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Troponin

Verfasst von: K. J. Lackner und D. Peetz
Troponin
Englischer Begriff
troponin
Definition
Troponine sind regulatorische Proteine des kontraktilen Apparates der quer gestreiften Muskulatur.
Struktur
Der über Tropomyosin an Aktin gebundene Troponinkomplex setzt sich aus den 3 Troponinen Troponin C (TnC), Troponin I (TnI) und Troponin T (TnT) zusammen. Troponin T vermittelt dabei die Bindung des Komplexes an Tropomyosin, indem die C-terminale Kopfregion an TnC und die N-terminale Schaftregion an Tropomyosin bindet. Troponin I ist reversibel in eine Ausstülpung des Troponin C gebunden. Troponin I und T kommen jeweils im menschlichen Körper postnatal in 3 Isoformen vor. Diese befinden sich in der Herzmuskulatur, in den schnellen und den langsamen Muskelfasern. Von TnC existiert nur eine Isoform, die in allen Muskelzellen exprimiert wird. Die kardialen Isoformen von Troponin I und T (cTnI und cTnT; Troponin I, kardiales, Troponin T, kardiales) weisen an ihrem N-terminalen Ende spezifische zusätzliche Aminosäureresiduen auf. Das cTnI-Molekül setzt sich aus 209 Aminosäuren (30 mehr als die Skelettmuskelisoformen) zusammen. Die Funktion des Troponin I wird durch Phosphorylierung an verschiedenen Stellen des Moleküls moduliert. Von besonderer Bedeutung sind 2 Serinresiduen an den Positionen 22 und 23, die durch Proteinkinase A phosphorylisiert werden können, da hierdurch 4 verschiedene phosphorylierte cTnI-Formen entstehen, die relevante Auswirkung auf die Antikörperspezifität haben können. Zusätzlich kann an den Cysteinresten an Position 80 und 97 eine Oxidation des Proteins stattfinden, die die Interaktion mit den anderen Troponinen beeinflusst. Kardiales Troponin T weist dagegen an seinem N-terminalen Ende nur wenige zusätzliche Aminosäuren auf. Zusätzlich werden im Föten 3 weitere Isoformen gefunden, die auch im Skelettmuskelgewebe gebildet werden.
Molmasse
TnC: 18 kDa; cTnI: 22 kDa; cTnT: 37 kDa.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Jede Troponin-Isoform wird von einem individuellen Gen kodiert. Die Gene der kardialen Isoformen befinden sich auf den langen Armen von Chromosom 19 (19q32, TnI) und Chromosom 1 (1q13.3, TnT). Der Großteil der synthetisierten Troponine ist an die Myofibrillen gebunden. In der Herzmuskelzelle kommen 3–4 % des cTnI und 6–8 % des cTnT als freier zytoplasmatischer Pool vor. Im Plasma kommt cTnI vor allem als cTnI-TnC-Komplex vor. Daneben werden auch cTnI-cTnT-TnC-Komplexe und in sehr geringer Menge freies cTnI gefunden. cTnT kommt im Plasma hauptsächlich in freier Form vor, in geringen Mengen auch in den cTnI-cTnT-TnC- und cTnT-TnC-Komplexen sowie als freie cTnT-Fragmente. Insbesondere TnI wird im Blut proteolytisch abgebaut.
Halbwertszeit
cTnT: ca. 2 Stunden; cTnI: ca. 24 Stunden.
Pathophysiologie
Kardiale Troponine sind im Blut Gesunder praktisch nicht nachweisbar. Nach kardialer Schädigung kommt es innerhalb von wenigen Stunden zu einer Troponinfreisetzung. In Abhängigkeit von der unteren Nachweisgrenze der verwendeten Testsysteme (s. Analytik) zeigen 50 bis >95 % der Myokardinfarktpatienten nach 1–3 Stunden nachweisbare Troponinkonzentrationen im Blut, 6–10 Stunden nach Symptombeginn weisen alle Patienten erhöhte Troponinkonzentrationen auf (100 % Sensitivität). Troponin T zeigt dabei eine zweiphasige Freisetzung, die nach 12 Stunden ihr erstes Maximum erreicht, dem eine etwa 48-stündige Plateauphase und ein Abfall der Konzentration unterhalb das Detektionslimit innerhalb von etwa 10 Tagen folgt. In Abhängigkeit von der Infarktgröße sind erhöhte cTnT-Werte zwischen 7 Tagen (kleiner Infarkt) und 21 Tagen (großer, transmuraler Infarkt) nachweisbar. Die Freisetzungskinetik von Troponin I ist monophasisch, die wie cTnT nach 10–12 Stunden ihr Maximum erreicht, jedoch etwas schneller, innerhalb von 5–10 Tagen, wieder in den Referenzbereich zurückkehrt.
Untersuchungsmaterial
Analytik
Für die Bestimmung von Troponin I existieren mehr als 20 kommerzielle, voll automatisierte Immunoassays (s. Immunoassay) und Point-of-Care-Testsysteme. Diese unterscheiden sich unter anderem hinsichtlich unterer Nachweisgrenze, verwendeten Antikörperpaaren, Probenmaterial, Kalibration und Stabilität, äquimolarem Nachweis verschiedener oxidierter und phopshorylierter cTnI-Komplexe. Die Testantikörper sollten gegen den stabilen zentralen Teil des Moleküls zwischen den Aminosäureresiduen 30 und 110 gerichtet sein, der nur gering proteolytisch degradiert wird. Insbesondere Teste der ersten Generation wiesen Messwertunterschiede bis zu einem Faktor von 20 auf. Die aktuell verfügbaren modernen cTnI-Teste messen mittlerweile ähnlichere Ergebnisse. Als erster Schritt zur Standardisierung steht ein primäres Referenzmaterial (SRM#2921) des National Institute of Standards and Technology (NIST) zur Verfügung.
Für die cTnT-Bestimmung hält Roche Diagnostics den Patentschutz, sodass ein voll automatisierter ECLIA-Test (Elektrochemilumineszenz-Immunoassay) und ein POCT-System (Patientennahe Sofortdiagnostik) des Herstellers sowie in Lizenz hergestellte Teste anderer Hersteller auf dem Markt sind.
Nach Empfehlungen der IFCC wird die Messqualität von Testsystemen nach 2 Kriterien bewertet. Bei einem Variationskoeffizienten von <10 % am 99. Perzentil (s. Referenzbereich) wird ein Test als leitliniengerecht, bei 10 bis ≤20 % als klinisch geeignet und bei >20 % als ungeeignet eingestuft. Die Sensitivität eines Testsystems wird anhand des Anteils messbarer Werte im gesunden Kollektiv (<99. Perzentil) bewertet. Tests mit <50 % messbarer Werte werden als zeitgemäß, mit 50 bis <75 % als hochsensitiv der ersten Generation, mit 75 bis <95 % als hochsensitiv der zweiten Generation und mit >95 % messbarer Werte als hochsensitiv der dritten Generation klassifiziert.
Referenzbereich
Nach der Konsensusempfehlung der amerikanischen und europäischen Gesellschaft für Kardiologie sowie der aktuellen WHO-Definition des akuten Myokardinfarktes wird als Entscheidungskriterium das 99. Perzentile der oberen Referenzbereichsgrenze eines gesunden Kontrollkollektivs definiert („cut-off“). Voraussetzung ist, dass bei diesem Messwert ein Variationskoeffizient (VK) von <10 % erreicht wird. Sowohl für Troponin I als auch für Troponin T sind mittlerweile sog. „hoch sensitive“ und leitliniengerechte Tests verfügbar (s. Analytik), die dieses Kriterium erfüllen. Der Cut-off-Wert für cTnI ist herstellerabhängig, für den cTnT-Test (vierte Generation) liegt er bei 0,03 μg/L, für den hoch sensitiven TnT-Test bei 14 ng/L (99. Perzentil, VK <10 %) (Übersicht unter www.ifcc.org, „search“: „Troponin Assay Analytical Characteristics“).
Bewertung
Troponine sind die wichtigsten Laborparameter für die Diagnose einer kardialen Schädigung. Ihr Einsatzgebiet umfasst u. a. die Diagnose und Verlaufsbeobachtung des akuten Koronarsyndroms, die Prognoseeinschätzung und Therapiesteuerung (s. a. Troponin I, kardiales und Troponin T, kardiales).
Literatur
Apple FS, Jesse RL, Newby LK, Wu AH, Christenson RH, Cannon CP, Francis G, Morrow DA, Ravkilde J, Storrow AB, Tang W, IFCC Comittee on Standardization of Markers of Cardiac Damage, Jaffe AS, Mair J, Ordonez-Llanos J, Pagani F, Panteghini M, Tate J, National Academy of Clinical Biochemistry (2007) National Academy of Clinical Biochemistry and IFCC Committee for Standardization of Markers of Cardiac Damage Laboratory Medicine Practice Guidelines: analytical issues for biochemical markers of acute coronary syndromes. Clin Chem 53:547–551CrossRefPubMed
Roffi M, Patrono C, Collet JP et al (2016) 2015 ESC Guidelines for the management of acute coronary syndromes in patients presenting without persistent ST-segment elevation: task force for the Management of Acute Coronary Syndromes in Patients Presenting without Persistent ST-Segment Elevation of the European Society of Cardiology (ESC). Eur Heart J 37:267–315CrossRefPubMed
Thygesen K, Alpert JS, Jaffe AS et al (2012) Third universal definition of myocardial infarction. Circulation 126:2020CrossRefPubMed