In Österreich begingen im Jahr 2020 1072 Personen Suizid. Die häufigste Suizidmethode stellt mit 42 % das Sicherhängen dar. Aufgabe der Gerichtsmedizin ist zu klären, ob die Ermittlungsergebnisse der Polizei mit den Obduktionsergebnissen übereinstimmen, und ob es sich tatsächlich um einen Suizid gehandelt hat. Im vorgestellten Fall zeigte sich bei einem Erhängten trotz eintourigem Strangwerkzeug eine doppelte Strangmarke am Hals. Die infrage kommenden Ursachen hierfür werden diskutiert.
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Im Jahr 2020 begingen in Österreich 1072 Personen Suizid. Dies entspricht einer Suizidrate von 12,5/100.000 Einwohner:innen. Das Sicherhängen stellt mit 42 % in Österreich die häufigste Suizidmethode dar. Mehr als drei Viertel aller Suizidenten sind Männer. Im mittleren Lebensalter (Altersgruppe 45 bis 64 Jahre) werden anteilsmäßig die meisten Suizide begangen [1].
Einleitung
Der 19-jährige Mann wurde am frühen Morgen an einem Holzbalken hängend im Stall des Elternhauses aufgefunden (Abb. 1).
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Er hing an einem handelsüblichen Bergsteigerseil (Durchmesser 1 cm), welches um zwei Holzbalken gewickelt war. Im Nahbereich der Leiche lag eine Holzleiter. Das sehr eng um den Hals des Mannes verlaufende Seil wurde vom Finder oberhalb des Halses mit einem Beil und an der linken Halsseite mit einer „Blechschere“ durchtrennt. Es handelte sich um eine laufende Schlinge, und im Bereich des Knoten waren dunkle Haare eingeklemmt (Abb. 2). Das Strangwerkzeug war einmal um den Hals gewickelt, dennoch zeigte sich eine zweitourige Strangmarke.
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Laut den polizeilichen Ermittlungen hätte der Mann an einer psychischen Erkrankung gelitten und vor 4 Jahren bereits einen Suizidversuch (selbe Vorgehensweise, selber Ort) unternommen.
Methodik
Äußere Besichtigung
Der Leichnam wog, inklusive Bekleidung, 70 kg, war 185 cm lang und regulär bekleidet. Weder in den Bindehäuten, noch der Mundschleimhaut zeigten sich petechiale Einblutungen.
Bei der Inspektion des Halses (Abb. 3) zeigten sich abschnittsweise zwei Strangfurchen. An der linken Halsseite befand sich ca. 1,5 cm fußwärts des linken Ohrläppchens eine kleinfleckige Abblassung mit umgebenden Rötungen; in Richtung Halsvorderseite sowie zum Nacken verlief eine ca. 1 cm breite Oberhautabtragung mit postmortaler Vertrocknung. Am körpernahen Ende der Strangfurche zeigten sich Reste abgetragener Oberhaut. Von dieser Strangfurche ausgehend, knapp unterhalb der Mitte des linken Unterkieferastes, lag eine schmale, kurze und leicht schräg verlaufende Vertrocknung. Eine weitere vertrocknete Strangfurche zeigte sich 4 cm fußwärts dieser Strangfurche – diese war ca. 4 mm breit und verlief relativ horizontal in Richtung Halsvorderseite. Die obere Strangfurche verlief an der Halsvorderseite leicht absteigend und befand sich annähernd auf Kehlkopfhöhe. Die Vertrocknung war 1 cm breit. Ca. 2 cm unterhalb dieser Strangfurche zeigten sich wenige Millimeter breite rot-braune Hautverfärbungen sowie geringe Reste abgetragener Oberhaut. Mittig an der Kinnunterseite befand sich eine quer gestellte ca. 1,5 cm lange und bis zu 9 mm breite Schürfung mit Vertrocknung. Zwischen dieser Schürfung und der oberen Strangmarke lagen schräg angeordnete blau-livide Verfärbungen.
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An der rechten Halsseite zeigte sich 3 cm unterhalb des rechten Ohrläppchens eine ca. 8 mm breite Vertrocknung mit sehr schmaler Abblassung im kopfnahen Anteil. Die 2 cm fußwärts gelegene und schmälere Strangmarke verlief an der rechten Halsseite schräg nach oben und kreuzte die obere Strangmarke direkt unterhalb des rechten Ohrläppchens. Der höchste Punkt des Strangwerkzeugs befand sich hinter den Ohren, und im Nacken zeigten sich die aufsteigenden Strangmarken in Form von schmalen Abblassungen mit zentralen Vertrocknungen (Abb. 3).
Innere Besichtigung
Bei der schichtweisen Präparation der Halsweichteile zeigten sich im Unterhautfettgewebe auf Höhe der Strangmarken Vertrocknungen im Sinne einer inneren Strangmarke ohne Einblutungen – diese im Bereich der oberen Strangmarke ausgeprägter, an der linken Halsseite auf Höhe der unteren Strangmarke geringer ausgebildet.
Es zeigten sich geringe Ansatzblutungen beider Mm. sternocleidomastoideii an den Schlüsselbeinen. Das rechte obere Schildknorpelhorn war geknickt – in der Umgebung zeigte sich keine Einblutung. Das rechte Zungenbeinhorn war am Ansatz zum Zungenbeinkörper vermehrt beweglich mit einer geringen Einblutung auf Höhe der Knickung.
Zudem bestanden Einblutungen im vorderen Längsband der Lendenwirbelsäule auf Höhe der Bandscheiben (Simon-Blutungen). Zupack‑, Halte- oder Abwehrverletzungen lagen nicht vor. Auf weitere Vitalitätsmarker wurde aufgrund der erhobenen Befunde (Simon-Blutungen, periostale Blutungen an den Schlüsselbeinen) verzichtet.
Forensisch-toxikologische Analytik
Bei den chemisch-toxikologischen Untersuchungen wurde eine geringe Alkoholisierung (BAK, Blutalkoholkonzentration 0,35 ‰) festgestellt. Zudem ergab sich der Hinweis auf den Konsum von Cannabisprodukten.
Interpretation der Ergebnisse
Als Todesursache wurde typisches Erhängen festgestellt. Bei der Präparation des Halses zeigten sich innere Strangmarken [2], wobei diejenige auf Höhe der oberen Strangmarke kräftiger war als auf Höhe der unteren Strangmarke an der linken Halsseite. Hinweise auf einen zusätzlichen Würgevorgang oder eine körperliche Auseinandersetzung ergaben sich nicht.
Insgesamt waren die Befunde mit einem Suizid in Einklang zu bringen, jedoch fehlte eine Erklärung für die zweite Strangfurche bei eintourigem Strangwerkzeug. Die obere und untere Strangmarke wiesen eine unterschiedliche Breite auf, wobei das Strangmarkenrelief nicht immer dem Negativabdruck des verwendeten Werkzeuges entsprechen muss [3]. In Fällen, in welchen ein weiches Strangwerkzeug verwendet bzw. das Strangwerkezug schnell gelockert wird oder nur ein geringer Teil des Körpergewichtes auf den Strang einwirkt, kann es auch zum Fehlen einer eindeutigen Strangmarke kommen [4, 9].
Diskussion
In der Literatur sind Tötungsdelikte durch Erhängen selten, kommen jedoch vor [5]. Häufiger wird über Fälle berichtet, bei denen ein Tötungsdelikt durch sekundäres Aufhängen der Leiche verschleiert werden soll [6‐8].
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Im vorgestellten Fall wurde zwar kein Abschiedsbrief gefunden, jedoch deuteten folgende Kriterien auf einen Suizid: (1) psychische Vorerkrankung, (2) ein Suizidversuch in der Vergangenheit (ebenso durch Erhängen), (3) keine Hinweise auf Fremdbeteiligung am Auffindeort bzw. im Rahmen der Obduktion, (4) Aufstiegshilfe am Auffindeort, (5) fehlende Zugrillen am Holzbalken wie von einem Hochziehen des Körpers oder Schleifspuren durch einen allfälligen Transport des Leichnams, (6) keine sonstigen Verletzungen (insbesondere Drosselmarken oder Würgemale), (7) und keine toxikologischen oder histologischen Auffälligkeiten.
Das Besondere in diesem Fall war die abschnittsweise zweitourig verlaufende Strangmarke bei nur eintourigem Strangwerkzeug. Ein Grund dafür könnte ein vorausgegangener insuffizienter Erhängungsversuch sein. Ein derartiger Fall wurde von Pollak et al. [9] publiziert. Neben einer zweiten Strangmarke bei eintourigem Strangwerkzeug zeigte sich bei diesem Fall zusätzlich eine Y‑förmige Quetsch-Riss-Verletzung in der linken Parietalregion oberhalb der Hutkrempe, die als von einem Sturz auf den Boden nach einem missglückten Erhängungsversuch stammend interpretiert wurde. Gegen einen vorausgegangenen Versuch, sich zu erhängen, spricht im vorgestellten Fall die kaum vorhandene innere Strangmarke auf Höhe der unteren äußeren Strangmarke. Zudem zeigten sich keine Verletzungen, die auf ein Sturz-Aufschlag-Geschehen nach einem missglückten Erhängungsfall hindeuten würden. Überdies wurde von der Polizei kein weiteres Strangwerkzeug aufgefunden.
Als weitere Möglichkeit käme ein Drosselvorgang infrage. Bei einem relevanten Drosseln wären v. a. petechiale Einblutungen zu erwarten. Auch diese Befunde waren im konkreten Fall nicht vorhanden.
Hinsichtlich der Entstehung einer „doppelten“ Strangmarke ist auch ein Verrutschen des Strangwerkzeuges wie bei [10] zu diskutieren. Im vorliegenden Fall sprach das Fehlen von Hautschürfungen zwischen oberer und unterer Strangmarke jedoch eher gegen eine solche Erklärung.
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Als für uns bei der Gesamtbetrachtung wahrscheinlichste Erklärung wurde ein zweites Herumwickeln des Seils um das mit einem Knoten am Hals fixierte Seil angenommen. Das lediglich um den Hals gewickelte Seil kann sich vom Hals gelöst haben, als sich der Leichnam um die eigene Achse gedreht hat, und dabei die zweite Vertrocknung (Strangfurche) hinterlassen haben.
In unserem Archiv fand sich kein weiterer Fall einer doppelten Strangfurche bei eintourigem Strangwerkzeug.
Fazit für die Praxis
Erhängen stellt die häufigste Suizidform dar. Ein Tötungsdelikt durch Erhängen ist zwar selten, kommt jedoch mitunter vor. Für die Praxis ist eine gute Zusammenarbeit zwischen Polizei und Gerichtsmedizin zur Klärung derartiger Fälle unabdingbar. Im optimalen Fall ergeben die Ermittlungen der Polizei zusammen mit den Obduktionsergebnissen (inkl. der chemisch-toxikologischen und histologischen Untersuchungen) einen schlüssigen Tatablauf.
Danksagung
Besonderer Dank gilt Prof. Stefan Pollak für die hilfreichen Kommentare und die Übermittlung des oben genannten Falles aus seinem Institut.
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Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
C. Wöss, A. Weber und W. Rabl geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine
Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt.
Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort
angegebenen ethischen Richtlinien.
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