Erschienen in:
01.06.2004 | Mentalisierung
Über Mentalisierung, Affektregulierung und die Entwicklung des Selbst
verfasst von:
Priv.-Doz. Dr. Martin Dornes
Erschienen in:
Forum der Psychoanalyse
|
Ausgabe 2/2004
Einloggen, um Zugang zu erhalten
Zusammenfassung
Der Autor gibt einen Überblick über die Arbeiten der Londoner Forschungsgruppe um Peter Fonagy. Sie verbinden zwei in der Entwicklungspsychologie derzeit prominente Forschungsgebiete, die Theory-of-mind-Forschung und die Bindungsforschung, mit der Psychoanalyse und zeichnen in einem umfassend angelegten Entwurf den stufenweisen Erwerb der Fähigkeit zur Mentalisierung nach. Die Fähigkeit, sich selbst und andere als Wesen mit seelischen Zuständen zu verstehen und sich mit dem eigenen Seelenleben und dem anderer auf gehaltvolle Weise zu befasssen, wird als abhängig von Bindungserfahrungen betrachtet. Die Architektonik der Theorie wird in sechs Schritten rekonstruiert: Nach einer Erläuterung des Mentalisierungsbegriffes (I) werden das Affektspiegelungsmodell (II) und die Playing-with-reality-theory (III) dargestellt. Diese beiden Theorieteile machen den zentralen theoretischen Kern aus und führen zu einer bestimmten Auffassung über die Merkmale interaktiver und symbolischer Affektregulierung, die im IV. Abschnitt dargestellt wird. Danach werden bestimmte Aspekte der Entwicklung des Selbst behandelt (V). Abschließend die Implikationen der dargestellten Themen für die Konzeptualisierung klinischer Phänomene wie der projektiven Identifizierung (VI). Der Autor sieht das Originelle dieses Ansatzes darin, dass Fonagy et al. auch im Zeitalter des Humangenomprojektes nicht, wie viele Kognitionspsychologen, eine Reifungsgeschichte der Entwicklung des Geistes schreiben, sondern eine Interaktionsgeschichte. Die Bedeutung der zwischenmenschlichen Interaktion für die Entwicklung des Denkens und Fühlens ist der rote Faden, der die Ausführungen zu den verschiedenen Themen durchzieht. Die Struktur (früher) zwischenmenschlicher Beziehungen wird als konstitutiv für normale und pathologische Varianten der Fähigkeit betrachtet, sich selbst und andere als denkende und fühlende Wesen zu verstehen.