Erschienen in:
01.02.2010 | Kasuistik
Ungewöhnlicher Epilepsieverlauf im Erwachsenenalter
Vom Operationskandidaten zu spontaner Anfallsfreiheit ohne Medikation
verfasst von:
Prof. Dr. B.J. Steinhoff, S. Bilic, A.M. Staack
Erschienen in:
Clinical Epileptology
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Ausgabe 1/2010
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Zusammenfassung
Spontanverläufe aktiver Epilepsien sind v. a. bei fokaler Epileptogenese im Erwachsenenalter schlecht untersucht. Häufig werden positive und auch negative Veränderungen der Anfallssituation Änderungen der antiepileptischen Pharmakotherapie zugeschrieben, ohne dass sich dies überzeugend belegen ließe. Um diesbezüglich Nachdenklichkeit zu fördern, wird über den ungewöhnlichen Epilepsieverlauf bei einem Patienten berichtet, der aufgrund einer dekompensierten Anfallssituation zur präoperativen Diagnostik ins Epilepsiezentrum Kork kam. Kurz vor Aufnahme war unter veränderter Medikation Anfallsfreiheit eingetreten. Im Rahmen der Diagnostik wurde die Medikation während des Video-EEG komplett abgesetzt, ohne dass Anfälle aufgezeichnet wurden. Da der Vater des Patienten ärztlicher Kollege ist, konnte die Entlassung ohne Initiierung einer neuerlichen Pharmakotherapie gewagt werden. Die Vorgehensweise bei akuten Anfallsrezidiven und im Hinblick auf die Einleitung einer antiepileptischen Dauertherapie wurde eingehend mit dem Vater besprochen. Dieser Patient ist nun seit 3 Jahren ohne Medikation anfallsfrei. Hätte man ihn auf der Medikation belassen, unter der sich die Anfallsfreiheit kurz vor der stationären Aufnahme eingestellt hatte, wäre die günstige Anfallssituation mit hoher Wahrscheinlichkeit und zu Unrecht dieser Medikation zugeschrieben worden. Das Beispiel soll zeigen, dass Epilepsien auch im Erwachsenenalter einer eigenen Dynamik unterliegen können und dass Änderungen in der Anfallssituation hinsichtlich der Ursächlichkeit durchaus mit Zurückhaltung interpretiert werden sollten.