Amphiphile, biplanare Moleküle mit einem Steroidgrundgerüst, die als spezifisches Syntheseprodukt der Hepatozyten mit der Gallenflüssigkeit in den Darm ausgeschieden werden, dort Aufgaben in der Fettverdauung wahrnehmen, resorbiert und über eine enterohepatische Zirkulation erneut durch die Leber in die Galle eliminiert und während dieses Kreislaufes hepatisch und intestinal derivatisiert werden.
Auftreten bei Cholestase, nur geringe Mengen in Galle
Weitere Gallensäuren
3α-Hydroxy-7-Keto-
7-Ketholithocholsäure
Derivat der Lithocholsäure
3α, 7α, 12α-Triketo-
Dehydrocholsäure
Derivat der Cholsäure
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Es handelt sich um biplanare Moleküle mit einer Steroidgrundstruktur bestehend aus drei 6er-Ringen und einem 5er-Ring sowie Seitenketten unterschiedlicher Länge (Abb. 1). Sowohl Steroidanteil als auch Seitenketten tragen eine variable Anzahl von Hydroxyl- und Ketogruppen. Ihre amphiphilen Eigenschaften beruhen auf 2 funktionell unterschiedlichen Strukturen:
Hydrophobe, unpolare Region
Hydrophile, polare Oberfläche (Seitenketten)
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Sie verleihen den GS die Fähigkeit zur Bildung einfacher Mizellen (hydrodynamischer Radius ca. 10 Å; Mizelle) und gemischter Mizellen (20–30 Å), wenn die kritische mizellare Konzentration (Maximum der monomeren Löslichkeit) erreicht ist und molekulare Aggregation eintritt. Zusammen mit wesentlich größeren unilamellaren Vesikeln (hydrodynamischer Radius 300–400 Å) dienen sie dem Transport von Cholesterin und anderen wasserunlöslichen Molekülen in der Galle.
Die Biosynthese der GS ist eine spezifische Leistung der Leber (Hepatozyten), die von Cholesterin ausgeht, einen stufenweisen enzymatischen Prozess mit 14 Reaktionen in verschiedenen subzellulären Kompartimenten umfasst (endoplasmatisches Retikulum, Zytosol, Mitochondrien, Peroxisomen) und zu einer gesamten Tagesproduktion aller GS von ca. 1 mmol (0,4 g) führt (Abb. 1).
Die GS-Synthese stellt damit den wichtigsten Stoffwechselweg in der Regulation der hepatischen Cholesterinhomöostase dar, weil die Leber nicht nur das entscheidende Organ für dessen Synthese, sondern auch für dessen Abbau ist. Die primären GS Cholsäure und Chenodesoxycholsäure können grundsätzlich auf 2 Stoffwechselwegen entstehen:
Bei dem klassischen („neutralen“) Weg wird Cholesterin durch die mikrosomale 7α-Hydroxylase in Position 7 zum 7α-Hydroxycholesterin oxidiert.
Bei dem alternativen („sauren“) Stoffwechselweg erfolgt initial nach Transport in die Mitochondrien durch die mitochondriale 27-Hydroxylase eine Oxidation in Position 27 des Cholesterinmoleküls (Abb. 1).
7α-Hydroxylase ist das geschwindigkeitsbestimmende Enzym, das transkriptionell durch hydrophobe GS, Cholesterin, Schilddrüsenhormone, Glukokortikoide, Insulin und Glukagon reguliert wird. Unterbrechungen des enterohepatischen Kreislaufs der GS (z. B. bei Gallengangsfistel, Ileumresektion) steigern die Aktivität der 7α-Hydroxylase und der GS-Synthese um ein Mehrfaches, während umgekehrt die exogene Zufuhr von GS zu einer Hemmung führt (negativer Feedback). Die primären GS werden vor ihrer Exkretion enzymatisch mit Glycin und Taurin konjugiert, wodurch 4 primäre GS-Konjugate entstehen: Glykocholsäure, Taurocholsäure, Glykochenodesoxycholsäure, Taurochenodesoxycholsäure. Die konjugierten Dihydroxygallensäuren (Chenodesoxycholsäure, Desoxycholsäure) werden im oberen Intestinaltrakt in nur geringem Umfang resorbiert, sodass sie hier für ihre Funktion (Mizellenstruktur) in der Fettverdauung zur Verfügung stehen. Im terminalen Ileum erfolgt durch aktiven Transport eine über 5 %ige Resorption der enteralen GS. Während der Darmpassage werden im unteren Ileum und im Kolon durch bakterielle 7α-Dehydroxylierung Cholsäure in Desoxycholsäure und Chenodesoxycholsäure in Lithocholsäure umgewandelt (Abb. 1). Die so gebildeten sekundären GS Desoxycholsäure und Lithocholsäure werden zu etwa 30–50 % resorbiert. In geringem Umfang kann Chenodesoxycholsäure im Intestinum bakteriell zur 7-Ketolithocholsäure oxidiert werden, deren Ketogruppe nach enterohepatischer Zirkulation in der Leber reduziert wird. Die somit entstandene, tertiäre GS Ursodesoxycholsäure wird ebenfalls in die Galle ausgeschieden.
Eine weitere Modifikation der GS im distalen Ileum und Kolon betrifft deren partielle Dekonjugation mit Bildung freier GS. Die zur Resorption gelangenden, konjugierten und freien primären, sekundären sowie tertiären GS werden via Pfortader, an Albumin und an die High Density Lipoproteine (HDL; High Density Lipoprotein) gebunden, zur Leber transportiert. Die Aufnahmefähigkeit des gesunden Organs für GS von 450 μmol/h ist unter physiologischen Bedingungen weit vom Sättigungszustand entfernt. Deshalb finden sich trotz der über 6-fach höheren GS-Konzentration im Portalvenenblut üblicherweise nur sehr geringe Mengen im Lebervenenblut (1–4 μmol/L). Während der Passage durch die Leberzelle werden die im Darm dekonjugierten GS erneut mit Taurin und Glycin konjugiert. Zusätzlich kann eine Entgiftung durch Glukuronidierung und insbesondere der hepatischen Monohydroxygallensäure Lithocholsäure durch partielle Sulfatierung (Sulfolithocholsäure) erfolgen. Der Anteil sulfatierter GS im Serum (<9 % der Serumgallensäuren) und im Urin ist unter physiologischen Bedingungen sehr klein, kann jedoch bei verschiedenen Lebererkrankungen stark ansteigen. Da die renale Clearance (Clearance, glomeruläre) der sulfatierten GS etwa 10-fach größer als die der entsprechenden nichtsulfatierten Moleküle ist und sulfatierte GS nicht resorbiert werden können und somit ohne enterohepatische Zirkulation direkt fäkal ausgeschieden werden, weisen die sulfatierten GS eine relativ kurze Halbwertszeit auf, die maßgeblich zur Verminderung ihrer Toxizität beiträgt.
Aufnahme und Exkretion in Hepatozyten erfolgt über aktive Transporter. An der basolateralen (sinusoidalen) Membrandomäne steht hierfür der Na+-Taurocholsäure-Cotransporter (NTCP) zur Verfügung, der in Verbindung mit Natrium mehrere konjugierte GS einschließlich Glykocholsäure, Taurocholsäure, Taurochenodesoxycholsäure und Tauroursodesoxycholsäure in das Zellinnere transportiert (Abb. 2). Neben NTCP existiert auch ein Na+-unabhängiges Transportsystem, der organische Anionentransporter OATP, der eine breite Palette amphipathischer Substrate einschließlich GS, Östrogenkonjugate, organische Anionen und zahlreiche Xenobiotika im Austausch mit reduziertem Glutathion (GSH) in das intrazelluläre Kompartiment befördert. Für die Aufrechterhaltung des extra- und intrazellulären Ionengradienten (Na+, K+) ist eine Na+/K+-ATPase am basolateralen Pol verantwortlich, die intrazelluläre pH-Homöostase erfolgt durch Na+-H+-Austauscher und Na+-HCO3–-Symporter (Abb. 2). Unter Normalbedingungen ist der Transport der GS durch die kanalikuläre Membran der geschwindigkeitsbestimmende Schritt der Gallebildung. Er wird durch unidirektionale, ATP-abhängige Transportsysteme (Exportpumpen) bereitgestellt. Diese kanalikulären Membrantransporter gehören zur Superfamilie der ABC-Transporter („ATP-binding cassette transporter“). Hier übernehmen bevorzugt die Gallensalzexportpumpe BSEP, Mitglieder der Multi-Drug-Resistance-Proteine (MRP2) und die Multi-Drug-Export-Pumpe MDR1 die Aufgaben der aktiven GS-Exkretion. Die Transportfunktion beschränkt sich nicht auf GS, sondern betrifft ein weites Spektrum amphipathischer anionischer Substrate, auch Bilirubindiglukuronid, Östradiolglukuronide und Sulfatkonjugate. Die genannten Transportmechanismen sind verantwortlich für die GS-abhängige Cholerese (ca. 60–70 % Anteil) die GS-unabhängige, durch Exkretion von anorganischen Ionen (Na+, K+, Cl–, HCO3–) getriebene Cholerese mit einem etwa 30–40 %igen Anteil. Der GS-abhängige Mechanismus beruht vorwiegend auf der Exportpumpe MRP2 und auf dem Anionenaustauscher AE2.
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Die Menge der zirkulierenden GS (= GS-Pool) beträgt etwa 5–10 mmol (2–4 g). Bei einer täglichen Syntheserate der gesamten GS von ca. 1 mmol (0,4 g) beträgt die GS-Exkretion in den Darm 30–60 mmol/Tag (12–24 g), sodass der GS-Pool täglich etwa 6- bis10-mal, also ca. 3-mal während jeder Mahlzeit rezirkuliert. Der fäkale GS-Verlust von 1 mmol/Tag entspricht der täglichen Syntheserate. Die GS-Ausscheidung im Urin liegt bei Gesunden unter 8 μmol/Tag.
Halbwertszeit
Die Halbwertszeiten der primären GS und der sekundären GS Desoxycholsäure betragen 2–3 Tage, die von Lithocholsäure weniger als 1 Tag.
Funktion – Pathophysiologie
Beeinträchtigte Leberzellfunktion und Ausbildung portosystemischer Umgehungskreisläufe sind die wichtigsten Ursachen der Erhöhung der GS-Konzentration im Serum, Verlängerung ihrer Halbwertszeiten und Zunahme ihrer Ausscheidung im Urin bei nahezu allen akuten (z. B. Virushepatitis, toxische Leberschädigungen) und chronischen Lebererkrankungen (z. B. Zirrhose). Zusätzlich zu den quantitativen Veränderungen kommt es auch zu Verschiebungen des GS-Profils, z. B. des Desoxycholsäure-zu-Chenodesoxycholsäure-Verhältnisses, die jedoch für die einzelnen Lebererkrankungen nicht typisch sind und keine spezifischen GS betreffen. Bei intra- und extrahepatischer Cholestase treten so genannte atypische GS mit anormaler Hydroxylierung, veränderten Seitenketten, Epimerisierungen, Allokonfiguration (5α-Cholansäure) und anderen Veränderungen auf, die möglicherweise in die Pathogenese der Cholestase aufgrund ihrer Toxizität und Cholerese-hemmenden Wirkung eingreifen. Zusätzlich kommt es zur vermehrten Ausscheidung sulfatierter und glukuronidierter GS mit Urin und Fäzes. Hereditäre Enzymdefekte der GS-Synthese, peroxisomale Störungen, Deletionen und Mutationen kanalikulärer GS-Transporter führen zu teilweise hochgradigen Störungen des GS-Stoffwechsels.
Nüchternserum oder speziell ausgewiesenes postprandiales Serum (mit multiplen Blutentnahmen).
Analytik
Enzymatische Bestimmung der 3α-Hydroxy-Gallensäuren gemäß folgender Reaktion:
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In Gegenwart von NAD+ als Coenzym erfolgt mit der 3α-Hydroxy-Steroid-Dehydrogenase (3α-HSD) eine Oxidation der 3α-Hydroxy-Gallensäuren zu den entsprechenden 3-Keto-Derivaten, wobei das gebildetete NADH + H+ mit Nitrotetrazoliumblau (NTB) unter der katalytischen Wirkung von Diaphorase zu einem blauen Formazan-Derivat umgewandelt wird, das bei 500 nm photometrisch gemessen wird. Die GS-Konzentration wird über eine Standardkurve ermittelt.
Radioimmunoassay (RIA)/Enzymimmunoassay (EIA)
Sensitive und präzise Bestimmungsmethoden mit Spezifitäten für Cholsäure und Chenodesoxycholsäure und ihrer Konjugate mit Glycin, Taurin oder Sulfat.
Gas-Flüssigkeitschromatographie, ggf. in Verbindung mit Massenspektrometrie
Im Vergleich zur enzymatischen Methode extensive Probenvorbereitung. Vorteile sind Bestimmungsmöglichkeiten spezifischer GS, konjugierter/nichtkonjugierter und sulfatierter/nichtsulfatierter GS.
Diagnose und Verlaufskontrolle hepatobiliärer Erkrankungen.
Interpretation
GS-Erhöhungen im Nüchternserum sind sensitiver als Bilirubinerhöhungen für die Diagnostik hepatobiliärer Erkrankungen. Bei noch im Normbereich liegenden Bilirubinkonzentrationen sind GS-Konzentrationen im Nüchternserum bereits erhöht. Normale Serum-GS-Konzentrationen in Gegenwart von Hyperbilirubinämie weisen auf einen Ikterus durch Hämolyse oder kongenitale Hyperbilirubinämie hin. Erhöhte GS-Konzentrationen treten besonders bei Virushepatitis und bei intra- oder extrahepatischer Cholestase (z. B. primäre biliäre Zirrhose, primäre sklerosierende Cholangitis) und bei Zirrhose auf. Das Verhältnis von Cholsäure zu Chenodesoxycholsäure (normal 0,5–1,0) ist bei Zirrhose deutlich erniedrigt (0,1–0,5) und bei extrahepatischen Gallengangsobstruktionen erhöht (0,96–3,6).
Diagnostische Wertigkeit
Erhöhte GS-Konzentrationen im Nüchternserum sind eine sensitive Kenngröße der hepatobiliären Funktionsstörung. Postprandiale Serum-GS-Konzentrationen sind noch sensitiver als die im Nüchternserum, da Konzentrationserhöhungen bereits bei milden Lebererkrankungen auftreten. Die Messung soll etwa 1–2 Stunden nach der Mahlzeit erfolgen und macht multiple Blutentnahmen notwendig. Erhöhungen der diagnostischen Sensitivität lassen sich mit einem oralen GS-Belastungstest und einem Cholezystokinin-Provokationstest erreichen.
Literatur
Chiang JY (2013) Bile acid metabolism and signaling. Compr Physiol 3(3):1191–1212
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Chiang JYL (2004) Regulation of bile acid synthesis: pathways, nuclear receptors, and mechanisms. J Hepatol 40:539–551CrossRefPubMed