Die Kombination von fokal beginnenden Anfällen mit und ohne Bewusstseinsstörung findet sich bei den Epilepsien des Frontal-, Parietal- und Okzipitallappens.
Epilepsien des Frontallappens
Bei den Epilepsien des Frontallappens gibt es eine außerordentliche Fülle von Anfallssymptomen, da hier große epileptogene Areale für die Anfälle verantwortlich sein können. Bei Anfällen, die vom Frontallappen ausgehen, ist eine Tendenz zur raschen Ausbreitung des Fokus typisch. Bei diesen Epilepsien kommen fokal beginnende Anfälle mit Bewusstseinsstörung (ausgehend von vorderen bzw. lateralen Foci), fokal beginnende Anfälle ohne Bewusstseinsstörung (ausgehend von medialen Frontallappenanteilen) und Übergang in bilateral tonisch-klonische Anfälle sowie kurze Bewusstseinspausen ohne signifikante Begleitsymptomatik (früher: Pseudoabsencen) vor. Fokal beginnende Anfälle mit Bewusstseinsstörung nehmen nach denjenigen mit Ursprung im Temporallappen am häufigsten ihren Ausgang vom Frontallappen.
Anhand des epileptogenen Fokus unterteilt man in Anfälle der supplementärmotorischen Region (dorsolaterale frontale Anfälle, frontopolare Anfälle, zinguläre Anfälle und orbitofrontale Anfälle), operkuläre Anfälle und frontale Anfälle der motorischen Rinde.
Für fokale Anfälle des Frontallappens sind zur diagnostischen Einordnung einige Charakteristika von Bedeutung, die auf den Anfallsursprung im Frontallappen hinweisen können. Hierzu zählt vornehmlich die Anfallshäufigkeit mit typischerweise seriellem Auftreten der Anfälle und einer Frequenz von mehr als 20 Anfällen pro Tag. Die Anfälle haben eine recht kurze Dauer, oft weniger als eine halbe Minute. Sie beginnen oft ohne Bewusstseinsstörung mit somatosensorischen Symptomen im Sinne eines ungewöhnlichen Körpergefühls (früher: Aura). Sie beginnen und enden abrupt, die Beeinträchtigung des Bewusstseins ist dabei oft nur unvollständig. Die für die Anfälle des Temporallappens typische Bewegungsstarre findet sich bei Anfällen des Frontallappens eher selten, stattdessen sieht man eine eindrucksvolle, bizarre motorische Symptomatik mit ausladenden, rhythmischen Bewegungen der Hände und der Beine, daneben werden tonisch versive Haltungen des Kopfes und/oder des Rumpfes beobachtet. Bewegungen der Augen fallen ebenfalls auf.
Wenn die vom Frontallappen ausgehenden Anfälle ohne Bewusstseinsstörung einhergehen, liegt der Ursprung im medialen Teil des Frontallappens. So gehen die operkulären Anfälle häufig mit somatosensorischen und vegetativen Symptomen (früher: epigastrische Aura) und Angstsymptomatik einher, zusätzlich zeigen sich klonische Anfälle im Gesicht, Taubheitsgefühl besonders der Hände sowie laryngeale Symptome.
Anfälle mit Ursprung im Frontallappen haben eine besonders ausgeprägte Neigung zur Ausbreitung der epileptischen Aktivität mit rascher Entwicklung bilateral tonisch-klonischer Anfälle (früher: sekundär
generalisierte tonisch-klonische Anfälle). Bisweilen führt dies zu Problemen hinsichtlich der Erkennung des fokalen Anfallsbeginns.
Iktale elektroenzephalografische Befunde sind frontale oder multilobäre, oft beidseitige, niedrigamplitudige schnelle Aktivität, kombinierte Spikes, rhythmische Spikes, rhythmische Spike waves oder rhythmische Slow waves, weiterhin beidseitig hochamplitudige einzelne Sharp waves, gefolgt von diffuser Abflachung. Durch zusätzliche intrakranielle Ableitungen können Informationen zur räumlichen Ausdehnung der epileptogenen Foci gewonnen werden. Interiktal kommen neben einem unauffälligen Befund eine Asymmetrie der Hintergrundaktivität oder ein- oder beidseitig frontale Spikes oder Sharp waves vor.
Die Prognose von Frontallappenepilepsien ist sowohl in Bezug auf die medikamentöse als auch auf die chirurgische Behandelbarkeit schlechter als die der Epilepsien mit Ursprung im Temporallappen.
Speziell erwähnenswert ist die
autosomal-dominante Frontallappenepilepsie (ADNFLE), die mit 70 %iger
Penetranz vererbt wird (Mutationen verschiedener Gene, die für den nACh-Rezeptor kodieren mit der Folge einer erhöhten Acetylcholinsensitivität) (Diaz-Otero et al. 2008). Die nächtlichen Anfälle weisen eine große
Varianz von Symptomen auf. Meist treten die Anfälle clusterartig auf, häufig als hyperkinetische (früher: hypermotorische) oder tonische Anfälle. Differenzialdiagnostisch müssen nächtliche
Dystonien oder
Pavor nocturnus abgegrenzt werden. Während das interiktale
EEG im Wachzustand bei nahezu 90 % der Patienten normal ist, finden sich im
Schlaf bei 50–75 % der Patienten regionale Verlangsamungen sowie frontale oder bifrontale Spikes.
Epilepsien des Parietallappens
Bei den Epilepsien des Parietallappen
s findet man am häufigsten fokale Anfälle ohne Bewusstseinsstörung mit überwiegend sensiblen oder sensorischen Symptomen. Sie können in bilateral tonisch-klonische Anfälle übergehen (früher: sekundär
generalisierte tonisch-klonische Anfälle). Fokale Anfälle mit Bewusstseinsstörung kommen seltener vor und sind als Hinweis auf eine Ausbreitung des epileptogenen Fokus auf den Temporal- oder Frontallappen zu werten.
Typisch für Foci im Parietallappen sind sensorische Anfallssymptome mit Kribbelparästhesien, Elektrisieren, brennenden Dysästhesien und Schmerzen vor allem in Hand, Arm und Gesicht, daneben Taubheit, Asomatognosie,
Schwindel und räumliche
Orientierungsstörungen. Zu Beginn des Anfalls ist das Bewusstsein ungestört, Entwicklung einer Bewusstseinsstörung zeigt die Ausbreitung in die Temporal- bzw. Frontalregion an.
Häufig findet man im
EEG fokale Spikes oder Slow-wave-Aktivität, die nicht eindeutig dem Fokus zuzuordnen ist, oft auch ihr
Maximum temporal oder frontal hat.
Epilepsien des Okzipitallappens
Bei Epilepsien mit Ursprung im Okzipitallappen treten in der Regel fokale Anfälle ohne Bewusstseinsstörung auf, die in bilaterale tonisch-klonische Anfälle übergehen können. Fokale Anfälle mit Bewusstseinsstörung sieht man selten. Sie werden wie bei den Parietallappenanfällen als Hinweis auf eine Ausbreitung des epileptogenen Fokus auf temporales oder frontales Gebiet gewertet.
Im Wesentlichen werden visuelle Symptome beobachtet: Skotome, Hemianopsie, Blindheit, daneben visuelle Wahrnehmungsstörungen wie Metamorphopsien, einfache oder strukturierte
Halluzinationen. Wenn eine Bewusstseinsstörung hinzutritt, ist von einer Ausbreitung des Fokus auf die Temporal- oder Frontalregion auszugehen.