Erschienen in:
24.07.2023 | Originalarbeit
Über Tabus im psychoanalytischen Dialog und das Gebot des Einbezugs gesellschaftlicher Realitäten als Quelle psychischen Leidens
Worüber nicht gesprochen wird …
verfasst von:
Dr. phil. Dipl. Soz. Annedore Hirblinger
Erschienen in:
Forum der Psychoanalyse
|
Ausgabe 3/2023
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Zusammenfassung
Der Beitrag geht der Frage nach, wie der Komplex der Verflechtung individuellen und gesellschaftlichen Leids von der Psychoanalyse behandlungstechnisch aufgegriffen und bearbeitet werden kann. Das Tabu der Nichtbeachtung gesellschaftlicher Realitäten als Auslöser psychischer Belastungen führt aus der Sicht der Autorin zu einer Verfestigung von Anwendungsregeln und einseitigen methodischen Orientierungen in klinischen Settings. Im intersubjektiven Dialog kann jedoch das gesellschaftliche Dritte im prozessualen Interaktions- und Beziehungsgeschehen in konkordanter Identifizierung bebildert und als Wirkfaktor der Analyse zugänglich gemacht werden.
Zur Illustration werden Fallvignetten zur Über-Ich-Fixierung und zur weiblichen Identitätsdiffusion dargestellt und die behandlungsanalytische und gesellschaftskritische Dimension praxeologischen Vorgehens beleuchtet. Der Komplex der sozialen Wahrnehmungskompetenz des Therapeuten und die Probleme der mehrschichtigen Deutung im wechselseitigen Übertragungsgeschehen rücken dabei ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Unterschiedliche Möglichkeiten des methodischen Vorgehens und des hermeneutischen Verstehens bei Fokussierung auf das Unbewusste werden exemplarisch erläutert.
Im Rahmen weiterführender konzeptioneller Überlegungen werden Aspekte der Triangulierung im intersubjektiven Prozess aufgegriffen und grundlegende Annahmen zur dualen Struktur der beteiligten Subjekte vorgestellt.