Erschienen in:
01.10.2014 | Originalien
Treffsicherheit der Berechnung der Tatzeitblutalkoholkonzentration in Nachtrunkkonstellationen
verfasst von:
PD Dr. A. Dettling, M. Vermesse, G. Skopp, H.-T. Haffner
Erschienen in:
Rechtsmedizin
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Ausgabe 5/2014
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Zusammenfassung
Hintergrund
Die Berechnung nachweisbarer Mindest- oder Höchstblutalkoholkonzentrationen (BAK) in foro folgt Regeln, die auf dem „In-dubio-pro-reo“-Grundsatz basieren. Im Verkehrsrecht stellt sich häufig die Frage nach der nachweisbaren Mindest-BAK bei nichtwiderlegbarer Nachtrunkangabe. Der Zweifelsgrundsatz fordert in dieser Situation, gegenläufige Extremwerte in die Berechnung einzuführen, wenngleich dies aus pharmakokinetischer Sicht sehr problematisch ist.
Ziel der Arbeit
Die Treffsicherheit der Berechnung der Tatzeit-BAK in Nachtrunkkonstellationen sollte ermittelt werden.
Material und Methoden
Mithilfe von insgesamt 55 Probanden wurden Nachtrunksituationen nachgestellt. In der Gruppe 1 (n = 32) wurden größere Vortrunkmengen mit kleineren Nachtrunkmengen kombiniert, in der Gruppe 2 (n = 23) kleinere Vortrunkmengen mit größeren Nachtrunkmengen. Zwischen Vor- und Nachtrunk lagen in Gruppe 1 ca. 60 min, in Gruppe 2 ca. 30 min. In diesem Intervall wurde ein Vorfallszeitpunkt festgesetzt, der kurz vor dem Beginn der Nachtrunkaufnahme lag. Von 2 fiktiven Blutentnahmezeitpunkten wurde unter Einhaltung eines rückrechnungsfreien Zeitraums von 120 min ab Vortrunkende auf den Vorfallszeitpunkt zurückgerechnet. Die Rückrechnungsergebnisse wurden mit den zum Vorfallszeitpunkt gemessenen Werten verglichen.
Ergebnisse
In der Mehrzahl der Fälle lagen die Rückrechnungsergebnisse bis etwa 0,5 ‰ unter den Analysenergebnissen. Bei 3 Probanden lagen die Rückrechnungsergebnisse jedoch über, bei einer Probandin unter den Analysenwerten.
Schlussfolgerung
Die gängige Berechnungsweise der Konzentration zum Vorfallszeitpunkt führt bei extremen Resorptionsverzögerungen oder Auftreten von Diffusionsstürzen zu rechnerischen Fehlergebnissen. Diese lassen sich im Fall von Überhöhungen durch die starke Anflutungssymptomatik rechtfertigen und führen im Fall von extremen Unterschreitungen zumindest nicht zur Benachteiligung des Betroffenen. Das Prinzip der Nachtrunkberechnungen muss durch einzelne Fehlberechnungen nicht grundsätzlich infrage gestellt werden. Es konnte aufgezeigt werden, dass es sich hierbei um Fälle handelt, bei denen sich – formuliert in Anlehnung an die gängige Rechtsprechung – eine Alkoholmenge im Körper befand, die auch ohne Nachtrunkaufnahme zu einer deutlich höheren Konzentration geführt hätte.