Syphilis ist eine weltweit vorkommende, systemische Infektionskrankheit mit dem Bakterium Treponema pallidum, welches über den Geschlechtsverkehr, intimen/sexuellen körperlichen Kontakt oder diaplazentar übertragen wird. Seit 2010 finden sich steigende Inzidenzen, auch in allen westeuropäischen Staaten. Mehr als 80 % der neuen Infektionen sind auf sexuelle Kontakte zwischen Männern zurückzuführen, von welchen bereits 30 % HIV-infiziert sind. Durch einen Anstieg auch im heterosexuellen Bereich treten auch wieder Fälle konnataler Syphilis auf. Die Erkrankung durchläuft verschiedene Stadien, manifestiert sich an unterschiedlichen Organen, und zeichnet sich durch die unterschiedlichsten Symptome aus. In vielen Fällen wird die Diagnose beim asymptomatischen Patienten zufällig im Stadium der Spätlatenz gestellt. Zunehmend werden neurologischen Komplikation im Rahmen der Frühsyphilis, zumeist Hirnnervenausfälle, diagnostiziert. Penicillin ist nach wie vor Therapie der Wahl, Resistenzen sind bis heute nicht bekannt.
Syphilis
ist eine weltweit, vorwiegend in den Entwicklungsländern, vorkommende systemische Infektionskrankheit mit dem Bakterium Treponema pallidum, welches über den Geschlechtsverkehr, intimen/sexuellen körperlichen Kontakt oder diaplazentar übertragen wird. Die Erkrankung durchläuft verschiedene Stadien, manifestiert sich an unterschiedlichen Organen wie Haut, zentralem Nerven-, Herz-Kreislauf- und Skelettsystem, und zeichnet sich durch eine große Vielfalt an Symptomen aus (Syphilis – der große Imitator). Die Symptome der Syphilis können über Jahre persistieren, aber auch spontan abheilen.
Epidemiologie
Der genaue Ursprung dieser Infektionskrankheit ist nicht ganz geklärt. Die ersten dokumentierten Fälle in Europa traten 1493 auf, nach der Rückkehr von Christoph Columbus aus dem neu entdeckten Amerika, vermutlich von seinen Matrosen eingeschleppt (Kolumbus-Theorie). Dem widersprechen Knochenfunde aus England, deren spezifische Veränderungen darauf hinweisen, dass bereits vor dieser Zeit die Syphilis in Europa aufgetreten war (präkolumbische Theorie). Die Wikinger hatten Nordamerika bereits 500 Jahre vor Kolumbus erreicht und könnten die Erkrankung schon damals mitgebracht haben. Noch am Beginn des 20. Jahrhunderts, in der vor-antibiotischen Ära, war die Syphilis sehr häufig, mit einer Prävalenz von 5–10 % aller Autopsiefälle. Nach dem zweiten Weltkrieg kam es durch die Einführung des Penicillins 1943 weltweit zu einer drastischen Abnahme der Syphilis.
Nach einem kurzen Anstieg infektiöser Frühsyphilis bei bestimmten Risikogruppen in den 1980er-Jahren des vorigen Jahrhunderts an der Ostküste der USA, planten, da die Syphilis so selten geworden war, die Centers for Disease Control (CDC) 1999 in den USA ein Syphilis-Eradikationsprogramm (Abb. 1a). Theoretisch waren dafür alle Voraussetzungen gegeben: T. pallidum ist exklusiv humanpathogen, besitzt kein Tierreservoir, und ist nach wie vor, ohne Ausnahme, auf Penicillin empfindlich. Eine weltweite Auslöschung der Syphilis ist allerdings nicht abzusehen, im Gegenteil, es zeigt sich seit Ende der 1990er-Jahre weltweit wieder ein Anstieg neuer Infektionen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass es jährlich zu 12 Mio. Neuinfektionen kommt, mehr als 90 % davon in den Entwicklungsländern Südostasiens, Lateinamerikas, und Subsahara-Afrikas. In Osteuropa folgte 1991 dem Zusammenbruch der Sowjetunion, und damit eines funktionierenden Gesundheitssystems, und durch die dadurch bedingten sozialen Veränderungen, in den neu gegründeten Folgestaaten ein drastischer Anstieg der Syphilis bei Männern und Frauen von 5–10 Erkrankungsfällen pro 100.000 Einwohner 1990 auf 160–270 pro 100.000 im Jahr 1996. Diese Zahlen sind wieder rückläufig.
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In den westeuropäischen Staaten stieg die Inzidenz ab dem Jahr 2000 deutlich an, und fiel zwischen 2005 und 2009 wieder leicht ab. Seit 2010 allerdings ist der Trend in allen westeuropäischen Staaten wieder steigend (Abb. 1b). Laut Meldung der Europäischen CDC (ECDC) vom November 2015 beträgt die Inzidenzrate in den 29 EU Ländern oder Mitgliedsstaaten der European Economic Area (EEA) 5,1 pro 100.000 Einwohner, mit sechsmal höheren Infektionsraten bei Männern als bei Frauen. Betroffen sind in erster Linie Männer, die Sex mit Männern haben (MSM); über 30 % dieser sind bereits HIV-positiv. Die ECDC meldete außerdem wieder Fälle konnataler Syphilis, welche auch steigende Zahlen infektiöser Syphilis im heterosexuellen Bereich reflektieren.
In Deutschland stabilisierten sich die Meldezahlen in den Jahren zwischen 2004 und 2008 auf einem Niveau. Seit 2010 findet sich wiederum ein kontinuierlicher Anstieg der Inzidenz von 3,9 Fällen pro 100.000 Einwohner im Jahr 2008 auf 7,1 Fälle pro 100.000 Einwohner im Jahr 2014. Der steigende Trend setzt sich auch 2015 fort und findet sich fast ausschließlich bei Männern und hier insbesondere bei MSM. Im Jahr 2014 war ein Anstieg von mehr als 25 % gegenüber dem Vorjahr festzustellen, sowohl in Bundesländern mit einer zuvor niedrigeren (Bayern), als auch in Regionen mit einer schon hohen Inzidenz (Berlin – Inzidenzrate 2014: 31 auf 100.000 Einwohner). Der bei Weitem stärkste Anstieg 2014 wurde aus Mecklenburg-Vorpommern gemeldet mit einem Plus von 154 % (Robert Koch-Institut Berlin: Epidemiologisches Bulletin 49/2015).
In den USA verzeichnet die jährliche Syphilisrate nach einem historischen Tiefststand im Jahr 2001 wiederum eine Zunahme; 2014 zeigten sich die höchsten Raten seit 20 Jahren, mit 6,3 Fällen infektiöser Frühsyphilis auf 100.000 Einwohner (Abb. 1b). Während vor 2013 die neuen Fälle hauptsächlich auf das Konto der MSM zurückzuführen waren, findet sich nunmehr von 2013 auf 2014 wiederum ein Anstieg der Infektionsrate bei Frauen, und zwar um 23 %. Entsprechend stieg die Rate kongenitaler Syphilis im Zeitrahmen von 2012–2014 um 37 % an (Centers for Disease and Control Prevention 2015).
Erreger
Treponema pallidum (Schaudinn und Hoffmann 1905) ist eine korkenzieherartig gewundene, 620 μm lange, motile Spirochäte mit der Fähigkeit zu Rotations- und Knickbewegungen. Die Treponemen gehören zur Familie der Spirochaetaceae innerhalb der Ordnung der Spirochaetales. Es gibt vier humanpathogene Erreger:
Treponema pallidum subsp. pallidum (Erreger der venerischen Syphilis)
Treponema pallidum subsp. endemicum (Erreger der endemischen Syphilis/Bejel)
Treponema pallidum subsp. pertenue (Erreger der Frambösie)
Treponema carateum (Erreger der Pinta)
Morphologisch sind diese Subtypen nicht unterscheidbar. An der Mundschleimhaut gibt es eine Reihe phylogenetisch eigenständiger Treponemen, die mit Periodontitis und anderen entzündlichen Veränderungen der Gingiva assoziiert sind, am besten untersucht ist T. denticola. T. pallidum subsp. pallidum (Nichols strain) wurde 1998 als eines der ersten Bakterien vollständig sequenziert. Da T. pallidum nur schwer (im Kaninchenhoden) anzüchtbar ist beziehungsweise in vitro überhaupt nicht angezüchtet werden kann, hat dies wesentlich zur Erforschung des Metabolismus und potenzieller Virulenzfaktoren beigetragen. T. pallidum hat limitierte metabolische Fähigkeiten, weshalb sein Überleben als obligater Gewebeparasit vollständig vom Wirt abhängig ist. Das zirkuläre Chromosom enthält 1.138.006 Basenpaare, die Funktion von 45 % der Gene ist bis dato unbekannt.
Ätiopathogenese
Die Infektion erfolgt über direkten Haut- und Schleimhautkontakt mit einer erregerreichen Läsion des Primär- oder Sekundärstadiums. Eintrittsstellen sind kleinste Epitheldefekte, und es folgt an Ort und Stelle bereits eine Replikation von T. pallidum. Das Risiko einer Infektion durch einmaligen Sexualkontakt mit einem infektiösen Partner in der Frühsyphilis wird auf 30–60 % geschätzt, und hängt unter anderem von der Zahl der inokulierten Erreger ab. Die Infektion kann auch intrauterin von der Mutter auf das Kind übertragen werden und zur konnatalen Syphilis führen. Eine Infektion über eine Bluttransfusion ist nur bei einer Blutspende direkt vom Spender möglich und kann aufgrund der routinemäßigen Testung der Blutspender und der Tatsache, dass Treponemen den Kühlprozess nicht überleben, ausgeschlossen werden.
Die klinischen Manifestationen der Syphilis sind durch die entzündliche und immunologische Antwort und nicht durch einen direkten zytotoxischen Effekt von T. pallidum bedingt. Deshalb ist auch am Ungeborenen erst nach ausreichender Reifung des fetalen Immunsystems eine klinische Symptomatik zu erwarten. Es handelt sich initial um eine zellmediierte Antwort, primär durch Lymphozyten, gefolgt von Makrophagen, welche über Phagozytose zur Elimination des Erregers und in der Folge zum Abheilen der Syphilis-Läsionen führt. Diese bedingt zusammen mit der humoralen Immunantwort eine Infektionsimmunität, die vor einer Zweitinfektion mit der homologen Spezies schützt, ein Effekt, der aber nach Therapie oder spontaner Ausheilung erlischt. Dies bedeutet, dass eine Reinfektion möglich ist. Trotz ablaufender Immunantwort handelt es sich bei der Syphilis um eine chronische Infektion, bei der über Jahrzehnte Treponemen im Gewebe persistieren können. Als Ursache für diesen „Escape“-Mechanismus wird die geringe Zahl der dem Immunsystem zugänglichen Oberflächenproteine von T. pallidum angesehen. Die Anwesenheit aktivierter T-Lymphozyten und Makrophagen im Primäraffekt erklärt auch den Zusammenhang mit einem erhöhten Akquisitions- und Transmissionsrisiko von HI-Virus. Außerdem erleichtert der Epitheldefekt ulzerierender Läsionen den Übergang der Erreger auf den Sexualpartner. Eine Impfung ist derzeit nicht verfügbar und auch nicht in Aussicht.
Klinik
Aufgrund der unterschiedlichen Stadien und Formen der Syphilis wird auf einen eigenen Abschnitt verwiesen Abschn. 2.
Diagnostisches Vorgehen
Die Diagnose der Syphilis kann durch mikroskopische, serologische und molekulare Verfahren gestellt werden. Dabei geht es einerseits um den direkten Erregernachweis, andererseits um serologische Antikörper-Tests.
Nachweis des Erregers
Methode der Wahl für die Diagnose der Frühsyphilis ist der Nachweis von Treponema pallidum in läsionalen Sekreten und Körperflüssigkeiten mittels Dunkelfeldmikroskop oder Phasenkontrastmikroskop. T. pallidum kann auch am Objektträger oder an Gewebeschnitten mittels direkter Immunfluoreszenz über monoklonale Antikörper (direkter Fluoreszenzantikörper-Test) oder Versilberungsmethoden (zum Beispiel Warthin-Starry-Färbung) dargestellt werden. Manche Labors bieten außerdem, derzeit allerdings nicht kommerziell verfügbare, PCR-Tests an.
Dunkelfeldmikroskopie (DFM)
Da der Erreger sich im Gewebe befindet, muss die zu untersuchende Läsion (Ulkus/Primäraffekt, nässende Effloreszenz des Sekundärstadiums) nach Reinigung mit Kochsalzlösung und Entfernen der Beläge seitlich zusammengepresst und der Ulkusgrund skarifiziert werden, bis glasklares Sekret, das Reizsekret, aus dem Gewebe austritt – in diesem befinden sich die Treponemen. Das Untersuchungsmaterial wird mithilfe einer Glaskapillare gewonnen, auf einen Objektträger aufgebracht, mit einem Deckglas eingedeckt und sofort bei 400-facher oder in Ölimmersion bei 1000-facher Vergrößerung untersucht. Die Identifikation des Erregers erfolgt aufgrund seiner Morphologie und der charakteristischen Bewegungen (Knick- und Rotationsbewegungen). Es kann nicht oder nur schwer zwischen T. pallidum und saprophytären, apathogenen Treponemen unterschieden werden, die Teil der normalen Mundhöhlenflora sind und eine ähnliche Morphologie besitzen. Aus diesem Grund ist die DFM zur Untersuchung oraler Effloreszenzen der Syphilis ungeeignet. Die Sensitivität der DFM durch einen geübten Untersucher für das Primärstadium wird mit bis zu 80–97 % angegeben, für Läsionen des Sekundärstadiums beträgt diese etwa 80 % bezogen auf einen Enzym-Immuno-Assay (EIA), der in diesem Stadium zu 100 % positiv ist. Ursachen für falsch-negative Befunde können neben einer Erregerarmut der Läsion auch eine vorangegangene lokale oder auch unspezifische systemische Antibiotikatherapie sein.
Direkte Immunfluoreszenz
Das auf einem Objektträger aufgebrachte Reizsekret wird fixiert und mit einem gegen ein Oberflächenprotein von T. pallidum gerichteten fluoreszenzmarkierten monoklonalen Antikörper inkubiert. Bei der Beurteilung im Fluoreszenzmikroskop leuchten die Treponemen grün auf. Diese Methode, die allerdings meist nicht routinemäßig verfügbar ist, erlaubt die Unterscheidung zu apathogenen Treponemen. In Vergleichsstudien zur PCR zeigte sich für Effloreszenzen des Sekundärstadiums eine Sensitivität von etwa 90 %. Mittels Immunhistochemie können Treponemen auch am Gewebeschnitt dargestellt werden.
PCR
Mithilfe verschiedener Nukleinsäure-Amplifikationstechniken (NAT) kann treponemale DNA aus Gewebeproben und -exsudat, Abstrichen, Serum, Blutzellen (Granulozyten, PBMCs), Liquor, Schwangerschaftsprodukten (Plazenta/Amnionflüssigkeit) oder Augenkammerwasser nachgewiesen werden. Derzeit ist die PCR aus Kostengründen nicht kommerziell verfügbar und sollte außerdem nur ergänzend bei bestimmten Fragestellungen zum Einsatz kommen. Die Sensitivität der PCR ist trotz hoher Spezifität, abhängig vom Untersuchungsmaterial, allerdings sehr unterschiedlich. Das bedeutet, dass ein negatives Ergebnis die Infektion nicht ausschließt. In neueren Arbeiten zeigt die Real-time-PCR bezüglich des Gens für ein spezifisches 47-kD-Membranprotein beim syphilitischen Schanker ein 100%iges positives Resultat, verglichen mit einer serologischen Untersuchung mittels Suchtest oder auch verglichen mit der DFM. Diese haben in diesem Stadium nur eine Sensitivität von etwa 80 %. Insgesamt ist mit der PCR eine Sensitivität zwischen 42 und 100 % zu erreichen, abhängig vom Stadium der Syphilis, vom Substrat und von der Methode, die zur Anwendung kommt. Die Sensitivität der PCR, etwa zum Nachweis von T. pallidum im Liquor bei Patienten mit nachgewiesener Neurosyphilis, liegt nach Angaben in der Literatur nur bei maximal 65 %.
Immunpathologie
Die wichtigste Methode für die Diagnostik der Syphilis ist die Serologie (Tab. 1). Beim Menschen kommt es im Verlauf der primären Syphilis zur Bildung nicht immunisierender humoraler Antikörper. Die Syphilis-Serologie muss immer im Zusammenhang mit der Anamnese und dem klinischen Befund interpretiert werden. IgM-Antikörper gegen T. pallidum werden etwa 2 Wochen nach der Infektion gebildet, noch vor dem Auftreten des Primäraffekts, und werden mit Therapie nach Wochen bis Monaten negativ, ohne Therapie erst nach Jahren. Spezifische IgG-Antikörper sind ab der 4. Woche nachweisbar, und bleiben dies auch nach der Therapie meist lebenslang (Seronarbe); die Titer sinken auch nach erfolgreicher Therapie nur gering ab.
Tab. 1
Interpretation der serologischen Befunde
VDRL
TPPA/IgG EIA
IgM EIA oder 19S-IgM-FTA-abs
Zeitpunkt nach Infektion
Diagnose
–
–
–
≤14 Tage
Inkubationszeit, oder keine Infektion, oder Seroreversion, oder der Patient kann keine Antikörper bilden
–
–
+
≥14 Tage
Primärstadium oder falsch positiver IgM-EIA
–
+/– oder +
+
≥14 Tage bis 5./6. Woche
Primärstadium
–
+
+
≥14 Tage, oder unbekannt
Primärstadium, Re-Infektion (früh), oder Spätlatenz mit persistierenden IgM-Antikörpern
≥ 1:8
+
+
5./6. Woche bis 3 Monate
Primär- oder Sekundärstadium oder Frühlatenz
≥ 1:8
+
–
Unbekannt
Aktivierte Syphilis im Stadium der Spätlatenz, Tertiärstadium
≤ 1:8
+
–
Unbekannt
Spätlatenz (behandelt oder unbehandelt), Tertiärstadium
–
+
–
Unbekannt
Spätlatenz (behandelt oder unbehandelt), Tertiärstadium, oder falsch-positiv
+
–
–
–
Biologisch falsch reaktiv (BFR)
Es können zwei Klassen von Seroreaktionen bei der Syphilis unterschieden werden, solche, die spezifische, gegen Treponemen gerichtete Antikörper nachweisen, im Unterschied zu jenen, die unspezifische Antikörper detektieren. Der Ursprung dieser Lipoid-Antikörper-Tests geht auf die allererste serologische Nachweismethode für die Syphilis, die sogenannte Wassermann-Reaktion, zurück (von Wassermann 1906).
Nicht für Treponemen spezifische (Lipoid-) Antikörpertests
Der VDRL-Test ist nicht spezifisch für Treponemen, spezifische Antikörpertests werden weiter unten beschrieben.
Dieser Test ist ebenso wie seine in Deutschland und Österreich nicht eingesetzte Variante, der Rapid-Plasma-Reagin-Test (RPR-Test), ein Mikroflockungstest, der IgG- und IgM-Antikörper gegen ein Cardiolipin-Cholesterin-Lecithin-Gemisch als Antigenkomponente nachweist. Im Unterschied zum VDRL-Test benötigt man für den RPR kein Mikroskop. Der genaue Mechanismus der Reaktion ist nicht geklärt; möglicherweise kommt es zur Antikörperbildung auf Phospholipide von Mitochondrien, die bei der Syphilis durch Gewebezerfall freigesetzt werden, eine andere Theorie führt diese Reaktion auf die Bindung von Lipiden des Wirts an das Bakterium zurück, wodurch diese immunogen werden. Der VDRL-Test ist nicht spezifisch für eine Syphilis und daher als Screeningmethode ungeeignet. Der Test wird etwa 5–6 Wochen nach der Infektion reaktiv, und der VDRL-Titer korreliert mit der Krankheitsaktivität. Dies gilt vor allem für das Sekundärstadium und auch für das Tertiärstadium. Aus diesem Grund wird der VDRL-Test für das Monitoring des Therapieerfolgs verwendet. Im Sekundärstadium ist der VDRL-Test zu 100 %, meist in hohen Titerstufen, reaktiv, und wird nach erfolgreicher Therapie niedrig-titrig oder negativ. Je kürzer die Infektion bestanden hatte, umso schneller sinkt der Titer ab beziehungsweise wird negativ. Aber auch wenn eine Therapie ausbleibt, wird der VDRL-Test bei einem Viertel der Patienten im Lauf der Jahre negativ. Ist der VDRL-Test isoliert positiv, ohne dass die für die Syphilis spezifischen Tests reaktiv sind, handelt es sich um einen biologisch falsch reaktiven (BFR) VDRL-Test. Die Prävalenz eines BFR-Tests beträgt 1–20 %. Die BFR-Tests werden als akut (Dauer <6 Monate) oder chronisch klassifiziert. Ursachen dafür können physiologisch sein (Alter, Schwangerschaft), Infektionen (Mononukleose; Varizellen), zugrunde liegende entzündliche oder autoinflammatorische Erkrankungen (zum Beispiel Lupus erythematodes, Antiphospholipid-Syndrom, chronische Lebererkrankung), Erkrankungen mit erhöhtem Zellzerfall (etwa Karzinome) oder intravenöser Drogenabusus. Bei Patienten mit sehr hohen Antikörperspiegeln kann es beim unverdünnten Serum zum Ausbleiben der Agglutination und zu einem falsch-negativen Testergebnis kommen (Prozonenphänomen, bei 1–2 % der Patienten); aus diesem Grund sollte immer auch in Verdünnungen getestet werden.
Für Treponemen spezifische Antikörpertests
Mit diesen werden Antikörper nachgewiesen, welche direkt gegen verschiedene antigene Determinanten von T. pallidum gerichtet sind. Als Antigensubstrat für die treponemalen Seroreaktionen werden Homogenisate oder Extrakte von pathogenen Treponemen, für den EIA rekombinante Antigene verwendet. Eine Unterscheidung der Syphilis von den nicht venerischen Treponematosen ist allerdings mit diesen Tests nicht möglich.
Enzymimmunoassay (EIA)
Bei diesem automatisierten Test werden heute statt des ursprünglichen Nichols Stamm rekombinante Antigene als Substrat eingesetzt. Damit wird eine höhere Spezifität erreicht, etwa mittels Immune-capture EIA (ICE), bei welchem rekombinantes Tp15, Tp17 und Tp47 verwendet wird. IgM- und IgG-Antikörper werden qualitativ detektiert, entweder separat, oder simultan in polyvalenten Tests. Die Sensitivität des EIA beträgt je nach Stadium etwa 82–100 %.
Zum Patientenserum werden mit Antigenen von T. pallidum beladene (sensibilisierte) Gelatinepartikel gegeben. Ist der Patient mit Syphilis infiziert, reagieren seine (IgM- und IgG-) Antikörper mit den Partikeln. Dies führt zu einer mit freiem Auge sichtbaren Agglutination, im negativen Fall setzen sich die Partikel am Grund der Mikrotiterplatte als Sediment ab. Dieser Test hat den T.-pallidum-Hämagglutinationstest (TPHA) (identisch mit dem Mikrohämagglutinations-Assay für T. pallidum [MHA-TP]) abgelöst, bei welchem statt der Gelatinepartikel Hammel-Erythrozyten verwendet wurden. Der TPPA-Test wird üblicherweise nicht austitriert, sondern nur als positiv oder negativ bei einem Cut-off-Wert von 1:80 ausgegeben. Manche Institutionen räumen allerdings der Kinetik des TPPA-Titers eine zusätzliche Aussage in Bezug auf Aktivität ein, die Quantifizierung ist schwierig. Die Sensitivität beträgt etwa 80 % im Primär-, und nahezu 100 % im Sekundärstadium; falsch-positive Resultate sind sehr selten und kommen bei weniger als 1 % der Patienten vor. Der TPPA-Test wird 3–4 Wochen nach der Infektion positiv und bleibt dies, auch nach adäquater Therapie, üblicherweise lebenslang. Zu einer Seroreversion, also einem Verlust der Reaktivität, kommt es bei etwa 5 % der Patienten, meist nach rasch erfolgter Therapie bei sehr kurzer Infektionsdauer.
Es handelt es sich um einen indirekten Immunfluoreszenztest, bei dem ein Objektträger, auf dem als Testantigen Treponemen fixiert sind, mit dem Patientenserum und anschließend mit fluoreszenzmarkiertem Anti-Human-Ig-Antiserum inkubiert und im Fluoreszenzmikroskop befundet wird. Zuvor werden potenziell kreuzreagierende Antikörper durch Vorinkubation der Serumprobe mit dem Reiter-Antigen (T.-phagedenis-Antigen) absorbiert, einem apathogenen Treponemenstamm. Dieser Test ist deshalb hoch spezifisch, allerdings auch abhängig von der Routine des Befunders, und weist als polyvalenter Test IgM- und IgG-Antikörper nach. Er wird etwa 2–3 Wochen nach der Infektion, etwas früher als der TPPA-Test, positiv, wird qualitativ angegeben und bleibt bei 91 % der Patienten lebenslang positiv. Die Sensitivität beträgt zwischen 70 und 100 % im Primärstadium, und ist im Sekundärstadium immer positiv. Isoliert falsch-positive Testresultate sind im Rahmen von autoimmunologischen oder rheumatologischen Erkrankungen oder einer Borrelien-Infektion bei etwa 1 % der Patienten möglich. Dieser Test kommt heute weniger zum Einsatz, da er schwierig auszuwerten, teuer und zeitintensiv ist.
19S-IgM-Fluoreszenz-Treponema-Antikörper-Test (19S-IgM-FTA oder 19S-IgM-FTA-abs-Test)
Dieser Test ist eine Modifikation des FTA-abs-Tests, bei dem nur die IgM-Fraktion aus dem Serum verwendet wird, und stellt mit einer Spezifizität von nahezu 100 % den sensitivsten Test in der Frühphase der Infektion dar. Der wiederholte Nachweis von IgM-Antikörpern mit dieser Methode spricht für die Persistenz des Erregers im Organismus und daher für Behandlungsbedürftigkeit. IgM-Antikörper sind etwa ab 2 Wochen nach der Infektion nachweisbar.
Chemolumineszenz-Mikropartikelimmunoassay (CMIA)
Dieser Test ist ein neueres, automatisiertes Testverfahren, bei dem als Antigen Mikropartikel eingesetzt werden, die mit rekombinanten Treponemen-Antigenen (Tp15, Tp17 und Tp47) beschichtet sind, Testverfahren mit mehreren Antigenen haben eine höhere Sensitivität. Die IgG-und IgM-Treponemen-Antikörper werden an diese Partikel gebunden und über eine Chemolumineszenz-Reaktion detektiert. Sowohl die Spezifität als auch die Sensitivität dieser Testverfahren sind mit dem TPPA-Test vergleichbar. Auch dieser Test benötigt einen Bestätigungstest.
IgG- und IgM-Westernblot
Dies ist eine hochspezifische (100 %) und sensitive Methode zum Nachweis von spezifischen IgG- und IgM-Antikörpern. Sie wird bei unklaren Befunden angewendet (zum Beispiel bei Verdacht auf einen falsch-positiven TPPA-Test oder inkonklusivem EIA) oder als Bestätigungstest. Die für T.-pallidum spezifischen Banden sind die Antigene Tp47, Tp17, Tp15 und das TmpA-Antigen.
Für diese, seit einigen Jahren kommerziell verfügbaren Schnelltests reicht zum Nachweis der Treponemen-spezifischen Antikörper auf Basis von Immunoassays unter Verwendung rekombinanter Antigene auch Blut aus der Fingerbeere. Das Ergebnis liegt in 10 min vor und die Sensitivität liegt im Vergleich zu herkömmlichen Testverfahren bei 84–98 %. Diese Tests dienen zur Primärversorgung in bestimmen Szenarien (zum Beispiel Entwicklungsländer, anonyme STD-Beratungsstellen). Für ihren Einsatz in der Routinediagnostik ist ihre Sensitivität den Standardtests unterlegen. Da sie ebenfalls antikörperabhängig sind, sind sie für die Diagnostik in der frühen Primärsyphilis nicht geeignet.
Diagnosestellung
Die Diagnose der Syphilis wird gestellt auf der Basis klinischer Befunde und Laboruntersuchungen wie mikroskopischer, serologischer und molekularer Verfahren.
Beweisend für eine Syphilis sind:
Der direkte Erregernachweis aus dem Reizsekret mittels DFM oder äquivalenter Methode oder
der Nachweis spezifischer T.-pallidum-Antikörper im Screeningtest (TPPA-Test, EIA oder CMIA) und Sicherung der Diagnose durch einen Bestätigungstest unter Verwendung eines auf einer anderen Methode beruhenden T.-pallidum-spezifischen Antikörpertests (EIA/CMIA oder TPPA, oder FTA-abs-Test (wird nur mehr in wenigen Labors durchgeführt), oder IgG-T.-pallidum-Immunoblot). Zur Beurteilung der Aktivität der Infektion wird noch ein quantitativer Lipoid-Antikörpertest und ein spezifischer IgM-Antikörpertest (zum Beispiel IgM-EIA) angeschlossen; oder
durch den Nachweis spezifischer IgM-Antikörper (mittels IgM-EIA, IgM-Immunoblot oder 19S-IgM-FTA-abs-Test) initial, mit anschließendem Positivwerden spezifischer IgG-Tests.
Allgemeine Anmerkungen zur Diagnostik
Nicht für Treponemen spezifische (Lipoid-) Antikörpertests sind als Suchtests ungeeignet.
Jeder positive Syphilis-Screeningtest muss mit einem zweiten für Treponemen spezifischen Test, und am besten auch in einer zweiten Blutprobe bestätigt werden.
Im Primärstadium können die Screeningtests noch negativ sein, weshalb bei entsprechendem Verdacht zusätzlich zum Screeningtest die Durchführung eines spezifischen IgM-Antikörper-Tests (zum Beispiel IgM-EIA) angezeigt ist. In einem derartigen Fall, und bei dringendem Verdacht auf eine gefundene Infektion, sind außerdem wiederholt Blutabnahmen für die Syphilis-Serologie in zweiwöchentlichem Abstand angezeigt. Das gilt auch für den symptomfreien Partner eines Patienten mit Frühsyphilis.
Bei allen Patienten mit einer frischen Syphilis-Infektion sollte außerdem ein HIV-Antikörper-Test und ein kompletter STI-Sekret-Status erhoben werden. Dabei ist die lange Serokonversionszeit für HIV- und Hepatitisviren zu berücksichtigen (Kontrolle nach 3 Monaten).
Eine Unterscheidung von Reinfektion und Reaktivierung (beim Therapieversagen) mithilfe der Antikörperbestimmung ist nicht möglich. Die Höhe des Lipoid-Antikörper-Titers korreliert mit der Aktivität der Infektion und wird nach erfolgreicher Therapie üblicherweise negativ oder niedrig-titrig, während der TPPA-Test (falls er austitriert wird) über Jahre unverändert hohe Titer aufweisen kann. Ein Wiederauftreten oder starker Anstieg des VDRL-Titers und ein neuerlich positiver IgM-EIA können in Zusammenschau mit der entsprechenden Anamnese und Klinik ein Hinweis auf eine Reinfektion oder ein Therapieversagen (frühe Neurosyphilis?) sein. Allerdings ist die Kinetik im IgM-Antikörper-Test kein sehr verlässlicher Marker, da IgM-Antikörper völlig fehlen können, beziehungsweise selten falsch-positive IgM-EIA vorkommen.
Diagnose der Neurosyphilis
Es gibt keinen Standard für die Diagnose der Neurosyphilis, sie kann weder durch einen einzigen Test bewiesen, noch ausgeschlossen werden, sondern basiert auf einer Kombination verschiedener Befunde. Ein negativer für Treponemen spezifischer Syphilis-Screeningtest im Serum schließt eine Neurosyphilis allerdings definitiv aus, da kein isolierter Befall des Zentralnervensystems möglich ist.
Alle Patienten, bei denen serologisch eine unbehandelte, spätlatente Syphilis diagnostiziert wurde, müssen in Bezug auf Manifestationen einer Tertiärsyphilis, und insbesondere auf das Vorliegen einer Neurosyphilis, untersucht werden. Nach Möglichkeit sollten alle diese Patienten lumbalpunktiert werden, allerdings kann nach dem derzeitigen Wissensstand auf eine Lumbalpunktion (LP) bei geringer Krankheitsaktivität (negativer Serum-VDRL) und klinisch-neurologischer beziehungsweise psychiatrischer Erscheinungsfreiheit verzichtet werden. Eine Lumbalpunktion ist in der Frühsyphilis nicht indiziert, außer wenn neurologische, okuläre oder aurikuläre Symptome vorliegen.
Eine Lumbalpunktion ist allerdings unbedingt angezeigt bei:
neurologischen oder psychiatrischen Symptomen/Erkrankungen, unabhängig vom Stadium der Syphilis (vor allem bei Beteiligung von Hirnnerven), also auch in der Frühphase der Infektion,
klinischem und serologischem Behandlungsmisserfolg,
bei Patienten mit positivem HIV-Antikörpertest in der Spätlatenz (laut CDC; manche Experten raten bei diesen Patienten zu einer Lumbalpunktion auch in der Frühsyphilis).
Neben der klinisch-neurologischen und der apparativen Diagnostik sind vor allem Befunde aus dem Liquor, wie Liquorchemie und die serologischen Syphilis-Tests, die auch für die Untersuchung des Liquors geeignet sind, von Bedeutung für die Diagnostik der Neurosyphilis.
VDRL-Test
Ein positiver VDRL-Test im Liquor wird als diagnostisch für eine Neurosyphilis angesehen. Die Sensitivität des VDRL-Tests im Liquor bei Patienten mit Neurosyphilis beträgt allerdings nur etwa 70 % bei einer Spezifität von 99 %. Ein negativer VDRL-Test im Liquor schließt somit eine Neurosyphilis nicht aus.
Für Treponemen spezifische Antikörpertests
Ein positiver FTA-abs-Test und/oder ein positiver TPPA-Test im Liquor kann nicht als diagnostisch für eine Neurosyphilis angesehen werden, allerdings ist die Negativität dieser beiden Tests im Liquor ein starkes Argument gegen das Vorliegen einer Neurosyphilis.
Liquorchemie
Mit einer Neurosyphilis vereinbar ist eine Pleozytose (mit einer Zellzahl von >5–10 Leukozyten/μl) und erhöhtes Liquor-Eiweiß (>0,4 g/l; als Zeichen der Entzündung).
Die spezifische lokale Antikörpersynthese im Zentralnervensystem ist entscheidend für die Diagnose. Dazu wird die Berechnung des erregerspezifischen Liquor/Serum-Quotienten aus T.-pallidum-spezifischem Antikörper-Titer (zum Beispiel TPPA-Titer) im Serum und im Liquor (Bestimmung am selben Tag), der ITpA-Index, herangezogen.
Die intrathekale unspezifische IgG- und IgM-Antikörper-Produktion als Parameter einer intrathekalen Synthese, welche mithilfe verschiedener Indizes errechnet wird, kann die Diagnose unterstützen, ist aber nicht immer automatisch mit einer Neurosyphilis gleichzusetzen. Bei der Beurteilung ist immer auch die Funktion der Blut-Hirn-Schranke zu berücksichtigen, da zum einen niedrig-titrige IgG-Antikörper aus dem Serum stammen beziehungsweise höhere Titer auf eine Störung der Blut-Hirn-Schranke zurückzuführen sein können.
ITpA Index: 0,5–2,0 (keine Neurosyphilis), >2,0 (Neurosyphilis wahrscheinlich), >3,0 (beweisend für eine Neurosyphilis)
Nach der Therapie kann der ITpA-Index jahrelang erhöht bleiben, dies bedeutet nicht, dass eine neuerliche Behandlungsbedürftigkeit besteht. Für die Beurteilung eines Therapieerfolgs sind neben dem Lipoid-Antikörper-Titer im Serum auch unspezifische Liquor-Laborparameter wie Rückgang/Normalisierung von Pleozytose und Liquorgesamteiweiß beziehungsweise eine Normalisierung der Blut-Hirn-Schranke heranzuziehen.
Diagnose der Syphilis in der Schwangerschaft und des Neugeborenen
Im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen wird jede Schwangere auf Syphilis gescreent, in Österreich ist dies als Teil der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen in der 16. SSW vorgesehen, in der Schweiz in der 12.–13. Woche. In Deutschland soll nach den Mutterschaftsrichtlinien „zu einem möglichst frühen Zeitpunkt der Schwangerschaft“ auf das Vorliegen einer Syphilis getestet werden (Details unter: Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung [„Mutterschafts-Richtlinien“] in der Fassung vom 10. Dezember 1985, zuletzt geändert 2016). Dabei sollte immer ein für Treponemen spezifischer Test verwendet werden. Schwangere aus Populationen mit hohen Syphilis-Raten sollten nochmals im 3. Trimenon und zum Zeitpunkt der Geburt getestet werden; ebenso sollte bei jeder Frau mit einem intrauterinen Fruchttod oder einer Totgeburt eine Syphilis-Serologie durchgeführt werden.
Die Kriterien für die Diagnose und die Therapieentscheidung entsprechen jenen der übrigen Patienten. Seropositive schwangere Frauen sind, wenn die Infektion nicht bekannt oder keine Therapie lege artis durchgeführt worden war, auf jeden Fall ihrem Stadium entsprechend zu behandeln. Schwangere aus Regionen, in denen die endemische Syphilis oder andere Treponematosen vorkommen, die eine positive Syphilis-Serologie haben, sind ebenfalls aus Sicherheitsgründen zu behandeln, auch wenn eine venerische Syphilis nicht bewiesen werden kann. Wurde die Schwangere vor oder während der Schwangerschaft adäquat therapiert, muss das Neugeborene nicht mehr behandelt werden. Eine Therapie des Neugeborenen ist zwingend indiziert, wenn die Diagnose einer konnatalen Syphilis bewiesen ist, im Fall keiner oder einer unzureichenden Behandlung der Mutter, und wenn die Behandlung erst in den letzten 4 Wochen vor der Geburt erfolgt ist.
Therapie
Mittel der Wahl für alle Stadien ist die parenterale Verabreichung von Penicillin. Auch 60 Jahre nach der Einführung des Penicillins sind keine Resistenzen von T. pallidum bekannt. Aufgrund der langen Generationszeit von T. pallidum von etwa 33 h muss ein Penicillin-Serumspiegel von mindestens 0,03 IE/ml über mindestens 7 Tage aufrechterhalten werden, um eine Replikation ausreichend zu inhibieren und ein Therapieversagen zu verhindern. Die Art der Applikation, i.v. oder i.m., Dosis und Dauer der Therapie hängen vom Stadium der Syphilis ab.
Die Jarisch-Herxheimer Reaktion (Jarisch 1895; Herxheimer 1902) ist eine akute systemische Reaktion, die bei 10–25 % der Patienten auftritt, meist innerhalb von 4–8 h nach Einleiten der Therapie. Sie ist vermutlich auf durch den Erregerzerfall freiwerdende Endotoxine und die Aktivierung der Zytokin-Kaskade zurückzuführen. Patienten mit initial hohen Lipoid-Antikörper-Titern, insbesondere wenn sie sich im Sekundärstadium befinden, sind wesentlich häufiger betroffen, nämlich in 58–75 % der Fälle. Es kommt akut zu Fieber und Schüttelfrost, vergesellschaftet mit Kopfschmerzen, Myalgien, Tachykardien und Verstärkung der Syphilis-Symptome. Die Jarisch-Herxheimer-Reaktion tritt nur bei der ersten Antibiotika-Gabe auf, ist prinzipiell harmlos und selbstlimitiert. Als Prophylaxe wird die systemische Gabe von 1 mg Prednisolonäquivalent/kg KG p.o. 30–60 min vor der ersten Injektion empfohlen.
Frühsyphilis
In dieses Behandlungsschema fallen Patienten, bei denen ein Primär- oder Sekundärstadium oder eine Frühlatenz vorliegt, und der Infektionszeitpunkt weniger als ein Jahr zurückliegt. Empfohlen wird Benzathin-Benzylpenicillin (einheitliche Bezeichnung laut WHO), 2,4 Mio. IE i.m., einmalig (Tab. 2). Bei anamnestisch erhebbarer Penicillin-Allergie ist diese zu verifizieren und, nach einer Desensibilisierung, eine nachfolgende Penicillin-Behandlung möglich. Als Alternative kommt Doxycyclin 100 mg 2-mal täglich p.o. über 14 Tage infrage (Kontraindikation: Schwangerschaft). Ceftriaxon in einer Dosis von 1 g i.m. oder i.v./Tag für 10–14 Tage hat sich in Studien für die Behandlung der Frühsyphilis als wirkungsvoll gezeigt, es gibt allerdings keine ausreichenden Daten in Bezug auf Dosierung, Behandlungsdauer und Versagerquote. Azithromycin, 2 g verabreicht als orale Einzeldosis, hat sich in Studien als effektiv für die Behandlung der Frühsyphilis gezeigt, kann aber aufgrund der weltweit zunehmenden Resistenz von T. pallidum auf Makrolide nicht mehr empfohlen werden.
Tab. 2
Behandlung der Syphilis (Details siehe Leitlinien der DSTDG/AWMF bzw. CDC bzw. ÖGDV)
Stadium
Antibiotikum
Dosis
Dauer
Frühsyphilis
Benzathin-Benzylpenicillin
2,4 Mio. IE i.m.
Einmalig
Alternative:
Doxycyclin (KI: Schwangerschaft)
Ceftriaxon**
100 mg 2-mal täglich p.o.
2 g tägl. als Kurzinfusion
Über 14 Tage
Über 10 Tage
Spätsyphilis
Benzathin-Benzylpenicillin
7,2 Mio. IE i.m.
Aufgeteilt auf 3 Einzeldosen à 2,4 Mio. IE in wöchentlichem Abstand
Alternative:
Doxycyclin (KI: Schwangerschaft)
Ceftriaxon**
100 mg 2-mal täglich p.o.
2 g tägl. als Kurzinfusion
Über 28 Tage
Über 14 Tage
Tertiärsyphilis
Benzathin-Benzylpenicillin
7,2 Mio. IE i.m.
Anmerkung: Für kardiovaskuläre Syphilis wird auch ein Neurosyphilis-Schema empfohlen*
Aufgeteilt auf 3 Einzeldosen á 2,4 Mio. IE in wöchentlichem Abstand
6-mal 3–4 Mio IE oder als kontinuierliche Infusion*** über 10–14 Tage
Alternative (gleichwertig)**:
4-mal 6 oder 5-mal 5 oder 3-mal 10 Mio IE,
jeweils über 14 Tage
plus (optional)*
Benzathin-Benzylpenicillin
7,2 Mio. IE i.m.
Aufgeteilt auf 3 Einzeldosen á 2,4 Mio. IE in wöchentlichem Abstand
Alternative:
Ceftriaxon **
Cave: Kreuzallergische Reaktionen bei Penicillin-Allergie
2 g i.v. (initial 4 g), 1-mal täglich
Über 14 Tage
Alternative:
Doxycyclin (2. Wahl)**
200 mg 2-mal täglich p.o.
Über 28 Tage (KI: Schwangerschaft, Kinder)
Bei Penicillin-Allergie: Desensibilisierung
Konnatale Syphilis: Neugeborene
Penicillin G*
100.000–150.000 IE/kg KG/Tag i.v.
50.000 IE/kg/Dosis verteilt auf 2 (1. Lebenswoche), anschließend 3 Einzeldosen über 10 Tage
Penicillin G ***
150.000 IE/kg KG/Tag i.v.
In 6 Einzeldosen zu 25.000 IE/kg alle 4 h, über 14 Tage
oder
Penicillin G **
200.000–250.000 IE/kg KG/Tag i.v.
Verteilt auf 2 (1. Lebenswoche) bzw. 3 (2.–4. Lebenswoche) Einzeldosen (ab 5. Lebenswoche 4 Einzeldosen), über 14 Tage
Konnatale Syphilis: ältere Kinder
Bei normalem Liquorbefund: Benzathin-Benzylpenicillin*
50.000 IE/kg i.m. (max. 2,4 Mio. IE)
Einmalig bei Frühsyphilis, dreimalig in wöchentlichem Abstand bei Spätsyphilis
Bei pathologischem Liquorbefund: Penicillin G*
300.000 IE/kg i.v. täglich
In 6 Einzeldosen zu 50.000 IE/kg alle 4 h, über 14 Tage
* CDC treatment guidelines 2015, ** DSTIG Leitlinie 2014, *** Leitlinie der ÖGDV 2009; KI = Kontraindikation
Spätsyphilis
In dieses Behandlungsschema werden asymptomatische Patienten mit einer Spätlatenz, deren Infektionszeitpunkt länger als 1 Jahr zurückliegt oder unbekannt ist, eingeschlossen, und Patienten mit klinisch aktivem Tertiärstadium (Gummen, kardiovaskuläre Syphilis), nicht aber Patienten mit einer Neurosyphilis. Empfohlen wird Benzathin-Benzylpenicillin, 7,2 Mio IE i.m. aufgeteilt auf 3 Einzeldosen in wöchentlichem Abstand. Dasselbe Behandlungsschema gilt beim Therapieversagen der Frühsyphilis nach Ausschluss einer Neurosyphilis. Als Alternative kann Ceftriaxon 1 g i.m. oder i.v./Tag für 14 Tage oder Doxycyclin 100 mg 2-mal täglich, p.o. über 28 Tage verabreicht werden (Kontraindikation: Schwangerschaft). Bei bewiesener Penicillin-Allergie kann ebenfalls eine Desensibilisierung durchgeführt werden. Auch hier gibt es keine ausreichenden Studien bezüglich der Dosierung, Behandlungsdauer und Versagerquote. Manche Behandler empfehlen bei Vorliegen einer kardiovaskulären Syphilis die Durchführung eines Neurosyphilis-Schemas.
Neurosyphilis
Da Benzathin-Benzylpenicillin nicht ausreichend liquorgängig ist, wird Penicillin-G, 24 Mio IE i.v., in 6 Einzeldosen zu 4 Mio IE oder in der Motorspritze als kontinuierliche Infusion, täglich verabreicht über 14 Tage, empfohlen. Als gleichwertig wird 3-mal 10 oder 5-mal 5 Mio. IE, jeweils über 14 Tage angesehen. Von der CDC wird außerdem optional die anschließende Durchführung des Therapieschemas der Spätlatenz (Benzathin-Benzylpenicillin, 7,2 Mio IE i.m. aufgeteilt auf 3 Einzeldosen in wöchentlichem Abstand) empfohlen, da sonst die Therapiedauer des neurosyphilitischen Schemas jene der Spätsyphilis unterschreitet. Im Falle einer Penicillin-Allergie muss der Patient desensibilisiert und anschließend analog zum gültigen Regime behandelt werden. Als 2. beziehungsweise 3. Wahl kann gemäß der geltenden Deutschen Leitlinie (DSTDG) die Neurosyphilis auch mit Ceftriaxon 2 g i.v. 1-mal täglich (initial 4 g) über 10–14 Tage oder mit Doxycyclin 200 mg 4-mal täglich über 28 Tage (Kontraindikationen: Kinder, Schwangere) therapiert werden.
Schwangerschaft
Es wird auch in der Schwangerschaft eine dem Stadium der Syphilis entsprechende Therapie mit Penicillin durchgeführt. Tetrazykline sind in der Schwangerschaft kontraindiziert, weshalb bei einer Penicillin-Allergie ebenfalls eine Desensibilisierung angezeigt ist. Eine Therapie der Schwangeren nach der 36. SSW erfordert die zusätzliche Therapie des Neugeborenen, da eine adäquate Mitbehandlung des Ungeborenen nicht garantiert ist. Erfolgt die Therapie in der zweiten Schwangerschaftshälfte, kann es als Folge der Jarisch-Herxheimer-Reaktion zur Frühgeburt, zum fetal distress und in sehr seltenen Fällen sogar zur Totgeburt kommen. Vor allem in der Frühsyphilis, wenn das Risiko einer Jarisch-Herxheimer-Reaktion am größten ist, sollten bei Schwangeren vor/nach Therapie sonografische Kontrollen (Frage: Aszites, Hydrops, verdickte Plazenta; Vitalzeichen des Ungeborenen) und eine Prämedikation mit Glukokortikoiden (zum Beispiel Methylprednisolon 1 mg/kgKG eine Stunde vor Therapie) durchgeführt werden. Zudem sind serologische Kontrollen in monatlichen Abständen angezeigt, um bei etwaiger Persistenz oder einem Anstieg des VDRL-Titers zeitgerecht eine neuerliche Behandlung durchführen zu können.
Konnatale Syphilis
Die Therapie besteht gemäß der CDC-Guidelines in Penicillin G 100.000–150.000 IE/kg i.v. täglich verabreicht in 50.000 IE/kg/Dosis alle 12 h in der ersten Lebenswoche, danach alle 8 h für insgesamt 10 Tage. Ein anderes Schema sieht 150.000 IE/kg i.v./Tag verabreicht in 6 Einzeldosen zu 25.000 IE/kg alle 4 h, über 14 Tage, vor. Die Leitlinie der DSTDG empfiehlt für Neugeborene mit Syphilis connata 200.000–250.000 IE/kg KG/Tag Penicillin G i.v. täglich, verteilt auf 2 (1. Lebenswoche) beziehungsweise 3 (2.–4. Lebenswoche) Einzeldosen (ab 5 Lebenswoche 4 Einzeldosen/Tag), ebenfalls für 14 Tage.
Ältere Kinder und Jugendliche, bei denen eine Syphilis diagnostiziert wird, erhalten im Falle eines pathologischen Liquorbefundes Penicillin G 300.000 IE/kg i.v. täglich verabreicht, in 6 Einzeldosen zu 50.000 IE/kg alle 4 h, für 14 Tage. Bei normalem liquorserologischen Befund ist Benzathin-Benzylpenicillin, 50.000 IE/kg i.m., einmalig bei Frühsyphilis und bei Spätsyphilis Benzathin-Benzylpenicillin, 50.000 IE/kg i.m., dreimalig in wöchentlichem Abstand (Maximaldosis 2,4 Mio. IE pro Gabe) zu verabreichen. Bei effektiver Therapie sinken die Titer der Lipoid-Antikörper um mindestens 4 Stufen ab, daher kann der VDRL-Test zur Therapiekontrolle eingesetzt werden. Die behandelten Kinder sollten nach 3, 6 und 12 Monaten serologisch kontrolliert werden. Nach 6 (–12) Monaten sollten keine Lipoid-Antikörper mehr nachweisbar sein.
Syphilis bei HIV-positiven Patienten/Patienten mit AIDS
Auch diese Patienten sollten in erster Linie mit Penicillin, und zwar mit einem dem Stadium der Syphilis entsprechenden Regime, behandelt werden. Aufgrund der derzeitigen Datenlage ist keine höhere Effizienz oder Reduktion des Risikos einer Neurosyphilis durch zusätzliche Gaben von Benzathin-Benzylpenicillin oder anderen Antibiotika (zum Beispiel Ceftriaxon) in der Frühsyphilis bewiesen. Manche Spezialisten für HIV-Infektionen empfehlen allerdings, in dieser Phase das Behandlungsschema der Spätlatenz anzuwenden oder alternativ eine selektive Lumbalpunktion 6 Monate nach Therapie der Frühsyphilis bei Patienten mit niedriger CD4-Zellzahl durchzuführen, um eine asymptomatische Neurosyphilis auszuschließen.
Verlaufskontrollen
Nach der Therapie im Primär-, Sekundärstadium oder bei frühlatenter Syphilis sollten klinische und serologische Kontrollen nach 1, 3, 6 und 12 (24) Monaten erfolgen. Wenn nicht innerhalb von 6 Monaten eine Reduktion des VDRL-Titers um das Vierfache (=2 Verdünnungen) eintritt, wenn klinische Symptome bestehen bleiben oder es zu einem signifikanten VDRL-Titer-Anstieg kommt und eine Reinfektion ausgeschlossen werden kann, muss vor einer neuerlichen Therapie eine Liquorpunktion zum Ausschluss einer Neurosyphilis erfolgen. Bei einer Frühsyphilis sollten der VDRL nach einem Jahr, die IgM-Antikörpertests innerhalb von 6–12 Monaten negativ geworden sein. Bei HIV-Infizierten sind der Rückgang der Serotiter und das Verschwinden der IgM-Antikörper meist deutlich verzögert.
Nach Therapie der Spätsyphilis sollten nach 1, 3, 6 und 12 (24) Monaten VDRL-Titer-Kontrollen erfolgen. Ein inital hoher Titer (≥1:32) sollte innerhalb von 12–24 Monaten um das Vierfache (= 2 Verdünnungen) abfallen. Je länger die Infektion vor der Therapie bestanden hat, umso langsamer kommt es zum Abfall beziehungsweise zum Negativ-Werden des VDRL.
Bei der Neurosyphilis sind klinische und serologische Kontrollen 1, 3, 6 und 12 (24) Monate nach der Therapie angezeigt. Besteht anfangs eine Pleozytose, sollen die Liquoruntersuchungen in 6-monatigen Abständen so lange kontrolliert werden, bis sich die Zellzahl normalisiert hat. Ist 6 Monate nach der Therapie noch kein Absinken beziehungsweise nach 2 Jahren noch keine Normalisierung der Zellzahl eingetreten, ist eine neuerliche Therapie angezeigt. Gleichzeitig wird der Titerverlauf des VDRL-Tests im Serum als Parameter für die Beurteilung des Therapieerfolgs herangezogen. Der VDRL im Liquor kann ebenso wie die genannten Indizes über Jahre reaktiv beziehungsweise erhöht bleiben.
Gesetzliche Meldepflicht
In Deutschland ist seit 2001 mit der Einführung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG), welches das Bundesseuchengesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten ablöste, nur mehr die aktive, behandlungsbedürftige Syphilis und die HIV-Neuinfektion anonym meldepflichtig an das Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin. Alle anderen STI wurden dort über den STD-Sentinel des RKI bis 2010 schwerpunktmäßig erfasst, wodurch lediglich Trends der einzelnen Infektionen sichtbar werden. In der Schweiz war die Meldepflicht von 1999–2005 aufgehoben und 2006, nachdem sich ein Anstieg der Syphilisfälle bemerkbar gemacht hatte, wieder eingeführt. Es besteht nun ein obligatorisches Meldesystem für diagnostizierende Laboratorien und behandelnde Ärzte. In Österreich besteht eine Meldepflicht der Syphilis nach dem Geschlechtskrankheitengesetz (StGBl.Nr.152/1945 ifgF) aus dem Jahr 1945. Wenn eine Weiterverbreitung der Erkrankung zu befürchten ist oder sich die/der Kranke der ärztlichen Behandlung beziehungsweise Beobachtung entzieht, ist eine Meldung an die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde zu erstatten. Seit 2001 gibt es außerdem ein europäisches Netzwerk, über das die epidemiologischen Daten der STI von 24 europäischen Ländern erfasst werden (http://www.essti.org). Damit können auf gesamteuropäischer Ebene Kontrollstrategien entwickelt und gesundheitspolitische Entscheidungen getroffen werden.
Klinische Stadien
Die Syphilis durchläuft mehrere Stadien, die sich abhängig vom Zeitpunkt der Infektion in unterschiedlichen klinischen Manifestationen äußern.
Die Syphilis wird klassifiziert in:
Frühsyphilis (Infektionszeitpunkt (IZP) <1 Jahr zurückliegend [Definition der CDC]; IZP <2 Jahre zurückliegend [Definition der WHO]. Beinhaltet das Primär- und Sekundärstadium sowie das anschließende symptomfreie Intervall, die Frühlatenz.
Spätsyphilis (IZP >1 Jahr zurückliegend [Definition der CDC]; IZP >2 Jahre zurückliegend [Definition der WHO]). Dazu zählt man die Spätlatenz (symptomfreies Intervall nach dem ersten Jahr der Infektion) und die Tertiärsyphilis, in der Organmanifestationen auftreten.
Aufgrund der Oslo-Studie, einer Studie aus der vor-antibiotischen Ära um 1900, in der mehr als 2000 frisch mit Syphilis Infizierte nicht behandelt, sondern nur über Jahrzehnte klinisch nachverfolgt wurden, weiß man, dass es bei zwei Drittel der Infizierten auch ohne Behandlung zu keinen Folgeerscheinungen kommt und die Patienten lebenslang im asymptomatischen Spätlatenzstadium bleiben. Bei den übrigen Patienten kann es im Rahmen des Tertiärstadiums bei 15 % zu Spätmanifestationen an der Haut (benigne Spätsyphilis mit Gummen, tuberösen Syphiliden), bei 6,5 % zur Neurosyphilis und bei 10 % zu Manifestationen am Herz- und Gefäßsystem (kardiovaskuläre Syphilis, Aneurysmen) kommen. Alle Manifestationen in diesem Stadium sind nicht infektiös.
Frühsyphilis
Primärstadium
Nach einer Inkubationszeit von 10 Tagen bis 3 Monaten (meist 3 Wochen) kommt es an der überwiegend genital, perineal, anal oder oral lokalisierten Eintrittsstelle des Bakteriums zum Auftreten des Primäraffekts. Die Generationszeit von T. pallidum ist mit 33 h sehr lang, weshalb im Schnitt die Inkubationszeit bis zum Auftreten von ersten Symptomen ebenfalls relativ lange dauert, nämlich 3 Wochen.
Klinik
Der Primäraffekt stellt initial eine derbe Papel dar, aus der sich ein derbes, meist solitäres, schmerzloses Ulkus mit braunrotem Grund und 1–2 cm Durchmesser entwickelt (Ulcus durum, harterSchanker) (Abb. 2), dieses entspricht einer lokalen Proliferation von Treponemen und ist deshalb sehr erregerreich. Das Ulkus hat einen sauberen Grund, meist ohne Fibrinbelag. Bevorzugte Stellen dafür sind bei der Frau hintere Kommissur, Perineum und Labien oder auch Zervix, beim Mann Glans penis, Sulcus coronarius oder Präputium, an dieser Stelle kommt es durch die Induration der Umgebung zum Klapp-Phänomen des Präputiums: Beim Hochziehen des Präputiums klappt dieses auf einmal um. Auch mehrere Ulzera können auftreten. Bei 70–80 % besteht eine meist einseitige, schmerzlose Lymphknotenschwellung, welche zusammen mit dem Ulkus als syphilitischerPrimäraffekt bezeichnet wird. Es kann eine deutliche periläsionale Schwellung bestehen. In seltenen Fällen manifestiert sich der Primäraffekt als Oedema indurativum, eine flächenhafte, harte, elefantiasisartige Schwellung an Labien, Präputium oder Lippen. Bei 5–12 % der Fälle ist das Ulcus durum extragenital, davon in zwei Drittel der Fälle oral beziehungsweise perioral lokalisiert und ebenfalls schmerzlos (Abb. 2). Auch ohne Therapie heilt das Ulkus innerhalb von 3–10 Wochen ab. Das Primärstadium verläuft bei 15–30 % der Fälle asymptomatisch oder unbemerkt, vor allem dann, wenn das Ulcus durum intravaginal, an der Zervix oder im Analkanal lokalisiert ist. Das ist auch der Grund dafür, warum die Syphilis bei Frauen in diesem Stadium seltener als bei Männern diagnostiziert wird.
×
Jedes genitale Ulkus ist primär als infektiös anzusehen, insbesondere als Primäraffekt der Syphilis, und diesbezüglich abzuklären!
Initial eine Papel, dann solitäres Ulkus von ca. 5–15 mm Durchmesser, schmerzlos, induriert, scharf begrenzt, braunroter Ulkusgrund, schmerzlose regionäre Lymphadenopathie (ein- oder beidseitig).
Herpes genitalis
( Kap. „Humane Herpesviren“)
Herpes simplex Virus Typ 1 und 2
Initial multiple Vesikeln oder Pusteln, die sich rasch zu einzeln stehenden, stecknadelkopfgroßen Erosionen von 1–2 mm Durchmesser entwickeln, dann konfluieren und schmerzhafte Ulzera bilden, beidseitige schmerzhafte Lymphadenopathie, vor allem in der Phase der Primärinfektion.
Initial besteht eine Pustel oder Papel, dann sehr schmerzhafte multiple Ulzera mit erodiertem Randsaum, putride belegt, weicher Ulkusgrund, schmerzhafte regionäre, meist einseitige Lymphknotenschwellung, eventuell mit Einschmelzung und Perforation. Abklatschulzera an anliegenden Hautarealen.
Initial kleine schmerzlose Papeln, welche sich zu einem langsam ausbreitenden derben Ulkus mit granulomatösem Ulkusgrund entwickeln, erst später im Verlauf regionäre Lymphadenopathie.
Initial kleine schmerzlose Papeln/Pusteln, die rasch exulzerieren zu einem meist solitären Ulkus, verbunden mit akuter, schmerzhafter, meist unilateraler Lymphadenopathie, unter Umständen einschmelzend.
Sekundärstadium
Dieses erregerreichste Stadium der Syphilis ist sehr infektiös und kann unter der klinischen Triade Exanthem, Plaques muqueuses und Lymphadenopathie zusammengefasst werden. Die vielfältigen Symptome dieses Stadiums sind Folge einer ausgedehnten hämatogenen und lymphogenen Dissemination der Treponemen und treten innerhalb weniger Wochen bis Monate nach dem oder bei noch bei bestehendem Primäraffekt auf. Dieses Stadium kann aber auch unbemerkt bleiben. Auch das Zentralnervensystem ist involviert, weshalb etwa 25 % aller Patienten im Sekundärstadium auch einen abnormen Liquorbefund aufweisen, üblicherweise ohne klinisch-neurologische Symptomatik. Bei den meisten Patienten klärt sich der Liquorbefund im weiteren Verlauf unabhängig von einer Therapie, bei einigen kommt es zum Übergang in eine frühe, symptomatische Neurosyphilis.
Klinik
Hautbefunde
Die typischen Einzelläsionen des Sekundärstadiums werden als Syphilide bezeichnet. Diese sind in den meisten Fällen makulös, können aber auch makulopapulös, annulär, psoriasiform, papulopustulös oder follikulär sein. Wenn die Syphilide eine Collarette-artige Schuppung und zentrale Krusten aufweisen, werden sie als papulosquamöse Syphilide bezeichnet. In seltenen Fällen können die Syphilide auch ulzerieren und vernarben. Treten dabei schwere Allgemeinsymptome wie Fieber, reduzierter Allgemeinzustand mit Schwäche auf, spricht man von einer Syphilis maligna (Lues maligna), ein Krankheitsbild, das meist im Szenario einer Immunsuppression vorkommt, wie etwa einer HIV-Infektion. Die Lues maligna, die häufig auch mit Arthralgien einhergeht, ist charakterisiert durch das Auftreten von Papeln, Papulopusteln sowie scharf abgegrenzten runden oder ovalen Ulzerationen, die mit hämorrhagischen Borken bedeckt sind. Aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit Austernschalen wurden diese als Rupia syphilitica bezeichnet. Bei den HIV-Patienten kommt eine Syphilis maligna, verglichen zu einem historischen Kollektiv, etwa 60-mal häufiger vor (Abb. 3).
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Charakteristisch für das Sekundärstadium, und oft auch die initiale Symptomatik, ist ein symmetrisches, vorwiegend am Stamm und an den Beugeseiten der oberen Extremitäten auftretendes, oft sehr blasses makulöses oder später makulopapulöses Exanthem (Roseola syphilitica, Erstlingsexanthem), mit Syphiliden von 0,5–2 cm im Durchmesser, von bräunlichrötlicher Farbe (Abb. 4). Diese sind häufig auf Druck mit der Knopfsonde schmerzhaft (positives Sondenphänomen). Meist sind die Handflächen und Fußsohlen mitbetroffen und weisen einzeln stehende, braunrote, oft hyperkeratotische Syphilide auf; dies kann als diagnostisch für ein Sekundärstadium der Syphilis angesehen werden. Über der entzündlichen Infiltration können an diesen Lokalisationen umschriebene schwielenartige Keratosen entstehen die Clavi syphilitici. Umschriebene, braunrote, syphilitische Papeln am Nagelfalz, syphilitischeParonychien, können sich sekundär auf das Nagelwachstum auswirken. Papulöse Syphilide können auch an der Stirnhaargrenze (Corona veneris) auftreten. Die Rückbildung der Hauteffloreszenzen des Sekundärstadiums kann von Pigmentstörungen gefolgt sein, entweder als fleckförmige postinflammatorische Hyperpigmentierung oder Depigmentierung (Leukoderma specificum), die in der Folge, als Negativ-Abbild kosmetisch störend, noch über Monate in Erscheinung treten.
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Syphilide treten auch in den seborrhoischen Arealen im Gesicht auf (Abb. 5), oder beetartig breitbasig aufsitzend in der Genitoanalregion und in den intertriginösen Arealen (Condylomata lata), an dieser Lokalisation neigen sie zur Mazeration. Condylomata lata sind die erregerreichsten Läsionen der Syphilis (Abb. 6). Auch interdigitale Effloreszenzen der Syphilis können mazerieren und erosiv sein.
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Ähnliche Veränderungen an den Mundwinkeln sind Anguli infectiosi. An der Mundschleimhaut, Gingiva, Gaumen, Lippen, Tonsillen, hinterem Pharynx und Zunge, und selten an der Schleimhaut der Genitoanalregion, kommt es zum Auftreten von Plaques muqueuses, welche primär als entzündlich infiltrierte, weißlich belegte Papeln und Plaques, später als schmerzlose Erosionen beziehungsweise Ulzerationen imponieren (Abb. 7). Die Tonsillen können als Angina specifica beteiligt, und ebenso wie der Pharynx, diffus entzündlich gerötet, derb geschwollen mit grau-weißlichen Belägen bedeckt sein (Abb. 8). Im Unterschied zur Streptokokkenangina verläuft die Angina specifica schmerzlos und ohne Fieber.
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Im Sekundärstadium kann es auch zu einem reversiblen Haarausfall kommen, entweder diffus (Alopecia specifica diffusa) oder fleckförmig (Alopecia areolaris syphilitica, Mottenfraß-Alopezie), welcher nicht nur das Haupthaar, sondern auch Barthaar, Schambehaarung und die Augenbrauen betreffen kann (Abb. 9).
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Weitere Befunde
Etwa 70 % der Patienten im Sekundärstadium haben als eines der charakteristischsten Symptome dieses Stadiums eine generalisierte, schmerzlose Lymphadenopathie ohne Einschmelzung. Diese bildet sich, so wie alle anderen Manifestationen dieses Stadiums, auch ohne Therapie nach einigen Wochen bis Monaten von selbst zurück. Den Hauterscheinungen des Sekundärstadiums gehen in etwa der Hälfte der Fälle Allgemeinsymptome wie Fieber, Kopfschmerzen und Grippegefühl, Abgeschlagenheit, Myalgien sowie Arthralgien voran und bei einem Viertel aller Patienten Knochenschmerzen, vermutlich durch eine unspezifische Periostitis (Periostitis syphilitica) bedingt. Betroffen sind in erster Linie die Tibia, der Schädel, das Sternum, die Rippen.
Weitere Komplikationen/Organbeteiligungen sind eine syphilitische Nephritis, welche eine akute membranöse Glomerulonephritis auf der Basis eines durch Immunkomplexe mediierten Geschehens darstellt, eine erosive Gastritis, und eine meist asymptomatische, mit pathologischen Leberparametern einhergehende Hepatitis, die bei 10 % der Patienten im Sekundärstadium gefunden wird. Die Hepatitis kann auch mit Ikterus als Zeichen einer cholestatischen Hepatitis einhergehen.
Labordiagnostisch können Blutbildveränderungen (Anämie, Leukozytose) auftreten oder Funktionsparameter verschiedenster Organe pathologische Werte aufweisen.
Bei 25–40 % der Patienten kann im Frühstadium der Syphilis eine pathologische Liquorserologie bestehen. Dieser Befund normalisiert sich, auch wenn kein Neurosyphilis-Therapieschema zur Anwendung kommt, weshalb in diesem Stadium, vorausgesetzt es liegt keine neurologische Symptomatik vor, eine Liquorpunktion nicht indiziert ist. Kopfschmerzen können Zeichen einer Meningitis cerebrospinalis sein, einer akuten syphilitischen Meningitis, die typischerweise ohne Fieber abläuft. Hauptsymptome dieser neurologischen Komplikation der Frühsyphilis sind als Zeichen einer ausgeprägten basalen Meningitis bei 40 % der Patienten Hirnnervenausfälle und auch Hirndruckzeichen. In erster Linie sind der III., VI., VII. und VIII. Hirnnerv betroffen. Bei 20 % der Patienten mit akuter syphilitischer Meningitis kommt es zu einem sensoneuralen Hörverlust/Schwerhörigkeit, der Hörsturz entwickelt sich rasch innerhalb von 1–2 Wochen, oft geht Tinnitus voran. In derartigen Fällen muss deshalb immer eine Syphilis-Serologie veranlasst werden. Bei isoliertem Befall des VIII. Hirnnerven kann ein völlig normaler Liquorbefund vorliegen. Eine weitere neurologische Komplikation der Frühsyphilis ist ein Visusverlust durch eine syphilitische Neuritis nervi optici, für welche eine Inzidenz von 0,3–2,4 % angegeben wird. Andere ophthalmologische Komplikationen sind eine Iritis, Iridozyklitis, oder Uveitis anterior, oder auch die Lähmung von Augenmuskeln. Die Hirnnervenausfälle sind üblicherweise bei entsprechender Therapie vollständig reversibel. Der Entzündungsprozess kann nicht nur die Meningen, sondern auch das Ependym betreffen, und auch eine Endarteriitis verursachen, welche sich klinisch als fokale zerebrale Insulte wie Aphasie, Hemiplegie und epileptische Anfälle äußert.
Differenzialdiagnose
Zu differenzieren sind anhand der Symptomatik folgende Krankheitsbilder:
Akute syphilitische Meningitis: Andere Ursachen einer lymphozytären Meningitis, meist viraler Genese, oder verursacht durch Leptospiren oder Borrelien, Autoimmunerkrankungen.
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Cave: Bei jeder unklaren Haut- oder Schleimhauterkrankung sollte eine Syphilis-Serologie veranlasst werden; insbesondere bei sexuell aktiven Erwachsenen, die ein generalisiertes Exanthem aufweisen.
Verlauf: Frühlatenz und Rezidive
Mit dem Einsetzen der spezifischen Antikörperbildung gegen T. pallidum kommt es auch ohne Therapie innerhalb weniger Wochen bis zu 12 Monaten zur Rückbildung der Symptome des Sekundärstadiums. Das nachfolgende asymptomatische Stadium innerhalb des ersten Erkrankungsjahres wird, wenn keine Therapie erfolgt ist, als Frühlatenz bezeichnet und ist nur durch eine reaktive Syphilis-Serologie nachzuweisen. Patienten in diesem Stadium sind potenziell noch infektiös. Bei einem Viertel der Patienten kommt es allerdings innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre zu Rezidivepisoden der Symptome des Sekundärstadiums, die sich wiederum als Exanthem, Fieberschübe, oder Ulzerationen an der Schleimhaut, meist allerdings in abgeschwächter oder modifizierter Form, äußern können und wiederum infektiös sind.
Spätsyphilis
Spätlatenz
Nicht immer klar von der Frühlatenz abzugrenzen ist die Phase der Spätlatenz
, welche die symptomfreie Phase der Spätsyphilis darstellt, in der die gefundene Infektion nur über eine reaktive Syphilis-Serologie nachgewiesen werden kann. Definitionsgemäß (nach CDC) beginnt dieses Stadium zu Beginn des zweiten Jahres nach der Infektion. Auch jeder asymptomatische seroreaktive Patient, dessen Infektionszeitpunkt nicht bekannt oder nachvollziehbar ist, wird in dieses Krankheitsstadium eingeordnet. Zwei Drittel der unbehandelten Patienten verbleiben lebenslang im Stadium der Spätlatenz. Sie sind nicht infektiös. Die restlichen Patienten können Symptome des Tertiärstadiums entwickeln.
Jeder Patient, bei dem eine spätlatente Syphilis diagnostiziert wurde, muss vor einer Therapie auf eine HIV-Infektion und im Hinblick auf Manifestationen eines Tertiärstadiums untersucht werden; dieses beinhaltet eine Röntgenuntersuchung des Thorax (Fragestellung: Aortenaneurysma, Verkalkungen der Aortenwand), eine klinisch-neurologische Untersuchung (Fragestellung: neurologische Pathologien), gegebenenfalls eine Liquorpunktion (Kriterien dafür siehe unter Neurosyphilis, Abschn. 2.3), eine HNO-fachärztliche Untersuchung (Fragestellung: unter anderem Hörbeeinträchtigung), und eine augenfachärztliche Untersuchung (Fragestellung: unter anderem Neuritis nervi optici).
Tertiärstadium
Dabei handelt es sich um eine langsam progrediente Entzündungsreaktion beim infizierten, unbehandelten Patienten. Dieses Stadium kann innerhalb weniger Jahre oder Jahrzehnte post infectionem auftreten. Da keine Erreger mehr nachgewiesen werden können, ist dieses Stadium nicht infektiös. Zu diesem Stadium gehören die benigne Spätsyphilis der Haut, die Neurosyphilis, und die kardiovaskuläre Syphilis. Im Gegensatz zu den Daten der Oslo-Studie, gemäß welcher die benigne Spätsyphilis der Haut als die häufigste Form der Tertiärsyphilis angegeben wird, sieht man diese Manifestationen heute sehr selten, die wichtigste Form der Spätmanifestation heute ist die Neurosyphilis (Abschn. 2.3).
Klinik
Benigne Spätsyphilis
Diese ist charakterisiert durch zu Nekrose neigende granulomatöse Entzündungen, die sich als oberflächlich kutan/dermal lokalisierte tuberöse Syphilide oder als Gummen manifestieren, die in der Subkutis entstehen und von dort auf die oberen Hautschichten übergreifen können. Gummen können jedes Organ betreffen, treten aber am häufigsten an der Haut oder am Knochen auf. Die Bezeichnung benigne kommt aus der vor-antibiotischen Ära, da durch diese Manifestationen keine Todesfälle auftraten.
Tuberöse Syphilide sind gruppierte, braunrote, schmerzlose, destruierende Papeln und Knoten, die sich peripher ausbreiten und zentral mit hyper- oder depigmentierter Atrophie zurückbilden. Tuberöse Syphilide können unterschiedlich konfiguriert sein, schlangenartig gewundene Ränder aufweisen oder auch ulzerieren (tubero-ulzero-serpiginöses Syphilid) (Abb. 11). Sie treten bevorzugt im Gesicht, am Rücken und an den Extremitäten auf. Differenzialdiagnostisch kommen ein Lupus vulgaris, eine Mycosis fungoides und die Sarkoidose infrage.
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Gummen bilden mit der Unterlage verbackene Knoten, die durch die Gewebsnekrose einschmelzen, schließlich perforieren und ulzerieren (Abb. 12). Dabei entleert sich zähe, gelbliche Flüssigkeit (kalte Abszesse). Die Einschmelzung führt zur Gewebszerstörung von Muskeln, Knochen und knorpeligen Strukturen, in der Folge zur Perforation von Gaumendach, Nasenseptum und Nasenboden mit Mutilationen. Differenzialdiagnostisch abzugrenzen sind exulzeriertes Basaliom, Plattenepithelkarzinom oder Lymphom, andere infektiöse Prozesse (Tuberkulose, Aktinomykose, Sporotrichose), Lupus erythematodes profundus, Pannikulitis, Wegener-Granulomatose, Osteomyelitis. Auch ohne Therapie erfolgt nach Wochen oder Monaten die Abheilung.
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Kardiovaskuläre Syphilis
Eine Endarteriitis obliterans der Vasa vasorum führt zu einer Nekrose der muskulären und elastischen Anteile der Aortenwand, und im Weiteren durch eine daraus resultierende Fibrose der Aortenwand zu einem Aortenaneurysma, in erster Linie der aszendierenden Aorta. In der vor-antibiotischen Ära war die Syphilis dafür die häufigste Ursache und für 5–10 % der kardiovaskulären Todesfälle verantwortlich. Folge dieser fibrotischen Abheilung der Aortenwand kann auch eine Stenose der Ostien der Koronararterien sein, welche sich klinisch in pektanginösen Beschwerden bis hin zum Myokardinfarkt äußert. Im Unterschied zu arteriosklerotisch veränderten Koronararterien sind die Gefäße im Verlauf unauffällig. Eine weitere Folge der Aortitis ist die Dilatation des Aortenrings, woraus eine Aortenklappeninsuffizienz resultiert.
Neurosyphilis
Synonym
Lues cerebrospinalis
Ätiopathogenese
Bei 30 % der betroffenen Patienten verläuft die Neurosyphilis als Manifestation des Tertiärstadiums asymptomatisch und stellt eine rein liquorserologische Diagnose dar. Bei diesen Patienten besteht aber trotzdem eine Behandlungsindikation, um eine symptomatische Neurosyphilis zu verhindern. Eine Neurosyphilis kann in jedem Stadium der Syphilis auftreten, meist jedoch erst 5–40 Jahre nach der Infektion. Bei 48 % der Patienten manifestiert sich eine Neurosyphilis als parenchymatöse, bei 20 % als meningeale Neurosyphilis, davon bei 10 % als meningovaskuläre Form. Ein Befall des Zentralnervensystems mit Gummen ist selten (1 %), die Symptomatik dabei abhängig von der Lokalisation. Es können bei ein und demselben Patienten verschiedene Formen der Neurosyphilis kombiniert auftreten, zum Beispiel eine zerebrovaskuläre Neurosyphilis begleitet oder gefolgt von einer Tabes dorsalis oder progressiven Paralyse.
Auch in den Frühstadien der Syphilis kann es zur Invasion des Zentralnervensystems mit Treponemen (Neuroinvasion) kommen. Dann treten bei 13 % der unbehandelten Patienten im Primär- und bei 25–40 % im Sekundärstadium Abnormitäten in den Liquorbefunden auf, und können bei 15–40 % dieser Patienten mittels PCR Treponemen im Liquor nachgewiesen werden. Diese zentralnervöse Mitbeteiligung kann entweder spontan abheilen (in der Mehrzahl der Fälle) oder als asymptomatische oder symptomatische syphilitische Meningitis in den ersten Wochen und Monaten nach der Infektion persistieren (siehe dort).
Da Symptome einer Neurosyphilis auch in der Frühphase der Infektion auftreten können, sollten nur späte Formen der Neurosyphilis als Tertiärsyphilis bezeichnet werden.
Bleibt eine Behandlung aus, kann diese zentralnervöse Infektion, üblicherweise 5–12 Jahre nach dem Primärstadium, zur meningovaskulären Neurosyphilis fortschreiten oder sich nach etwa 18–25 Jahren zur parenchymatösen Form der Neurosyphilis, der Tabes dorsalis, oder der progressiven Paralyse entwickeln. Das Ausmaß der initialen, pathologischen Liquorbefunde korreliert mit der Wahrscheinlichkeit, später eine Neurosyphilis zu entwickeln. Umgekehrt macht ein unauffälliger Liquor zwei Jahre nach der stattgehabten Infektion die Entwicklung einer Neurosyphilis beim unbehandelten Patienten sehr unwahrscheinlich.
Meningovaskuläre Neurosyphilis
Diese läuft als Endarteriitis obliterans an den kleinen Gefäßen der Meningen, des Gehirns und des Rückenmarks ab, kann jeden Teil des Zentralnervensystems betreffen, und ist somit in ihrer zerebralen oder spinalen Form durch eine vielgestaltige Klinik gekennzeichnet. Da die meningovaskuläre Syphilis früher als die progressive Paralyse oder die Tabes dorsalis auftritt, sind die betroffenen Patienten durchschnittlich jünger, nämlich 30–50 Jahre alt. Die Beteiligung der zerebralen Gefäße, meist der A. cerebri media, führt zum Bild eines apoplektischen Insults, welcher sich klinisch typischerweise als Hemiplegie oder Hemiparese manifestiert, aber auch durch eine Aphasie oder zerebrale Krampfanfälle. Psychiatrische Symptome (Verhaltens- und Persönlichkeitsveränderungen) können vorangehen. In der Bildgebung der großen und mittleren zerebralen Gefäße zeigt sich im Gegensatz zu den unregelmäßigen, kurzstreckigen Wandveränderungen der Arteriosklerose eine längerstreckige Verschmälerung der betroffenen Gefäße.
Die meningovaskuläre Syphilis des Spinalbereichs kommt isoliert nur selten vor (3 % aller Neurosyphilis-Fälle). Sie kann als syphilitische Meningomyelitis und, seltener, als spinale vaskuläre Neurosyphilis ablaufen. Erstere äußert sich nach einer Latenzperiode von 20–25 Jahren durch eine asymmetrische, langsam fortschreitende Parästhesie und ein Schwächegefühl der unteren Extremitäten, die in einer Paraparese oder Paraplegie enden und mit Inkontinenz verbunden sein können. Die spinale vaskuläre Neurosyphilis manifestiert sich in einer plötzlich einsetzenden Paraplegie, meist ab der thorakalen Ebene.
Jeder Patient, der einen zerebralen Insult erleidet, insbesondere wenn er jüngeren Alters ist und keine vaskulären Risikofaktoren aufweist, ist hinsichtlich einer Neurosyphilis abzuklären.
Parenchymatöse Neurosyphilis
Die Folge einer Parenchymdegeneration mit begleitender Leptomeningitis ist die progressiveParalyse (Synonyme: Dementia paralytica, general paresis of the insane). Dabei handelt es sich um eine Meningoenzephalitis mit einer direkten Invasion des Cerebrum durch T. pallidum. Vor dem 2. Weltkrieg machte diese Form der Neurosyphilis 5–10 % der Patienten auf Psychiatrie aus. Dieses Krankheitsbild kann nahezu jede Form einer neurologischen oder psychiatrischen Erkrankung imitieren. Am Beginn steht oft eine auffällige Persönlichkeitsveränderung, die in einer vorzeitigen Demenz mit Einschränkung beziehungsweise Verlust der kognitiven Leistung endet. Das Spektrum psychischer Verhaltensauffälligkeiten reicht von emotionaler und Affektlabilität, inadäquater sozialer und moralischer Handlungsweise bis hin zu Größenwahn. Initial können auch schwere Depressionen oder zerebrale Krampfanfälle auftreten, die bei 15–20 % der Patienten beschrieben sind.
Die häufigsten neurologischen Auffälligkeiten sind Pupillenanomalien, die allerdings auch bei anderen Formen der Neurosyphilis auftreten, Tremor der Lippen, Zunge, Gesichtsmuskel und der Finger, in der Folge kommt es zur Beeinträchtigung von Sprache und Schrift. Die Pupillen können groß, ungleich mit träger Reaktion auf Licht und Akkommodation sein. Später kann man eine so genannte Argyll-Robertson-Pupille (Robertson 1869) vorfinden, die allerdings häufiger bei Patienten mit Tabes dorsalis zu finden ist. Diese ist durch eine fehlende Pupillenreaktion auf Licht bei erhaltener Reaktion auf Konvergenz charakterisiert. Ohne Behandlung kann dieses Stadium wenige Monate bis Jahre dauern, bis es zum Tod führt.
Bei der Tabes dorsalis handelt es sich ebenfalls um eine Parenchymdegeneration mit entzündlicher Komponente. In der Folge kommt es zur Entmarkung der Hinterstränge und der Dorsalwurzeln mit einer chronischen Leptomeningitis. In der prä-antibiotischen Ära machte die Tabes dorsalis etwa ein Drittel aller Patienten mit Neurosyphilis aus. Heute stellt sie eine sehr seltene Diagnose dar. Die Symptome treten nach einer Latenzperiode von etwa 20–25 Jahren auf und äußern sich durch blitzartig einschießende, stechende Schmerzen im Abdomen und an den Extremitäten, begleitet von Krämpfen, Ataxie, Parästhesien und Verlust der der Vibrations- und Tiefensensibilität sowie der Muskeleigenreflexe, die eine Schutzfunktion für die Gelenke haben. Dies führt zur Schädigung und Mutilation der Gelenke (Charcot-Gelenke). Ein typisches Symptom, und bei etwa 60–70 % der Betroffenen vorhanden, ist die bei der progressiven Paralyse beschriebene Argyll-Robertson-Pupille.
Konnatale Syphilis
Synonyme
Syphilis connata, Lues connata
Epidemiologie
Aufgrund des heute obligaten Schwangeren-Screenings ist die konnatale Syphilis selten geworden, und betrifft in erster Linie Bevölkerungsschichten, die Vorsorgeuntersuchungen nicht in Anspruch nehmen. Die Inzidenz der konnatalen Syphilis korreliert mit der seit dem Jahr 2000 steigenden Prävalenz infektiöser Syphilis in der Bevölkerung beziehungsweise bei den Frauen im gebärfähigen Alter. In den USA zeigte sich demzufolge 2008 mit einer Inzidenz von 10/100.000 Lebendgeburten ein Anstieg um 23 % im Vergleich zu 2005. Für Europa gibt es keine analogen Zahlen, nur anekdotische Berichte über das Wiederauftreten von Fällen mit konnataler Syphilis. Laut WHO treten weltweit jährlich bis zu 1,5 Mio. Fälle konnataler Syphilis auf, vor allem in den Entwicklungsländern. In diesen Ländern wird die unbehandelte Syphilis schwangerer Frauen für ein Viertel beziehungsweise 50 % (zum Beispiel in Tansania) aller Totgeburten und für 11 % aller Todesfälle bei Neugeborenen verantwortlich gemacht.
Ätiopathogenese
Bei der konnatalen Syphilis kommt es zu einer diaplazentaren, intrauterinen Infektion des Kindes bei aktiver, unbehandelter Syphilis der Mutter. Eine diaplazentare Transmission auf das ungeborene Kind kann zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft stattfinden, das Risiko dafür nimmt mit der Dauer der Schwangerschaft zu. Das Risiko hängt allerdings vom Stadium der Syphilis ab, in dem sich die Schwangere befindet; dieses ist umso höher, je kürzer die Infektion der Mutter zurückliegt. Das Risiko einer Infektion des Kindes beträgt 70–100 % in der Phase der Primärsyphilis, 67 % beziehungsweise 40–83 % im Sekundärstadium beziehungsweise in der Frühlatenz, und 10 % in der Spätlatenz. Die diaplazentare Infektion kann eine konnatale Syphilis, eine Frühgeburt, eine syphilitische Totgeburt durch intrauterinen Fruchttod (üblicherweise im 7.–8. Schwangerschaftsmonat) oder den Tod des Neugeborenen zur Folge haben. Ein Kind kann sich auch während der Geburt an floriden Läsionen im Bereich des mütterlichen Genitaltrakts infizieren.
Da die Syphilis eine systemische Infektion ist, bei der eine intravasale Verbreitung der Treponemen bereits in der Inkubationsperiode beginnt, kann diese bereits kurz nachdem sie erworben wurde auf das ungeborene Kind übertragen werden. Bei unbehandelter aktiver Syphilis der Mutter waren 26 % der Kinder gesund und seronegativ, 25 % seropositiv und asymptomatisch und 49 % manifest an Syphilis connata erkrankt.
Da mütterliche IgG-Antikörper die Plazentaschranke überschreiten, können auch Neugeborene, deren Mütter in oder vor der Schwangerschaft lege artis behandelt wurden, eine positive treponemenspezifische Syphilis-Serologie in den IgG-Antikörpertests aufweisen (Leihantikörper). Diese spezifischen Seroreaktionen sollten nach spätestens einem Jahr verschwunden sein. Zur Diagnose einer konnatalen Syphilis müssen die Antikörper-Titer der verschiedenen Tests von Mutter und Kind quantitativ verglichen werden. Ein positiver für Treponemen spezifischer IgM-Antikörpertest, klinische Zeichen einer Syphilis oder der Nachweis von T. pallidum aus einer verdächtigen Läsion mittels Dunkelfeldmikroskopie beziehungsweise ein VDRL-Titer, welcher über dem der Mutter liegt, sind beweisend für eine Infektion des Kindes.
Klinik
Schätzungsweise 60 % der Kinder mit konnataler Syphilis sind zum Zeitpunkt der Geburt asymptomatisch, und die Diagnose kann nur serologisch gestellt werden (siehe oben, Diagnostisches Vorgehen in Abschn. 1). Es gibt verschiedene Stadien der konnatalen Syphilis.
Frühsyphilis nach pränataler Infektion (Syphilis connata praecox)
Dieses Stadium umfasst alle Symptome, die bis zum Ende des 2. Lebensjahrs auftreten und inkludiert auch die Totgeburt. Es entspricht im Wesentlichen dem Sekundärstadium des Erwachsenen, weshalb die Läsionen erregerhaltig und infektiös sind. Die Kinder fallen durch ihr greisenhaftes, dystrophes Aussehen auf (Abb. 13). Niedriges Geburtsgewicht und Unreife bestehen bei 10–40 % der infizierten Kinder. Das Abdomen ist durch die Hepatosplenomegalie (33–100 % der Kinder) aufgetrieben. Diese und die Anämie, die bei 90 % der symptomatisch an Syphilis erkrankten Kinder vorliegt, sind oft die zunächst einzigen Symptome. Bei einem Teil der Neugeborenen kommt es innerhalb der ersten Lebenswochen zu einer Rhinitis syphilitica (Coryza syphilitica), gekennzeichnet durch ein erregerreiches, leicht blutiges Sekret aus der Nase. Außerdem kann es zu einer Knochenbeteiligung mit Periostitis, Osteomyelitis und Osteochondritis syphilitica kommen, verbunden mit einer schmerzhaften Epiphysiolyse der langen Röhrenknochen. Die dadurch schmerzbedingte Schonhaltung der betroffenen Extremität wird als Parrot-Pseudoparalyse bezeichnet. Mukokutane Symptome findet man in der Hälfte der Fälle, sie entsprechen jenen des Sekundärstadiums und zeigen sich als makulopapulöses Exanthem sowie Ulzerationen perioral und perianal, die mit radiären Narben abheilen (Parrot-Furchen (Parrot 1886)). Sehr charakteristisch, aber selten und bereits zum Zeitpunkt der Geburt vorhanden, sind bullöse Läsionen palmoplantar (syphilitischerPemphigus). Die Plazenta ist üblicherweise groß und verdickt.
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Spätsyphilis nach pränataler Infektion (Lues connata tarda)
Diese umfasst die Symptome, die nach dem 2. Lebensjahr auftreten, meist erst im Schul- oder Jugendalter. Dieses Stadium entspricht dem Tertiärstadium der Syphilis beim Erwachsenen und ist nicht infektiös. In erster Linie sind das Skelettsystem, die Zähne und das Zentralnervensystem von Manifestationen betroffen. Auch kardiovaskuläre Erkrankungen sind möglich. Folge einer Periostitis kann eine Verdickung und anteriorkonvexe Krümmung des Schienbeins sein (Säbelscheidentibia) oder auch eine abnorme Wölbung der Stirn (Caput natiforme,Olympierstirn). Eine sensoneurale Innenohrschwerhörigkeit beziehungsweise Taubheit aufgrund einer syphilitischen Neurolabyrinthitis bildet zusammen mit einer durch eine interstitielle Keratitis bedingten Trübung der Hornhaut, die bis zur Erblindung führen kann, und einer tonnenförmigen Verformung der bleibenden Schneidezähne (Tonnenzähne) (Abb. 14) die Hutchinson-Trias (Hutchinson 1858). In diesem Stadium kann man unter Umständen weitere permanente Stigmata der konnatalen Spätsyphilis feststellen, wie Parrot-Furchen, Säbelscheidentibia, Caput natiforme, die Sattelnase (zurückzuführen auf destruierende Infiltrate im Nasenseptum) (Abb. 15) und die Maulbeermolaren (schmutzig-grau verfärbte erste untere Molaren, mit kleinen kuppelförmigen Vorwölbungen an der Oberfläche).
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Syphilis bei HIV-Infektion
Obwohl eine HIV-Infektion prinzipiell keine Alteration der Syphilis-Serologie bewirkt, kann bei den koinfizierten Patienten die Interpretation der Befundkonstellation schwierig beziehungsweise nicht richtungsweisend sein: Die Syphilis-Serologie kann im Frühstadium und Sekundärstadium seronegativ sein, die Lipoidtests trotz adäquater Therapie hochpositiv bleiben oder der Titer verzögert abfallen. Sowohl der TPPA-, der FTA-Abs-, als auch der VDRL-Test können falsch-negativ sein, letzterer aufgrund des Prozonenphänomens (Abschn. 1, Diagnostisches Vorgehen). Ein biologisch falsch reaktiver VDRL-Test kommt häufiger als in der Normalbevölkerung bei bis zu 20 % der koinfizierten Patienten, vor, meist im Zusammenhang mit i.v.-Drogenkonsum. Trotz dieser serologischen Diskrepanzen soll bei HIV-positiven Patienten mit Syphilis genauso wie bei HIV-negativen vorgegangen werden.
Im Szenario der HIV-Infektion ist außerdem eine höhere Rate an Therapieversagern beschrieben. Rezente Daten haben aber gezeigt, dass diese unter einer umfassenden hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART) um etwa 60 % gesenkt werden kann. In manchen Publikationen wird außerdem eine höhere Seroreversionsrate bei den für Treponemen spezifischen Antikörpertests HIV-Infizierter Patienten nach der Therapie angegeben.
Im klinischen Bereich erhöht eine Koinfektion mit HIV die Wahrscheinlichkeit, dass der Patient ein symptomatisches Sekundärstadium durchmacht. Außerdem sind HIV-infizierte Patienten prädisponiert, eine Neurosyphilis zu entwickeln, da sie aufgrund ihrer zellulären Immundefizienz limitiert befähigt sind, T. pallidum aus dem Liquorraum zu eliminieren. Ein besonders hohes Risiko diesbezüglich haben Patienten mit CD4-Zellzahlen <350/μl und/oder VDRL/RPR-Serum-Titer ≥1:32.
Nichtvenerische Treponematosen
Die nichtvenerischen Treponematosen, Frambösie, Bejel, und die endemische Treponematose (Pinta), sind eine Reihe von Infektionen, die nicht über sexuellen Kontakt übertragen oder kongenital erworben werden. Sie stellen in bestimmten Entwicklungsländern ein beträchtliches, schwer ausrottbares Gesundheitsproblem dar, vergesellschaftet mit schlechten hygienischen Bedingungen und beengten Lebensverhältnissen. Abgesehen von prominenten Hautmanifestationen können diese Erkrankungen auch ossäre, neurologische und ophthalmologische Komplikationen verursachen, ein beträchtlicher Teil der Infizierten bleibt aber asymptomatisch. Die Erreger sind morphologisch nicht unterscheidbar, molekularbiologische Untersuchungen zeigen aber klare genetische Unterschiede. Außerdem besteht praktisch keine Kreuzimmunität zwischen Syphilis und den nichtvenerischen Treponematosen. Die spezifischen serologischen Tests für die Syphilis sind bei allen nichtvenerischen Treponematosen reaktiv, die Unterscheidung zur Syphilis beziehungsweise die Diagnose erfolgt rein auf Basis klinischer und epidemiologischer Charakteristika. Therapeutisch kommt ebenfalls Penicillin zum Einsatz.
Frambösie ist die nichtvenerische Treponematose mit der höchsten Prävalenz. Sie wird durch Treponema pertenue verursacht und kommt in tropischen Regionen, wie Afrika, Zentral- und Südamerika, Asien, Australien und den Pazifischen Inseln, vor. Hauptsächlich erkranken Kinder unter 15 Jahren. In den 1950er-Jahren des vorigen Jahrhunderts wurden in breitflächig eingesetzten Therapiekampagnen der WHO weltweit 300 Mio. Patienten mit Frambösie behandelt und damit eine drastische Reduktion der Neuinfektionen erreicht, auf etwa 0,5 Mio. 1995. In Indien gilt die Frambösie mittlerweile als eradiziert. Die Übertragung erfolgt über direkten Hautkontakt mit aktiven Läsionen, oder auch über Insektenstiche, nicht aber vertikal von der Mutter auf das ungeborene Kind.
Klinik
Das Primärstadium beginnt 2–4 Wochen nach der Inokulation der Erreger mit einem schmerzlosen Ulkus an der Eintrittsstelle der Treponemen, welches sich auf bis zu 5 cm im Durchmesser vergrößert und verkrustet. An Allgemeinsymptomen können Fieber, Gelenksschmerzen und eine regionäre Lymphadenopathie auftreten. Unter der Kruste zeigt sich ein vegetierender weicher, papillomatöser Ulkusgrund, der an eine Himbeere erinnert (framboise: Himbeere). Dieser Herd heilt nach Monaten spontan mit einer depigmentierten Narbe ab.
Wochen bis Monate nach dem Auftreten des Primärherdes (mother yaws) beginnt das Sekundärstadium, in dem kleinere Versionen des Primärherds disseminiert auftreten. Man findet sie oft um die Körperöffnungen, wie Mund und Nase, lokalisiert, und vergesellschaftet mit Allgemeinsymptomen wie Fieber, Kopfschmerzen und Lymphadenopathie. Hyperkeratotische palmoplantare Plaques mit schmerzhafter Rhagadenbildung führen zu einem charakteristischen Gangbild des Kindes. Ebenfalls schmerzhaft sind eine Periostitis und eine entzündliche Knochenbeteiligung. Nach Wochen bis Monaten bilden sich die Symptome zurück. Alle Hautmanifestationen sind ebenso wie jene des Primärstadiums voller Treponemen und daher hoch infektiös.
10 % der Patienten entwickeln nach 5–10 Jahren Symptome des Tertiärstadiums. Dabei entwickeln sich subkutane gummenartige Knoten und Plaques, die zur Gewebedestruktion führen, palmoplantare Keratodermien, Knochenmutilationen durch die Osteitis und Periostitis. Nach allgemeinem Verständnis ist das Zentralnervensystem nicht betroffen, allerdings finden manche Autoren Zusammenhänge einer Frambösie mit Myeloneuropathien.
Differenzialdiagnose
Im frühen Stadium sind abzugrenzen: Pyodermie, Ekthymata, impetiginisierte Skabies, atypische Mykobakterieninfektion, Sarkoidose, Tuberkulose, mukokutane Leishmaniose, Sekundärstadium der Syphilis, Tungiasis, idiopathisches Keratoderm, tiefe Mykosen (zum Beispiel Blastomykose). Im Spätstadium sind Syphilis, Lepra, Tuberkulose, Pinta zu beachten.
Therapie
Mittel der Wahl ist Benzathin-Benzylpenicillin, 1,2 Mio IE i.m., einmalig. Kinder unter dem 10. Lebensjahr bekommen die halbe Dosis.
Pinta, verursacht durch Treponema carateum, ist die nichtvenerische Treponematose mit der mildesten Verlaufsform und führt zu nur auf die Haut beschränkten Symptomen. Pinta kommt in erster Linie in Zentral- und Südamerika vor. Auch hier sind von einer Infektion in erster Linie Kinder betroffen. Übertragungsmodus ist direkter Hautkontakt mit einer infektiösen Hautläsion. An der Eintrittsstelle, meist an den Beinen, kommt es nach wenigen Wochen zum Auftreten von Papeln, die zu einer oder mehreren nicht ulzerierenden Plaques verschmelzen (Primärstadium). Diese werden nach einigen Wochen hypo- oder hyperchrom oder verfärben sich gräulich. Nach einigen Monaten oder Jahren kommt es zum Sekundärstadium und Dissemination von multiplen Papeln und Plaques. Alle Herde heilen letztlich mit fleckigen Hypopigmentierungen, Dyschromie und Atrophie ab.
Mittel der Wahl ist Benzathin-Benzylpenicillin, 1,2 Mio IE i. m., einmalig. Kinder unter dem 10. Lebensjahr bekommen die halbe Dosis.
Endemische Syphilis
Synonyme
Bejel (Syrien, Irak und andere arabische Länder), Sklerljevo (früheres Jugoslawien), Njovera (Zimbabwe), Dichucheva (Botswana)
Es handelt sich um eine besondere Verlaufsform der Syphilis in Regionen hoher Durchseuchung, wird durch Treponema pallidum subsp. endemicum hervorgerufenen und in erster Linie auf nichtgeschlechtlichem Weg, über körperlichen Kontakt und gemeinsam genutztes Geschirr, übertragen. Meist sind ganze Familien, in erster Linie Kinder unter 15 Jahren, von einer Infektion betroffen. Anders als die Frambösie ist die endemische Syphilis in Regionen mit heißer trockener Hitze prävalent. Das klinische Erscheinungsbild in den einzelnen Stadien entspricht dem der Syphilis.
Therapie
Mittel der Wahl ist Benzathin-Benzylpenicillin, 1,2 Mio IE i. m., einmalig. Kinder unter dem 10. Lebensjahr bekommen die halbe Dosis.
Literatur
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Einführung
Nichtvenerische Treponematosen
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