Skip to main content
Orthopädie und Unfallchirurgie
Info
Publiziert am: 31.03.2021

Medikamentöse Schmerztherapie in der Orthopädie und Unfallchirurgie: Peri-/postoperative Schmerztherapie, Akutschmerztherapie

Verfasst von: Anke Eckardt
Zu Beginn der 1990er-Jahre wurden der Schmerztherapie besonders in der Palliativmedizin zunehmende Bedeutung beigemessen und entsprechend schmerztherapeutische Zentren etabliert. Aber auch die klinische Schmerztherapie ambulanter Patienten mit chronischen Schmerzen und die perioperative Schmerztherapie wurden in interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen dem Facharzt und den in der Regel anästhesiologisch ausgebildeten Schmerztherapeuten erheblich verbessert. In den Medien wurde der Begriff vom „schmerzfreien Krankenhaus“ geprägt. Wenngleich dies nicht der Realität entsprechen kann, so hat doch die Bedeutung einer suffizienten postoperativen Schmerztherapie ständig zugenommen. Bei nicht konsequent therapierten postoperativen/posttraumatischen Schmerzen ist das Risiko für eine Chronifizierung erhöht.

Allgemeines

Zu Beginn der 1990er-Jahre wurden der Schmerztherapie besonders in der Palliativmedizin zunehmende Bedeutung beigemessen und entsprechend schmerztherapeutische Zentren etabliert. Aber auch die klinische Schmerztherapie ambulanter Patienten mit chronischen Schmerzen und die perioperative Schmerztherapie wurden in interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen dem Facharzt und den in der Regel anästhesiologisch ausgebildeten Schmerztherapeuten erheblich verbessert.
In den Medien wurde der Begriff vom „schmerzfreien Krankenhaus“ geprägt. Wenngleich dies nicht der Realität entsprechen kann, so hat doch die Bedeutung einer suffizienten postoperativen Schmerztherapie ständig zugenommen. Bei nicht konsequent therapierten postoperativen/posttraumatischen Schmerzen ist das Risiko für eine Chronifizierung erhöht.
Die perioperative Mitbetreuung orthopädischer/traumatologischer Patienten erfolgt wünschenswerterweise durch den Akutschmerzdienst der Anästhesie, natürlich in enger Kooperation mit der Operativen Medizin. Dies ist aber leider nur in 40 % der deutschen Kliniken – vermutlich aus Kostengründen – möglich.
Bereits vor mehr als 30 Jahren haben sich an großen Kliniken Akutschmerzdienste etabliert. Seitdem waren postoperative regionale Analgesieverfahren, auch Epiduralanalgesien und patientenkontrollierte intravenöse Analgesie mit Opioiden auch auf den peripheren Stationen möglich. Patienten werden dann nicht nur vom Operateur, sondern auch vom Akutschmerzdienst täglich visitiert. Dieser Kollege hat in der Regel auch eine geschulte Fachschwester zur Seite, die sich um organisatorische technische Belange und die Umsetzung der Empfehlungen auf pflegerischer Seite kümmern kann.
Aber auch in kleineren Krankenhäusern ohne spezialisiertes Schmerzzentrum und Akutschmerzdienst oder auch im Rahmen ambulanter Operationen haben sich Operateure und Anästhesisten mehr und mehr mit den Bedürfnissen perioperativer Schmerzarmut auseinandergesetzt. In der Regel sind Standards für die medikamentöse Schmerztherapie etabliert, die jedoch immer auf die individuelle Situation des Patienten angepasst werden müssen. Besonderer Aufmerksamkeit bedürfen polymorbide, betagte Patienten, die bereits zahlreiche Medikamente einnehmen, und natürlich Patienten, die wegen chronischer Schmerzen bereits vor der Operation opiatpflichtig waren.
Eine suffiziente perioperative Schmerztherapie
  • beginnt mit der Aufklärung des Patienten über die zu erwartenden Beeinträchtigungen nach der Operation,
  • verringert das Auftreten von Komplikationen und verkürzt den stationären Aufenthalt,
  • beinhaltet, wenn möglich, einen interdisziplinären, multimodalen Ansatz der Erarbeitung von etablierten Therapiekonzepten unter Berücksichtigung der bereits bekannten Empfehlungen und Leitlinien im Sinne des „procedure specific postoperative pain management“, die dann auch konsequent gelebt werden.

Schmerzmessung

Als Instrument zur perioperativen stationären, aber auch ambulanten Schmerzmessung haben sich die visuelle Analogskala (VAS), die numerische Ratingskala (NRS) (Abb. 1) und die verbale Ratingskala (VRS) bewährt.
Bei der visuellen Analogskala (VAS) markiert der Patient auf einem 10 cm langen Lineal die Schmerzstärke zwischen „kein Schmerz“ (links) und „stärkster vorstellbarer Schmerz“ (rechts).
Bei der numerischen Ratingskala (NRS) setzt der Patient die momentane Schmerzstärke in eine Zahl um: 0 bedeutet „kein Schmerz“, 10 bedeutet „stärkster vorstellbarer Schmerz“.
Besonders bei alten Patienten hat sich die verbale Ratingskala (VRS) bewährt. Dabei beschreibt der Patient den Schmerz mit den Worten
  • „Kein“ (0 Punkte)
  • „Leicht“ (1 Punkt)
  • „Mäßig“ (2 Punkte)
  • „Stark“ (3 Punkte)
  • „Sehr stark“ (4 Punkte)
  • „Unerträglich“ (5 Punkte)
Bei Kindern kann die „Kindliche Unbehagen- und Schmerzskala (KUSS) nach Büttner“ eingesetzt werden:
  • Weinen
    • Nicht (0 Punkte)
    • Stöhnen, Jammern, Wimmern (1 Punkt)
    • Schreien (2 Punkte)
  • Gesichtsausdruck
    • Entspannt, Lächeln (0 Punkte)
    • Mund verzerrt (1 Punkt)
    • Mund und Augen grimassieren (2 Punkte)
  • Rumpfhaltung
    • Neutral (0 Punkte)
    • Unstet (1 Punkt)
    • Aufbäumen, Krümmen (2 Punkte)
  • Beinhaltung
    • Neutral (0 Punkte)
    • Strampeln, Treten (1 Punkt)
    • An den Körper gezogen (2 Punkte)
  • Motorische Unruhe
    • Keine (0 Punkte)
    • Mäßig (1 Punkt)
    • Ruhelos (2 Punkte)
Addiert man die Punkte nach 15-sekündiger Beobachtungsdauer auf mehr als 4, dann besteht Handlungsbedarf, Voraussetzung ist, dass die Grundbedürfnisse des Kindes (Wärme, Trinken, Nahrung, Geborgenheit) befriedigt sind.
Ab einem Alter von 4 Jahren kann auf einer numerischen Skala von 0–10 mittels der revidierten Form der Gesichterskala („Faces Pain Scale“) nach Hicks mit hierfür validierten Fragen oder der Smiley-Skala (Abb. 2) der Schmerz quantifiziert werden. Therapiebedarf besteht ab einem Wert ≥3.
Schmerzskala mit Gesichtern für Kinder (überarbeitet; FPS-R) (Abb. 2)
Wählen Sie nachfolgend die Formulierung „wehtun“ oder „Schmerzen“, je nachdem was zu dem jeweiligen Kind am besten zu passen scheint.
Diese Gesichter zeigen, wie fest etwas wehtun kann. Dieses Gesicht [zeigen Sie auf das Gesicht links außen] zeigt, dass es nicht wehtut. Diese Gesichter zeigen, dass es mehr und mehr wehtut [zeigen Sie auf jedes Gesicht von links nach rechts] bis zu diesem da [zeigen Sie auf das Gesicht rechts außen] – das zeigt jemand, dem es ganz fest wehtut. Zeige mir das Gesicht, das zeigt, wie fest es dir wehtut [jetzt gerade].“
Vergeben Sie die Punkte 0, 2, 4, 6, 8 oder 10 für die Gesichter von links nach rechts, sodass „0“ = „keine Schmerzen“ und „10“ = „sehr starke Schmerzen“ bedeuten. Vermeiden Sie Wörter wie „glücklich“ und „traurig“. Ziel dieser Skala ist es zu messen, wie Kinder sich innerlich fühlen und nicht wie ihr Gesichtsausdruck ist.
Bei Patienten mit Demenz hat sich die BESD (Beurteilung von Schmerzen bei Demenz)-Skala zur Schmerzeinschätzung bewährt (Tab. 1).
Tab. 1
BESD-Skala zur Schmerzeinschätzung bei Patienten mit Demenz. Behandlungsbedarf besteht bei einer addierten Punktzahl von ≥ 4
Punkte
0
1
2
Atmung
Normal
• Gelegentlich angestrengtes Atmen oder
• Kurze Phasen von Hyperventilation (schnelle und tiefe Atemzüge)
• Lautstark angestrengtes Atmen, lange Phasen von Hyperventilation, Cheyne-Stokes-Atmung (tiefer werdende und wieder abflachende Atemzüge mit Atempausen)
Negative Lautäußerungen
Keine
• Gelegentlich Stöhnen oder Ächzen oder
• Sich leise negativ oder missbilligend äußern
• Wiederholt beunruhigtes Rufen, lautes Stöhnen oder Ächzen, Weinen
Gesichtsausdruck
Lächelnd, nichtssagend
• Trauriger oder ängstlicher Gesichtsausdruck, sorgenvoller Blick
• Grimassieren
Körpersprache
Entspannt
• Angespannt
• Nervös Hin- und Hergehen
• Nesteln
• Körpersprache starr, geballte Fäuste, angezogene Knie, sich entziehen oder wegstoßen, schlagen
Trost
Trösten nicht notwendig
• Ablenken oder Beruhigen durch Stimme oder Berührung möglich
• Trösten, Ablenken, Beruhigen nicht möglich

Akutschmerztherapie im zeitlichen Ablauf

Vor der Operation

In einem Vorgespräch sollten neben der Erfassung von Begleiterkrankungen verschiedene relevante Informationen zur Schmerzanamnese gesammelt werden:
  • Ausmaß präoperativer Schmerzen (Wo? Wie stark? Seit wann? Verstärkung wodurch? Schmerzcharakter?)
  • Erfassung der vor der Operation eingenommenen Analgetika (Welche? Dosis? Seit wann? Unverträglichkeiten? Erfahrungen mit Metamizol? Anamnese von Entzugssymptomen? „Red flags“ für Abhängigkeitsentwicklung/Medikamentenmissbrauch?)
  • Angaben zu anderen eingenommenen Medikamenten, Alkohol, Rauschmittel
  • Anamnese hinsichtlich neurologischer Symptome, insbesondere bei geplanter Regionalanästhesie
  • Welche Erfahrungen hat der Patient ggf. bereits bei anderen Operationen hinsichtlich postoperativer Schmerzen gemacht?
  • Welche Erwartungen hinsichtlich der postoperativen Schmerzen hat der Patient?
  • Bei Patienten über 70 Jahre und geplantem Einsatz von Opioiden ist der Minimal Mental Status Test (MMST, kostenloser Download über beratungsstelle@pflege.de) zur Abschätzung einer ggf. vorliegenden beginnenden Demenz empfehlenswert

Intraoperativ

Vonseiten des Operateurs kann der postoperative Schmerz durch Zugangswege mit wenig Weichteiltrauma und auch durch sorgfältige Blutstillung und den Einsatz von Blutverlust-minimierenden Medikamenten (z. B. Tranexamsäure in der Hüft- und Knieendoprothetik) verringert werden.
Präoperative Absprachen und gute intra- und postoperative Zusammenarbeit zwischen Operateur und Anästhesist sind wichtig und notwendig.
Der Einsatz von Analgetika bereits während der Narkose, also vorbeugend, als sogenannte präventive Analgesie oder auch präemptive Analgesie hat sich etabliert.
Verfahren der Regionalanalgesie haben in diesem Konzept einen sehr guten analgetischen Effekt und wirken der Entwicklung einer Hyperalgesie entgegen. In der Orthopädie zum Einsatz kommen:
  • Interkostal- und Paravertebralnervenblockaden zum Beispiel bei Thorakotomien und in der Wirbelsäulenchirurgie
  • Lokale intra-/periartikuläre Analgesieverfahren (LIA) in der Knieendoprothetik und bei anderen Knieeingriffen
  • Plexusblockaden (interskalenär, supraklavikulär, axillär) in der Schulterchirurgie
  • Femoralis-, Ischiadicus-, Adduktorblockaden bei Knieeingriffen
Katheterverfahren werden besonders in der Knieendoprothetik zunehmend kritisch bewertet. Grund ist zum einen die Nähe zum Operationsgebiet mit der damit verbundenen Infektionsgefahr, zum anderen bedingen sie häufig neuromuskuläre Einschränkungen, was zu Einschränkung der Frühmobilisation führt und mit erhöhter Sturzgefahr einhergeht.
Vor Ausleitung der Narkose sollten bereits Medikamente (keine Opioide!) verabreicht werden, die den sicher zu erwartenden postoperativen Schmerz lindern. Der Schmerz sollte danach gut erträglich sein und natürlich so lange und so effektiv behandelt werden wie nötig.
Lokale Infiltrationsanalgesie (LIA) bei Knieendoprothese durch den Operateur
Speziell bei Knieendoprothetik hat sich die lokale Infiltrationstherapie (LIA) etabliert: Nach den Empfehlungen der „Rapid Recovery Healthcare Providers“ werden 150 ml Ropivacain 0,2 % mit 10 μg/ml Adrenalinzusatz (cave: nicht subkutan applizieren, Gefahr der Hautnekrose!) verwandt. Hier ist Absprache mit den Kollegen der Anästhesie erforderlich, bei gleichzeitiger Spinal- oder Periduralanästhesie muss die Dosis des Lokalanästhetikums reduziert werden!
Nach der Knochenresektion von Femur und Tibia werden in die hinteren Anteile des Gelenks in Kniebeugung auf beiden Seiten je 50 ml des Ropivacain-Adrenalin-Gemisches in die laterale und mediale hintere Kapsel injiziert. Hierbei empfiehlt sich ein Anheben des Oberschenkels durch den Assistenten, sodass die Infiltration bei hängendem Unterschenkel erfolgen kann. Cave: Der N. peroneus kann mit umflossen werden, und es kann postoperativ für einige Stunden eine passagere Fußheberparese resultieren, worauf vom Pflege-/Physiotherapiepersonal vor der Erstmobilisation zur Vermeidung eines Stolpersturzes aufgrund eines Fallfußes geachtet werden muss. Weitere 25 ml werden in die Synovialmembran, das laterale Retinaculum, die vordere Kapsel und den M. quadriceps injiziert. Vor Hautverschluss können zusätzlich noch 50 ml Naropin ohne Adrenalinzusatz ins Fettgewebe unterhalb der tiefen Faszie in der „Moving needle“-Technik eingebracht werden.
Lokale postoperative Schmerztherapie schafft nicht nur die Voraussetzung für eine frühe Mobilisierung und damit Verkürzung der Rehabilitationsdauer, hierdurch werden auch die perioperative Stressantwort blockiert und damit postoperative Komplikationen vermindert.

Postoperativ

Zum Einsatz kommen als Basisanalgetika die Nichtopioidanalgetika. Sie können Schmerzen reduzieren und den Opioidkonsum und damit dessen Nebenwirkungen reduzieren.
Für die i.v. Anwendung steht Parecoxib für die direkte postoperative Phase zur Verfügung.
tNSAR (traditionelle nichtsteroidale Antirheumatika) und Coxibe sind die bevorzugten Analgetika und werden in der Regel mit Metamizol kombiniert eingesetzt. Metamizol ist das stärkste Nichtopioidanalgetikum und steht der Wirkung der nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) nicht nach. Die Kombination mit NSAR ist sehr sinnvoll.
Paracetamol als schwaches Analgetikum ist Medikament 2. Wahl, zum Beispiel bei Patienten mit Niereninsuffizienz. Der Effekt einer Kombination von NSAR mit Paracetamol ist nicht ausreichend belegt und wird nicht mehr empfohlen.
Klassische tNSAR bergen allerdings das Risiko für Nachblutungen im Operationsgebiet sowie von Blutungen im oberen und unteren Gastrointestinaltrakt und werden postoperativ mit einem Protonenpumpenhemmer kombiniert.
Das Nebenwirkungsprofil der tNSAR und auch der Coxibe beinhaltet ausserdem eine Verschlechterung der Nierenfunktion. Bei Patienten mit Herzinsuffizienz, renalen oder hepatischen Vorerkrankungen, ACE-Hemmer-Einnahme, bei hohem Blutverlust oder Hypovolämie besteht das Risiko für ein akutes Nierenversagen.
Besonders bei Diclofenac, aber auch bei den anderen tNSARs und Coxiben scheint das Risiko für einen Reinfarkt nach Bypassoperationen erhöht. Inwieweit dieses Risiko in der Orthopädischen Chirurgie eine Rolle spielt, ist unklar.
Insgesamt sollte jedoch bei Patienten mit erhöhtem renalem und kardiovaskulärem Risiko auf tNSAR und Coxibe verzichtet werden. Ist das Blutungsrisiko nach dem Eingriff erhöht, so sollten eher Coxibe als tNSAR zur postoperativen Schmerztherapie eingesetzt werden.
Metamizol hat eine zu den tNSAR vergleichbare analgetische Potenz, aber fast keine renalen, hepatischen oder gastrointestinalen Nebenwirkungen und ist somit besonders in der postoperativen Schmerzmedizin unverzichtbar. Nach schneller intravenöser Applikation wurden schwere Blutdruckabfälle beobachtet, weshalb – wenn überhaupt nötig – Metamizol nur noch langsam per Kurzinfusion i.v. verabreicht werden sollte. Die viel diskutierte schwere Komplikation der Agranulozytose nach Metamizolgabe tritt so selten auf, dass Metamizol in der postoperativen Schmerztherapie dennoch vertretbar ist und als hervorragend wirksam und geeignet gilt. Eine Leukozytopenie kann über regelmäßige Blutbildkontrollen rechtzeitig diagnostiziert und das Medikament dann abgesetzt werden. Patienten sollten im Vorfeld nach früherer Exposition und über die potenziell auftretenden typischen Frühsymptome (Infektionen im Nasen-Rachen-Raum) aufgeklärt werden.
Je nach Schwere des Eingriffs werden Opioide fix oder als Bedarfsmedikation angewendet.
Direkt postoperativ können Piritramid, Morphin, Tramadol und Oxycodon zunächst i.v. (im Aufwachraum oder auf der Intensivstation, nicht auf peripheren Stationen!) und danach als Retardpräparate oder als Bedarfsmedikation eingesetzt werden. Die früher übliche patientenkontrollierte intravenöse Analgesie (PCIA) mit Opioiden wird zunehmend zugunsten regionaler Analgesieverfahren verlassen.
Auch die intravenöse Opioidgabe als Kurzinfusion geht mit der Gefahr einer Atemdepression einher und gehört somit intensivmedizinisch überwacht. Es sollte somit eher ein retardiertes Opioid niedrigdosiert für die ersten postoperativen Tage fix angeordnet und mit einer oralen Opioidbedarfsmedikation des gleichen Wirkstoffs kombiniert werden. Die Bedarfsmedikation wird nach definierten Regeln und ärztlicher Anordnung nach regelmäßiger Schmerzmessung und -dokumentation durch das Pflegepersonal abgegeben. Intramuskuläre Opioidgaben sind wegen des undefinierbaren Wirkungseintritts, der Gefahr eines Spritzenabszesses, Nervenläsionen, Nekrosen etc. obsolet.
Von einer Atemdepression spricht man, wenn die Atemfrequenz auf <8/min abgesunken und der Patient nicht ansprechbar ist. Sauerstoffapplikation, Beatmung und Antagonisierung der Opioidwirkung durch Naloxon sind ggf. erforderlich. Eine weitere Intensivüberwachung muss erfolgen, auch wenn sich der Patient nach Naloxongabe rasch erholt hat.
Als Koanalgetika haben Ketamin, Gabapentin, Pregabalin, Dexmedetomidin und Clonidin ebenfalls einen Stellenwert in der postoperativen Schmerztherapie, vor allen Dingen bei Patienten mit vorbestehenden chronischen Schmerzsyndromen und erhöhtem postoperativen Opioidbedarf. Der postoperative Einsatz dieser Substanzen erfolgt immer „off label“ und bedingt eine Aufklärung der Patienten.
Nur für Ketamin konnte ein präventiver Effekt auf die Entwicklung chronischer Schmerzen nach Operationen nachgewiesen werden. Ein „potentieller“ Effekt wurde in einigen Studien für Pregabalin beschrieben.
Clonidin und Dexmedetomidin wirken antidelirant, werden besonders bei älteren Patienten und auf der Intensivstation eingesetzt und können Opioide einsparen. Die Substanzen gehören in die Hände erfahrener Intensivmediziner oder anästhesiologischer Schmerztherapeuten.
Abb. 3 und 4 zeigen beispielhaft das aktuelle postoperative Schmerztherapiekonzept der Schmerzklinik der Klinik für Anästhesie und der Orthopädischen Klinik der Universität Mainz für Patienten nach Hüft- und Knieendoprothetik und auch kleine und mittlere Eingriffe.
Literatur
Lehrbücher
Herdegen T (2014) Pharmako-logisch! Schmerz. Nichtsteroidale Analgetika. Opioide. Schmerzspezifische Analgesie. Deutscher Apotheker, Stuttgart
Maier C, Diener HC, Bingel U (Hrsg) (2017) Schmerzmedizin. Interdisziplinäre Diagnose- und Behandlungsstrategien, 5. Aufl. Elsevier, München
Mutschler E, Geisslinger G, Kraemer HK, Menzel S, Ruth P (2013) Mutschler Arzneimittelwirkungen, 10. Aufl. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart
Taghizadeh H, Benrath J (2019) Pocket Guide Schmerztherapie. Springer, BerlinCrossRef
Leitlinien
Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und Arbeitsgemeinschaft für Medizinische Forschung (AWMF) (2017a) Nationale VersorgungsLeitlinie nichtspezifischer Kreuzschmerz. AWMF online, Stand März 2017. https://​www.​leitlinien.​de/​nvl/​kreuzschmerz
Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und Arbeitsgemeinschaft für Medizinische Forschung (AWMF) (2017b) Nationale VersorgungsLeitlinie spezifischer Kreuzschmerz. AWMF online, Stand Dezember 2017. https://​www.​awmf.​org/​leitlinien/​detail/​ll/​033-051.​html
Deutsche interdisziplinäre Vereinigung für Schmerztherapie (DIVS), Laubenthal H, Neugebauer E (2009) S3-Leitlinie Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen. http://​www.​dgni.​de/​images/​stories/​Leitlinien/​behandlung_​akuter_​perioperativer_​und_​posttraumatische​r_​schmerzen.​pdf. (Gültigkeit abgelaufen, Leitlinie wird zurzeit überprüft)
Deutsche Schmerzgesellschaft (2015) S3-Leitlinie Opioide, Langzeitanwendung zur Behandlung bei nicht tumorbedingten Schmerzen. AWMF online, Stand 2015; LONTS. https://​www.​awmf.​org/​uploads/​tx_​szleitlinien/​145-003l_​S3_​LONTS_​2015-01.​pdf
Weltgesundheitsorganisation (WHO) (1996) Therapie tumorbedingter Schmerzen, 2. Aufl. Verlag im Kilian, Marburg
Weltgesundheitsorganisation WHO (2012) WHO guidelines on the pharmacological treatment of persisting pain in children with medical illnesses. http://​apps.​who.​int/​iris/​bitstream/​handle/​10665/​44540/​9789241548120_​Guidelines.​pdf;jsessionid=​6AA7BFDFF9CC012A​AE1C9ECF0BF58BD3​?​sequence=​1
Übersichtsartikel
Fikentscher T, Grifka J, Benditz A (2015) Perioperative Schmerztherapie in der Orthopädie. Der Orthopäde 9:727–736CrossRef
Jerosch J (2018) Perioperatives Schmerzmanagement aus Sicht des Operateurs. OUP 7:469–504
Pogatzki-Zahn EM, Englbrecht JS, Pöpping D, Boche R, Zahn PK (2013) Oraler Therapiealgorithmus bei akuten postoperativen Schmerzen. Eine prospektive Beobachtungsstudie. Der Schmerz 1:26–37CrossRef
Rehart S, Henniger M, Arndt M (2018) Akutschmerztherapie in Orthopädie/Unfallchirurgie. Der Orthopäde 10:883–892CrossRef