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Erschienen in: Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie 1/2010

01.02.2010 | Editorial

Unbefristeter Freiheitsentzug und Lockerungen

verfasst von: Hans-Ludwig Kröber

Erschienen in: Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie | Ausgabe 1/2010

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Auszug

Ganz kurze Freiheitsstrafen sind umstritten, weil sie sehr kostenintensiv und von fragwürdiger Wirkung sind. Lange Freiheitsstrafen sind bei bestimmten Verbrechen unvermeidlich. Soweit sie dem Schuldausgleich und der Bewahrung des Rechtsfriedens dienen, vor allem aber dem Schutz der Allgemeinheit, wird man ihre Dauer nur sehr begrenzt vom Befinden des Verurteilten abhängig machen: so viel Strafe ist dann durch die Taten und fortbestehende Gefährlichkeit gerechtfertigt. Wo es aber weder um Sühne noch Generalprävention geht, sondern um Spezialprävention, also um die Einwirkung auf den Verurteilten, auf dass er sich künftighin als braver Bürger rechtstreu verhalte, sind die langen Strafen und insbesondere die unbegrenzten Freiheitsentziehungen ein zweischneidiges Schwert. Es zerschneidet Optionen zur fortgesetzten Kriminalität, es zerschneidet aber auch vielfach Möglichkeiten prosozialer Einbindung, die es manchmal nur in bestimmten Lebensphasen gibt und die man nicht 10 Jahre später einfach nachholen kann. Dies betrifft bestimmte Formen der Partnerschaft, der Entwicklung von Freundschaften und der Einbindung in soziale Gruppen, das Erreichen schulischer und beruflicher Abschlüsse und die Erfahrung mehr oder weniger qualifizierter Erwerbsarbeit. Ob beispielsweise bei einem Verlauf, in dem man einen Jugendlichen im Alter von 17 bis 27 Jahren im stationären psychiatrischen Maßregelvollzug hält, um seine Impulsivität zu kurieren, die therapeutischen Vorteile überwiegen oder der Sachverhalt, dass dem Probanden hinterher in einer entscheidenden Lebensphase 10 Jahre normaler Sozialerfahrung fehlen (Mädchen, Cliquen, Freizeit, Arbeit), ist oft schwer zu klären. Gleichermaßen stellt sich die Frage, ob nicht gerade die Belastung langgedienter Straffälliger mit der nun freigiebigen Anordnung von Sicherungsverwahrung jede Restchance vereitelt, dass diese Männer nun in einer Phase nachlassenden kriminellen Antriebs doch noch eine soziale Integration finden. Dümpeln sie erstmal in der Sicherungsverwahrung, wird das seit der Adoleszenz nicht bewältigte Projekt der Herstellung eines kleinen, funktionierenden, normkonformen, selbstgestalteten Lebensfeldes in Freiheit endgültig unlösbar durch den finalen Verschleiß von Selbstachtung und der Vorstellung von Eigenwirksamkeit. …
Metadaten
Titel
Unbefristeter Freiheitsentzug und Lockerungen
verfasst von
Hans-Ludwig Kröber
Publikationsdatum
01.02.2010
Verlag
Springer-Verlag
Erschienen in
Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie / Ausgabe 1/2010
Print ISSN: 1862-7072
Elektronische ISSN: 1862-7080
DOI
https://doi.org/10.1007/s11757-009-0032-0

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