Der Ultraschall hat bei der COVID-19-Diagnostik im Vergleich mit der Thorax-CT Vorteile: geringeres Infektionsrisiko, einfache Handhabe. Ein Projekt will jetzt eine Point-of-Care-Sonographie für COVID-19 etablieren.
Der Point-of-Care-Ultraschall (POCUS) der Lunge, also die orientierende sonografische Untersuchung mit einem Kurzprotokoll, findet auf Intensivstationen und in der Notfallmedizin zunehmend Verbreitung. Auch bei der COVID-19-Pneumonie könnte POCUS gegenüber der Thorax-CT Vorteile haben, betonte Dr. Alexander Heinzmann vom Klinikum Reutlingen.
So ist aus Italien bekannt, dass der Krankenhausbetrieb eine wichtige Infektionsquelle für Personal und Patienten mit anderen Erkrankungen war. Das hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Kliniken in der Lombardei an ihre Grenzen stießen. Das Risiko nosokomialer SARS-CoV-2-Infektionen steigt bekanntlich mit der Zahl der Mitarbeiter, die mit einem Infizierten Kontakt haben. Und das sind bei einer CT-Untersuchung mehrere, von der Transportkraft über ein bis zwei MTAs bis zum Radiologen.
Einfachere Desinfektion
Da eine Ultraschalluntersuchung – zumal mit den immer häufiger verfügbaren, sehr mobilen, Tablet-PC-basierten Ultraschallsystemen – von dem Arzt durchgeführt werden könne, der auch die klinische Untersuchung mache, sei das infektiologische Risiko geringer als bei der CT, so Heinzmann im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“. Auch die Desinfektion sei dank Einmalhüllen für die Sonden insbesondere bei Bluetooth-basierten Systemen extrem einfach.
Was die Darstellung der COVID-19-Pneumonie angeht, sind die Befunde unspezifisch, aber das ist bei der CT nicht anders. Die Infiltrationen, die bei der CT als ‚ground glass opacities‘ imponieren, seien auch im Ultraschall sichtbar, so Heinzmann. Und die netzartigen „crazy paving“ Strukturen der CT hätten im Ultraschall als B-Linien, die die interstitielle Wassereinlagerung widerspiegeln, ihr Korrelat.
Ein Nachteil des Ultraschalls ist, dass nur periphere Lungenareale eingesehen werden können. Doch das ist bei COVID-19 allerdings möglicherweise nicht so relevant: „Wir haben an unserer Klinik alle CT-Befunde durchgesehen und keinen einzigen gefunden, wo es nicht auch periphere Läsionen gab“, so Heinzmann. Das decke sich auch mit den Erfahrungen aus Italien.
Einsatz in temporären Corona-Kliniken
Neben der unkomplizierten, transportfreien Diagnostik auf der Intensivstation sieht Heinzmann auch in temporären Corona-Krankenhäusern ein sinnvolles Einsatzszenario für einen POCUS der Lunge. Nicht zuletzt denkt er aber auch an ambulante (Haus-)Ärzte, die bei COVID-19-Patienten vor der Frage stehen, ob eine stationäre Einweisung erforderlich ist.
Bei Patienten mit positivem Testergebnis könnte der Ultraschall helfen, jene Patienten zu identifizieren, die schon früh Lungenveränderungen zeigen und daher eventuell stärker gefährdet sind. Und bei negativem Test und weiter bestehendem, klinischem Verdacht könnte statt der CT zunächst eine Ultraschalluntersuchung genutzt werden.
Um den POCUS der Lunge möglichst schnell fit für COVID-19 zu machen, hat die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) zusammen mit ihren österreichischen und schweizerischen Schwestergesellschaften ein über die Webseite der DEGUM herunterladbares Untersuchungsprotokoll entwickelt, bei dem an jeweils sechs Schallpunkten über jeder Lunge typische Pneumoniebefunde angekreuzt werden. Das Ganze dauert nur wenige Minuten und soll jetzt möglichst schnell in einer klinischen Drei-Länder-Studie evaluiert werden. Zur Beteiligung aufgerufen sind alle Krankenhäuser, die den POCUS der Lunge nutzen.
Quelle: Ärzte Zeitung