Erschienen in:
26.06.2019 | Psychoanalyse | Originalarbeit
Deuten und Flirten
Zum Arbeiten in der Übertragungsliebe
verfasst von:
Dr. phil. Dipl.-Psych. Kai Rugenstein
Erschienen in:
Forum der Psychoanalyse
|
Ausgabe 3/2019
Einloggen, um Zugang zu erhalten
Zusammenfassung
Ausgehend von Freuds „Bemerkungen über die Übertragungsliebe“ wird in diesem Beitrag das Verhältnis von Liebe in der Übertragung und sogenannter wirklicher Liebe reflektiert. Dies führt zum Problem der Unterscheidung von Fiktion und Realität in der analytischen Situation. Die theoretischen Überlegungen zum Status der Liebe innerhalb des psychoanalytischen Settings münden in der Frage, wie ein psychodynamisches Arbeiten und Deuten in der Übertragungsliebe und aus der Übertragungsliebe heraus gelingen kann. Hierbei kommt ein spezifischer Deutungsstil in den Blick, dessen Parallelen zur Technik des Flirtens untersucht und an einem Beispiel diskutiert werden. Flirtend legt man sich nicht fest, sondern findet einen Weg, auf welchem Abstinenz und Intimität gleichzeitig möglich sind. Die Verwandtschaft zwischen dem Flirten und einer Art des Deutens, die Patienten nicht satt, sondern hungrig macht, führt eine der psychoanalytischen Methode innewohnende dialektische Spannung vor Augen: Sie fordert vom analytischen Paar sowohl Überschreitung als auch Wahrung von Grenzen. Das therapeutisch hilfreiche Übertreten neurotischer Beschränkungen hinein ins Freie ist auf einen sicheren Rahmen angewiesen. Diese Spannung, so wird argumentiert, gilt es immer wieder aufs Neue auszutragen und weder durch Sterilisierung der Psychoanalyse noch durch ein Abgleiten in sexuelle Aktion leichtfertig aufzulösen. Abschließend wird der Frage nachgegangen, inwiefern sich die psychoanalytische Theorie der Liebe auch auf die Liebe des Analytikers zur Analyse anwenden lässt.