Erschienen in:
19.10.2021 | Blitzlicht
Das Elend mit den Worten
verfasst von:
Prof. Dr. Hans-Ludwig Kröber
Erschienen in:
Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie
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Ausgabe 4/2021
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Auszug
Wir hadern mit Worten, nicht nur, weil die etwas anscheinend falsch benennen, sondern weil wir mit der Sache hadern. Wir hadern aber auch mit Wortzerstörungsbefehlen, wenn uns ein Wort lieb und teuer ist, weil wir das mit dem Wort Bezeichnete idealisieren. So ergeht es uns mit dem Wort „Indianer“ – in West- wie Ostdeutschland für mehr als eine Generation der Inbegriff des edlen Wilden, dessen Kampf gegen die westlichen, weißen Eindringlinge wir überaus parteilich nachvollzogen haben, alle Bände der Tecumseh-Serie in der Schulbibliothek verschlingend. Tecumseh, der Held, der eine große Allianz der nordamerikanischen Indianer schaffen wollte, um den weißen Siedlern die Stirn zu bieten. Für uns war der Begriff „Häuptling“ der Shawnee nicht minder positiv besetzt als das nach wie vor erlaubte „Chief“. Wir haben nun das Pech, dass ein ähnlich klingendes Wort, nämlich „Indians“, in Nordamerika einen abschätzigen, abwertenden Klang in den Ohren von „Native Americans“ haben soll. Also wird man in Nordamerika „Indians“ aus Gründen des Respekts nicht mehr gebrauchen. Aber: Entsteht irgendein Schaden für irgendwen, wenn man in Berlin bei einer Parteiversammlung erklärt, als Kind wäre man am liebsten Indianerhäuptling geworden? …