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Stomatherapie in der Rehabilitation

Verfasst von: Jürgen Körber und Gabriele Gruber
Die Notwendigkeit vor, nach oder während einer onkologischen Therapie ein Stoma anzulegen, hat mit der Häufigkeit der malignen Erkrankungen im Magen-Darm-Trakt und bei Blasenkarzinomen zugenommen. Bei der Therapie des Rektumkarzinoms kann die Anlage eines endständigen Kolostomas oder protektiven Ileokolostomas erforderlich sein. Eine effektive Nachbehandlung in Form einer Rehabilitation oder Anschlussheilbehandlung sollte erfolgen, bei der die Betroffenen durch ein multiprofessionelles Team medizinische, pflegerische, sozialrechtliche und ernährungsrelevante sowie physiotherapeutische Angebote erhalten. Dadurch können die Folgestörungen der onkologischen Therapie besser bewältigt bzw. kompensiert werden. Ziel ist es, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern und die Rückkehr in den Lebensalltag zu erleichtern. Menschen mit externen Harnableitungen wird mit den Beratungs-, Anleitungs- und Schulungsmaßnahmen der Umgang mit der veränderten Harnausscheidung vermittelt. Der Umgang mit Stoma und die Komplikationen werden besprochen, die Selbstpflegekompetenz der Betroffenen wird gestärkt.

Einleitung

Für die kurative Therapie des Rektumkarzinoms ist die operative Entfernung des Primärtumors im Gesunden notwendig. Mit der partiellen oder totalen Entfernung des Mesorektums und damit des regionalen Lymphabflussgebietes reduziert sich die Rate der lokalen Rezidive und somit die Prognose für die Patienten (Heald et al. 1982; Bokey et al. 1999).
Lokale kurative Resektionen sind nur in streng selektionierten Fällen möglich. Dagegen ist bei fortgeschrittenen lokalen Tumorstadien eine neoadjuvante, präoperative Strahlen- bzw. Strahlenchemotherapie zur Verkleinerung des Tumors und Verbesserung der postoperativen Ergebnisse notwendig (Hohenberger et al. 2009).
Als Operationsverfahren bestehen
  • die (tiefe) anteriore Rektumresektion,
  • die intersphinktäre Rektumresektion und
  • die abdominoperineale Rektumexstirpation.
Während in der Vergangenheit über viele Jahre die abdominoperineale Resektion mit einem permanenten Stoma das operative Standardtherapieverfahren war, werden heute sphinktererhaltende Techniken bevorzugt (Hörske et al. 2010). Bei sphinktererhaltenden Operationstechniken werden zum Anastomosenschutz temporäre Stomata, häufig Ileostomien, angelegt.
Bei älteren Menschen, bei reduzierter bzw. schlechter Sphinkterfunktion sollte anstelle einer tiefen Resektion die Anlage einer permanenten Kolostomie bevorzugt werden. Diese wird, je nach Sicherheitsabstand vom Beckenboden, als Rektumexstirpation oder beckenbodenerhaltend durchgeführt. Für die Lebensqualität der Patienten ist grundsätzlich die Stuhlkontinenz von größter Bedeutung, egal, ob sie mit einem permanenten Stoma versorgt oder sphinktererhaltend operiert werden (Pachler et al. 2012).
Patienten nach sphinktererhaltender tiefer anteriorer Rektumresektion leiden in einem hohen Prozentsatz unter einem Postresektionssyndrom (LARS). Diese Symptomatik wird ausführlich im Kap. „Rehabilitation bei Vorliegen einer rektalen Inkontinenz“ beschrieben.

Protektives Ileo-/Kolostoma

Bei der radikalen Operation des Rektumkarzinoms mit TME (totale mesorektale Exzision) und tiefer Anastomose soll ein protektives, temporäres Deviationsstoma angelegt werden. Das Risiko einer klinisch relevanten Anastomoseninsuffizienz mit dringlicher Relaparotomie wird durch ein passageres, doppelläufiges Ileo- oder ein Kolostoma reduziert (Montedori et al. 2010). Wird auf ein protektives Stoma zunächst verzichtet, ist die Rate der permanenten Stomaanlagen im weiteren Verlauf nicht geringer (Lindgren et al. 2011). Dabei sind die Möglichkeiten als protektives Ileo- oder Kolostoma als gleichwertig anzusehen (Rondelli et al. 2009).
Patienten mit einem protektivem Ileostoma haben weniger parastomale Hernien und eine niedrigere Rate von Darmprolaps. Auch ist die Zahl der Wundinfektionen und Narbenhernien nach erfolgter Ileostomarückverlagerung geringer (Geng et al. 2015). Dagegen können mit einer Ileostomaanlage Diarrhöen auftreten. Dieses als High-output-Stoma bezeichnete Bild kann zu einem massiven Flüssigkeitsverlust bis zum prärenalen Nierenversagen führen (Baker et al. 2010). Prophylaktisch und während dem Auftreten hoher Ausscheidungsmengen (>2000 ml, High-output-Syndrom) sind Ernährungsberatung und -anpassung sowie medikamentöse Therapieoptionen und ggf. eine Anpassung der Stomaversorgung notwendig.
Nach Anlage eines protektiven Stomas und bestehender Intention einer Rückverlagerung sollte von den Patienten ein konsequentes Beckenboden- und Sphinktertraining während dieser Zeit durchgeführt werden (Norton et al. 2012).

Endständiges Ileo-/Kolostoma

Bei tiefsitzenden Tumoren des Rektums mit Infiltration des Analkanals oder des Sphinkterapparates sollte die abdominoperineale Exstirpation unter Mitresektion des Levator ani erfolgen. Eine endständige Deszensostomie wird angelegt.
Eine endständige Ileostomie erfolgt z. B. nach Kolektomie oder Koloproktokolektomie bei schwer verlaufenden chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen ohne ileorektaler Pouchanlage. Bei Patienten mit einem kolorektalen Karzinom auf dem Boden einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung kann ebenfalls die totale Kolektomie erforderlich sein, wobei dann eine ileoanale Pouchtechnik möglich ist.

Irrigation

Für Patienten mit einem permanenten Kolostoma (im Descendens- oder Sigmabereich) kann die Technik der Irrigation eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität bringen. Dabei wird über das Stoma retrograd eine berechnete Menge körperwarmen Wassers eingebracht, somit die Darmwand gedehnt und die Peristaltik ausgelöst. Da somit eine selbstbestimmte Darmentleerung erreicht wird, bedeutet dies für den Patienten eine diskretere Versorgung, eine „stuhlfreie Zeit“ von 24–48 Stunden und eine Reduktion der Gasbildung im Darm von mehreren Stunden. Geschulte Patienten können Minibeutel benutzen, das Stoma mit einer Stomakappe abdecken, ein Stomapflaster oder spezielle Stomaverschlusssysteme verwenden. Sie können dann vorübergehend auf den Stomabeutel verzichten und z. B. in öffentlichen Einrichtungen wie Bädern auch mit diesen Stomasystemen schwimmen gehen oder saunieren (Hofmann und Summa 2017).
Grundsätzlich muss der Arzt die Indiktion (Irrigationserlaubnis) zur Irrigation stellen. Im Vorfeld der Anleitung muss in Zusammenarbeit mit dem Pflegeexperten abgeklärt werden, ob für den Stomaträger die Irrigation realistisch, selbstständig und regelmäßig durchführbar ist. Hierzu wird ein Beratungsgespräch zum Abwägen der Vor- und Nachteile und für das Erlernen der Irrigation eine mehrmalige Anleitung mit den Materialien zur Irrigation durch Pflegeexperten erfolgen.
Beispielhaft sind folgende Einschränkungen oder Kontraindiktionen zu nennen:
  • Kein sicherer Umgang mit der Stomaversorgung
  • Instabiler Kreislauf
  • Noch nicht abgeschlossene Wundheilung am Stoma
  • Diarrhö
  • Während einer onkologischen Therapie mit vorübergehendem instabilen Allgemeinzustand (durch Nebenwirkungen) und Diarrhö ist auch bei schon vorher regelmäßig erfolgreich durchgeführter Irrigation diese auszusetzen. Nach Beendigung der Therapie und Besserung der Symptome und stabilem Kreislauf kann die Irrigation wieder begonnen werden
  • Ausgeprägte Herz-Kreislauf-Störungen
  • Tumoren am Stoma
  • Wundheilungsstörungen oder Fisteln am Stoma
  • Hernie
  • Ausgeprägter Stomaprolaps
  • Stomastenosen
Irrigation
  • Voraussetzungen
    • Aufklärung und Anordnung durch den Arzt
    • Ausreichend Dickdarm noch vorhanden
    • Stoma am absteigenden Kolonschenkel (Colon descendens, Sigma)
    • Ileozökalklappe noch vorhanden
    • Geformter, fester Stuhl
    • Patient geistig und körperlich dazu in der Lage
    • Regelmäßiger Rhythmus (kein Schichtdienst), geeignete sanitäre Anlagen
  • Kontraindikationen
    • Fehlender sicherer Umgang mit der Stomaversorgung
    • Diarrhön, Entzündungen des Kolons
    • Laufende Chemo-, Strahlentherapie
    • Parastomale Hernien, Prolaps
    • Stenosen
    • Kreislaufprobleme
    • Schlechter Allgemeinzustand

Ileumkonduit

Mit Diagnose eines Harnblasenkarzinoms wird die TURB (transurethrale Resektion) vor einer Zystektomie erwogen. Bei fortgeschrittenem oder muskelinvasivem Harnblasenkarzinom wird die Harnblase entfernt. Die Zystektomie umfasst das Entfernen der Harnblase, beim Mann mit Prostata und Samenblasen, bei der Frau, je nach Ausmaß des Tumors und Lebensalter, auch die Gebärmutter, die Scheidenvorderwand und Eierstöcke.
Zur Ableitung des Harns kommen verschiedene Harnableitungen infrage:

Kontinente Harnableitungen

Aus von der Darmpassage ausgeschaltete Dünn- oder Dickdarmteilstücke werden Reservoire geschaffen, die nach antirefluxiver Implantation der Harnleiter den Urin auffangen bzw. speichern. Die Entleerung des Harns erfolgt über die Harnröhre oder durch die Selbstkatheterisierung.
  • Orthotope Ileumersatzblase (Neoblase): Das Gefühl für den Füllungszustand der „Blase“ und die Entleerung muss postoperativ neu erlernt und unter fachlicher (medizinsicher/physiotherapeutischer) Anleitung erfolgen.
  • Ileozökalpouch (z. B. MAINZ-Pouch I): Diese Harnableitung wird zur Harnentleerung atraumatisch, aseptisch intermittierend vom Betroffen katheterisiert.
  • Sigma-Rektum-Pouch: Da der Urin hier im Rektum zusammen mit dem Stuhl aufgefangen wird, ist eine optimale Verschlussfunktion des Sphinkters Voraussetzung für diese Operation.

Urinstomata (auch als inkontinente Harnableitungen bezeichnet)

  • Ureterokutaneostomie / Transuretero-Ureterocutaneostomie (TUUC) : Nach Entfernen der Harnblase werden die Harnleiter direkt über die Bauchdecke abgeleitet. Bei der TUUC werden beide Harnleiter im Bauchraum miteinander verbunden und nur ein Harnleiter wird als Stoma ausgeleitet. Eine prominente Ausleitung ist häufig nicht möglich, es kann zu Undichtigkeiten und Versorgungsproblemen kommen.
  • Ileumkonduit: Das Ileumkonduit gilt als Goldstandard der inkontinenten Harnableitung (AWMF 2016). In ein ca. 20 cm langes Dünndarmsegment werden die Harnleiter implantiert, der orale Schenkel ist verschlossen, der aborale Schenkel wird nach Möglichkeit prominent in die Bauchdecke implantiert und ermöglicht so den kontinuierlichen Harnabfluss in die Stomaversorgung.

Stomaanlage

Soll ein vorübergehendes bzw. permanentes Stoma bei einem Patienten angelegt werden, sollte dies frühzeitig vor der Operation besprochen werden. Dies gibt dem Betroffenen die Möglichkeit, aktiv an der bevorstehenden Krankheitsbearbeitung und späteren Selbstversorgung mitzuwirken (Stöckli und Conca 2008). Im Rahmen dieses Gespräches sollte die gut einsehbare Position des geplanten Stomas an der Bauchdecke, im Sitzen, im Liegen und Stehen sowie in gebeugter Körperhaltung, auch unter Berücksichtigung von Narben, Bauchfalten und der Körperform geplant bzw. angezeichnet werden. Der Patient ist maßgeblich zu beteiligen, da er unbedingt sein Stoma einsehen soll, um eine spätere Eigenversorgung gewährleisten zu können.
Durch die Markierung wird die bestmögliche Position an der Bauchdecke ermittelt, um später eine sichere Haftung der Stomaversorgung außerhalb der Operationsnahtfalten oder Leiste oder Nähe zum Rippenbogen zu vermeiden (AWMF 2016). Die Verantwortung für die korrekte Stomamarkierung und damit auch korrekte Anlage des Stomas obliegt dem operierenden Arzt. Durch die präoperative Stomamarkierung und auch den Einsatz von Stomatherapeuten konnte eine Senkung der postoperativen Stomakomplikationsrate nachgewiesen werden (Bass et al. 1997; Millan et al. 2010).
Die präoperative Stomaberatung vereinfacht die postoperative Versorgung für den Patienten (Chaudri et al. 2005) und leitet bereits in die spätere Selbstversorgung ein.

Anleitung, Beratung und Schulung zur Selbstversorgung (Selbstpflegekompetenz)

Die postoperative Versorgung des Patienten nach Anlage des Stomas übernehmen die Pflegeexperten Stoma, Kontinenz und Wunde mit dem multiprofessionellen Team. Diese bieten für den Einzelnen wie auch für seine Familie und Umfeld eine fachspezifische Beratung und Schulung zur Stomaversorgung, bei Problemen und zum Leben mit einem Stoma an.
Den Betroffenen wird der wiederkehrende Versorgungswechsel demonstriert und Schritt für Schritt kann er die Handgriffe erlernen und selbst übernehmen. Dies legt den Grundstein für die spätere eigenständige Selbstversorgung. Dabei wird dem Patienten auch die Anpassung der Hautschutzflächen (z. B. Basisplatte des Zweiteilers) an die Größe des Stomas gezeigt und einfache Selbsthilfestrategien für Versorgungsprobleme genannt (Hofmann und Summa 2017). Besonders für Betroffene mit einem Urinstoma sind zusätzlich Hygiene- und Reinigungshinweise genauso wichtig wie die korrekte Handhabung der Stomaversorgung und die Wechselintervalle, um Harnwegsinfekten vorzubeugen (Gruber 2017).

Rehabilitation

Während des Rehabilitationsaufenthalts können dem Patienten verschiedene Versorgungssysteme demonstriert und das für den Patienten individuell am besten geeignete System ausgewählt werden. Die Anleitungen und Schulungen werden mit Anschauungsmaterialien, Broschüren und Bildanleitungen unterstützt. Offene Fragen zu Partnerschaft, Sexualität, Alltagssituationen, Berufstätigkeit, Belastbarkeit z. B. bei Bewegung und Sport können thematisiert und im multiprofessionellen Team in Einzel- oder Gruppengesprächen bearbeitet werden. Besonders Betroffene mit einer temporären Darmstomaanlage mit/ohne zusätzlicher Kontinenzstörung sollten über das Sphinkter- und Beckenbodentraining informiert und angeleitet werden.
Auch werden dem Betroffenen Informationen zum weiteren Kostaufbau und der Ernährung zu Hause gegeben. Was an Nahrungsmittel zu meiden oder zu bevorzugen ist, wird im Kap. „Rehabilitation von Patienten mit Ernährungs- und Verdauungsstörungen“ dargestellt.
Der Sozialdienst sollte eingeschaltet werden, um sozialrechtliche Fragen, wie zum Beispiel das Schwerbehindertenrecht oder die Wiedereingliederung in den Beruf zu besprechen.
Bei Bedarf besteht die Möglichkeit mit Psychotherapeuten oder Psychoonkologen zu sprechen und Beratung zu erhalten. Das Erlernen von Entspannungstechniken ist sinnvoll.
Auftretende Nebenwirkungen am Gastrointestinaltrakt unter onkologischer Therapie beeinträchtigen nicht nur das Allgemeinbefinden des Betroffenen, sondern haben auch Einfluss auf die Art und Durchführung der Stomaversorgung. Versorgungsschwierigkeiten, Undichtigkeiten mit Ablösen der Versorgung bis hin zu Hautproblemen können auftreten (Gruber 2017). Damit die Folgen der Nebenwirkungen, verbunden mit Versorgungsproblemen, nicht zu einem Therapieabbruch führen, sollte ein kontinuierliches Beratungsangebot und wenn nötig ein Anpassen der Versorgung auf die Bedürfnisse der Betroffenen angeboten werden.

Mögliche Komplikationen der Stomaversorgung

Dass Stomaträger in einem hohen Maß (12–68 %, je nach Literatur) einen parastomalen Hautschaden erleiden, hat viele Hintergründe und Ursachen. Die Auswirkungen, wie Undichtigkeiten mit Austreten von Ausscheidung unter der Stomaversorgung, sind für die Betroffenen häufig eine Einschränkung, verbunden mit Unsicherheit im Alltag oder im Berufsleben. Schlimmstenfalls führen sie zu Isolation oder gar zu Pflegebedürftigkeit und schränken die Lebensqualität und Selbstversorgung ein.
Jede parastomale Veränderung muss frühzeitig mit dem Arzt und Pflegeexperten Stoma, Kontinenz und Wunde abgeklärt, behandelt und ggf. die Stomaversorgung angepasst werden.

Akut-irritatives Kontaktekzem

Ein Kontaktekzem (Erythem) kann direkt parastomal oder großflächig auftreten und mit Läsionen der Haut und Schmerzen einhergehen. Wichtig ist: Jede Rötung im parastomalen Bereich kann auf die Ursache hinweisen und soll vom Stomaträger, Arzt und Pflegeexperten beachtet werden. Oftmals können einfache Interventionen, wie z. B.
  • die Korrektur der Größe des Ausschnitts der Hautschutzfläche,
  • das Anpassen des Wechselintervalls,
  • das Anpassen der Form der Hautschutzfläche an die ein- oder zweiteilige Versorgung, wie plan auf gewölbte oder konvexe Produkte, sowie
  • der Einsatz von Zubehör wie Hautschutzringe und Gürtel,
ein Unterwandern von Ausscheidung verhindern und die Haut regenerieren lassen.
Hinweis: Nur bei einem geringen Anteil von >1 % handelt es sich um ein allergisches Kontaktekzem. Falls der Verdacht vorliegt, ist eine Testung mit patienteneigenen Produkten durchzuführen (Szliska und Ginsberg 2017).

Infektionsbedingte Hautprobleme

Frühabszesse (postoperative Phase) und Abszess im parastomalen Gebiet und das Erysipel müssen systemisch und ggf. chirurgisch behandelt werden. Die Stomaversorgungsprodukte werden vom Pflegeexperten (Stomatherapeut) an die Situation angepasst. So werden Produkte mit durchgehenden Hautschutzflächen und konvexe Produkte nur bei entsprechender Bauchdeckensituation und bei kontinuierlicher, engmaschiger Kontrolle verwendet, um Druck in der Stomaumgebung zu vermeiden.
Einer Follikulitis kann durch eine regelmäßige und schonende Rasur der parastomalen Haut vorgebeugt werden.
Durch Feuchtigkeitsansammlung oder auch unter onkologischer Therapie mit Veränderungen der gesunden Hautflora kann eine Mykose (Candida albicans) im parastomalen Bereich oder an der Darmschleimhaut auftreten.
Beim Auftreten von Rötung, Bläschen, Pusteln, Papeln verbunden mit Juckreiz oder Schmerzen ist ein Abstrich zu machen, mit dem Arzt die Therapie abzustimmen und falls Medikamente benötigt werden, diese als fettfreie Lösung anzuwenden, um die Haftung der Stomaversorgung nicht noch weiter zu verschlechtern. Der Wechselrhythmus und das Stomaversorgungsystem sind der Applikationshäufigkeit anzupassen.
Hinweis: Polyzyklische Hautveränderungen, wie das akneiforme Exanthem (oder „Rush“), können unter zielgerichteten Therapien („targeted therapies“) auch im parastomalen Bereich auftreten. Das Erkennen und die phasengerechte Anpassung der Stomaversorgung, ggf. auch unter Einsatz von Produkten aus der Wundversorgung, sind dem Ausmaß der Symptome anzupassen (Gruber 2017).

Arzneimitteleinnahme bei Stomaträgern

Durch die Stomaanlage kann es zu einer veränderten Resorption von Arzneimittel bei den Patienten kommen. Unkritisch sind alle schnellfreisetzenden Medikamente wie Sublingual-, Schmelz-, Bukkaltabletten und Zerbeißkapseln. Ebenso trifft dies auf Tropfen, Saft, Suspensionen und Brausetabletten. zu.
Möglicherweise kritisch sind die normal freisetzenden Medikamente wie Filmtabletten, Kapseln, Dragees, Pulver oder Granulat.
Medikamente mit veränderter Arzneistofffreisetzung haben eine verzögerte Resorption. Dies sind alle retardierten Formen wie retard, mups, ZOK, SR, SL, long, etc. In diesen Fällen sollten die Patienten befragt werden, ob sich die Medikamente oder Teile davon im Stomabeutel zeigen.

Entlassmanagement

Für die Überleitung nach Hause ist ein Entlassungsgespräch zwingend erforderlich. Hierin wird geklärt, ob noch ein Unterstützungsbedarf besteht, um den behandelnden Arzt und entsprechende Ansprechpartner wie ambulante Pflegedienste, Stomatherapeuten oder Mitarbeiter von Homecare zu informieren, welche die weitere Versorgung und Betreuung/Beratung übernehmen. Die Ansprechpartner im poststationären Bereich werden benannt. Ein Überleitungsbogen mit stomarelevanten Informationen zum Status der Anleitung und die Verordnung der verwendeten Produkte sichert die nahtlose Information für den weiterbehandelnden Arzt, den Hilfsmittellieferanten sowie das weiterbetreuende ambulante Team.

Sozialmedizinische Bedeutung

Durch die Anlage eines Stomas ist die Bauchwandbelastung eingeschränkt. Schwere körperliche Arbeiten mit Heben, Tragen und Schieben bzw. Ziehen von Gegenständen von mehr als 25 kg Gewicht sind nicht mehr möglich. Über die genaue Belastungsgrenze gibt es in der Literatur keine genauen Angaben. Bislang werden Gewichte bis 10 kg als Grenzwert angegeben. Arbeiten in gebückter oder kniender Haltung, die das Stoma abdrücken, sind ebenfalls nicht sinnvoll. Für Berufskraftfahrer gibt es die Möglichkeit eines „Hosenträgersicherheitsgurtes“.
Für Stomaträger (Kolostoma), die in einem Beruf mit Publikumsverkehr arbeiten, empfiehlt sich die Durchführung der Irrigation, da damit unangenehme Geräusche und Gerüche vermieden werden können.
Literatur
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