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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 06.04.2024

Aortenklappeninsuffizienz (AI)

Verfasst von: Annemarie Kirschfink und Ertunc Altiok
Die Aortenklappeninsuffizienz (AI) ist definiert als Unfähigkeit der Aortenklappe zu einem vollständigen diastolischen Klappenschluss. Die AI ist entweder primär durch eine Pathologie der Aortenklappe bedingt oder sekundär durch Veränderungen der Aortenwurzel bzw. der Aorta thoracalis ascendens. Es wird unterschieden zwischen der akuten Verlaufsform, bei der es rasch zur Entwicklung von Symptomen der akuten Linksherzinsuffizienz kommen kann, und der chronischen Verlaufsform, bei der die AI oft lange kompensiert ist und es erst spät mit einer Dilatation und Einschränkung der Funktion des linken Ventrikels zur Linksherzinsuffizienz kommt. Bei asymptomatischen Patienten ohne Zeichen der Dilatation oder Funktionseinschränkung des linken Ventrikels erfolgt eine konservative Behandlung, wohingegen bei symptomatischen Patienten mit hochgradiger AI oder Zeichen der linksventrikulären Schädigung die Indikation zur operativen oder interventionellen Behandlung der Aortenklappe besteht.

Einleitung

Die Aortenklappeninsuffizienz (AI) entsteht durch eine Unfähigkeit des diastolischen Klappenschlusses der Aortenklappe. Man unterscheidet in Abhängigkeit des zeitlichen Auftretens eine akute von einer chronischen AI. Ursächlich für eine AI können eine primäre Pathologie der Aortenklappe sein sowie Veränderungen der Aorta thoracalis ascendens und des Aortenbulbus, die sekundär zu einer AI führen (bei intakter Semilunarklappe).
Die Hauptursachen einer primären AI sind in den Industrieländern degenerative Veränderungen der trikuspiden Aortenklappe sowie der angeborenen bikuspiden Aortenklappe (Iung et al. 2019). Die bikuspide Aortenklappe ist eine der häufigsten angeborenen Herzerkrankungen mit einer Prävalenz von ca. 1–2 %. Die bikuspide Semilunarklappe geht einher mit einem erhöhten Risiko u. a. für die Entwicklung einer AI und ist assoziiert mit Aortopathien wie der Aortenisthmusstenose (Ward 2000). Weitere Ursachen einer AI sind die infektiöse Endokarditis, die den häufigsten Grund einer akuten AI darstellt (Vahanian et al. 2021), sowie vor allem in Entwicklungsländern die rheumatische Herzerkrankung. Seltenere Ursachen sind systemisch rheumatische Erkrankungen wie der systemische Lupus erythematodes sowie das Antiphospholipid-Syndrom oder eine kongenitale quadrikuspide Aortenklappe.
Die sekundäre AI wird verursacht durch Pathologien der Aorta thoracalis ascendens und des Aortenbulbus, die zur Dilatation des Aortenannulus führen (z. B. durch eine arterielle Hypertonie, Aortendissektion, durch genetische Aorten-Syndrome wie das Marfan- oder Ehlers-Danlos-Syndrom oder durch eine infektiöse Aortitis bei Syphilis).

Pathophysiologie

Eine AI führt durch den unvollständigen Klappenschluss zu einem diastolischen Rückfluss von der Aorta thoracalis ascendens zurück in den linken Ventrikel und damit zu einer chronischen Volumenbelastung des Herzens. Als Anpassungsmechanismus kommt es zu einer exzentrischen linksventrikulären (LV) Hypertrophie und Dilatation, die schließlich in einer LV-Dysfunktion und damit einer valvulären Herzinsuffizienz enden. Durch das Pendelvolumen entsteht ein großes Schlagvolumen, das zu einem Anstieg des systolischen Blutdrucks bei gleichzeitigem Abfall des diastolischen Blutdrucks aufgrund der Insuffizienz führt. Hierdurch entsteht eine große Blutdruckamplitude, die verschiedene pulsatorische Phänomene (siehe Abschn. 5, Diagnostik) verursachen kann.

Epidemiologie

In der Framingham-Heart-Studie nahm die Prävalenz der AI mit dem Alter zu, sodass eine mittelschwere bis schwere AI bei 2,2 % der Männer und 2,3 % der Frauen über 70 Jahren nachgewiesen werden konnte (Singh et al. 1999).

Klinik

Patienten können mit einer chronischen schweren AI aufgrund der ventrikulären Anpassungsmechanismen für einen langen Zeitraum asymptomatisch sein (Bonow 1994). Im weiteren Krankheitsverlauf und mit Versagen der Anpassungsmechanismen können eine eingeschränkte Belastbarkeit mit Belastungsdyspnoe sowie weitere Symptome der Herzinsuffizienz auftreten. Zudem kann es unabhängig von einer stenosierenden koronaren Herzerkrankung zur Angina pectoris kommen. Dies ist zurückzuführen auf den reduzierten koronaren Perfusionsdruck während der Diastole und das exzentrisch hypertrophierte Myokard.
Bei der akuten AI fehlen die Anpassungsmechanismen, sodass es rasch zur Entwicklung von Symptomen der akuten Linksherzinsuffizienz kommen kann.

Diagnostik

Körperliche Untersuchung – Inspektion, Palpitation und Auskultation

Bei der AI entsteht durch die große Blutdruckamplitude ein sog. „Pulsus celer et altus“ (Wasserhammerpuls) mit niedrigem diastolischen Blutdruck durch die Insuffizienz und hohem systolischem Blutdruck durch das kompensatorisch hohe Schlagvolumen. Hieraus ergeben sich verschiedene pulsatorische Phänomene, wie z. B. das de-Musset-Zeichen (pulssynchrones Kopfnicken), das Quincke-Zeichen (sichtbarer Kapillarpuls), das Corrigan-Zeichen (sichtbare Pulsation der Karotiden) oder das Müller-Zeichen (sichtbarer Kapillarpuls an der Uvula). Der Herzspitzenstoß ist hyperdynam, verbreitert und nach kaudal sowie links-lateral verlagert. Bei der körperlichen Untersuchung sollte auf Zeichen der Endokarditis und der Bindegewebserkrankung geachtet werden.
Der typische Auskultationsbefund einer AI ist ein hauchend, gießendes Decrescendo-Diastolikum unmittelbar nach dem 2. Herzton mit Punctum maximum im 3. Interkostalraum links parasternal und der Aortenregion vor allem bei vornüber gebeugten Patienten. Weitere Herzgeräusche, die auftreten können, sind ein Systolikum sowie das Austin-Flint-Geräusch. Das Systolikum ist spindelförmig und entsteht durch eine relative Aortenklappenstenose aufgrund des kompensatorisch erhöhten Schlagvolumens. Ist der Aorteninsuffizienz-Jet in Richtung Mitralklappe gerichtet und behindert die Öffnung des vorderen Mitralklappensegels in der Diastole, entsteht das Austin-Flint-Geräusch, welches ein niederfrequentes mitt- bis spätdiastolisches Geräusch beschreibt.

Apparative Diagnostik

Im 12-Kanal-Elektrokardiogramm (EKG) können Veränderungen im Rahmen der linksventrikulären Hypertrophie detektiert werden. Im Röntgen-Thorax zeigen sich bei progredienter AI eine Kardiomegalie mit aortaler Konfiguration sowie ggf. eine Dilatation der thorakalen Aorta.
Die Echokardiografie ist die Methode zur direkten Darstellung und Quantifizierung der AI (Abb. 1). Darüber hinaus kann auch die Aortenklappenanatomie, der Pathomechanismus der AI und der Aortenbulbus mit Aorta thoracalis ascendens dargestellt werden. In der transthorakalen Echokardiografie (TTE) werden die linksventrikulären Dimensionen und die Ejektionsfraktion bestimmt. Bei nicht ausreichendem Schallfenster oder nicht eindeutigem transthorakalen Befund kann eine weitere Abklärung mittels transösophagealer Echokardiografie (TEE) sinnvoll sein. Hier können auch Teile des Aortenbogens sowie die Aorta thoracalis descendens beurteilt werden.
Tab. 1 beschreibt die Einteilung des Schweregrades der AI. Hier sollten verschiedene echokardiografische Parameter erhoben und in der Gesamtheit bewertet werden (Lancellotti et al. 2010). Qualitative Befunde, die für eine schwere AI sprechen, sind u. a. ein Flail der Klappe, ein sichtbarer Koaptationsdefekt/Schlussdefekt, ein dichtes Continuous-Wave (CW)-Dopplersignal oder ein holodiastolischer Rückfluss in der Aorta thoracalis descendens mit einer enddiastolischen Geschwindigkeit > 20 cm/s. Ein semiquantitativer Parameter ist die Vena contracta, die der engsten Stelle des Aortenklappeninsuffizienz-Jets im Bereich der Klappe oder kurz unterhalb dieser entspricht und bei einer Weite > 6 mm auf eine schwere AI hinweist. Ein weiterer semiquantitativer Parameter ist die Druckhalbwertszeit/Pressure-Half-Time (PHT) des AI-Jets im CW-Doppler, bei der die Zeit bis zum Abfall des initialen Druckgradienten auf die Hälfte gemessen wird (Abb. 2).
Tab. 1
Einteilung des Schweregrades der Aortenklappeninsuffizienz entsprechend den Leitlinien nach einem integrativen Ansatz über verschiedene echokardiografische Parameter. (Quelle: übersetzt und modifiziert nach Hagendorff et al. 2020)
Schweregrad
Gering
Moderat oder mittelgradig bzw. mittel- bis hochgradig
Hochgradig
LV-Größe
Normal
Normal oder dilatiert
Meist dilatiert
Jet-Dezelerationsrate – PHT (ms)
> 500 ms
500–200 ms
< 200 ms
Retrograde diastolische Flussgeschwindigkeiten in der Aorta descendens oder linken A. subclavia
Inkomplett oder schwach
~
Prominente holodiastolische Flussumkehr
Semiquantitative Parameter:
   
Vena-contracta-Breite – VCW (cm)
< 0,3 cm
0,3–0,6 cm
> 0,6 cm
Jet-Breite/LVOT-Diameter bei zentralen Jets (%)
< 25 %
25–45 bzw. 46–64 %
≥ 65 %
Jet-CSA/LVOT-CSA bei zentralen (%) Jets
< 5 %
5–20 bzw. 21–59 %
≥ 60 %
Quantitative Parameter:
   
Regurgitationsfraktion (%)
< 30 %
30–39 bzw. 40–49 %
≥ 50 %
EROA (cm2)
< 0,10 cm2
0,10–0,19 bzw. 0,20–0,29cm2
≥ 0,30 cm2
CSA = Querschnittsfläche (engl.: cross-sectional area), EROA = effektive Regurgitationsöffnungsfläche (engl: effective regurgitant orifice area), LV = linksventrikulär, LVOT = linksventrikulärer Ausflusstrakt (engl: left ventricular outflow tract), PHT = Druckhalbwertszeit (engl.: pressure half time), VCW = Vena-contracta-Breite (engl.: vena contracta width)
Je höhergradiger eine AI ist, desto schneller erfolgt der Druckabfall. Eine Druckhalbwertszeit < 200 ms spricht für eine schwere AI. Als quantitative Parameter sollten das Regurgitationsvolumen sowie die effektive Regurgitationsfläche (EROA) mittels PISA (proximal isovelocity surface area)-Methode bestimmt werden. Weiter wird die Regurgitationsfraktion bestimmt aus dem Verhältnis des Regurgitationsvolumens bezogen auf das totale linksventrikuläre Schlagvolumen. Insbesondere bei asymptomatischen Patienten müssen zudem die Effekte auf den linken Ventrikel und seine Größe sowie die LV-Funktion bewertet werden. Gelingt kein eindeutiger echokadiografischer Befund – insbesondere dahingehend, ob eine hochgradige und ggf. therapiebedürftige AI vorliegt –, ist ein multimodaler Ansatz sinnvoll unter Zuhilfenahme weiterer bildgebender Verfahren, wie der kardialen Magnetresonanztomografie und der Computertomografie (Vahanian et al. 2021).
Die kardiale Magnetresonanztomografie kann dabei nicht nur die Anatomie und Funktion der Aortenklappe und des linken Ventrikels darstellen mit einer genauen und reproduzierbaren Bestimmung der Ventrikeldiameter, -volumina und -funktion, sondern darüber hinaus als alternative Methode die AI quantifizieren. Dabei wird unabhängig vom zugrunde liegenden Pathomechanismus der AI das Insuffizienz- oder Regurgitationsvolumen und die Regurgitationsfraktion bestimmt. Zudem erfolgt wie auch bei der CT-Bildgebung eine anatomische Darstellung der Aorta thoracalis, durch die ein Aneurysma der Aorta oder bei bikuspiden Klappen eine begleitende Aortenisthmusstenose beurteilt werden können (Zoghbi et al. 2017).
Eine Herzkatheteruntersuchung kann als invasive Diagnostik neben den Druckwerten im Lungenkreislauf zur Beurteilung einer pulmonalen Hypertonie auch den enddiastolischen Druck im linken Ventrikel sowie den systolischen und diastolischen Druck in der Aorta erheben. Zur semiquantitativen Beurteilung der AI kann eine Aortografie durchgeführt werden, bei der die Kontrastierung des linken Ventrikels im Verhältnis zur Aorta ascendens in Abhängigkeit von der Menge des retrograd strömenden Kontrastmittels beurteilt wird. Zudem kann durch eine präoperative Koronarangiografie eine begleitende koronare Herzerkrankung diagnostiziert werden, insbesondere bei bekannter KHK oder mindestens einem kardiovaskulären Risikofaktor, Hinweisen für eine myokardiale Ischämie, systolischer LV-Dysfunktion, Männern älter 40 Jahre oder Frauen in der Menopause (Vahanian et al. 2021).

Differenzialdiagnostik

Der Auskultationsbefund einer AI muss von anderen diastolischen Herzgeräuschen wie der Pulmonalklappeninsuffizienz und der Mitralklappenstenose oder auch seltener dem offenen Ductus arteriosus Botalli und Gefäßmalformationen abgegrenzt werden.

Therapie

Medikamentöse Therapie

Bei asymptomatischen Patienten erfolgt eine konservative Behandlung, wenn keine Zeichen der Dilatation oder Funktionseinschränkung des linken Ventrikels vorliegen. Insbesondere ein arterieller Hypertonus sollte mittels Angiotensin-Converting-Enzym (ACE)-Hemmern und Calciumantagonisten (Dihydropyridine) eingestellt werden. Eine ß-Blockertherapie ist mit Vorsicht anzuwenden, da eine Reduktion der Herzfrequenz zu einer Verlängerung der Diastole führt und damit das Regurgitationsvolumen erhöhen kann. Diuretika werden bei Flüssigkeitsretention verordnet. Eine medikamentöse Therapie stellt allerdings keinen Ersatz für eine indizierte Aortenklappenoperation dar, wenn die Kriterien hierfür erfüllt sind. Eine valvuläre Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikulärer Funktion wird entsprechend den Leitlinien für Herzinsuffizienz begleitend medikamentös therapiert. Eine Endokarditisprophylaxe ist bei Patienten mit AI nicht routinemäßig erforderlich, außer bei überstandener Endokarditis. Sie kann aber individuell erwogen werden (Delgado et al. 2023).

Indikationen zur operativen Behandlung

Bei symptomatischen Patienten mit einer schweren AI wird ein operatives Vorgehen mittels Aortenklappenersatz empfohlen, ebenso wie bei asymptomatischen Patienten mit linksventrikulärer Dilatation und einem linksventrikulären endsystolischen Diameter (LVESD) > 50 mm (bei kleiner Körpergröße: indizierter LVESD > 25 mm/m2 Körperoberfläche) oder einer reduzierten linksventrikulären Ejektionsfraktion ≤ 50 % als Ausdruck einer bereits aufgetretenen Schädigung des linken Ventrikels. Zudem sollte bei Patienten, die sich einem Bypass-, Herzklappeneingriff oder einer Operation der Aorta thoracalis ascendens unterziehen, eine schwere symptomatische oder asymptomatische AI ebenfalls behandelt werden. Ein Aortenklappenersatz kann erwogen werden bei asymptomatischen Patienten mit einem indizierten linksventrikulären endsystolischen Diameter (LVESD) > 20 mm/m2 Körperoberflache insbesondere bei kleiner Körpergröße oder bei einer linksventrikulären Ejektionsfraktion ≤ 55 % in Ruhe, wenn ein niedriges OP-Risiko besteht. Im Fall einer Entscheidung zur Operation kann an erfahrenen Zentren bei ausgewählten Patienten eine Aortenklappenrekonstruktion anstatt eines Aortenklappenersatzes durch eine künstliche Prothese erwogen werden, wenn ein dauerhaftes Ergebnis erzielt werden kann. Des Weiteren sollte eine Operation bei asymptomatischen Patienten mit einer deutlichen LV-Dilatation mit einem linksventrikulären enddiastolischen Diameter (LVEDD) > 65 mm, einer zunehmenden LV-Dilatation oder LV-Dysfunktion mit Abnahme der linksventrikulären Ejektionsfraktion in Erwägung gezogen werden.
Die katheterinventionelle transfemorale Implantation einer Aortenklappe (TAVI) kann in erfahrenen Zentren bei ausgewählten Patienten diskutiert werden, die nicht mehr geeignet sind für ein operatives Vorgehen. Erfolgt primär ein Aortenklappenersatz, sollte auch ein Aortenersatz erfolgen, wenn eine Dilatation ≥ 45 mm der Aorta thoracalis ascendens oder der Aortenwurzel vorliegt (Vahanian et al. 2021).
Bei der akuten AI richtet sich die Therapie vor allem nach der Ursache, wie einer infektiösen Endokarditis oder einer Typ-A-Aortendissektion.

Verlauf und Prognose

Die akute AI ist verbunden mit einer erhöhten Mortalität und Morbidität, nicht zuletzt aufgrund der zugrunde liegenden Erkrankung wie einer infektiösen Endokarditis oder einer akuten Aortendissektion. Patienten mit einer chronischen AI können auch bei einer schweren Insuffizienz längere Zeit aufgrund der Kompensationsmechanismen beschwerdefrei sein, bis es zum Auftreten von Symptomen und Entwicklung einer Herzinsuffizienz mit erhöhter Mortalität kommt.
Die Prognose hängt insbesondere von der Symptomatik ab: Bei konservativ behandelter asymptomatischer AI beträgt das Risiko, Symptome und/oder eine systolische LV-Dysfunktion zu entwickeln, im Mittel 4,3 % pro Jahr mit einem Risiko des plötzlichen Herztodes von 0,2 % pro Jahr (Bonow et al. 1998). Beim Auftreten von Symptomen verschlechtert sich die Prognose jedoch deutlich. Symptomatische Patienten mit einer milden Dyspnoe NYHA Klasse II weisen eine jährliche Mortalitätsrate von 6,3 % auf, Patienten mit einer Dyspnoe der NYHA Klasse III-IV sogar von jährlich 24,6 % (Dujardin et al. 1999).
Patienten mit einer leichten bis mittelschweren AI sollten klinisch jährlich und echokardiografisch alle 2 Jahre reevaluiert werden. Asymptomatische Patienten mit schwerer AI und normalem linken Ventrikel sollten nach Erstdiagnose nach 3–6 Monaten kontrolliert werden und dann bei stabilem Befund mindestens jährlich, um eine Schädigung des linken Ventrikels früh zu erfassen. Liegen die Parameter nahe an den Operationsgrenzen sollte nach 3–6 Monaten eine Kontrolluntersuchung stattfinden, ebenso bei Zunahme der LV-Diameter und Abnahme der linksventrikulären Funktion (Vahanian et al. 2021). Dabei kann die Bestimmung des BNP-Verlaufes sinnvoll sein (Pizarro et al. 2011) (Abb. 3).

Besondere Aspekte

Körperliches Training in Form von Freizeit- sowie auch Leistungssport ist bei asymptomatischen Patienten mit einer leichten AI möglich. Bei asymptomatischen Patienten mit einer mittelschweren AI kann Freizeit- und Leistungssport erwogen werden, sofern keine LV-Dilatation vorliegt, die LV-EF > 50 % beträgt und ein Belastungstest unauffällig ausfällt. Liegt eine asymptomatische schwere AI vor, so kann Freizeit- und Leistungssport mit geringer und moderater Intensität bei leicht bis moderater LV-Dilatation mit einer LV-EF > 50 % und unauffälligem Belastungstest erwogen werden. Freizeitsport mit moderater bis hoher Intensität sollte bei Patienten mit schwerer asymptomatischer AI bei einer LV-EF < 50 % und/oder Arrhythmien unter Belastung vermieden werden. Diesen Patienten wird von Leistungssport mit moderater bis hoher Intensität gänzlich abgeraten.
Bei symptomatischer schwerer AI wird lediglich ein aerobes körperliches Training mit niedriger Intensität empfohlen (Pelliccia et al. 2021).
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