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Dermatologische Therapie mit ionisierenden Strahlen

Verfasst von: Ralf Uwe Peter
Die Behandlung von Hautkrankheiten mit ionisierenden Strahlen ergänzt das physikalisch-therapeutische Arsenal des Dermatologen, setzt aber entsprechende Kenntnisse und Fertigkeiten voraus, die nach den jeweils gültigen gesetzlichen Bestimmungen zu erwerben und nachzuweisen sind. Näheres regeln die Ausführungsbestimmungen zur Novelle der Röntgenverordnung beziehungsweise der Strahlenschutzverordnung. Die Ausführungen in diesem Kapitel sind zwar primär für Dermatologen verfasst, die weiterhin Röntgenweichstrahltherapie betreiben, andererseits jedoch auch für diejenigen von Interesse, die diese Therapieoption an die Strahlentherapeuten und Radioonkologen abgegeben haben. Denn auch in diesem Fall sind Kenntnisse der Anwendung ionisierender Strahlung bei dermatologischen Erkrankungen erforderlich, um den Patienten auch voll umfänglich über die therapeutischen Alternativen im konkreten Einzelfall aufklären zu können, insbesondere bei wesentlichen Kontraindikationen für einen operativen Eingriff.

Einführung

Die Behandlung von Hautkrankheiten mit ionisierenden Strahlen ergänzt das physikalisch-therapeutische Arsenal des Dermatologen, setzt aber entsprechende Kenntnisse und Fertigkeiten voraus, die nach den jeweils gültigen gesetzlichen Bestimmungen zu erwerben und nachzuweisen sind. Näheres regeln die Ausführungsbestimmungen zur Novelle der Röntgenverordnung beziehungsweise der Strahlenschutzverordnung.
Die folgenden Ausführungen sind zwar primär für Dermatologen verfasst, die weiterhin Röntgenweichstrahltherapie betreiben, andererseits jedoch auch für diejenigen von Interesse, die diese Therapieoption an die Strahlentherapeuten und Radioonkologen abgegeben haben. Denn auch in diesem Fall sind Kenntnisse der Anwendung ionisierender Strahlung bei dermatologischen Erkrankungen erforderlich, um den Patienten voll umfänglich über die therapeutischen Alternativen im konkreten Einzelfall aufklären zu können, insbesondere bei wesentlichen Kontraindikationen für einen operativen Eingriff.

Dosisbegriffe und Dosiseinheiten

Gray
Seit 1985 sind nur noch die SI-Einheiten legitimiert. Für die Anwendung ionisierender Strahlung am Menschen zu therapeutischen Zwecken ist hierbei nur noch die in Gray (Gy) angegebene absorbierte Energiedosis relevant, die sich wie folgt definiert: 1 Gy = 1 J/kg.
1 Gy entspricht hierbei 100 rad (radiation absorbed dose), einer obsoleten, aber nach wie vor in zahlreichen Lehrbüchern und Veröffentlichungen verwendeten Einheit. Die Dosisleistung, das heißt die absorbierte Dosis in einer bestimmten Zeiteinheit, leitet sich hiervon ab als Gy/s. Für die Praxis gebräuchlicher ist jedoch die Angabe der Dosisleistung pro Minute (zum Beispiel Dosisleistung beim Dermopan bei 43 kV Röhrenspannung etwa 1 Gy/min bei 30 cm Fokus-Haut-Abstand). Die Dosisleistung ist von großer praktischer Bedeutung, wenn die Röntgentherapie mit den zwar seit mehr als 20 Jahren nicht mehr gebauten, aber immer noch genutzten Dermopan (Siemens) oder dem RT-100 (Müller) betrieben wird, da sich hier die absorbierte Dosis der Einzelfraktion über die Zeit definiert, während der die Röhre Strahlung emittiert: Würde hierbei anstelle eines 30 cm Tubus versehentlich ein 15 cm Tubus verwendet, ergäbe sich, bedingt durch das linear quadratische Abstandsgesetz, bei halbiertem Fokus-Haut-Abstand eine vierfache Dosisleistung – aus einer gegebenenfalls geplanten Einzelfraktion von 3 Gy würden so bei einer Bestrahlungszeit von 3 min etwa 12 Gy.
Sievert
Im Strahlenschutz ist die SI-Einheit Sievert (Sv) von Relevanz, um die biologische Wirksamkeit der absorbierten Strahlung abschätzen zu können. Sie ergibt sich, indem die absorbierte Energiedosis mit einem individuellen, gewebe- und teilweise speziesspezifischen Gewichtungsfaktor multipliziert wird, der für Neutronen-, β- oder α-Strahlung ein Vielfaches der absorbierten Dosis betragen kann. 1 Sv entspricht 100 rem (Roentgen equivalent man), auch das rem ist nicht mehr gebräuchlich. Für den dermatologischen Strahlentherapeuten, der fast ausschließlich Röntgenweich- oder Grenzstrahlen verwenden wird, ist die Umrechnung nicht relevant, da der biologische Gewichtungsfaktor für Röntgenstrahlung 1 beträgt.
Röhrenspannung
Je höher die Röhren- oder Anodenspannung (in kV) ist, desto energiereicher, härter und kurzwelliger sind die emittierten Röntgenstrahlen. Röntgenstrahlen einer Spannung von 3–10 kV werden als Grenzstrahlen, von über 10–100 kV als Röntgenweichstrahlen bezeichnet. Härtere Strahlenqualitäten kommen durch Dermatologen nicht zur Anwendung. Grenzstrahlen und Weichstrahlen werden vorzugsweise in der Epidermis beziehungsweise den oberen Hautschichten absorbiert. Der Abfall der Strahlungsintensität erfolgt exponentiell von der Hautoberfläche, das Absorptionsmaximum liegt somit idealerweise im Zielorgan.
Im Gegensatz hierzu steigt bei energiereicher Gammastrahlung oder auch bei Elektronenstrahlung die Dosis zunächst von der Hautoberfläche aus an, um dann nach Erreichen eines von der Strahlungsenergie abhängigen Maximums wieder steil abzufallen (Aufbaueffekt).
Filterung
Die Filterung dient der Reduktion niederenergetischer Streustrahlung und führt zu einer Aufhärtung der Strahlung. Sie wird mit Aluminium- oder Kupferplättchen unterschiedlicher Dicke durchgeführt. In der Weichstrahltherapie werden ausschließlich Aluminiumfilter verwendet. Gemessen wird die resultierende Strahlenqualität als Funktion der Schichtdicke des Filtermaterials. Die Dicke des Filtermaterials, durch das ein definiertes Strahlenbündel um die Hälfte geschwächt wird, bezeichnet man als Halbwertschichtdicke.
Von historischem Interesse ist die heute nicht mehr praktizierte so genannte Röntgenfernbestrahlung. Bei dieser wurde eine Luftsäule von 2 m als Filter verwendet. Durch Verwendung eines Dermopan-Geräts, das mit einer Anodenspannung von 50 kV nur mit Berylliumfenster ohne Aluminiumfilter betrieben wird, entstand ein Strahlenkegel, mit dem die Körperoberfläche (entweder dorsal oder ventral) mit einer Dosisleistung von 0,2–0,4 Gy/min bestrahlt werden konnte.
Intensitätsabfall
Der Intensitätsabfall folgt den Gesetzmäßigkeiten der Optik, das heißt, er nimmt mit dem Quadrat der Entfernung der Strahlenquelle ab (linear-quadratisches Abstandsgesetz). Neben den aus diesem Gesetz resultierenden Risiken kann es auch in der Bestrahlungsplanung genutzt werden, etwa um durch Verwendung eines längeren Tubus bei Bestrahlung einer stark gekrümmten Oberfläche (beispielsweise exophytische Tumoren) eine homogenere Bestrahlung des gesamten Feldes zu erreichen.
Fokus-Haut-Abstand
Die durch den Tubus definierte Entfernung zwischen Röntgenröhre („Brennfleck“-Fokus) und bestrahlter Haut wird als Fokus-Haut-Abstand (FHA) bezeichnet. Um die zentrale Bedeutung des FHA für die Homogenität der Bestrahlung eines Feldes bei Röntgenweichstrahlen zu verstehen, muss in Erinnerung gerufen werden, dass im Gegensatz zu harten Röntgen- oder Gammastrahlen bei Weichstrahlen die Luftsäule zwischen Röhre und Hautoberfläche als zusätzlicher Filter wirkt. Hieraus folgt ein spürbarer exponentieller Intensitätsabfall vom Zentrum des Strahlungskegels sowohl zur Seite als auch zur Tiefe. Der Fokus-Haut-Abstand ist somit das zentrale Steuerungselement für die „Ausleuchtung“ des Bestrahlungsgebiets; bei Bestrahlung ausgedehnterer Hauttumoren wird daher meist ein größerer FHA gewählt. Zu beachten ist allerdings, dass durch die Verringerung des Intensitätsabfalls in der Tiefe auch das Risiko einer akzidentellen Überexposition tiefer gelegener Schichten besteht. Dies ist vor allem von Bedeutung, wenn etwa ein Tumor auf dem Nasenrücken oder Nasenflügel, am Ohrknorpel oder am Kapillitium bei atrophischer Altershaut bestrahlt wird; in diesen Fällen kann es durch die höhere Strahlungsabsorption von Knochen und Knorpel im Vergleich zur Haut zu einer Aufsättigung der Strahlung kommen.

Bestrahlungsplanung

Vor Beginn jeder Strahlentherapie müssen eine definitive klinische und histologische Diagnose sowie eine schriftliche Einwilligung des Patienten vorliegen. Das Therapieziel (kurativ oder palliativ) wird festgelegt. Die Eindringtiefe und die Ausdehnung des Tumors müssen mit geeigneten Methoden bestimmt oder abgeschätzt werden. Das Bestrahlungsfeld ergibt sich aus der Fläche der Ausdehnung des Tumors zuzüglich eines Sicherheitsabstandes von 5–10 mm (je nach Indikation) und wird angezeichnet. Die Strahlungsintensität muss so bemessen sein, dass am unteren Rand des Tumors erstens 50 % der Oberflächendosis erreicht (Gewebehalbwerttiefe) und zweitens 1,5 Gy pro Fraktion nicht unterschritten werden. Aus diesen Vorgaben errechnet sich tumorspezifisch die Höhe der Einzelfraktion, die am Gerät über die Röhrenspannung, den FHA und die Bestrahlungszeit eingestellt werden. Bei alten Weichstrahlgeräten (Dermopan, RT 100) erfolgt diese Einstellung von Hand, bei neuen Weichstrahlgeräten prozessorgesteuert und computerunterstützt. Anschließend erfolgen in Abhängigkeit von Diagnose und Therapieziel die Festlegung der zu erreichenden Gesamtdosis sowie die Anzahl der Einzelfraktionen und der Fraktionen pro Woche.
Die Anzahl der Einzelfraktionen und ihre Verteilung entscheiden nicht nur über die therapeutische Wirkung (Erholung des Tumorgewebes bei zu langen Abständen), sondern auch über die Nebenwirkungen, insbesondere Fibrose, epidermale Atrophie und Spätulzeration. Entgegen älteren Vorstellungen, bei denen die Höhe der Einzelfraktion nur eine untergeordnete Rolle spielte, wird in der modernen Strahlentherapie das linear-quadratische Modell zugrunde gelegt. Als Ergebnis der Übertragung dieses Modells auf die Röntgenweichstrahltherapie von Hauterkrankungen sollten möglichst kleine Einzelfraktionen gewählt werden, die jedoch unter Beachtung der Minimaldosis am unteren Tumorrand für die meisten Indikationen 3 Gy nicht unterschreiten dürften. Bis zu fünf Fraktionen pro Woche sind möglich, für eine echte Hyperfraktionierung (mehr als eine Fraktion pro Tag) existieren in der dermatologischen Röntgenweichstrahltherapie keine Protokolle.
Alle oben angestellten Überlegungen müssen vor Therapiebeginn in einem schriftlichen Bestrahlungsplan festgehalten werden. Der Verlauf der Bestrahlung und Abweichungen von diesem Bestrahlungsplan müssen schriftlich protokolliert und gegebenenfalls begründet werden. Die Aufbewahrungsfrist für alle mit einer Strahlentherapie zusammenhängenden Unterlagen beträgt auch nach der neuen Röntgenverordnung im Gegensatz zu sonstigen medizinischen Unterlagen 30 Jahre.

Bestrahlungsquellen

Grenzstrahlen

Es handelt sich um sehr weiche, bei einer Spannung von 10–14,5 kV erzeugte Strahlen, die nur in die Epidermis und das obere Korium eindringen. Eine Aluminiumfilterung erübrigt sich, allerdings ist ein Berylliumfenster (siehe unten) vor der Röntgenröhre erforderlich. Grenzstrahlen kommen nur bei sehr oberflächlichen Hauterkrankungen in Betracht. Bei größeren Einzeldosen (<10 Gy) kann es zu oberflächlichen Poikilodermien kommen.
Indikationen
Von den Indikationen für diese Strahlenqualität ist nur noch die Lentigo maligna bei atrophischer Altershaut übrig geblieben, da für entzündliche Dermatosen bessere und nebenwirkungsärmere Optionen zur Verfügung stehen. Es werden Einzeldosen bis zu 10 Gy eingesetzt, was bei anderen Strahlenqualitäten als Grenzstrahlen zu einer erheblichen Überdosierung führen würde.

Röntgenweichstrahlen

Sie wurden möglich nach Einführung von Beryllium-gefensterten Röntgenröhren. Beryllium lässt wegen seines geringen Atomgewichts weiche Röntgenstrahlen durchtreten, die bei anderen Fenstern bereits durch Eigenfilterung verloren gehen. Hier ist also die geringe Härte der austretenden Strahlung für den steilen Dosisabfall im Gewebe verantwortlich. Die klassischen Weichstrahlgeräte, das Dermopan (Siemens) und das RT-100 (Müller) werden seit einigen Jahren nicht mehr gebaut, es existieren jedoch noch zahlreiche, zum Teil mehrere Jahrzehnte alte Geräte, die nach wie vor funktionsfähig und zugelassen sind. Mittlerweile gibt es in Deutschland jedoch wieder mehrere Hersteller, die Weichstrahlgeräte herstellen. Der Bedienungskomfort und die Fehlersicherheit sind gegenüber den alten Geräten durch prozessorgesteuerte Bestrahlungsprogramme, meist auf Windows-Basis (was ihre Einbindung in gängige Praxis- und Klinikumsadministrationssoftware erleichtert), deutlich gestiegen; dieser Komfort hat jedoch auch seinen Preis. Daneben gibt es mehrere Anbieter in den USA (Bucky-Corporation) und dem europäischen Ausland (Schweden, Schweiz, Großbritannien, Frankreich), die Grenz- und Weichstrahlgeräte herstellen. Die früher geübte Röntgenfernbestrahlung ist durch die Möglichkeit der Ganzhautbestrahlung mittels Linearbeschleunigern weitgehend verdrängt worden.
Indikationen: Tumoren (kurativ)
Lentigo maligna, kutanes Lymphom (T-Zell- und B-Zell-Lymphom), Kaposi-Sarkom, Basalzellkarzinom, spinozelluläres Karzinom, Bowen-Karzinom.
Indikationen: Semimaligne und fibrosierende Dermatosen
Keratoakanthom, Induratio penis plastica (Morbus Peyronie), initialer Morbus Dupuytren und Morbus Ledderhose.

Teilchenbeschleuniger

Es werden Linear-und Umlaufbeschleuniger eingesetzt. Sie sind zur Erzeugung von Elektronen- und Photonenstrahlen definierter Energie geeignet, die zwischen 4–40 MV liegen kann. Im Gegensatz zur Röntgenstrahlung liegt das Dosismaximum nicht an der Hautoberfläche und fällt von dort exponentiell ab, sondern je nach Strahlungsenergie wenige Millimeter bis einige Zentimeter in der Tiefe. Der Vorteil liegt bei der Bestrahlung tieferer Strukturen (Lymphknoten, Organmetastasen) darin, dass die Haut weniger Energie absorbiert und somit die Entwicklung eines kutanen Strahlensyndroms mit bullöser Reaktion oder Radionekrose – in der Ära der Röntgentiefentherapie von Neoplasien eine fast obligate Nebenwirkung – praktisch nicht mehr vorkommt. Bei der Behandlung von intraepidermal oder dermal gelegenen Prozessen stellt diese physikalische Besonderheit der Elektronenstrahlung jedoch einen Nachteil dar, da sie den Einsatz von Plexiglasphantomen erfordert, durch die der Aufbaueffekt quasi oberhalb der Hautoberfläche eingeleitet und das Dosismaximum in die oberen Hautschichten fokussiert wird.
Da Teilchenbeschleuniger einen steilen Dosisaufbau zu einem Maximum und einen ebenso schnellen Dosisabfall erzeugen, wird für die Bestrahlungsplanung nicht die Gewebehalbwerttiefe, sondern die 80 % Isodosenverteilung herangezogen. Das zu bestrahlende Tumorgewebe sollte allseits im Bereich der 80 % Isodose liegen. Durch aufwendige Bestrahlungsplanungen, die im Dialog zwischen Therapeuten und Physiker meist am Phantom computerunterstützt simuliert werden, ist es möglich, die therapeutische Wirkung auf das Tumorgewebe zu maximieren und das Nebenwirkungsrisiko zu minimieren. Für die Bestrahlung von im Hautorgan gelegenen Prozessen ist dieser personelle und materielle Aufwand eigentlich angesichts der vergleichsweisen Einfachheit und Sicherheit der Röntgenweichstrahltherapie jedoch unangemessen. Hinzu kommt, dass es bei Teilchenbeschleunigern bedingt durch die Strahlenphysik schwieriger ist, die seitliche Begrenzung des Bestrahlungsfeldes auf der Hautoberfläche exakt festzulegen als bei Röntgenweichstrahlen.
Indikationen
Große kutan-subkutane Hauttumoren und Metastasen, Ganzhautbestrahlung beim kutanen Lymphom. Die Therapie erfolgt durch Radioonkologen. Durch den Einsatz moderner Moulagetechniken lässt sich der Isodosenverlauf auch in die oberen Hautschichten verlegen, sodass auch oberflächliche Hauttumoren mit diesen Strahlenqualitäten effizient und nebenwirkungsarm behandelbar sind.

Telecurie-Geräte

Durch Verwendung fester 60Co- und 137Cs-Quellen, die eine höher energetische Gammastrahlung emittieren, kann eine Halbtiefen- und Tiefentherapie durchgeführt werden. Der Aufbaueffekt ist geringer ausgeprägt als bei Teilchenbeschleunigern, kann aber therapeutisch genutzt werden. Telecurie-Geräte stellen höchste Anforderungen an den Strahlenschutz, da es sich im Gegensatz zu Röntgengeräten und Teilchenbeschleunigern, bei denen nur im eingeschalteten Zustand ein Strahlenrisiko besteht, um permanent strahlende Quellen handelt. Die hohe Dosisleistung von bis zu 15 Gy/min am Auslassfenster führt selten, aber immer wieder zu schwerwiegenden Unfällen, bei denen es regelmäßig zu Expositionen des Hautorgans mit Einzeldosen von 60–90 Gy und mehr kommt. Die akzidentelle Exposition mit beim Bau von Pipelines verwendeten 137Cs-Prüfstrahlern führt jährlich weltweit zu Dutzenden von Unfällen, in deren Folge es bei Industriearbeitern durch die Folgen des kutanen Strahlensyndroms zum Verlust der Hände oder noch schwerwiegenderen Verletzungen kommt. In den letzten Jahren wurden sehr zielgenaue Geräte zur selektiven Ausschaltung von Hirntumoren und Hirnmetastasen entwickelt (Gamma-knife-Therapie).
Indikationen
Oberflächlicher gelegene maligne Tumoren und Metastasen, Radiochirurgie bei Hirnmetastasen.

Künstliche radioaktive Isotope

Isotope wie 60Co, 137Cs oder 192Ir (daneben noch Rhutenium in der Kontakttherapie des okulären Melanoms) werden als Perlen, Drähte oder Platten mit dem Tumorgewebe in Kontakt gebracht. Der Vorteil der Methode liegt in der exakten tumorspezifischen Applikation und der möglichen Minimierung von Bestrahlung des umgebenden oder darunterliegenden gesunden Gewebes und der Verminderung des Erholungseffekts des Tumors durch Bestrahlungspausen, der Nachteil in der zum Teil schwierigen und teils nicht unblutigen Applikation, die bei multimorbiden Patienten einen sonst wesentlichen Vorteil der Strahlentherapie wieder aufhebt. Die Anwendung erfolgt durch Radioonkologen.

Künstliche β-Strahler

Sie sind durch ihre Eindringtiefe von nur wenigen Millimetern für eine oberflächliche Strahlentherapie von Hauterkrankungen besonders geeignet. Im Allgemeinen wird das radioaktive Strontium (90Sr) verwendet, das mit einer Halbwertzeit von 21,6 Jahren in das radioaktive Yttrium 90Y zerfällt. Aus diesem entsteht das radioaktive Zirkonium (99Zr), das mit einer Halbwertzeit von 2,4 Tagen eine reine β-Strahlung von maximal 2,35 MV emittiert. Die Präparate kommen als Platten (umschlossene β-Strahler) 90Sr-90Y (Buchler) zur Anwendung.
Indikationen
Künstliche β-Strahler sind indiziert bei oberflächlichen, flächigen Tumoren der Haut und der Schleimhäute. Diese Therapie ist durch entsprechend fachkundige Dermatologen grundsätzlich durchführbar. Da es sich jedoch um permanent strahlende Quellen handelt, sind die Anforderungen an den Strahlenschutz (in diesem Fall ist nicht die Röntgenverordnung, sondern die Strahlenschutzverordnung maßgebend) jedoch derart hoch, dass sich ein wirtschaftlicher Einsatz dieser Therapieoption angesichts der verfügbaren therapeutischen Alternativen weder für den niedergelassenen Dermatologen noch für eine Klinik realisieren lassen dürfte.

Strahlenarten für spezielle Anwendungen (Neutronen, Protonen, schwere Ionen)

Diese Strahlenqualitäten sind nur in wenigen Zentren verfügbar, ihre Herstellung ist extrem aufwendig und bewegt sich zum Teil im Grenzbereich des mit den Kenntnissen der heutigen Physik Möglichen. Gemeinsam sind ihnen eine geringere Eindringtiefe und die Möglichkeit einer millimetergenauen Fokussierung. Hieraus ergibt sich ein großes Potenzial in der Behandlung oberflächlicher Weichteilmetastasen im Kopf-Hals-Bereich und bei Hirnmetastasen. Nachteilig sind bei allen aufgeführten Strahlenarten die extrem hohen Kosten. Größere Bedeutung hat mittlerweile vor allem die Neutronen- und die (Borionen-) Neutroneneinfangtherapie bei Lymphknoten- und Thoraxwandmetastasen des Melanoms erlangt.
Indikationen
Primärtumoren und Metastasen in inoperablen Lokalisationen (ZNS, Auge, und andere), pleuranahe flächige Metastasen des Melanoms. Die Anwendung erfolgt durch Radioonkologen in speziellen Zentren.
Literatur
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Erstbeschreiber
Röntgen WC (1895) Ueber eine neue Art von Strahlen: vorläufige Mittheilung. Sitzungsber Physmed Ges Würzburg, December 28