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Proteinuriediagnostik

Verfasst von: W. G. Guder
Proteinuriediagnostik
Synonym(e)
Urineiweißdiagnostik; Urineiweißdifferenzierung
Englischer Begriff
diagnostics of proteinuria; single protein diagnostics in urine
Definition
Diagnostische und differenzialdiagnostische Analyse der Proteine im Urin.
Die Proteinuriediagnostik hat durch neue Erkenntnisse über die Entstehung der verschiedenen Arten der Proteinurie und methodische Möglichkeiten eine hohe diagnostische Aussagekraft gewonnen. Dazu wurden Empfehlungen zur Anwendung verschiedener Verfahren gegeben.
Die Messung definierter Proteine anstatt oder zusätzlich zur Messung des Gesamtproteins wird bereits zum Ausschluss einer Nierenstörung empfohlen. Dazu haben sich die sensitive Bestimmung von Albumin (Albumin im Urin) und α1-Mikroglobulin im Urin bewährt. Eine Diagnostik sollte die Möglichkeit nutzen, prärenale von glomerulären und tubulären sowie postrenalen Ursachen der Proteinurie zu unterscheiden. Hierzu ist die SDS-Polyacrylamid-Elektrophorese (SDS-Elektrophorese), die Messung von Proteinen verschiedener Molmassen oder die Messung aller Proteine mit 2D-Elektrophorese (Elektrophorese, zweidimensionale) und Massenspektrometrie (Proteomics) geeignet . Von diesen Methoden hat sich aber die quantitative Messung definierter Proteine zur Charakterisierung der Proteinurie am besten bewährt.
Pathophysiologie
Untersuchungsmaterial
Erster Morgenurin, zweiter Morgen- oder Sammelurin.
Analytik
Säurefällungsmethode oder Farbbindungsmethode für Gesamtprotein, pH-Verschiebung eines Indikators für Teststreifenmethode, immunchemische turbidimetrische oder nephelometrische Verfahren für Einzelproteine, SDS-Elektrophorese oder Immunfixationselektrophorese für den Nachweis spezifischer Proteinmuster oder Immunglobulin-Leichtketten (Bence-Jones-Protein; Leichtketten, Serum und Urin; Immunglobulin-κ-Leichtketten; Immunglobulin-λ-Leichtketten).
Indikation
Screening: Teststreifen Gesamtprotein mit höherer Empfindlichkeit (z. B. Multistix Pro; Fa. Siemens-Diagnostics, USA), besser zusätzlich Albumin, α1-Mikroglobulin mit einer Nachweisgrenze von ca. 20 mg/L (Albumin) und 10 mg/L (α1-Mikroglobulin).
Differenzierung einer positiven Proteinurie: Quantitative Messung von Albumin, α1-Mikroglobulin, IgG im zweiten Morgenurin, wenn auf Kreatininkonzentration bezogen wird. Bei positivem Teststreifen auf Hämaturie ist zusätzlich α2-Makroglobulin geeignet, um zwischen renalen und postrenalen Ursachen zu unterscheiden. Eine Bence-Jones-Proteinurie sollte ausgeschlossen werden, wenn Albumin weniger als 40 % des Gesamtproteins ausmacht. In diesen Fällen kann mit Immunfixation oder Bestimmung freier Leichtketten die Bence-Jones-Proteinurie charakterisiert bzw. bestätigt werden (Leichtketten, Serum und Urin; Immunglobulin-κ-Leichtketten; Immunglobulin-λ-Leichtketten).
Interpretation
Bei negativen Ergebnissen im empfohlenen Screeningprogramm ist eine klinisch relevante Proteinurie ausgeschlossen.
Graphische oder rechnerische Gegenüberstellung von Albumin und α1-Mikroglobulin erlaubt die Differenzierung primär glomerulärer (1) z. B. IgA-Nephropathie), von sekundär renalen (2) z. B. diabetische Nephropathie, Nephrosklerose) und primär tubulointerstitiellen Ursachen (3) der Proteinurie (s. folgende Abbildung).
Differenzialdiagnose bei Veränderung von Albumin und α1-Mikroglobulin im Urin:
Bei gleichzeitiger Hämaturie kann durch die Quotienten von α2-Makroglobulin/Albumin zu IgG/Albumin renale von postrenalen Ursachen der Proteinurie und Hämaturie unterschieden werden (s. folgende Abbildung).
Differenzierung renaler (grün) von postrenalen (rot) Ursachen der Proteinurie bei gleichzeitiger Hämaturie:
Darüber hinaus erlaubt die Höhe der α1-Mikroglobulin-Ausscheidung zu der von Albumin eine prognostische Aussage zur möglichen Gefahr einer zukünftigen Niereninsuffizienz. Auch der Erfolg therapeutischer und protektiver Maßnahmen wie die Verordnung von ACE-Hemmern kann über den Rückgang der tubulären und glomerulären Marker verfolgt werden.
Diagnostische Wertigkeit
Mithilfe der differenzierten Proteinuriediagnostik ist es möglich, aus Spontanurin Aussagen über Ursache und Verlauf einer Proteinurie zu machen. Damit wird die Aussagekraft gegenüber traditioneller Diagnostik (Gesamteiweiß und Sediment) wesentlich erweitert.
Literatur
Guder WG, Hofmann W (2008) Clinical role of urinary low molecular weight proteins: their diagnsotic and prognostic implications. Scand J Clin Lab Invest 68(Suppl 241):95–98CrossRef
Hofmann W, Garbrecht M, Bradwell AR, Guder WG (2004) A new concept for detection of Bence Jones Proteinuria in patients with monoclonal gammopathy. Clin Lab 50:181–185PubMed
Hofmann W, Ehrich JHH, Guder WG, Keller F, Scherberich J (2011) Diagnostische Pfade bei Nierenerkrankungen. J Lab Med 35:127–146