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H-H-H-Syndrom

Verfasst von: Dierk A. Vagts, Heike Kaltofen, Uta Emmig und Peter Biro
H-H-H-Syndrom.
Synonyme
Hyperornithinämie-Hyperammonämie-Homocitrullinurie-Sy; ORNT1-Mangel; Ornithin-Translokase-Mangel; Ornithin-Transporter-Mangel; Triple-H-Syndrom
Oberbegriffe
Stoffwechselstörungen, Thesaurismosen, Hyperornithinämie, Hyperammonämie, Homocitrullinurie.
Organe/Organsysteme
Leber, Harnstoffzyklus, zentrales Nervensystem.
Inzidenz
Sehr selten, nur sehr wenige betroffene Familien bekannt, derzeit wenig mehr als 100 Personen. Die Inzidenz aller Harnstoff-Zyklus-Störungen ist ca. 1:35.000 Lebendgeburten, davon haben ca. 1–3,8 % HHH, Prävalenz 1–5/10.000, vor allem in Kanada (Quebec), Italien, Japan. Geschlechtsverteilung: männlich-weiblich Verhältnis: 2:1
Ätiologie
Hereditär mit autosomal-rezessivem Erbmodus. Die Mutation des Gens SLC25A15 befindet sich auf Chromosom 13q14.11. Der Gendefekt bewirkt eine Störung des Transports von Ornithin zwischen Zytoplasma und Mitochondrium, was zur Anreicherung von Metaboliten des Eiweißstoffwechsels im Zytoplasma führt. Das behindert die Entgiftung von Ammoniak und Carbamoylphosphat.
Verwandte Formen, Differenzialdiagnosen
Andere Harnstoffzyklusdefekte wie Carbamoylphosphatsynthetase-Defekt (CPS-I-Mangel), Ornithintranscarbamylase-Defekt (OTC-Mangel, häufigster Harnstoffzyklusdefekt mit Inzidenz 1:30.000), Argininosuccinatsynthetase-Defekt, Argininosuccinatylase-Defekt, Arginase-Defekt, N-Acetylglutamatsynthetase-(NAGS-)Mangel, Lysinuric protein intolerance (Synonym: Hyperdibasic aminoaciduria type 2, LPI), Citrullinämie, Argininämie, Methylmalonische Azidämie (MMA), Hyperinsulinism-hyperammonemia syndrome, pyruvate carboxylase deficiency und sekundäre Gründe für Hyperammonämie.

Symptome

Grundsätzlich: Rezidivierende Episoden von Lethargie, myoklonischen Krampfanfällen und Stupor, insbesondere nach proteinreicher Mahlzeit. Hepatomegalie, geistige Retardierung, spastische Paraparese, Zittern, Ataxie, Erbrechen. Fulminante hepatitisähnliche Symptomatik mit massiven ASAT- und ALAT-Anstiegen innerhalb weniger Tage, Koagulopathie möglich.
Es werden vier klinische Typen unterschieden:
  • Neonatal onset Typ: Erbrechen und Lethargie nach Füttern mit eiweißreichen Lösungen durch starke Hyperammonämie mit schneller Verschlechterung des Gesundheitszustandes (asymptomatisch bei gestillten Kindern).
  • Infant onset Typ: dystone Episoden, Krampfanfälle, Hypotonie, neurologische Entwicklungsverzögerung, Wachstumsstörungen, häufig verstärkt durch erhöhte Proteinzufuhr.
  • Childhood onset Typ: Geistige Retardierung, Krampfanfälle; Verweigerung von Milch, Fisch, Fleisch; Entwicklungsverzögerung, Wachstumsstörungen.
  • Adult onset Typ: Lernschwierigkeiten, Vermeiden von Nahrung mit Eiweißen, Konfusion, Ataxie.
Labor
Hyperornithinämie und Hyperammonämie, gelegentlich Glutamat erhöht. Homocitrullinurie, Ausscheidung von 3-Amino-2-piperidin und Orotat.
Vergesellschaftet mit
Verhaltensstörungen.
Therapie
Eiweißarme Diät (<1,2 g Protein/Tag). Gabe von Ornithin, Arginin und Citrullin.

Anästhesierelevanz

Die endogene Proteinbelastung (Ernährung, Trauma, Infekt, Immunisierung) kann zur Hyperammonämie beitragen.
In Notfallsituationen (Koma durch Hyperammonämie) muss die Behandlung u. a. durch Hämofiltration und/oder Dialyse erfolgen.
Weitere Trigger für Hyperammonämie sind: Fieber, Erbrechen, gastrointestinale Blutungen, präoperative Nüchternheit, postpartum Phase bei Schwangeren mit OTC, Chemotherapie, hoch dosierte Glukokortikoide, Operationen, lange oder starke körperliche Anstrengungen.
Spezielle präoperative Abklärung
Prä- und postoperativ Ammoniakspiegel bestimmen.
Vorgehen
Perioperativ Eiweißbelastung vermeiden; d. h. unnötige präoperative Nüchternheit vermeiden, um Hyperkatabolismus zu verhindern. Volumenersatz soweit wie möglich mit kristalloiden und kolloiden Volumenersatzmitteln. Die Leberperfusion und Oxygenierung muss während der Anästhesie unbedingt aufrechterhalten werden. Theoretisch bieten sich hier Isofluran und Sevofluran wegen der erhaltenen „hepatic arterial buffer response“ an.
Substanzen mit proepileptogenen Eigenschaften (z. B. Enfluran, Methohexital, Ketamin) sollten vermeiden werden.
Bei Kooperativität des Patienten gibt es keine besonderen Vor- oder Nachteile einer Regional- oder Allgemeinanästhesie.
Die orale Gabe von Citrullin (ca. 3 g/Tag) kann die Einschleusung von Ammoniak in den Harnstoffzyklus erleichtern.
Regelmäßige Blutzuckerkontrollen (Ziel: Normoglykämie)
Cave
Gabe von bestimmten Medikamenten: Kortikoide.
Weiterführende Literatur
Fecarotta S, Parenti G, Vajro P et al (2006) HHH syndrome (hyperornithinaemia, hyperammonaemia, homocitrullinuria), with fulminant hepatitis-like presentation. J Inherit Metab Dis 29:186–189CrossRefPubMed
Martinelli D, Diodato D, Ponzi E et al (2015) The hyperornithinemia–hyperammonemia-homocitrullinuria syndrome. Orphanet J Rare Dis 10:29. https://​doi.​org/​10.​1186/​s13023-015-0242-9CrossRefPubMedPubMedCentral
Michaelis G, Biscoping J, Hempelmann G (1986) Das H-H-H-Syndrom: eine seltene, auch anästhesiologisch relevante Erkrankung. Anästh Intensivther Notfallmed 21:315–317CrossRefPubMed
Internetlinks (Zugegriffen am 01.02.2018)