Definition
Die primär biliäre Zirrhose (PBC) ist eine organspezifische, autoimmune Erkrankung, bei der die kleinen Gallengänge in der Leber durch körpereigene Immunzellen angegriffen und zerstört werden. Hierdurch kommt es zu einem erschwerten Galleabfluss (
Cholestase) (Lindor und Levy
2012). Das Endstadium der Erkrankung ist wie bei anderen Lebererkrankungen die
Leberzirrhose (Kaplan
1996). Es wird auch der Begriff chronische, nichteitrige, destruierende
Cholangitis benutzt. Es wird angenommen, dass beim Auftreten der Erkrankung eine genetische Prädisposition eine Rolle spielt, ebenso gewisse Umweltfaktoren (Lindor und Levy
2012).
Epidemiologie, Alter, Gender
Die PBC ist eine insgesamt seltene Erkrankung mit einer Punktprävalenz von 6,7–402 Fälle/1 Mio. Menschen. Es zeigt sich eine deutliche Häufung von Fällen im nördlichen Europa und in den USA, v. a. in Estland, Nordengland und Schweden. Die
Prävalenz zeigt sich ansteigend in den letzten Jahren, dies mag damit zusammenhängen, dass mittlerweile durchschnittlich die Diagnose der PBC früher gestellt wird und das Überleben verlängert werden konnte.
Die Erkrankung betrifft vor allem Kaukasier und hier zu 95 % Frauen. Das mittlere Alter bei Diagnosestellung beträgt 52 Jahre. Die klinische Symptomatik unterscheidet sich v. a. bezogen auf die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen. Es konnte beobachtet werden, dass Nichtkaukasier zwar seltener betroffen sind, wenn sie aber erkranken, ist die klinische Symptomatik häufig schwerer ausgeprägt.
Es wird angenommen, dass sowohl genetische Prädisposition als auch Umweltfaktoren eine Rolle bei der Entstehung der PBC spielen. Zum Beispiel konnte erkannt werden, dass in der Nähe einer Abfallstätte für toxische Abfallprodukte bei New York City eine erhöhte
Prävalenz der PBC bestand, was einen ursächlichen Zusammenhang mit der Entstehung von PBC nahelegt. Bei Einwanderern aus Australien oder Israel nach Europa konnte auch eine erhöhte PBC-Prävalenz festgestellt werden im Vergleich zu den Verwandten, die nicht ausgewandert waren.
Ein erhöhtes Erkrankungsrisiko besteht für Personen mit bekannten Fällen von PBC in der Familie. Ein erhöhtes Risiko besteht auch bei Zustand nach Tonsillektomie oder Cholezystektomie, bei häufigen Harnwegsinfekten und bei häufigem Gebrauch von Nagellack sowie bei
Rauchern. In vielen Fällen tritt eine Assoziation mit anderen autoimmunen Erkrankungen, z. B. mit einer autoimmunen
Thyreoiditis, auf (Lindor und Levy
2012).
Diagnostik (klinisch, Labor)
In der Labordiagnostik der PBC spielt vor allem die alkalische Phosphatase eine wichtige Rolle, der Wert ist fast immer erhöht. Das
Bilirubin ist bei Diagnosestellung meist normal, falls aber nicht, gilt es als schlechtes Prognosezeichen. Die Transaminasen zeigen sich meist normal oder geringfügig erhöht, sollte hier eine deutliche Erhöhung vorliegen, muss auch an einen Overlap mit einer
Autoimmunhepatitis gedacht werden. Ein wichtiges Zeichen sind auch die positiven antimitochondrialen
Antikörper bei der PBC, diese sind in 95 % der Fälle erhöht. Hier zeigten sich bei den gängigen
Testverfahren eine
Sensitivität von 95 % und eine
Spezifität von 98 % für das Vorliegen einer PBC bei vorhandenen AMA (
Autoantikörper). Das Vorliegen von AMA-PDH-E2 ist für die PBC diagnostisch. Fraglich können AMA auch als Prädiktor für die Entwicklung einer PBC angesehen werden; in einer Studie zeigten sich auch bei erstgradigen Verwandten von PBC-Patienten in 13 % positive AMAs, so dass hier von einer erhöhten Prädisposition für die Entwicklung einer PBC bei diesen Verwandten ausgegangen wurde. Letztlich gibt es aber auch AMA-negative PBC-Erkrankungen. Auch die antinukleären Antikörper (ANA) zeigen sich in 70 % der Fälle erhöht, diese können auch auf einen vorliegenden Overlap zur Autoimmunhepatitis hindeuten. Laborchemisch zeigt sich des Weiteren häufig, wie bereits beschrieben, eine Hyperlipidämie, eine Erhöhung des
Immunglobulins M und eine deutliche laborchemische Erhöhung der Serumgallensäuren, die aber im Routinebetrieb selten gemessen werden.
Sonographisch sollte bei laborchemischen Cholestasezeichen eine Obstruktion der Gallenwege ausgeschlossen werden. Weiterhin sollte generell, aber v. a. in unsicheren Fällen oder zur Festlegung des histologischen Krankheitsstadiums eine Leberbiopsie durchgeführt werden.
Einteilung der histologischen Befunde bei der PBC:
-
Stadium 0: Normales Leberparenchym
-
Stadium 1: Entzündung und/oder abnormales Bindegewebe, beschränkt auf die Portalfelder
-
Stadium 2: Entzündung und/oder
Fibrose in Portalfeldern und periportal
-
Stadium 3: Brückenfibrose
-
Stadium 4: Zirrhose
Insgesamt kann die Diagnose als gesichert gelten, wenn 2 der folgenden 3 Kriterien zutreffen:
Vor allem sollte bei Frauen mit AP-Erhöhung, Juckreiz, Müdigkeit und unklaren rechtsseitigen Oberbauchbeschwerden an die Diagnose gedacht werden (Poupon
2012a).
Therapie
Generell gibt es eine Reihe von Möglichkeiten symptomatischer Therapie bei der PBC. Zum Beispiel sollte bei einer der PBC assoziierten, autoimmunen
Thyreoiditis mit
Hypothyreose diese ausgeglichen werden, bezüglich einer eventuellen
Osteoporose sollte zunächst
Vitamin D3 und Kalzium substituiert werden und ggf. später auch Bisphosphonate. Auch Vitaminmangelzustände oder Hyperlipoproteinämien sollten behandelt werden. Bezüglich des häufigen Symptoms Müdigkeit
ist dies bereits schwieriger, es zeigte sich aber z. B. ein Benefit bei der Medikation mit Modafinil (s. oben). Bei Sicca-Syndrom
können künstliche Tränen, Pilocarpin oder Cevimeline Abhilfe schaffen. Auch hinsichtlich des
Pruritus existieren Stufeneskalationsschemata als Therapieleitfaden (Poupon
2012b).
Die Therapie des zugrunde liegenden Krankheitsprozesses bei der primär biliären Zirrhose wird heutzutage mit Ursodesoxycholsäure (UDCA) durchgeführt in einer Dosierung von 13–15 mg/kg KG/Tag. Dies verbessert den Gallefluss und verbessert somit eine zuvor bestehende
Cholestase. Damit ist UDCA die bislang einzige evidenzbasierte Therapiemöglichkeit, die bei der PBC die Progression zur
Leberzirrhose verzögert, das Überleben verbessert und gut vertragen wird (Poupon
2012b). Das Therapieansprechen kann v. a. am Verlauf der biochemischen Marker beobachtet werden. Hier wurden bereits verschiedene Kriterien vorgeschlagen, die helfen sollen, die Patienten in „Responder
“ und „Non-Responder“ auf die UDCA-Therapie zu unterteilen. Die sog. „Paris-IIb“-Kriterien (Untergruppe der Paris-II-Kriterien, s. Tab.
1) konnten hier als sehr geeignet evaluiert werden. Sie besagen, dass von einem Therapieansprechen ausgegangen werden kann, wenn die alkalische Phosphatase und die Transaminase AST nach einem halben Jahr Therapie mit UDCA ≤1,5-mal des oberen Normwerts für diese Parameter betragen und ein normales Serumbilirubin vorliegt. Bei den sog. Non-Respondern
, die auf die Therapie mit UDCA nicht nach o. g. Kriterien ansprachen, konnten in signifikant erhöhtem Maße unerwünschte Langzeit-Outcomes (leberbezogener Tod,
Lebertransplantation oder Überweisung an ein Transplantationszentrum, Komplikationen der Zirrhose wie
Aszites, Varizenblutung,
hepatische Enzephalopathie oder HCC und eine histologische Zirrhoseentwicklung) nachgewiesen werden. Die Paris-IIb-Kriterien definierten hier die besten biochemischen Kriterien für das Ansprechen auf UDCA, da anhand dieser Kriterien am besten das Langzeit-Outcome vorhergesagt werden konnte.
Tab. 1
Raten des biochemischen Ansprechens und von unerwünschten Ereignissen nach den Barcelona-, Paris I-, Paris II-, Rotterdam- und Toronto-Kriterien bei Patienten in einem frühen Krankheitsstadium, definiert durch sowohl normale Bilirubin- als auch Albuminlevel bei Studieneinschluss. (Nach Corpechot et al.
2011)
Barcelona | 111/158 (70) | 11/111 (10) | 5/47 (11) | n.s. |
Paris I | 133/158 (76) | 11/133 (8) | 5/25 (20) | n.s. |
Paris II | 84/158 (53) | 4/84 (5) | 12/74 (16) | <0,05 |
Rotterdama
| 103/120 (86) | 11/103 (1) | 3/17 (18) | n.s. |
Toronto | 112/158 (71) | 8/112 (7) | 8/46 (17) | n.s. |
Aktuell wird intensiv nach weiteren Therapiemöglichkeiten für diese Non-Responder geforscht, um auch bei diesen Patienten die Ultima ratio der Therapieoptionen bei der PBC, die
Lebertransplantation, hinauszögern zu können (Corpechot et al.
2011).
Unter anderem wurde und wird hierfür UDCA in Kombination mit anderen Medikamenten getestet, u. a. beispielsweise mit Colchicin,
Methotrexat, Budesonid und Mycophenolat. Hier konnte allerdings zumindest für Colchicin und Methotrexat bislang kein signifikanter Benefit auf Mortalität oder Notwendigkeit einer
Lebertransplantation nachgewiesen werden, obwohl die Medikamente in der Behandlung der PBC schon seit geraumer Zeit angewendet wurden, da zunächst eine positive Wirkung nachweisbar schien. In manchen Zentren werden die Medikamente aus Mangel an Alternativen bei unzureichendem UDCA-Ansprechen allerdings weiterhin angewendet, da die Studien zumindest bezüglich der Sicherheit der Medikamente keine Bedenken auslösten. Colchicin konnte außerdem den
Pruritus reduzieren, unter dem die Patienten litten. Studien mit Budesonid und Mycophenolat dauern noch an.
Verlauf und Prognose
Die Prognose der PBC hat sich in den letzten 20 Jahren deutlich verbessert, da die Diagnose häufig früher gestellt wird und die Therapie mit UDCA entwickelt wurde. Natürlich gibt es v. a. unter den Patienten, die nicht gut auf die UDCA-Therapie ansprechen, auch solche, bei denen die Erkrankung zur
Leberzirrhose fortschreitet und sich daraus Komplikationen ergeben, sodass eine
Lebertransplantation nötig wird. Auch ist der Leidensdruck bei Patienten, die z. B. unter
Pruritus leiden, oft sehr groß. Insgesamt haben aber Patienten, die sich in einem frühen Krankheitsstadium befinden und therapiert werden, heute eine normale Lebenserwartung (Poupon
2012a).