten sind nur als vorläufig anzusehen, da einige Limitationen zu beachten sind. Sowohl die Tatsache, dass die Behandlung mit EMDR bei den Patient:innen der IG sowohl von verschiedenen Therapeut:innen durchgeführt worden ist als auch dass die Sitzungsanzahl und Dauer nach dem/r jeweiligen Patient:in gestaltet wurde, führte dazu, dass es zu Verzerrungen in den Befragungsergebnissen kommen konnte. Des Weiteren betrug der Zeitraum zwischen den beiden MZP nur 8 Wochen, so dass nur ein sehr kurzer Zeitraum für die Intervention in der IG zur Verfügung stand. Inwieweit die Compliance des/r Patient:in bei den Behandlungssitzungen vorhanden war, bleibt offen. Ebenfalls war eine Verblindung zur Zuteilung in die Interventions- oder Kontrollgruppe nicht möglich und die Erkrankung an chronischen Schmerzen wurde nicht genauer definiert, so dass die Studienteilnehmenden an verschiedenen Schmerzarten, wie z. B. neuropathischen oder arthritischen Schmerzen, litten und verschiedene Ursachen für die Schmerzen und deren Chronifizierung, wie z. B. seelische Belastungen oder ein zurückliegender Unfall, vorlagen.
Die Gesamtstichprobe mit 30 P. war sehr klein und es wurden in den Fragebögen teilweise nicht alle Fragen vollständig beantwortet, so dass häufig eine Auswertung einer Frage bzw. eines Fragenkomplexes nicht möglich war. Dies führte dazu, dass die Fallzahlen für die Auswertung mancher Variablen noch kleiner wurden.
Da sich jedoch auch aufgrund des dargelegten aktuellen Forschungsstandes Hinweise darauf zeigen, dass EMDR in der Behandlung chronischer Schmerzen ein vielversprechender gesundheitsförderlicher Interventionsansatz ist, sollten in Zukunft Langzeitstudien mit größeren Stichproben und Follow-up-Erhebungen durchgeführt werden, um eindeutige Aussagen über die Wirksamkeit und die Langzeiteffekte von EMDR zur Behandlung chronischer Schmerzen treffen zu können. Ebenfalls sollten zukünftig die unspezifischen gesundheitsförderlichen Auswirkungen einer EMDR-Behandlung wie eine Steigerung der Selbstwirksamkeit, Partizipation an der Behandlung, eine Stärkung des Kohärenzgefühls oder die Aktivierung eigener Ressourcen auf ihren Zusammenhang mit einer Verbesserung der Lebensqualität untersucht werden.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Alle beschriebenen Untersuchungen am Menschen oder an menschlichem Gewebe wurden mit Zustimmung der zuständigen Ethikkommission, im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung) durchgeführt. Von allen beteiligten Patient/-innen liegt eine Einverständniserklärung vor.
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