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Orthopädie und Unfallchirurgie
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Publiziert am: 22.09.2023

Orthopädie und Unfallchirurgie: Gesetzliche Krankenversicherung

Verfasst von: Elmar Ludolph
Die gesetzliche Krankenversicherung ist eine Pflichtversicherung der Arbeitnehmer – in Abhängigkeit von der Höhe des Einkommens. Mitversichert sind Familienangehörige. Die gesetzlichen Krankenkassen sind Körperschaften des öffentlichen Rechts. Ihnen zur Seite steht der Medizinische Dienst (MDK).
Die tiefgreifendste Reform der Gesetzlichen Krankenversicherung war das GKV-WSG vom 26.03.2007. Eingeführt wurde die allgemeine Versicherungspflicht und der Gesundheitsfonds mit dem Ziel, einen fairen Wettbewerb zwischen den Versicherungsunternehmen bei gleicher Ausgangslage zu stärken. Beitragszahlungen und sonstige Zahlungen fließen in den Gesundheitsfond. Diese werden entsprechend den unterschiedlichen Lasten der einzelnen Krankenkassen von dort verteilt.
Das wichtigste Gremium der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen ist der Gemeinsame Bundesausschuss. Die Richtlinien, die von diesem erlassen werden, sichern einerseits und beschränken andererseits die Behandlungsverpflichtung und den Leistungsumfang der Gesetzlichen Krankenkassen.

Geschichte

Die Krankenpflege als wesentlicher Bestandteil der großen medizinischen Leistungen war von jeher ein Grundanliegen der Menschheit. Die Krankenunterstützungsvereine der Bergleute waren die frühesten Organisationen, die der heutigen Krankenversicherung nahe kamen. Auf dem Marktplatz in Goslar steht ein Gedenkstein mit der Aufschrift „750 Jahre Knappschaft Rammelsberg Wiege der Sozialversicherung“. Erinnert wird an einen historisch belegten Fond, Vorläufer der Knappschaftsversicherung, in denen die Bergleute des Bergwerks Rammelsberg, heute UNESCO-Welterbe, einzahlten, um ihre und ihrer Familien Versorgung im Krankheitsfall sicher zu stellen.
Der soziale Umbruch und die damit verbundenen Unruhen waren ein Grund für die Kodifikation der Gesetzlichen Krankenversicherung am 15. Juni 1883, die erste der mittlerweile 5 Säulen der Sozialversicherung:
  • Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V)
  • Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII)
  • Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI)
  • Gesetzliche Arbeitslosenversicherung (SGB III)
  • Gesetzliche Pflegeversicherung (SGB XI)
Unter dem damaligen Reichskanzler Otto von Bismarck wurde das „Gesetz betreffend der Krankenversicherung der Arbeiter“ erlassen, das sich von Anfang an auf Familienangehörige erstreckte und das nachfolgend auf Angestellte erweitert wurde. Von Anfang an sah es einerseits die Versicherungspflicht bzw. den Versicherungszwang und andererseits folgende Leistungen vor:
  • Freie ärztliche Behandlung
  • Freie Arzneimittel
  • Krankengeld ab dem 3. Tag von mindestens 50 % des Lohnes im Falle der Arbeitsunfähigkeit (Höchstdauer 26 Wochen)
  • Sterbegeld
  • Wöchnerinnenunterstützung für vier Wochen nach der Niederkunft
In den Genuss dieser Leistungen kamen ab 1941 auch Rentner. In den 1970er-Jahren folgte eine Ausdehnung der Gesetzlichen Krankenversicherung auf selbstständige Landwirte, Schüler und Studenten sowie Behinderte in geschützten Einrichtungen, wobei nur die wichtigsten Änderungen/Ergänzungen benannt werden.
Ab 1911 war die Gesetzliche Krankenversicherung in der Reichsversicherungsordnung (RVO) geregelt (Zweites Buch). Zum 01.01.1989 wurde die Gesetzliche Krankenversicherung in das Sozialgesetzbuch integriert (SGB V), wobei dieser Schritt verbunden war mit der Aufnahme von Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit, zur Förderung der Gesundheit und der Früherkennung von Krankheiten.
Wahrgenommen wurden die Aufgaben u. a. durch Ortskrankenkassen, Betriebskrankenkassen, Innungskrankenkassen, Knappschaftskrankenkassen und Landwirtschaftliche Kassen, die sich selbstständig verwalteten. 1933 endete die Selbstverwaltung. 1952 erhielten die Krankenkassen ihre Selbstverwaltung zurück.
Die Anzahl der Gesetzlichen Krankenkassen nahm nach einem zunächst rasanten Anstieg – ca. 20.000 Kassen in den 1920er-Jahren – im Laufe der Jahre stetig ab. Eine der Ursachen, die zu zahlreichen Fusionen sowohl der gesetzlichen als auch der privaten Krankenkassen führten, waren die stetig steigenden Krankheitskosten, die von kleineren Krankenkassen zu wettbewerbsfähigen Beitragssätzen nicht mehr getragen werden konnten, wobei ein zusätzlicher Druck zu Fusionen durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) vom 26.03.2007 ausgelöst wurde. Während es 1970 noch 1815 gesetzliche Krankenkassen gab, waren dies zum 01.01.2022 nur noch 97.

Die Organisation der Gesetzlichen Krankenkassen

Die Organisation der Gesetzlichen Krankenkassen ergibt sich aus dem SGB V. Grundsätzlich gilt Folgendes: Als Körperschaft des öffentlichen Rechts ist die Gesetzliche Krankenversicherung finanziell und organisatorisch selbstständig, unterliegt jedoch der staatlichen Aufsicht. Verwaltungsrat und Vorstand jeder Gesetzlichen Krankenversicherung führen diese. Der Verwaltungsrat gibt – soweit dies neben der staatlichen Aufsicht und den gesetzlichen Vorgaben (SGB V) möglich ist – Entscheidungen vor. Der Vorstand führt diese aus. Der Verwaltungsrat, der sich – mit Ausnahmen – aus den paritätisch gewählten Vertretern von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zusammensetzt und der ehrenamtlich tätig ist, beschließt die Satzung der Gesetzlichen Krankenversicherung, für die er gewählt wurde. Er entscheidet über die Höhe der Beitragssätze und wählt den Vorstand, der hauptamtlich tätig ist und die Verwaltungsaufgaben übernimmt. Der Verwaltungsrat wird alle sechs Jahre im Rahmen von Sozialwahlen gewählt. Für diese sechs Jahre wird auch der Vorstand bestimmt. Zu den Aufgaben des Vorstandes gehört, Verträge mit Leistungserbringern zu schließen. Er zieht außerdem die Kassenbeiträge von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Mitgliedern ein und sorgt für die Bezahlung erbrachter Leistungen.
Die Ersatzkassen (§ 148 Satz 1 SGB V) bilden eine Ausnahme gegenüber der paritätischen Beteiligung von Arbeitgebern und Versicherten an wesentlichen Entscheidungen der GKV. Hier sind nur die Versicherten in der Selbstverwaltung vertreten. Ihr Bestehen ist historisch bedingt. Sie sind aus sog. Hilfskassen hervorgegangen, in denen Arbeitnehmer bereits zum Zeitpunkt der Kodifikation der Gesetzlichen Krankenversicherung 1883 organisiert waren. Eine von den Gesetzlichen Krankenkassen abweichende Organisation haben auch die Betriebskrankenkassen (§ 149 SGB V).
Alle Gesetzlichen Krankenkassen sind ab dem 01.07.2008 organisiert im GKV-Spitzenverband, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 1 der Satzung des GKV). Er vertritt die Gesetzlichen Krankenkassen im Gemeinsamen Bundesausschuss und nimmt insgesamt die gemeinsamen Interessen aller Gesetzlichen Krankenkassen wahr. Er unterstützt seine Mitglieder z. B. bei der „Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen“ (§ 197a SGB V).
Den Gesetzlichen Krankenkassen gegenüber stehen die Kassenärztlichen/Kassenzahnärztlichen Vereinigungen. Sie sind für die vertragsärztliche Versorgung verantwortlich und vertreten die Ärzte, die die Behandlung von Kassenpatienten sicherstellen. Die Organe der kassenärztlichen Vereinigungen – Vertreterversammlung und Vorstand – werden von ihren Mitgliedern, nämlich den Ärzten, gewählt.
Sie alle zusammen – die kassenärztlichen Vereinigungen, die Gesetzlichen Krankenkassen, die Vertreter der Krankenhäuser (Deutsche Krankenhausgesellschaft – DKG) und unparteiische Mitglieder – beraten im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) über die Inhalte der medizinischen Versorgung, insbesondere über die konkrete Ausgestaltung des Leistungskatalogs der GKV.
Ganz überwiegend muss eine Gesetzliche Krankenkasse seitens des Gesetzgebers vorgegebene Pflichtaufgaben erfüllen. In einigen Bereichen darf sie jedoch im Rahmen von Satzungsleistungen, sofern diese auf einer gesetzlichen Ermächtigung beruhen, über die gesetzgeberischen Leistungsvorgaben hinausgehen (§ 4a SGB V). Die Krankenkassen können zur Verbesserung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung z. B. sog. Modellvorhaben durchführen oder vereinbaren (§§ 63 ff. SGB V). Sie können auch einen Bonus für gesundheitsbewusstes Verhalten in ihre Satzung aufnehmen (§ 65a SGB V). Grenzen erfahren Gesetzliche Krankenkassen durch das Wirtschaftlichkeitsprinzip, wonach die Leistungen für die Versicherten zweckmäßig, ausreichend und wirtschaftlich sein müssen. Das bedeutet, dass sie das Maß des Notwendigen nicht übersteigen dürfen, dieses aber erfüllen müssen. Anders als Private Krankenkassen, die gewinnorientiert arbeiten, ist eine Gesetzliche Krankenversicherung zur Kostendeckung verpflichtet. Das heißt, dass keine Schulden gemacht werden dürfen, aber auch keine Gewinne.
Im Gegensatz zu den Privaten Krankenversicherungen orientieren sich die Pflichtmitgliedschaft und die Beitragsbemessung in der Gesetzlichen Krankenversicherung nicht am Alter und am Gesundheitsstatus des Versicherten, sondern sind abhängig vom persönlichen Einkommen des Versicherten und seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Das bedeutet, dass Versicherte mit hohem Einkommen höhere Beiträge zahlen als Versicherte mit einem niedrigen Einkommen.
Gegenwärtig (Juli 2022) setzen sich die Mitglieder der Gesetzlichen Krankenversicherung wie folgt zusammen:
  • Pflichtmitglieder: Arbeitnehmer, Arbeitslosengeldempfänger etc. (34,5 Mio.) und Rentner (17,0 Mio.)
  • Kostenfrei mitversicherte Familienangehörige (16,2 Mio.)
  • Freiwillig Versicherte (6,1 Mio.)
Insgesamt sind ca. 74 Mio. in der GKV versichert.
Die Beitragsbemessungsgrenze in der GKV steigt im Jahr 2023 gegenüber 2022 um 3 %. Sie beträgt pro Monat € 4987,50. Bis zu diesem Einkommen besteht Versicherungspflicht. Für den Wechsel von der GKV zur PKV (Private Krankenversicherung) beträgt 2023 die Bemessungsgrenze € 5550,00 pro Monat.

Der Medizinische Dienst (MDK)

Mit Inkrafttreten des SGB V zum 01.01.1989 und dem Wegfall der RVO entfiel der VÄD (Vertrauensärztliche Dienst). Dieser war bis dahin für die Kontrolle der Arbeitsunfähigkeit zuständig. Der VÄD war 1934 gegründet worden. Im Gegensatz zu diesem sind die Aufgaben des MDK deutlich breiter aufgestellt. Nachdem die Krankenkassen durch das SGB V zu zentralen Akteuren im Gesundheitswesen wurden, war es nur folgerichtig, ihnen medizinischen Sachverstand zur Seite zu stellen, der über die Kontrolle der Arbeitsunfähigkeit hinaus die Qualität der Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung mitgestaltet.
  • § 278 SGB V Medizinischer Dienst
  • (1) In jedem Land wird ein Medizinischer Dienst als Körperschaft des öffentlichen Rechts errichtet. …
  • (2) Die Fachaufgaben des Medizinischen Dienstes werden von Ärztinnen und Ärzten, Pflegefachkräften sowie Angehörigen anderer geeigneter Berufe im Gesundheitswesen wahrgenommen.
Der Medizinische Dienst ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts außerhalb der Krankenkassen. Er wird in deren Auftrag tätig, wobei teilweise eine Verpflichtung besteht, diesen zu beauftragen.
Der organisatorische Aufbau des Medizinischen Dienstes entspricht dem der Krankenkassen. Organe des Medizinischen Dienstes als Körperschaft des öffentlichen Rechts sind der Verwaltungsrat und der Vorstand (§ 279 SGB V). Der Verwaltungsrat, der überwiegend aus gewählten Vertretern der Krankenkassen besteht, aber auch Patientenvertreter umfasst, hat nach § 279 Abs. 2 SGB V u. a. folgende Aufgaben: Die Satzung zu beschließen, den Haushaltsplan festzustellen, die jährliche Betriebs- und Rechnungsführung zu prüfen und den Vorstand zu wählen und zu entlasten. Der Vorstand führt die Geschäfte und vertritt den Medizinischen Dienst nach außen. Finanziert wird der Medizinische Dienst durch die Gesetzlichen Krankenkassen und „Nutzerentgelte“ (§ 280 SBG V), also durch ein Entgelt des jeweiligen Auftraggebers.
  • Um tätig zu werden, bedarf der Medizinische Dienst eines Auftrags. Eine Tätigkeit aufgrund eigener Initiative ist ausgeschlossen. Dies gilt auch z. B. für die Qualitätskontrollen in Krankenhäusern (§ 275a SGB V) oder sonstige Kontrollfunktionen.
Der Medizinische Dienst hat zahlreiche Aufgaben der Begutachtung (s. Unterkapitel: Begutachtung) und Beratung, die im Einzelnen in den §§ 275 ff. SGB V aufgeführt sind. Er arbeitet in Form von Empfehlungen. Im Jahr 2020 waren dies über 4 Mio. Ihm obliegt es auch, die Verpflichtung der Gesetzlichen Krankenkassen zu erfüllen, ihre Versicherten bei der Verfolgung von Behandlungsfehlern zu unterstützen, nämlich auf Ersuchen zu überprüfen, „ob Versicherten bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern ein Schaden entstanden ist (§ 66)“ (§ 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V). Für diese Aufgabe wurden eigene Abteilungen aufgebaut, die im Jahr 2020 14.000 Fälle bearbeiteten und die in 20,1 % der Fälle einen Behandlungsfehler als Ursache für einen Gesundheitsschaden bejahten. Der Kern der Aufgaben ist jedoch die Beratung der Krankenkassen in Bezug auf Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit ihrer Leistungen, zu neuen bzw. unkonventionellen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, Heil- und Hilfsmitteln und die Kontrolle bei Auffälligkeiten, sei es von Abrechnungen der Vertragsärzte, sei es von Arbeitsunfähigkeitszeiten der Versicherten. Die Krankenkassen sind verpflichtet, „wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist“ eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen (§ 275 Abs. 1 SGB V). Der häufigste Grund sind fragwürdige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen.
Der Medizinische Dienst erstellt seine Gutachten auf der Basis des ICF (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit).
Für das Jahr 2020 liegt ein Tätigkeitsbericht des Medizinischen Dienstes vor, der im Internet abrufbar ist: „Die Arbeit des medizinischen Dienstes, Zahlen, Daten, Fakten 2020“. Aus diesem ergibt sich die Vielzahl der Aufgaben.
Der medizinische Dienst ist eine eigenständige Körperschaft des öffentlichen Rechts. Er ist der Gesetzlichen Krankenversicherung zur Seite gestellt. Er berät diese. Er arbeitet in der Regel in Form von Empfehlungen. Sein Tätigwerden setzt einen entsprechenden Auftrag voraus.

Das GKV-WSG; der Gesundheitsfond (§ 271 SGB V)

Die tiefgreifendste Reform der Gesetzlichen Krankenversicherung war das GKV-WSG (Gesetzliche Krankenversicherung-Wettbewerbsstärkungsgesetz) vom 26.03.2007 mit der Schaffung des Gesundheitsfonds. Dieses Gesetz hat zwei Schwerpunkte:
  • Eingeführt wurde die allgemeine Versicherungspflicht. Jeder Deutsche muss krankenversichert sein. Die freiwillig Versicherten können zwar zwischen der Gesetzlichen und der Privaten Krankenversicherung wählen, die dafür einen Basistarif vorhalten muss.
  • Bezogen auf die Gesetzliche Krankenversicherung hatte dieses Gesetz durch Bildung des Gesundheitsfonds zum Ziel, die steigenden Kosten in der Gesetzlichen Krankenversicherung zu regulieren und den Wettbewerb zwischen den Versicherungsunternehmen bei gleicher Ausgangslage zu stärken.
Zum 01.01.2009 startete der Gesundheitsfonds (§ 271 SGB V), der eine Umstellung von einem System brachte, in dem die Beitragszahler (Mitglieder, aber auch Arbeitgeber und Sozialleistungsträger) die Beiträge unmittelbar an die einzelnen Versicherungsträger (Krankenkassen) zahlten, zu einem System, in dem die Beiträge an eine zentrale Stelle gezahlt werden, die die Mittel dann wiederum an die einzelnen Versicherungsträger verteilt. Voraussetzung ist, um die gleichen Chancen aller am System Beteiligten zu begründen, die grundsätzlich gleiche Höhe aller Versichertenbeiträge zu den einzelnen Gesetzlichen Krankenkassen, was durch deren Festsetzung (§ 241 SGB V) erreicht wird. Der Gesundheitsfonds wird als Sondervermögen verwaltet vom Bundesamt für Soziale Sicherung. In ihn fließen Beiträge der Arbeitgeber, anderer Sozialversicherungsträger – z. B. von Trägern der Rentenversicherung, der Mitglieder der Gesetzlichen Krankenkassen – und Beiträge des Bundes aus Steuermitteln ein (§ 221a SGB V). Aus dem Gesundheitsfonds erhalten die einzelnen Krankenkassen ihre Mittel, um ihre Leistungen für ihre Mitglieder zu bezahlen. Diese werden in der Form unter den Gesetzlichen Krankenkassen verteilt, dass diese zunächst eine Grundpauschale für jeden Versicherten erhalten und darüber hinaus Zu- und Abschläge entsprechend der Besonderheiten der einzelnen Krankenkassen (§ 266 SGB V). Rechnung getragen wird z. B. der Altersstruktur der Mitglieder. Kommt eine Krankenkasse mit den Zahlungen aus dem Gesundheitsfonds nicht aus, kann sie – außer einer Kürzung des Leistungsangebots, was an erster Stelle steht – von den bei ihr Versicherten einen Zusatzbeitrag verlangen (§ 242 SGB V), der jedoch 1 % des beitragspflichtigen Einkommens nicht übersteigen darf. Die Versicherten können im Gegenzug dazu einen Wechsel der Gesetzlichen Krankenkasse vornehmen, wobei diese Wahlfreiheit bereits seit 1996 besteht.
Ergänzt wird das GKV-WSG durch das GKV-FKG (Gesetzliche Krankenversicherung-Fairer Kassenwettbewerb-Gesetz), das am 01.04.2020 in Kraft getreten ist. Durch dieses Gesetz wurde der Risikostrukturausgleich systematisch weiterentwickelt. Ab dem Jahr 2021 werden alle Krankheitsbilder sowie regionale Ausgabenunterschiede berücksichtigt. Um die Inanspruchnahme von Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen von Versicherten zu fördern, wurde zudem eine Vorsorgepauschale eingeführt. Dennoch ist der Wettbewerb unter den einzelnen Gesetzlichen Krankenkassen groß. Besondere Außenwirkung hat insbesondere das Angebot von Wahltarifen.
Das SGB V unterliegt stetigen Veränderungen, die jedoch den grundlegenden Aufbau der Gesetzlichen Krankenversicherung nicht betreffen.
Mit dem GKV-WSG vom 26.03.2007 wurde die Krankenversicherungspflicht, gesetzlich oder privat, für alle Deutschen eingeführt.
Eingeführt wurde der Gesundheitsfonds, der zum 01.01.2009 startete. Die Beiträge der Versicherten und weitere Zahlungseingänge fließen ab diesem Zeitpunkt an eine zentrale Stelle, die die Mittel dann wiederum an die einzelnen Versicherungsträger verteilt unter Beachtung der Besonderheiten der einzelnen Krankenkassen.

Gemeinsamer Bundesausschuss

  • § 91 SGB V
  • (1) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bilden einen Gemeinsamen Bundesausschuss. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist rechtsfähig. Er wird durch den Vorsitzenden des Beschlussgremiums gerichtlich und außergerichtlich vertreten.
  • (2) Das Beschlussgremium des Gemeinsamen Bundesausschusses besteht aus einem unparteiischen Vorsitzenden, zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern, einem von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, jeweils zwei von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft und fünf von dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen benannten Mitgliedern.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat die Aufgabe, einerseits dafür Sorge zu tragen, dass alle Versicherten die gleichen Leistungen erhalten, die andererseits „ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich“ (§ 12 SGB V) sein müssen. Er erlässt Richtlinien zu „Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der Vertragsärztlichen Versorgung“ (§ 92 SGB V) und bewertet „neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden“ (§ 135 SGB V). Patientenvertreter haben ein Mitberatungsrecht und Antragsrecht (§ 146f SGB V). An Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses sind sie jedoch nicht beteiligt. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist das wichtigste Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im Gesundheitswesen überhaupt.
Die Richtlinien, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss erlassen werden, sichern einerseits und beschränken andererseits die Behandlungsverpflichtung und den Leistungsumfang der Gesetzlichen Krankenkassen. Ihr Rechtscharakter, ob es sich um verwaltungsinterne Durchführungsbestimmungen handelt oder um unmittelbar verbindliches außenwirksames Recht, war zunächst streitig. Mit Inkrafttreten des SGB V sind sie jedoch rechtlich verbindlich. Dazu das BSG (Urteil vom 16.09.1997 – 1 RK 28/95):
„Nach den Vorschriften dieses Gesetzes sind die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen nicht mehr bloße dem Innenrechtsbereich des Leistungserbringungsrechts zuzuordnende Verwaltungsvorschriften, die nach Maßgabe der jeweiligen Satzung von den Krankenkassen und den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten beachtet werden sollen (so früher § 368p III RVO). Gemäß §§ 92 VII, 82 I 2 SGB V sind sie nunmehr in die Bundesmantelverträge und die Gesamtverträge über die vertragsärztliche Versorgung eingegliedert und nehmen an deren normativer Wirkung teil. Für die vertragsunterworfenen Krankenkassen und Vertragsärzte setzen sie unmittelbar verbindliches, außenwirksames Recht (vgl. §§ 83 I 1, 95 III 2 SGB V…).“
„Indessen vermag der Senat dem Grundgesetz keinen numerus clausus zulässiger Rechtsetzungsformen in dem Sinne zu entnehmen, daß neben den ausdrücklich genannten Instrumenten des formellen Gesetzes und der Rechtsverordnung sowie den vom BVerfG anerkannten Regelungstypen der autonomen Satzung und der Tarifvertragsnormen weitere Formen der Rechtsetzung schlechthin ausgeschlossen wären. Er hält deshalb“ „die gesetzliche Ermächtigung gemeinsamer Rechtsetzung durch die Körperschaften der Krankenkassen und Ärzte bzw. von diesen gebildete Ausschüsse im Ergebnis für verfassungsgemäß.“
Die „Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung“ (Richtlinie: Methoden vertragsärztlicher Versorgung) vom 17.01.2006 (gegenwärtig in der Fassung vom 14.01.2023) benennt nach § 1 „in Anlage I die vom Gemeinsamen Bundesausschuss nach Überprüfung gemäß § 135 Abs. 1 SGB V anerkannten ärztlichen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung und – soweit zur sachgerechten Anwendung der neuen Methode erforderlich – die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie die Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung und die erforderliche Aufzeichnung über die ärztliche Behandlung.“
Die Richtlinie ist „nach § 91 Abs. 9 SGB V für die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer (s. Unterkapitel: Vertragsarzt), für die Gesetzlichen Krankenkassen und deren Versicherte verbindlich. Vom Gemeinsamen Bundesausschuss nicht anerkannte Untersuchungs- und Behandlungsmethoden sind von der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen.“
Von diesem Ausschluss sind zwar nicht betroffen Behandlungsmaßnahmen bei lebensbedrohenden Erkrankungen (§ 2 Abs. 1a SGB V sowie Leitsatz des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 – 1 BvR 347/98).
Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt grundsätzlich die Behandlungsverpflichtung und den Leistungsumfang der Gesetzlichen Krankenkassen.

Der Vertragsarzt

Der Vertragsarzt, das heißt ein zur „vertragsärztlichen Versorgung“ zugelassener Arzt (§ 95 Abs. 3 SGB V) ist für die Behandlung von Mitgliedern der Gesetzlichen Krankenkassen zuständig. Benannt sind in § 95 Abs. 1 SGB V darüber hinaus die zugelassenen Medizinischen Versorgungszentren, ein durch unterschiedliche Verträge verbundener Zusammenschluss von Ärzten und medizinischem Personal sowie ermächtigte Ärzte und ermächtigte Einrichtungen. Ermächtigt werden können Krankenhausärzte, soweit dafür Bedarf besteht und die Einrichtung, in der sie tätig sind, dies erlaubt (§ 116 SGB V). Das gleiche gilt für ermächtige Einrichtungen. Der niedergelassene Arzt hat also immer Vorrang, ehe eine Ermächtigung erteilt wird. Man unterscheidet zwei Arten des Bedarfs für eine Ermächtigung:
  • Der quantitativ-allgemeine Bedarf: Im Planungsbereich gibt es zu wenige Vertragsärzte, um den Bedarf zu decken.
  • Der qualitativ-spezielle Bedarf: Die niedergelassenen Ärzte in einem Planungsbereich können bestimmte, für eine ausreichende Versorgung der Versicherten benötigte Leistungen nicht oder nicht im erforderlichen Umfang vorhalten.
Voraussetzung sowohl für die Zulassung als auch für die Ermächtigung ist die Eintragung in das „Arztregister“, das von den Kassenärztlichen Vereinigungen für jeden Zulassungsbezirk geführt wird (§ 95 Abs. 2 SGB V). Die Eintragung in das Arztregister erfolgt auf Antrag. Voraussetzung ist in der Regel die Approbation und eine Weiterbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin oder zu einem anderen Facharzt (§ 95a Abs. 1 SGB V).
Die Zulassung erfolgt für den „Ort der Niederlassung als Arzt oder den Ort der Niederlassung als medizinisches Versorgungszentrum (Vertragsarztsitz)“ (§ 95 Abs. 1 Satz 5 SGB V). Wie und durch wen die Zulassung erfolgt, ist in § 96 SGB V geregelt. Kriterium für die Zulassung ist neben der fachlichen Eignung des Antragstellers der Bedarf an Vertragsärzten (§§ 99-105 SGB V).
Entscheidend ist, dass trotz aller Zulassungsvoraussetzungen und trotz der dann gegebenen Berechtigung aber auch Verpflichtung als Vertragsarzt am Vertragssitz tätig zu werden, der Arzt in Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit weisungsfrei ist. Er übt also seine ärztliche Tätigkeit in eigener Verantwortung aus. Er unterliegt nur seinem Gewissen und den allgemeinen Regeln des Arzthaftungsrechts (§ 630a-630h BGB). Gebunden ist er aber dadurch, dass nur die Leistungen abgerechnet werden können, die die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses vorsehen.
Dem Versicherten steht grundsätzlich die Auswahl frei zwischen den Ärzten, die für die kassenärztliche Behandlung zugelassen sind (§ 76 SGB V).
Behandlungen durch Heilpraktiker gehören nicht zum Leistungsumfang der Gesetzlichen Krankenversicherung.
Der Vertragsarzt, das heißt der zur Behandlung gesetzlich Versicherter zugelassene, aber auch verpflichtete Arzt, ist in Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit weisungsfrei. Er ist aber insoweit gebunden, als er nur Leistungen abrechnen kann, die die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses vorsehen.
Der Versicherte kann zwischen den zur Behandlung gesetzlich Krankenversicherter zugelassenen Ärzten, den Vertragsärzten, frei wählen.

Leistungen der GKV – Grundsätze

Die Grundsätze zur sozialen Sicherheit und sozialen Gerechtigkeit in Deutschland finden sich im SGB I und damit auch die Grundlagen der GKV.
  • § 4 SGB I Sozialversicherung
  • (1) Jeder hat im Rahmen dieses Gesetzbuchs ein Recht auf Zugang zur Sozialversicherung.
  • (2) Wer in der Sozialversicherung versichert ist, hat im Rahmen der gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Unfall- und Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte ein Recht auf
    • 1. die notwendigen Maßnahmen zum Schutz, zur Erhaltung, zur Besserung und zur Wiederherstellung der Gesundheit und der Leistungsfähigkeit und
    • 2. wirtschaftliche Sicherung bei Krankheit, Mutterschaft, Minderung der Erwerbsfähigkeit und Alter.
    • Ein Recht auf wirtschaftliche Sicherung haben auch die Hinterbliebenen eines Versicherten.
Die von der GKV anzubietenden Leistungen sind zusammengefasst in § 21 SGB I. Dies ist die Vorschrift, die die Grundlagen der GKV festlegt.
  • § 21 Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung
  • (1) Nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung können in Anspruch genommen werden:
  • 1. Leistungen zur Förderung der Gesundheit, zur Verhütung und zur Früherkennung von Krankheiten,
  • 2. bei Krankheit Krankenbehandlung, insbesondere
    • a) ärztliche und zahnärztliche Behandlung,
    • b) Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln,
    • c) häusliche Krankenpflege und Haushaltshilfe,
    • d) Krankenhausbehandlung,
    • e) medizinische und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation,
    • f) Betriebshilfe für Landwirte,
    • g) Krankengeld,
  • 3. bei Schwangerschaft und Mutterschaft ärztliche Betreuung, Hebammenhilfe, stationäre Entbindung, häusliche Pflege, Haushaltshilfe, Betriebshilfe für Landwirte, Mutterschaftsgeld,
  • 4. Hilfe zur Familienplanung und Leistungen bei durch Krankheit erforderlicher Sterilisation und bei nicht rechtswidrigem Schwangerschaftsabbruch.
Die GKV ist, wie im Unterkapitel „Geschichte“ ausgeführt, eine der 5 Säulen der Sozialversicherung. Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, für die über eine andere der 5 Säulen Versicherungsschutz gewährt wird (GUV), fallen nicht unter den Versicherungsschutz der GKV (§ 11 Abs. 5 SGB V).
Leitfaden für den Umfang der Leistungen im Einzelnen und die Form der Erfüllung des Leistungsanspruchs der GKV ist das SGB V und dessen oberster Leitsatz „Solidarität und Eigenverantwortung“ (§ 1 SGB V).
  • § 1 SGB V
  • Die Krankenversicherung als Solidargemeinschaft hat die Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern. Das umfasst auch die Förderung der gesundheitlichen Eigenkompetenz und Eigenverantwortung der Versicherten. Die Versicherten sind für ihre Gesundheit mitverantwortlich; sie sollen durch eine gesundheitsbewußte Lebensführung, durch frühzeitige Beteiligung an gesundheitlichen Vorsorgemaßnahmen sowie durch aktive Mitwirkung an Krankenbehandlung und Rehabilitation dazu beitragen, den Eintritt von Krankheit und Behinderung zu vermeiden oder ihre Folgen zu überwinden. Die Krankenkassen haben den Versicherten dabei durch Aufklärung, Beratung und Leistungen zu helfen und unter Berücksichtigung von geschlechts-, alters- und behinderungsspezifischen Besonderheiten auf gesunde Lebensverhältnisse hinzuwirken.
Dem Leistungsversprechen der GKV, der Solidargemeinschaft, stehen also Obliegenheiten ihrer Mitglieder gegenüber (Eigenverantwortung).
Die Gesetzliche Krankenkasse stellt den bei ihr Versicherten durch die Vertragsärzte, die ermächtigten Ärzte oder Institutionen Leistungen zur Verfügung, also Sach- und Dienstleistungen. Die Versicherten erhalten grundsätzlich keine Kostenerstattung, wovon jedoch abgewichen werden kann.
  • § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V
  • (2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen.
§ 13 Abs. 2 SGB V sieht für alle Versicherten ein Wahlrecht auf Kostenerstattung vor, dessen Modalitäten wiederholt geändert wurden. Seit dem GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003 steht das Wahlrecht auf Kostenerstattung mit Wirkung 01.01.2004 definitiv allen Versicherten offen. Dieses Wahlrecht wird jedoch nur von einem verschwindend kleinen Anteil der Versicherten wahrgenommen.
Ein Anspruch auf Kostenerstattung ist bei einem sog. „Systemversagen“ (BSG, Urteil vom 16.09.1997 – 1 RK 28/95) gegeben, geregelt in § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V.
  • § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V
  • (3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.
Voraussetzung ist, dass eine Leistung, die grundsätzlich zum Leistungsumfang der Gesetzlichen Krankenkasse gehört, von einer Krankenkasse
1.
nicht rechtzeitig erbracht werden kann, obwohl sie notwendig und unaufschiebbar ist oder
 
2.
zu Unrecht abgelehnt wurde.
 
Art und Umfang der Leistungen ergeben sich aus den §§ 12 ff. SGB V.
Die Gesetzlichen Krankenkassen schulden ihren Mitgliedern im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen eine umfassende medizinische Versorgung. Kommt es zu einem Versagen des Beschaffungssystems, sei es durch einen medizinischen Notfall oder infolge eines anderen unvorhergesehenen Mangels, ist das Mitglied berechtigt, sich die Leistung selbst zu beschaffen; Voraussetzung ist jedoch, die Leistung gehört zum Leistungsumfang der Gesetzlichen Krankenkassen.
Unter einer Leistung ist grundsätzlich nicht z. B. eine einzelne Injektion (Spritze) zu verstehen, sondern das Gesamtkonzept des behandelnden Arztes.
Den Umfang der Leistungen der GKV umschreibt § 2 SGB V „Leistungen“.

Wirtschaftlichkeitsgebot

  • § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V
  • (1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden.
  • § 12 SGB V Wirtschaftlichkeitsgebot
  • (1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.
Die Leistungen müssen also einerseits dem Leistungsversprechen der GKV, die eine Zwangsgemeinschaft ist, dafür dann aber auch eine umfassende „ausreichende“ und „zweckmäßige“ Gesundheitsfürsorge anzubieten hat, entsprechen, dürfen aber andererseits „das Maß des Notwendigen“ nicht überschreiten. Sie müssen wirtschaftlich sein.
Die Wirtschaftlichkeit der Leistungen wird überwacht nach den §§ 106-106d SGB V.
  • § 106a Abs. 2 SGB V
  • Veranlassung für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit nach Absatz 1 besteht insbesondere
  • 1. bei begründetem Verdacht auf fehlende medizinische Notwendigkeit der Leistungen (Fehlindikation),
  • 2. bei begründetem Verdacht auf fehlende Eignung der Leistungen zur Erreichung des therapeutischen oder diagnostischen Ziels (Ineffektivität),
  • 3. bei begründetem Verdacht auf mangelnde Übereinstimmung der Leistungen mit den anerkannten Kriterien für ihre fachgerechte Erbringung (Qualitätsmangel), insbesondere in Bezug auf die in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses enthaltenen Vorgaben,
  • 4. bei begründetem Verdacht auf Unangemessenheit der durch die Leistungen verursachten Kosten im Hinblick auf das Behandlungsziel oder
  • 5. bei begründetem Verdacht, dass Leistungen des Zahnersatzes und der Kieferorthopädie unvereinbar mit dem Heil- und Kostenplan sind.
Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen sowie die Kassenärztlichen Vereinigungen haben dazu jeweils eine gemeinsame Prüfungsstelle und einen gemeinsamen Beschwerdeausschuss gebildet (§ 160c SGB V).
Prüfungsmöglichkeiten können sein:
  • Auffälligkeiten, also z. B. ein hoher Anteil an Arztbriefen oder z. B. Sonografien, die in keinem Verhältnis zur Anzahl der Patienten steht,
  • Zufälligkeitsprüfung, also Überprüfung anhand von Stichproben einzelner Behandlungsverläufe und
  • Prüfung nach Durchschnittswerten von Vergleichsgruppen in der Vorstellung, dass die Vergleichsgruppe insgesamt wirtschaftlich handelt. Einmal muss die Vergleichsgruppe passen. Es fragt sich z. B. ob Praxen aus dem ländlichen Raum mit einem hohen Anteil alter Versicherter mit Praxen aus einem städtischen Industriegebiet vergleichbar sind. Zu beachten sind zudem atypische Merkmale. Es muss also Gleiches mit Gleichem verglichen werden.
BSG, Urteil vom 13.05.2020 – B 6 KA 3/19 R
„Dem Beklagten ist bei der – grundsätzlich nicht zu beanstandenden“ – „Bildung eines“ „Vergleichswerts aus den Fallwerten von MKG-Chirurgen und Zahnärzten ein systematischer Fehler unterlaufen, indem er die Klägerin bezogen auf den spezifischen MKG-Bereich mit Fallwerten von Praxen verglichen hat, in die auch die Leistungen von Allgemeinzahnärzten eingegangen sind. Dies kann sich zum Nachteil der Klägerin auf die Höhe des Vergleichswerts und damit auf den Kürzungsbetrag auswirken.“
„Ergibt die Prüfung, dass der Behandlungs- oder Verordnungsaufwand des geprüften Arztes – beim Gesamtfallwert, bei Sparten- oder bei Einzelleistungswerten – in offensichtlichem Missverhältnis zum durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe steht, diesen nämlich in einem Ausmaß überschreitet, das sich nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur wie Praxisbesonderheiten und/oder sog kompensierende Einsparungen erklären lässt, so ist die Folgerung der Unwirtschaftlichkeit gerechtfertigt.“
Ein Beispiel für eine Einzelfallprüfung des Wirtschaftlichkeitsgebots ist der Umgang mit Fallpauschalen bei stationärer Behandlung.
BSG, Urteil vom 26.04.2022 – B 1 KR 14/21 R
Die bei der beklagten Krankenkasse Versicherte wurde zunächst stationär aufgenommen wegen der Abklärung von Blutabgängen. Die Versicherte wurde mit der Diagnose Analkarzinom am Tag vor der interdisziplinären Tumorkonferenz des Krankenhauses entlassen. In Umsetzung des Ergebnisses der Tumorkonferenz wurde die Versicherte 8 Tage später zur operativen Behandlung erneut stationär aufgenommen. Das Krankenhaus berechnete zwei Fallpauschalen.
Das BSG vertrat die Ansicht, dass die Berechnung von zwei Fallpauschalen, die dadurch anfielen, weil die Versicherte zwischenzeitlich entlassen wurde, unwirtschaftlich sei. Dies sei vermeidbar gewesen, wenn sie z. B. beurlaubt worden wäre. Denn die Notwendigkeit der erneuten stationären Aufnahme sei vorhersehbar gewesen. Es kam dann zu der Überlegung, dass dem Krankenhaus grundsätzlich bei unwirtschaftlicher Behandlungsweise keinerlei Vergütung zustehe, gab dann jedoch einer fiktiven Berechnung der Kosten bei Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots den Vorzug.
„Das Krankenhaus behandelte die Versicherte jedoch nicht in jeder Hinsicht wirtschaftlich und hat daher lediglich Anspruch auf die Vergütung, die bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativverhalten angefallen wäre.“
Die Leistungen der Krankenkassen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. In der Mehrzahl der Fälle erfolgt die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit anhand von Vergleichsgruppen.

Die besonderen Therapierichtungen

  • § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB V
  • Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen.
Nicht von den Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sind „Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen“. Es fragt sich, ob mit dieser Formulierung die Alternativmedizin gemeint ist und wenn, dann unter welchen Voraussetzungen. Zu beiden Fragen darf zitiert werden aus den Beratungen des Bundestages (BT-Drucks 11/3480, S. 49) zum SGB V, insbesondere zur Aufnahme der „besonderen Therapierichtungen“ als Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung in das SGB V:
„Die Änderung stellt klar, daß die Ausrichtung der Gesundheitsleistungen am allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse die Leistungen der besonderen Therapierichtungen nicht ausschließt. Der besonderen Wirkungsweise der Mittel und Methoden der Naturheilkunde und der Vielfalt der therapeutischen Ansätze ist dabei unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes und der Qualitätssicherung Rechnung zu tragen; allerdings wird den besonderen Therapierichtungen auch keine Sonderstellung eingeräumt.“
Die Aufnahme der „besonderen Therapierichtungen“, der Alternativmedizin, in den Leistungsumfang der GKV trägt dem Umstand Rechnung, dass nicht unerhebliche Teile der Bevölkerung – auch aufgrund weltanschaulicher Prägung – deren unterschiedlichen wissenschaftlichen Ansätzen folgen. Das Sozialstaatsprinzip, das den Bürgern eine Versicherungspflicht auferlegt und als Gegenleistung umfassenden Schutz im Krankheitsfall verspricht, ist nicht damit vereinbar, dass breite Teile der Bevölkerung von dem mit dieser Pflicht verbundenem Nutzen, nämlich der Versicherung bei Krankheit, praktisch ausgeschlossen sind, wenn sie nicht – gerade im Krankheitsfall – sich entgegen ihrer Überzeugung therapieren lassen müssten. Der Staat ist gegenüber der Weltanschauung seiner Bürger grundsätzlich neutral. Diese Neutralität hat auch in Bezug auf die Versorgung im Krankheitsfall Bestand. Breit praktizierte Therapierichtungen, wie z. B. die Homöopathie, die anthroposophische oder chinesische Medizin und die Phytotherapie sind deshalb nicht von der Gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. Sie haben aber auch keine Sonderrolle.
Es muss sich um eine Therpierichtung handeln, um ein Gesamtkonzept. Unter einer „Therapierichtung“ ist nicht eine einzelne alternative, nicht konventionelle Behandlungsmethode zu verstehen. Wird also bei einem nach den Regeln der Schulmedizin behandelten Kopfschmerz von einem Schulmediziner einmalig ein Therapieversuch mittels Akkupunktur gemacht, ist dies nicht die Ausübung einer besonderen Therapierichtung. Mit dieser ist ein weltanschaulich geprägtes therapeutisches Gesamtkonzept gemeint, das sich von der Schulmedizin abgrenzt, welches einem klar konzipierten Denkansatz folgt, den weite Bevölkerungskreise und Teile der Ärzteschaft teilen, das also breit akzeptiert ist.
Die Therapierichtung muss in sich geschlossen sein, sodass sich aus dieser Regeln ergeben, die es erlauben, eine nach den Regeln der Therapierichtung behandlungsfehlerhafte Behandlung von einer der Therapierichtung entsprechenden Behandlung zu unterscheiden. Sie muss Behandlungserfolge aufweisen. Zwar sind ihre Erfolge in aller Regel nicht evidenzbasiert zu ermitteln – im Gegensatz zur Schulmedizin. Erforderlich ist aber die Binnenanerkennung durch die ganz überwiegende Zahl derjenigen, die diese Therapierichtung vertreten. Ihr Konzept ist ebenso wie ein Behandlungskonzept der Schulmedizin auf Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit zu überprüfen (§ 12 SGB V), jedoch ausgehend von der Ideologie der besonderen Therapierichtung.
Die Tragfähigkeit des Denkansatzes der besonderen Therapierichtungen steht demgegenüber nicht zur Disposition. Dieser ist nicht überprüfbar, er kann und darf nicht der Überprüfbarkeit durch staatliche Einrichtungen unterworfen werden. Er ist Teil der Ideologie, die die besonderen Therapierichtungen prägt. Nur auf diesem Weg – Überprüfung der Verbreitung, der allgemeinen Akzeptanz und eines klaren Behandlungskonzepts – ist eine Überprüfung von Qualität und Wirksamkeit der besonderen Therapierichtungen möglich, sodass sie, wie alle anderen medizinischen Leistungen, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen, wobei dieser „allgemein anerkannte Stand“ von dem Standpunkt der besonderen Therapierichtung aus zu prüfen ist, also innerhalb des Systems dieser Therapierichtung verbleibt.
Die weite Verbreitung und Akzeptanz der Alternativmedizin hat dazu geführt, dass deren Behandlungsmethoden ausdrücklich zum Behandlungskonzept der Gesetzlichen Krankenversicherung gehören. Besondere Therapierichtungen – es muss sich um ein Gesamtkonzept handeln – sind grundsätzlich von der Leistungspflicht der GKV umfasst. Ausschlaggebend ist ihre Verbreitung, ihre Akzeptanz in Teilen der Bevölkerung und ihnen immanente Regeln (Binnenanerkennung), die es u. a. erlauben, eine fehlerhafte Behandlung – ausgehend von der Therapierichtung – aufzudecken. Einzelne Maßnahmen sind keine Therapierichtung.

Qualität und Wirksamkeit der Leistungen

  • § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V
  • Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.
Dies erfordert für die Untersuchungs- und Behandlungsmethoden den vollen Nutzennachweis im Sinne der evidenzbasierten Medizin (BSG, Urteil vom 25.03.2021 – B 1 KR 25/20 R). Die vertragsärztliche Behandlung hat sich auf empirische Daten, d. h. auf gesicherte Fakten, verbunden mit gesicherter ärztlicher Erfahrung zu stützen. Sie hat aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse aufzunehmen und umzusetzen. Der „allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse“ stellt ab auf die aktuell herrschende Meinung, also auf die Meinung der großen Mehrheit der Ärzte der entsprechenden Fachrichtung, wobei zu den „besonderen Therapierichtungen“ auf diesen Gliederungspunkt Bezug genommen werden darf. Die herrschende Meinung spiegelt sich wider in:
  • der aktuellen Standardliteratur,
  • Leitlinien, die auf ihre Aktualität zu überprüfen sind und von denen begründet abgewichen werden kann,
  • Konsensempfehlungen,
  • Empfehlungen der jeweils zuständigen medizinischen Fachgesellschaft,
  • Vorträgen und Veröffentlichungen, die aber kritisch dahingehend zu überprüfen sind, ob sie mit dem aktuellen Stand medizinischer Erkenntnisse übereinstimmen und nicht nur eine Einzelmeinung vertreten.
Bei der Beurteilung, ob eine medizinische Leistung dem „allgemein anerkannten Stand“ entspricht, ist abzustellen auf den Zeitpunkt, zu dem sie erbracht wird.
Eine Bandverletzung im Bereich des Sprunggelenkes wird über viele Jahre konservativ behandelt. Dann schwenkt die herrschende Meinung, vertreten durch die führenden Unfallchirurgen und die zuständige Fachgesellschaft, um zur operativen Behandlung, die dann jedoch nach mehreren Jahren wieder verlassen wird zugunsten einer konservativen Behandlung, die sich als effektiver herausgestellt hat.
Folgt der Therapeut dem jeweiligen Wechsel des „allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse“, entspricht die Leistung § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V. Dies ist jedoch auch zu bejahen, wenn er entgegen zeitweise herrschender Meinung bei der konservativen Behandlung von Bandverletzungen verbleibt. Denn der vorübergehende Wechsel zur operativen Behandlung stellte sich im Nachhinein als zu korrigierende Therapie heraus. Bei dieser Sachlage kommt es also nicht auf die herrschende Meinung zum Zeitpunkt der ärztlichen Behandlung an, sondern allein darauf, was die bessere Therapie ist.
Abzustellen ist zudem auf den Stand der medizinischen Erkenntnisse und Vorgaben des Fachgebiets, dessen Teil der Therapeut ist, wobei dieser sich selbstverständlich überzeugenden Erkenntnissen anderer Fachgebiete nicht verschließen darf, diese aber erst nachrangig maßgeblich sind.
Bei der Geburt der Klägerin, einer Frühgeburt im Jahr 1995, kam es zu schweren Komplikationen. Die Klägerin leidet an einer spastischen Tetraparese (Bewegungsstörung beider Arme und Beine) und an einer fokalen Epilepsie. Sie führt diese Funktionseinbußen darauf zurück, dass ihre Mutter in einem Krankenhaus der Grundversorgung entbunden habe und nicht in ein Perinatalzentrum verlegt wurde.
Dazu der BGH (Urteil vom 15.04.2014 – VI ZR 382/12), dessen Ausführungen auch für die Gesetzliche Krankenversicherung Gültigkeit haben:
„Vor diesem Hintergrund ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht weder die am 1. September 1996 erstellte Leitlinie der Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin „Antepartaler Transport von Risiko-Schwangeren“ noch die vom Sachverständigen Prof. Dr. F. vorgelegten Lehrbuchauszüge aus dem Jahr 1997 als geeignet angesehen hat, um dessen Angaben zum Bestehen eines entsprechenden Standards bereits im Juni 1995 maßgeblich zu stützen.“
Einmal habe 1995 eine entsprechende Leitlinie noch nicht bestanden und zum anderen sei für die beklagten Ärzte nicht die Leitlinie der Neonatologen, sondern die der Gynäkologen maßgeblich gewesen, die eine Konzentration risikobehafteter Schwangerschaften in entsprechenden Zentren 1995 nicht vorgesehen habe.
Nicht dem allgemein anerkannten Standard entsprechen die Erprobung neuer Herangehensweisen und die medizinische Forschung. Dies sind keine Leistungen der GKV.
Die ärztliche Behandlung hat dem allgemein anerkannten Standard des Fachgebiets, das der Vertragsarzt vertritt, zu folgen. Maßgebend sind die Erkenntnisse zum Zeitpunkt der Durchführung der ärztlichen Behandlung.

Die lebensbedrohliche Erkrankung

  • § 2 Abs. 1a SGB V
  • (1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.
Der allgemein anerkannte medizinische Standard führt insbesondere in dem Grenzbereich zur Diskussion, in dem es um die Behandlung schwerst bzw. hoffnungslos Erkrankter geht.
§ 2 Abs. 1a SGB V wurde eingeführt durch die Gesetzesänderung vom 01.01.2012 vor dem Hintergrund insbesondere von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“. Der Einführung dieses Satzes war vorausgegangen ein Rechtsstreit, den in letzter Instanz das Bundesverfassungsgericht entschieden hat.
BVerfG (Tenor des Beschlusses vom 06.12.2005 – BvR 347/98)
„Es ist mit den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungs-methode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.“
Der 1994, dem Beginn des Rechtsstreits, 7-jährige gesetzlich Krankenversicherte litt an einer progressiven Muskeldystrophie. Die Krankheit manifestiert sich in den ersten Lebensjahren, ihr prognostizierter Verlauf ist fortschreitend. Die Lebenserwartung ist stark eingeschränkt. Es gibt nach wie vor keine wissenschaftlich anerkannte Therapie, die eine Heilung oder eine nachhaltige Verzögerung des Krankheitsverlaufs bewirken kann. Der Kläger wurde behandelt durch einen nicht zur kassenärztlichen Versorgung zugelassenen Arzt für Allgemeinmedizin mittels Thymuspeptiden, Zytoplasma und homöopathischen Mitteln sowie hochfrequenten Schwingungen („Bioresonanztherapie“). Während eines Zeitraums von 2 ¼ Jahren hatten die Eltern des Klägers einen Betrag von 10.000 DM für diese Behandlung ausgegeben. Der Kläger besuchte eine öffentliche Schule. Er hatte bis zum Jahr 2005 seine Gehfähigkeit zwischenzeitlich verloren.
Aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts dürfen folgende Passagen zitiert werden:
„Es ist mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem grundgesetzlichen Sozialstaatsprinzip nicht vereinbar, den Einzelnen unter den Voraussetzungen des § 5 SGB V einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung zu unterwerfen und für seine an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausgerichteten Beiträge die notwendige Krankheitsbehandlung gesetzlich zuzusagen, ihn andererseits aber, wenn er an einer lebensbedrohlichen oder sogar regelmäßig tödlichen Erkrankung leidet, für die schulmedizinische Behandlungsmethoden nicht vorliegen, von der Leistung einer bestimmten Behandlungsmethode durch die Krankenkasse auszuschließen und ihn auf eine Finanzierung der Behandlung außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung zu verweisen. Dabei muss allerdings die vom Versicherten gewählte andere Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf versprechen. Ein solcher Fall ist hier gegeben. Für die Behandlung der Duchenne'schen Muskeldystrophie steht gegenwärtig allein ein symptomatisches Therapiespektrum zur Verfügung.“
„Die angegriffene Auslegung der leistungsrechtlichen Vorschriften des SGB V durch das Bundessozialgericht ist in der extremen Situation einer krankheitsbedingten Lebensgefahr auch nicht mit der Schutzpflicht des Staates für das Leben aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu vereinbaren. Übernimmt der Staat mit dem System der gesetzlichen Krankenversicherung Verantwortung für Leben und körperliche Unversehrtheit der Versicherten, so gehört die Vorsorge in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung unter den genannten Voraussetzungen zum Kernbereich der Leistungspflicht und der von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geforderten Mindestversorgung.“
Auch Schwerstkranke haben einen Anspruch auf ärztliche Behandlung, „wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.“

Der Anspruch auf Krankenbehandlung

Die Gesetzliche Krankenversicherung folgt dem Solidaritätsprinzip. Die Mitglieder sind in einer Solidargemeinschaft zusammengeschlossen mit der Folge, dass sie grundsätzlich den gleichen Leistungsanspruch haben. Dieses Rahmenrecht verdichtet sich in der Regel erst dann zu einem durchsetzbaren Einzelanspruch, wenn der kraft gesetzlichen Auftrags behandelnde Vertragsarzt (der zur kassenärztlichen Versorgung zugelassene Arzt) festlegt, welche Sach- und Dienstleistungen zur Wiederherstellung oder Besserung der Gesundheit notwendig sind, wobei § 2 Abs. 1a SGB V als Ausnahme von der Regel im Falle „einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung“ oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung dem Versicherten einen durchsetzbaren Einzelanspruch gibt. Im Übrigen erfüllt und begründet der behandelnde Vertragsarzt grundsätzlich die Leistungsverpflichtung der Gesetzlichen Krankenkasse. Das dritte Kapitel des SGB V beinhaltet die gesetzlich definierten Leistungen.
Die Krankenbehandlung ist in den § 20 bis 43c SGB V geregelt.
  • § 27 SGB V Krankenbehandlung
  • (1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst
  • 1. Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
  • 2. zahnärztliche Behandlung,
  • 2a. Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
  • 3. Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen,
  • 4. häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe,
  • 5. Krankenhausbehandlung,
  • 6. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
Ein Anspruch auf Krankenbehandlung setzt voraus, dass eine Krankheit vorliegt. „Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist Krankheit ein regelwidriger körperlicher oder geistiger Zustand, der behandlungsbedürftig ist oder den Versicherten arbeitsunfähig macht“ (BSG, Urteil vom 15.03.2018 – B 3 KR 18/17 R). Die GKV ist nicht für jede Krankheit leistungspflichtig. Voraussetzung ist einmal, dass sie „behandlungsbedürftig“ ist – wobei zwar eine Ausnahme die palliative Versorgung Versicherter macht (§ 27 Abs. 1 Satz 3 SGB V) – oder zum anderen, dass sie zur Arbeitsunfähigkeit führt.

Die behandlungsbedürftige Krankheit

Der Zustand muss objektiv regelwidrig sein. Er muss vom Leitbild des gesunden Menschen abweichen. „Allein das subjektive Empfinden eines Versicherten vermag die Regelwidrigkeit und die daraus abgeleitete Behandlungsbedürftigkeit seines Zustands nicht zu bestimmen. Maßgeblich sind vielmehr objektive Kriterien, nämlich der allgemein anerkannte Stand medizinischer Erkenntnisse“ (BSG, Urteil vom 28.09.2010 – B 1 KR 5/10 R). Auch Entstellungen, z. B. Narben, können objektiven Krankheitswert haben. Dann müssen sie so erheblich sein, dass die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, die soziale Teilhabe, gefährdet ist. Diese umfasst u. a. das politische Leben, kulturelle Aktivitäten sowie bezahlte und unbezahlte Arbeit, wobei die unterschiedlichen Gesellschaftsbereiche immer wieder veränderte Schwerpunkte bilden. Das Leben in der Gemeinschaft ist also keine feststehende Größe.
Auch geistig oder psychisch bedingte Störungen erfüllen den Krankheitsbegriff. Auch sie sind – selbstverständlich – ein regelwidriger Zustand. Ihre Behandlung hat jedoch auf psychiatrischem Fachgebiet zu erfolgen.
Abgelehnt wird die Behandlung psychischer Störungen/Probleme mithilfe eines operativen Eingriffs in den gesunden Körper, vor allem wegen der unsicheren Erfolgsprognose (BSG, Urteil vom 28.09.2010 – B 1 KR 5/10 R), wobei nachfolgender Entscheidung ein Fall zugrunde lag, in dem die körperliche Behandlung einer psychischen Fehlentwicklung tatsächlich zum Erfolg geführt hatte.
Ein 164 cm langer junger Mann ließ operativ eine Beinverlängerung durchführen. Die Klage auf Erstattung der aufgebrachten Kosten wurde abgewiesen mit der Begründung, die Körperlänge habe noch im Normbereich gelegen. Die vorgetragenen psychischen Veränderungen, die vollständige Fixierung auf die erstrebte Beinverlängerung, seien keine Begründung für eine operative Beinverlängerung. „Anderenfalls müßten die Krankenkassen – bei entsprechender psychischer Fixierung – den Versicherten auch kostspielige Schönheitsoperationen gewähren, wenn sie an ihrem – vom Durchschnitt nicht abweichenden – Aussehen leiden. Eine Grenzziehung wäre kaum möglich. Außerdem hätte die Krankenversicherung – unabhängig von der Frage, ob sie zur Übernahme der Kosten für den operativen Eingriff verpflichtet ist – in jedem Falle für Folgeschäden solcher Operationen aufzukommen. Die Leistungspflicht ginge ins Uferlose. Zu Recht hat die Rechtsprechung die Krankenkassen daher bislang nur in den Fällen als leistungsverpflichtet angesehen, in den die Krankenbehandlung unmittelbar an der eigentlichen Krankheit ansetzt.“ (BSG, Urteil vom 10.02.1993 – 1 RK 14/92).
Neben der Regelwidrigkeit des Zustands muss das Behandlungskonzept aber auch wirtschaftlich sein.
Eine junge Frau, die ihre Körperbehaarung vollständig verloren hatte, wollte eine Dauerpigmentierung von Augenbrauen und Wimpern zulasten der Gesetzlichen Krankenkasse durchführen lassen. Dies wurde abgelehnt. Zwar wurde der regelwidrige Körperzustand bejaht, wobei offen gelassen wurde, ob es sich um eine Krankheit oder eine Behinderung handeln würde. Die Dauerpigmentierung sei jedoch nicht wirtschaftlich:
„Danach sind die Ansprüche des Versicherten auf diejenigen Maßnahmen begrenzt, die nach objektiven Maßstäben als ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich anzusehen sind und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (§ 12 Abs 1 SGB V)“. „Das LSG hat festgestellt, dass die Dauerpigmentierung der Haut gegenüber einem Farbauftrag mit marktüblichen kosmetischen Mitteln keinerlei optische Vorteile bietet; die Haltbarkeit über den gesamten Tag hinweg ist bei Kosmetikprodukten in der heutigen Zeit in ähnlicher Weise gegeben. Der einzige Vorteil der begehrten Versorgung wäre die tägliche Zeitersparnis von etwa 20 Minuten für das ohne die Dauerpigmentierung notwendige morgendliche Schminken. Diese zeitliche Belastung ist der Klägerin nach der Einschätzung des LSG zuzumuten“ (BSG, Urteil vom 19.10.2004 – B 1 KR 28/02).
Die Ursache einer Krankheit ist in aller Regel für die Zuständigkeit der Krankenversicherung unerheblich, es sei denn, sie ist ausdrücklich einem anderen Sozialversicherungsträger zugewiesen (Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten z. B. der GUV: § 11 Abs. 5 SGB V).
Der regelwidrige Zustand muss „behandlungsbedürftig“ sein. Zur Wiederherstellung/Verbesserung bzw. zur Verhütung einer Verschlimmerung muss also ärztliche Hilfe erforderlich/notwendig sein.
Nicht „behandlungsbedürftige“ oder besser behandelbare Krankheiten sind z. B. einige Erbkrankheiten.
Krankenbehandlung ist – vor dem Hintergrund der Kostentragung und der Fristenregelung von § 13 Abs. 3a SGB V – abzugrenzen gegenüber Maßnahmen als Teil der Rehabilitation.
  • § 13 Abs. 3a SGB V Kostenerstattung
  • Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden.
Die Klägerin beantragte bei ihrer Krankenversicherung eine ärztlich verordnete Unterschenkelprothese mit einem gegenüber der bisher getragenen Prothese verbesserten Prothesenfuß, zu der sie einen Kostenvoranschlag über 15.664,80 Euro einreichte. Der MDK befürwortete den Prothesenwechsel, empfahl aber zunächst das Austesten anderer billigerer Unterschenkelprothesen. Die beklagte Krankenkasse lehnte den Antrag der Klägerin nach 4 Monaten ab. Diese berief sich auf eine Genehmigung durch Fristablauf (BSG, Urteil vom 15.03.2018 – B 3 KR 18/17 R).
Der Prothesenaustausch unterliegt nur dann der Fristenregelung des § 13 Abs. 3a SGB V, wenn es sich um eine Maßnahme zur „Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung“ handelt (§ 27 SGB V) und nicht um eine Maßnahme zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 1 SGB IX).
  • § 13 Abs. 3a Satz 9 SGB V
  • Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.
„Krankenbehandlung umfasst dabei nach der Definition des § 27 Abs 1 S 1 SGB V die notwendigen Maßnahmen, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.“
Hilfsmittel dienen demgegenüber nicht der Krankenbehandlung. Sie gehören zu den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (SGB IX). Sie betreffen „gerade nicht die kurative Krankenbehandlung iS von § 27 Abs 1 S 1 SGB V, sondern die „Heilbehandlung“, die als Leistung zur medizinischen Rehabilitation z. B. im Rahmen einer stationären oder ambulanten medizinischen Rehabilitation“ „der GKV erbracht wird“. „Durch den vorrangig auf den Teilhabeausgleich gerichteten Zweck der durch eine Rehabilitationseinrichtung erbrachten medizinischen Rehabilitationsmaßnahme wird auch das zur Sicherung dieser Behandlung eingesetzte Hilfsmittel eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation.“
„Die Versorgung der Klägerin mit einer Definitiv-Unterschenkelprothese“ „lässt sich nicht mit Erfolg auf die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a S 6 SGB V stützen, weil S 9 dieser Vorschrift Leistungen zur medizinischen Rehabilitation dem Regelungssystem des SGB IX zuweist und diese Leistungen daher insgesamt nicht vom sachlichen Anwendungsbereich der Genehmigungsfiktion sowie der Regelungen aus § 13 Abs 3a SGB V erfasst werden.“
Krankheit ist ein objektiv regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht.
Krankenbehandlung kann beansprucht werden, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihrer Verschlimmerung entgegenzuwirken oder Krankheitsbeschwerden zu lindern oder wenn das Leben, wenn auch nur begrenzte Zeit, verlängert werden kann.

Die zur Arbeitsunfähigkeit führende Krankheit

Als Alternative zur Behandlungsbedürftigkeit liegt auch dann eine Krankheit vor, wenn sie zur Arbeitsunfähigkeit führt (BSG, Urteil vom 15.03.2018 – B 3 KR 18/17 R).
Arbeitsunfähigkeit ist im Gesetz nicht definiert. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat eine Richtlinie erarbeitet „über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 SGB V (Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie)“ „zuletzt geändert am 17. November 2022, veröffentlicht im Bundesanzeiger (BAnz AT 16.12.2022 B2), in Kraft getreten am 1. Dezember 2022.“ Diese ist sowohl für die Vertragsärzte als auch für den Medizinischen Dienst verbindlich.
„§ 2 Abs. 1: Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn Versicherte auf Grund von Krankheit ihre zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübte Tätigkeit nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausführen können. Bei der Beurteilung ist darauf abzustellen, welche Bedingungen die bisherige Tätigkeit konkret geprägt haben. Arbeitsunfähigkeit liegt auch vor, wenn auf Grund eines bestimmten Krankheitszustandes, der für sich allein noch keine Arbeitsunfähigkeit bedingt, absehbar ist, dass aus der Ausübung der Tätigkeit für die Gesundheit oder die Gesundung abträgliche Folgen erwachsen, die Arbeitsunfähigkeit unmittelbar hervorrufen.“
Maßgeblich ist also das Missverhältnis zwischen zuletzt ausgeübter Tätigkeit und der Fähigkeit des Versicherten zu deren Ausübung, der Vergleich also von Müssen und Können. Arbeitsunfähigkeit ist ein relativer Begriff – abhängig von der jeweils zu verrichtenden Arbeit. Sie hat eine berufliche und eine medizinische Seite, wobei die letztere variiert, je nach den beruflichen Anforderungen. Eine schwere Arbeit verrichtende Person kann arbeitsunfähig sein, während dieselbe Person bei leichter körperlicher Arbeit noch arbeitsfähig wäre. Ob also Arbeitsunfähigkeit vorliegt, ist abhängig von der konkret zu leistenden Arbeit. Der Vertragsarzt, der Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, muss einen Abgleich zwischen den Anforderungen des konkreten, zuletzt ausgefüllten Arbeitsplatzes und der krankheitsbedingten Leistungsminderung treffen. Die Leistungsminderung muss auf einer Krankheit beruhen. Wie stets im Sozialrecht gilt für diese Kausalitätsprüfung die Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung.
Die Verweisung auf einen anderen Arbeitsplatz ist nur im Rahmen des Direktionsrecht des Arbeitgebers möglich. Gemeint ist das Recht des Arbeitgebers „Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher“ zu bestimmen (§ 106 GewO). Nicht gemeint ist eine Änderung des Inhalts des Arbeitsvertrags. Eine an arbeitsplatzbedingten Allergien arbeitsunfähig erkrankte Friseuse kann – auch bei gleichem Gehalt – nicht darauf verwiesen werden, am Empfang tätig zu werden, eine Tätigkeit, in der sie mit den Allergie auslösenden Stoffen nicht in Berührung kommt. Sie ist als Friseuse, als die sie angestellt ist, arbeitsunfähig. Etwas anderes ist es, wenn sie sich freiwillig dazu bereit erklärt und im Einvernehmen mit ihrem Arbeitgeber den Inhalt des Arbeitsvertrages ändert. Dann ist sie nicht mehr arbeitsunfähig. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist nicht gleichzusetzen mit einem Arbeitsverbot.
Die obengenannte Richtlinie zur Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit definiert Ausnahmen für Arbeitslose und für Arbeitnehmer, deren Beschäftigungsverhältnis während der Krankheit gekündigt wird oder endet:
§ 2 Abs. 3 Satz 1 und 2: Versicherte, die arbeitslos sind, ausgenommen Arbeitslose bzw. erwerbsfähige Leistungsberechtigte nach Absatz 3a, sind arbeitsunfähig, wenn sie krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage sind, leichte Arbeiten in einem zeitlichen Umfang zu verrichten, für den sie sich bei der Agentur für Arbeit zur Verfügung gestellt haben. Dabei ist es unerheblich, welcher Tätigkeit die oder der Versicherte vor der Arbeitslosigkeit nachging.
§ 2 Abs. 3a: Erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende – „Hartz IV“) beantragt haben oder beziehen, sind arbeitsunfähig, wenn sie krankheitsbedingt, nicht in der Lage sind, mindestens drei Stunden täglich zu arbeiten oder an einer Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen.
§ 2 Abs. 4: Versicherte, bei denen nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit das Beschäftigungsverhältnis endet und die aktuell keinen anerkannten Ausbildungsberuf ausgeübt haben (An- oder Ungelernte), sind nur dann arbeitsunfähig, wenn sie die letzte oder eine ähnliche Tätigkeit nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausüben können. Die Krankenkasse informiert die Vertragsärztin oder den Vertragsarzt über das Ende der Beschäftigung und darüber, dass die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer an- oder ungelernt ist, und nennt ähnlich geartete Tätigkeiten. Beginnt während der Arbeitsunfähigkeit ein neues Beschäftigungsverhältnis, so beurteilt sich die Arbeitsunfähigkeit ab diesem Zeitpunkt nach dem Anforderungsprofil des neuen Arbeitsplatzes.
Arbeitsunfähigkeit kann auch durch krankheitsbedingte Wegeunfähigkeit bedingt sein. Wer krankheitsbedingt nicht in der Lage ist, seinen Arbeitsplatz zu erreichen, ist arbeitsunfähig. Dies gilt auch, wenn die geforderte, vereinbarte und konkret vor der Erkrankung erbrachte Arbeitsleistung in Form von Homeoffice nicht geleistet werden kann. Die Wegefähigkeit ist grundsätzlichg ein Rechtsbegriff der Gesetzlichen Rentenversicherung. Die dafür aufgestellten Grundsätze sind nur sehr eingeschränkt auf die Gesetzliche Krankenversicherung übertragbar, wenn die Wegeunfähigkeit krankheitsbedingt und nicht behinderungsbedingt ist (s. Unterkapitel: Hilfsmittel). Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls. Wegefähigkeit im Sinne der Gesetzlichen Rentenversicherung ist gegeben,
  • wenn 4 x täglich
  • eine Wegstrecke von mehr als 500 m
  • in einer Zeit von bis zu 20 min einschließlich kurzer Pausen jeweils zu Fuß mit Hilfsmitteln zurückgelegt
  • und 2 x täglich öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeit benutzt werden können.
Wenn der Versicherte aber einen Führerschein hat, die Möglichkeit hat, mit einem Pkw die Arbeitsstelle zu erreichen und ihm dort ein Parkplatz zur Verfügung gestellt wird, sodass er problemlos seinen Arbeitsplatz erreichen kann, ist Wegefähigkeit und damit Arbeitsfähigkeit gegeben, wobei die berufliche Rehabilitation – darauf darf nochmals hingewiesen werden – nicht Aufgabe der Krankenversicherung ist.
Arbeitsunfähig ist, wer bedingt durch eine Erkrankung seine bisherige Erwerbstätigkeit nicht oder nur mit der Gefahr der Verschlimmerung weiter verrichten kann.

Anspruch auf Krankenhausbehandlung

Das die gesamte Gesetzliche Krankenversicherung beherrschende Wirtschaftlichkeitsgebot hat zur Konsequenz, dass die vertragsärztliche Versorgung Vorrang hat vor der Krankenhausbehandlung. Diese bedarf also jeweils einer besonderen Begründung, die vom Leistungserbringer, dem Krankenhaus, zu erfolgen hat.
Welche Einrichtungen/Häuser sind Krankenhäuser im Sinne des SGB V?
  • § 107 Abs. 1 SGB V Krankenhäuser
  • Krankenhäuser im Sinne dieses Gesetzbuchs sind Einrichtungen, die
    • 1. der Krankenhausbehandlung oder Geburtshilfe dienen,
    • 2. fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Leitung stehen, über ausreichende, ihrem Versorgungsauftrag entsprechende diagnostische und therapeutische Möglichkeiten verfügen und nach wissenschaftlich anerkannten Methoden arbeiten,
    • 3. mit Hilfe von jederzeit verfügbarem ärztlichem, Pflege-, Funktions- und medizinisch-technischem Personal darauf eingerichtet sind, vorwiegend durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung Krankheiten der Patienten zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten, Krankheitsbeschwerden zu lindern oder Geburtshilfe zu leisten,
  • und in denen
    • 4.die Patienten untergebracht und verpflegt werden können.
Anspruch auf Behandlung besteht nur in für die Krankenhausbehandlung zugelassenen Krankenhäusern.
  • § 108 Zugelassene Krankenhäuser
  • Die Krankenkassen dürfen Krankenhausbehandlung nur durch folgende Krankenhäuser (zugelassene Krankenhäuser) erbringen lassen:
    • 1. Krankenhäuser, die nach den landesrechtlichen Vorschriften als Hochschulklinik anerkannt sind,
    • 2. Krankenhäuser, die in den Krankenhausplan eines Landes aufgenommen sind (Plankrankenhäuser), oder
    • 3. Krankenhäuser, die einen Versorgungsvertrag mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen abgeschlossen haben.
Ein Anspruch eines Krankenhauses auf Abschluss eines Versorgungsvertrages (§ 108 Nr. 3 SGB V) besteht nicht. Vielmehr führt § 109 Abs. 3 Fälle auf, in denen ein Krankenhaus nicht zur Versorgung gesetzlich Versicherter zugelassen werden darf.
Die Krankenhausbehandlung ist Teil der Krankenbehandlung (§ 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB V). Sie wird „vollstationär, stationsäquivalent, teilstationär, vor und nachstationär sowie ambulant“ erbracht (§ 39 Abs. 1 STGB V).
Die „vollstationäre“ Behandlung ist die Regelbehandlung.
Unter einer „stationsäquivalenten“ Behandlung wird eine Behandlung in der häuslichen Umgebung des Versicherten verstanden, ein Behandlungskonzept, das im Rahmen des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen (PsychVVG) entwickelt wurde, welche durch mobile ärztlich geleitete multiprofessionelle Behandlungsteams erbracht wird (§ 115d SGB V).
Eine „teilstationäre“ Behandlung ist z. B. im Rahmen der Onkologie angezeigt. Versicherte werden zu vorausbestimmten Terminen stundenweise stationär aufgenommen, z. B. zur Durchführung einer Chemotherapie. Sie ist an die vollstationäre Behandlung angelehnt.
Eine „vor- und nachstationäre“ Behandlung (§ 115 a SGB V) wird erbracht und ist durch ein Krankenhaus zulässig, um
1.
„die Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung zu klären oder die vollstationäre Krankenhausbehandlung vorzubereiten (vorstationäre Behandlung) oder
 
2.
im Anschluß an eine vollstationäre Krankenhausbehandlung den Behandlungserfolg zu sichern oder zu festigen (nachstationäre Behandlung)“.
 
Zugelassen sind (aufgrund Vertrages der dafür zuständigen Parteien) auch „ambulante“ Operationen (§ 115 b SGB V). Sie sind im Rahmen ihrer Zulassung Teil der Krankenhausbehandlung und nehmen zu – insbesondere unter Berücksichtigung der Personalprobleme der Krankenhäuser und aus Kostengründen.
Der Aufnahme in ein Krankenhaus liegt in aller Regel die Einweisung durch den Vertragsarzt zugrunde. Diese setzt voraus, dass der Versicherte an einer Krankheit leidet, die aus allein medizinischen Gründen den Einsatz der besonderen Mittel des Krankenhauses bedarf, die zur Behandlung geeignet, ausreichend, erforderlich und wirtschaftlich sind.
Das Krankenhaus hat eigenständig zu prüfen, ob die „vollstationäre oder stationsäquivalente Behandlung“ durch das Krankenhaus erforderlich, also wirtschaftlich ist, „weil das Behandlungsziel nicht durch die kostengünstigere teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann“ (Auszug aus § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Es gibt zahlreiche höchstrichterliche Entscheidungen dazu, wann bereits eine Aufnahme in ein Krankenhaus vorliegt oder wann es sich erst um eine Aufnahmeuntersuchung oder eine Notfallbehandlung handelt ohne stationäre Aufnahme. Der Grund sind Fallpauschalen und/oder Tagessätze für Krankenhausbehandlungen, die die Aufnahme in das Krankenhaus bedingen. Nur als Beispiel für die aufgezeigten Fragen nachfolgender Fall:
Die gesetzlich Krankenversicherte wurde mit einem Rettungswagen in das betreffende Krankenhaus eingeliefert. Gesichert wurde eine Einblutung in das Gehirn. Diese wurde gesichert durch eine computertomographische Untersuchung. Die Versicherte wurde zunächst zur Überwachung und künstlichen Beatmung (Intubation) in den Schockraum des Krankenhauses gelegt und anschließend in eine neurochirurgische Klinik verbracht (BSG, Urteil vom 18.05.2021 – B 1 KR 11/20 R).
Dazu das BSG:
1.
„Die einer Aufnahme in die stationäre Behandlung vorausgehende Aufnahmeuntersuchung dient auch bei einer Notfallbehandlung der Klärung, ob eine (voll-)stationäre Behandlung des Versicherten erforderlich und vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses umfasst ist, ohne dass die hierzu vorgenommenen Untersuchungen bereits die Aufnahme in das Krankenhaus begründen.
 
2.
Maßnahmen der Notfallbehandlung, wie sie in einem Schockraum typischerweise vorgenommen werden, sind der vertragsärztlichen Versorgung zuzurechnen und aus der Gesamtvergütung zu vergüten, wenn sich daran keine stationäre Behandlung im erstangegangenen Krankenhaus anschließt.“
 
Eine stationäre Aufnahme ist dann zu bejahen, wenn der gesetzlich Versicherte in die Organisation des Krankenhauses integriert ist.
„Von einer vollstationären Krankenhausbehandlung ist jedenfalls dann auszugehen, wenn der Patient nach der Entscheidung des Krankenhausarztes mindestens einen Tag und eine Nacht ununterbrochen im Krankenhaus versorgt werden soll. Maßgeblich ist hierbei nicht die tatsächliche Behandlungsdauer im Krankenhaus, sondern die zur Zeit der Aufnahmeentscheidung auf Grundlage des hierbei getroffenen Behandlungsplans prognostizierte. Denn eine einmal auf Grundlage der Aufnahmeentscheidung des Krankenhausarztes erfolgte physische und organisatorische Eingliederung des Patienten in das spezifische Krankenhausversorgungssystem kann grundsätzlich nicht rückwirkend entfallen, etwa indem ein Versicherter gegen ärztlichen Rat auf eigenes Betreiben das Krankenhaus noch am selben Tag wieder verlässt. Gleiches gilt für den Fall, dass die Prognose zur stationären Behandlungsbedürftigkeit aufgrund der bei der Aufnahme erkennbaren Umstände objektiv zutreffend war, sich jedoch nachträglich als unzutreffend herausstellte.“
Die eigenständige Prüfungspflicht, ob eine Krankenhausaufnahme und damit die damit verbundenen Leistungen angefallen sind, betrifft jedoch nicht nur die in § 39 SGB V aufgeführte stationäre Behandlung, sondern jegliche Krankenhausbehandlung, auch wenn nur die Aufnahme zur stationären Behandlung in § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V benannt ist.
Der Versicherte war im Rahmen einer teilstationären Behandlung zu einer Chemotherapie einbestellt. Der Versicherte gab an, an diesem Tag unter Durchfall zu leiden und Hautrötungen im Bereich der Hände und Füße zu haben. Die beabsichtigte Chemotherapie wurde daraufhin nicht durchgeführt. Das Krankenhaus rechnete dennoch den für eine teilstationäre Behandlung vereinbarten Betrag mit der Krankenkasse ab mit der Begründung, der Versicherte habe die gemäß festem Therapieplan getaktete Chemotherapie an diesem Tag abgebrochen.
Jede, auch jede teilstationäre Behandlung, setzt die Beurteilung durch das Krankenhaus voraus, ob die Behandlung durch dieses wirtschaftlich ist. Um dies entscheiden zu können, ist eine Aufnahmeuntersuchung erforderlich, die bei teilstationärer Behandlung jedem einzelnen Behandlungstag vorauszugehen hat. Die Aufnahmeuntersuchung kann abgerechnet werden, nicht jedoch die teilstationäre Behandlung, auch wenn erst am Tag der stationären Aufnahme die Entscheidung fällt, dass die beabsichtigte Behandlung nicht durchgeführt werden kann und damit nicht erforderlich ist. Der Versicherte hat die Behandlung nicht abgebrochen. Diese wurde vielmehr – im Rahmen der Aufnahmeuntersuchung – an diesem Tag nicht für sinnvoll, das heißt für erforderlich, gehalten. Damit steht dem Krankenhaus kein Vergütungsanspruch für diese zu (BSG, Urteil vom 19.04.2016 – B 1 KR 4 R).
Eine Aufweichung des Gebots der Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs. 1 Satz 3) findet sich in § 137c Abs. 3 SGB V:
  • § 137c Abs. 3 SGB V
  • Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung nach Absatz 1 getroffen hat, dürfen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt und von den Versicherten beansprucht werden, wenn sie das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist. Dies gilt sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag nach Absatz 1 Satz 1 gestellt wurde, als auch für Methoden, deren Bewertung nach Absatz 1 noch nicht abgeschlossen ist.
Während bis zur Entscheidung des BSG vom 25.03.2021 (B 1 KR 25/20 R) auch alternative Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der Krankenhäuser, zu denen bisher keine Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses vorlag, die also weder genehmigt noch abgelehnt waren, dem strengen Prüfungsmaßstab von § 2 Abs. 1 Satz 3 – „Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen“ – unterzogen wurden, machte das BSG mit der Entscheidung vom 25.03.2021 eine Kehrtwendung unter Berufung auf den Wortlaut und die Gesetzesmaterialien zu diesem Paragrafen.
Die gesetzlich Versicherte ließ eine Liposuktion (ein chirurgischer Eingriff, bei dem Fettgewebe durch Absaugen entfernt wird) durchführen. Die Erstattung der Kosten für zwei Eingriffe lehnte ihre Krankenkasse ab unter Hinweis darauf, dass die Liposuktion nicht dem „allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse“ entspreche.
Diese Entscheidung entsprach der bis dahin geltenden Rechtsprechung, die einwandfreie wissenschaftliche Studien verlangte, ehe eine Behandlungsmethode nach § 137c Abs. 3 SGB V akzeptiert wurde. Dieses Qualitätsgebot war danach für jede Behandlung zu beachten.
Am 25. März 2021 hatte das BSG darüber zu entscheiden, ob der Versicherten die Kosten der Liposuktion zu ersetzen waren, obwohl im Behandlungszeitpunkt diese Behandlungsmethode nicht den Anforderungen an das Qualitätsgebot gemäß § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V entsprach. Das BSG änderte seine Rechtsprechung grundlegend, was knapp aber deutlich dem Terminsbericht zu entnehmen ist:
„Soweit der Senat außerhalb von Erprobungsrichtlinien für den Anspruch Versicherter auf Krankenhausbehandlungen auch nach Inkrafttreten des § 137c Abs. 3 SGB V an seiner Rechtsprechung festgehalten hat, dass für die dabei eingesetzten Methoden der volle Nutzennachweis im Sinne eines evidenzgestützten Konsenses der großen Mehrheit der einschlägigen Fachleute erforderlich ist, gibt er seine Rechtsprechung auf. § 137c Abs. 3 SGB V beinhaltet eine partielle Einschränkung des allgemeinen Qualitätsgebots. Dies folgt aus dem Wortlaut der Regelung und der Normgeschichte des § 137c SGB V unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien.“
Das BSG stellt allerdings auch klar, dass § 137c Abs. 3 SGB V gleichwohl restriktiv auszulegen ist. Vor Erlass einer entsprechenden Erprobungsrichtlinie soll der Anspruch auf die Versorgung mit solchen Potenzialleistungen (möglichen Leistungen) nur im Rahmen eines individuellen Heilversuchs möglich sein, wenn
1.
eine schwerwiegende, die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung vorliegt,
 
2.
keine andere Standardbehandlung verfügbar ist und
 
3.
die einschlägigen Regelungen der Verfahrensordnung des G-BA für die Annahme des Potenzials einer erforderlichen Behandlungsalternative erfüllt sind, wobei dies eine formale Anforderung ist.
 
Die Krankenhausbehandlung ist Teil der Krankenbehandlung (§ 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB V). Das Krankenhaus hat eigenständig zu prüfen, ob die „vollstationäre oder stationsäquivalente Behandlung“ durch das Krankenhaus erforderlich, also wirtschaftlich ist. Eine Aufweichung des Gebots der Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs. 1 Satz 3) findet sich in § 137c Abs. 3 SGB V.

Krankengeld

  • § 46 Satz 1 SGB V Entstehen des Anspruchs auf Krankengeld
  • Der Anspruch auf Krankengeld entsteht
    • 1. bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41) von ihrem Beginn an,
    • 2. im Übrigen von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an.
  • § 44b Krankengeld für eine bei stationärer Behandlung mitaufgenommene Begleitperson aus dem engsten persönlichen Umfeld
  • § 45 Krankengeld bei Erkrankung des Kindes
Ein Krankengeldanspruch setzt also voraus:
1.
stationäre Behandlung
 
2.
krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, wenn der Versicherte seinen aktuellen beruflichen Aufgaben nicht nachkommen kann oder sich die Krankheit verschlimmern würde, wenn er weiterarbeiten würde
 
3.
bei stationärer Aufnahme mitaufgenommene Begleitperson
 
4.
Erkrankung eines Kindes
 
Das Krankengeld ersetzt bei gesetzlich Versicherten in den zuvor genannten 4 Fällen den krankheitsbedingten Ausfall des Arbeitsentgelds. Es setzt ein nach dessen Wegfall (§ 49 SGB V), also in der Regel nach 6 Wochen. Während dieser 6 Wochen ist der Arbeitgeber zur „Entgeldfortzahlung“ (§ 3 EntgFG) verpflichtet.
Voraussetzung jeden Krankengeldanspruchs ist, dass der Ausfall des Arbeitsentgelds mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich auf den oben aufgeführten Gründen (1. bis 4.) beruht (Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung). Kein Anspruch auf Krankengeld besteht demgegenüber, wenn die Krankheit und damit die Gründe für den Ausfall des Arbeitsentgelds vorsätzlich herbeigeführt werden (§ 52 Abs. 1 SGB V). Das Krankengeld kann zudem versagt werden, wenn die Krankheit auf Gründen beruht, für die die Gesetzliche Krankenversicherung nicht einsteht, z. B. für operative Eingriffe am gesunden Körper (§ 52 Abs. 2 SGB 5).
§ 48 SGB V regelt den Zeitraum, für den Krankengeld bezahlt wird.
  • § 48 Abs. 1 SGB V Dauer des Krankengeldes
  • (1) Versicherte erhalten Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch für längstens achtundsiebzig Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an. Tritt während der Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit hinzu, wird die Leistungsdauer nicht verlängert.
Interpretationsprobleme macht der Begriff „derselben Krankheit“ in § 48 Abs. 1 SGB V. Erleidet ein Versicherter durch einen Verkehrsunfall zahlreiche Verletzungen, so handelt es sich um dieselbe Krankheit. Ist ein Versicherter Allergiker und kommt es nach Phasen der Arbeitsfähigkeit immer wieder zu allergischen Reaktionen mit der Folge von Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, handelt es sich um dieselbe Krankheit. Dasselbe gilt, wenn der Versicherte unter einem schweren Kalksalzmangel (Osteoporose) leidet, der immer wieder Knochenbrüche zur Folge hat. Die Knochenbrüche sind nur die Symptome der Grunderkrankung. Anders ist dies, wenn es bei einem Versicherten infolge zunächst klinisch stummer Arthrose zu einem operativ zu behandelnden Verschleiß des Hüftgelenks rechts und deutlich später auch links kommt. Ursächlich sowohl für den Verschleiß des rechten wie des linken Hüftgelenks ist die klinisch stumme Arthrose, eine Schadensanlage also, nicht dieselbe Krankheit.
Von den zuvor genannten Fällen, „derselben Krankheit“ im medizinischen Sinn, ist zu unterscheiden dieselbe Krankheit im Rechtssinn. Handelt es sich um dieselbe Krankheit im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB V, wenn zu der zur Arbeitsunfähigkeit führenden Krankheit eine zweite Krankheit hinzutritt, die ihrerseits Arbeitsunfähigkeit begründet? Gilt auch dann, dass nur für insgesamt 78 Wochen Krankengeld zu zahlen ist. Streitig war insbesondere die Bedeutung der Worte „Tritt … hinzu“.
Der Versicherte bezieht Krankengeld wegen einer Arbeitsunfähigkeit begründenden Radikulopathie ab 01.02.2018. Während dieser Arbeitsunfähigkeit tritt nach 70 Wochen als weitere Erkrankung, die ebenfalls für ein weiteres Jahr Arbeitsunfähigkeit begründet, eine Depression hinzu. Die Frist von 78 Wochen ab dem 01.02.2018 für den Bezug von Krankengeld innerhalb eines Dreijahreszeitraums verlängert sich durch das Hinzutreten der Depression nicht.
Abgestellt wird also für die Beantwortung der Frage, ob der Zeitraum von 78 Wochen innerhalb von 3 Jahren auch im vorgestellten Beispielsfall gilt, auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit, nicht auf den Beginn einer bestimmten Krankheit. Arbeitsunfähig war der Versicherte aber ab dem 01.02.2018. Die zweite Krankheit muss aber zur ersten hinzutreten. Sie müssen also beide wenigstens einen Tag lang zur Arbeitsunfähigkeit geführt haben. Wann dies im Einzelnen der Fall ist, dazu das BSG (Urteil vom 08.11.2005 – B 1 KR 27/04 R):
1.
„Ein Hinzutreten während der Arbeitsunfähigkeit iS von § 48 Abs 1 Satz 2 SGB V liegt unter Berücksichtigung von Wortlaut, Systematik sowie nach Sinn und Zweck der Regelung auch dann vor, wenn zeitgleich mit dem Vorliegen oder Wiedervorliegen einer zur Arbeitsunfähigkeit führenden ersten Erkrankung unabhängig von dieser Krankheit zugleich eine weitere Krankheit die Arbeitsunfähigkeit des Versicherten bedingt. Es reicht insoweit aus, die Krankheiten zumindest an einem Tag zeitgleich nebeneinander bestanden haben.“ „Wie in der Rechtsprechung bereits geklärt und in der Literatur weitgehend unumstritten ist, tritt eine Krankheit dagegen jedenfalls nicht mehr „hinzu“ (sondern ist in ihren Rechtsfolgen eigenständig zu beurteilen), wenn sie erst am Tage nach Beendigung der bisherigen Arbeitsunfähigkeit oder noch später auftritt.“
 
2.
„Gleiches gilt bei Versicherten, bei denen wegen des Nebeneinanders verschiedener gravierender akuter oder chronischer Leiden von Anfang an eine Multi- oder Polymorbidität bzw Polypathie besteht;“ „denn in Bezug auf die Anspruchsdauer des Krankengeldes behandelt das Gesetz den Versicherten, der von vornherein an mehreren Krankheiten leidet und der deshalb arbeitsunfähig ist, nicht anders als denjenigen, bei dem „nur“ ein einziges Leiden die Arbeitsunfähigkeit auslöst.“
 
3.
„Die aufgezeigte Sichtweise bereitet geringe Probleme, wenn es z. B. darum geht zu bestimmen, ob das Auftreten einzelner gesundheitlicher Beeinträchtigungen in Zusammenhang mit einer bereits früher einmal aufgetretenen Krankheitssymptomatik steht. Handelt es sich um dieselbe Krankheits-Gesamtproblematik wie schon zuvor oder um einen Teil dieser ursprünglichen Problematik, muss auch dann von „derselben Krankheit“ ausgegangen werden, wenn die „Ausgangserkrankung“ in einem Bündel nebeneinander vorhanden gewesener Krankheiten bestand. In diesem Fall teilt die wieder aufgetretene Erkrankung (im Sinne eines Minus) das rechtliche Schicksal der ursprünglichen Erkrankungen.“
 
Krankengeld wird also innerhalb einer Blockfrist von 3 Jahren lediglich für einen Zeitraum von 78 Wochen gezahlt, wenn die weitere Krankheit wenigstens einen Tag mit der bereits vorhandenen manifest wird, wenn von Anfang an verschiedene Krankheiten vorliegen oder wenn nur eine von verschiedenen Krankheiten, die gebündelt zunächst vorlagen, später wieder manifest wird. In diesen Fällen handelt es sich im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 um dieselbe Krankheit.
Nicht dieselbe Krankheit (Arbeitsunfähigkeit wegen einer Herzkranzgefäßerkrankung) liegt jedoch vor, wenn es nach einer Herzkranzgefäßerkrankung, die zunächst nicht weiter zur Arbeitsunfähigkeit führt, zu eine Handverletzung kommt, in deren Verlauf die Herzkranzgefäßerkrankung wieder manifest wird und erneut Arbeitsunfähigkeit begründen würde, wenn nicht bereits Arbeitsunfähigkeit wegen der Handverletzung gegeben wäre (BSG, Urteil vom 21.06.2011 – B 1 KR 15/10 R). Die Handverletzung tritt der Herzkranzgefäßerkrankung nicht hinzu. Sie folgt dieser nach. Nur weil Arbeitsunfähigkeitszeiten beider Krankheiten irgendwann zusammentreffen, folgt daraus nicht eine gegenseitige zeitliche Begrenzung des Krankengeldanspruchs.
Es fragt sich, wie sich die Begrenzung der Arbeitsunfähigkeit auf 78 Wochen in § 48 Abs. 1 SGB V auf die Blockfristen des § 48 Abs. 2 auswirkt.
Die Einführung des SGB V durch Gesetz vom 20.12.1988 verschärfte die Voraussetzungen, unter denen nach Ablauf der ersten und jeder weiteren Blockfrist weiterhin Krankengeld für dieselbe Krankheit beansprucht werden konnte.
  • § 48 Abs. 2 SGB V Dauer des Krankengeldes
  • Für Versicherte, die im letzten Dreijahreszeitraum wegen derselben Krankheit für achtundsiebzig Wochen Krankengeld bezogen haben, besteht nach Beginn eines neuen Dreijahreszeitraums ein neuer Anspruch auf Krankengeld wegen derselben Krankheit, wenn sie bei Eintritt der erneuten Arbeitsunfähigkeit mit Anspruch auf Krankengeld versichert sind und in der Zwischenzeit mindestens sechs Monate
  • 1. nicht wegen dieser Krankheit arbeitsunfähig waren und
  • 2. erwerbstätig waren oder der Arbeitsvermittlung zur Verfügung standen.
Innerhalb einer erneuten Blockfrist kann Krankengeld wegen „derselben Krankheit“ also nur bezogen werden, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: Die Person
  • ist eine versicherte Person,
  • war in einem Zeitraum von 6 Monaten wegen derselben Krankheit nicht arbeitsunfähig,
  • war erwerbstätig bzw. stand der Arbeitsvermittlung zur Verfügung.
Für Versicherte, die seit vielen Jahren erwerbsunfähig waren, entfiel also mit der Kodifikation des SGB V der Anspruch auf Krankengeld für die Zukunft. Damit hatten Versicherte, die die Wartezeiten der Gesetzlichen Rentenversicherung (§ 34 SGB VI) nicht erfüllt hatten, weder Rentenansprüche noch Ansprüche auf Krankentagegeld. Dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschluss vom 24.03.1998 – 1 BvL 6/92) wurde deshalb folgende Frage gestellt:
Ist „§ 48 Abs. 2 mit Art. 14 Abs. 1 GG insoweit vereinbar“, „als auch bei Versicherten, bei denen der Versicherungsfall vor seinem Inkrafttreten eingetreten ist und die auf Dauer arbeits- und erwerbsunfähig sind, ohne daß sie einen Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung haben, der Krankengeldanspruch nur unter den erschwerten Bedingungen des neuen Rechts wiederaufleben kann“.
Dazu das BVerfG
„Verfassungsrechtlich ist der Gesetzgeber nicht gehalten, die Lücke im Schutz der gesetzlichen Rentenversicherung, die im Falle des Eintritts der Erwerbsunfähigkeit vor der Erfüllung von Wartezeiten besteht, durch die lebenslange Zahlung von Krankengeld zu schließen“.
„Das Vertrauen der Versicherten auf den unveränderten Fortbestand einer über viele Jahre gewährten Rechtsposition ist zwar grundsätzlich hoch einzuschätzen“. „Die Schutzwürdigkeit einer solchen Vertrauensposition endet auch regelmäßig erst dann, wenn der Gesetzgeber eine Änderung beschlossen hat.“ „Andererseits mußte bei der Gewährung von Krankengeld im Falle einer andauernden Arbeitsunfähigkeit über mehrere Dreijahreszeiträume hinweg immer mit einer Änderung der Rechtspraxis durch den Gesetzgeber gerechnet werden, weil eine solche Leistung auf unbegrenzte Zeit nicht in das System der Krankenversicherung paßte.“
So auch das BSG, Urteil vom 08.11.2005 – B 1 KR 27/04 R
„Wie in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bereits wiederholt betont worden ist, beruht die dargestellte Begrenzung der Leistungsdauer des Krankengeldes maßgeblich auf der Erwägung, dass es in erster Linie der gesetzlichen Rentenversicherung obliegt, bei dauerhaft eingetretener Erwerbsminderung des Versicherten Entgeltersatzleistungen zur Verfügung zu stellen, während die gesetzliche Krankenversicherung typischerweise nur für den Ausgleich des entfallenden laufenden Arbeitsentgelts bei vorübergehenden, d. h. behandlungsfähigen Gesundheitsstörungen eintritt.“
Nachfolgend geht es um die Frage, ob die verschärften Anforderungen des § 48 Abs. 2 SGB V für den Bezug von Krankengeld nach Ablauf einer Blockfrist auch dann gelten, wenn die erste Erkrankung während des Krankengeldbezugs ausheilt, die forbestehende Arbeitsunfähigkeit jedoch durch die zweite Erkrankung begründet ist. Diese Frage ist zu verneinen.
Dem Versicherten wird Arbeitsunfähigkeit bescheinigt mit der Diagnose Bandscheibenschaden. Der „Dreijahreszeitraum“, die Blockfrist also, während der für längstens 78 Wochen Krankengeld bezogen werden kann, läuft am 02.12.2022 ab. Am 15.12.2020 tritt Arbeitsunfähigkeit hinzu mit der Diagnose Magen-Darmerkrankung. Der Bandscheibenschaden heilt nach Durchführung einer operativen Behandlung am 07.06.2022 aus. Es verbleibt die Magen-Darmerkrankung. Deren Blockfrist läuft ab am 14.12.2023. Wird der Versicherte also innerhalb des Zeitraums 07.06.2022 bis 14.12.2023 wegen der Magen-Darmerkrankung arbeitsunfähig krank, ohne dass wegen dieser Erkrankung bereits Arbeitsunfähigkeit über einen Zeitraum von 78 Wochen vorgelegen hat, so besteht ein Anspruch auf Krankengeld, ohne dass die erschwerenden Voraussetzungen von § 48 Abs. 2 SGB V erfüllt sein müssen.
Ein Krankengeldanspruch kommt in Betracht bei:
1.
Stationärer Behandlung
 
2
Krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit
 
3
Bei stationärer Aufnahme mit aufgenommene Begleitperson
 
4.
Erkrankung eines Kindes
 
Krankengeld wird gezahlt für höchstens 78 Wochen innerhalb von 3 Jahren (Blockfrist). Interpretationsprobleme macht in diesem Zusammenhang der Begriff „derselben Krankheit“ in § 48 Abs. 1 SGB V.

Hilfsmittel

  • § 33 SGB V Hilfsmittel
  • (1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind.
Entscheidend ist die Erforderlichkeit im Einzelfall, um die in § 33 SGB V definierten Ziele zu erreichen. Diese Ziele sind:
  • Erfolg der Krankenbehandlung
  • Vorbeugung einer drohenden Behinderung
  • Ausgleich einer Behinderung.
Nicht zu den Zielen der GKV gehören demgegenüber die berufliche und soziale Wiedereingliederung.
„Im Vordergrund steht der Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst. Bei diesem sog. unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts“ „Dabei kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist.“
„Daneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen. Im Rahmen dieses sog mittelbaren Behinderungsausgleichs geht es nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines nicht behinderten Menschen. Denn Aufgabe der GKV ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation,“ „also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme.“ „Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist daher von der GKV nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft.“ „Nach ständiger Rechtsprechung gehören zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums“ (BSG, Urteil vom 18.05.2011 – B3 KR 12/10 R)
Zur Diskussion stand die Verordnung eines „Rollstuhl-Bikes“, dessen Reichweite deutlich über die „Erschließung eines gewissen körperlichen“ „Freiraums“ hinausging, also zur Erschließung des Nahbereich der Wohnung grundsätzlich nicht erforderlich war. Der Rechtsstreit wurde an das Instanzgericht zurückverwiesen, da Feststellungen dazu fehlten, ob im Einzelfall die Behinderung so ausgeprägt war, dass ein „Rollstuhl-Bike“ erforderlich war, um dem Versicherten die „Erschließung eines gewissen körperlichen „Freiraums“ zu ermöglichen.
Die Verordnung eines Hilfsmittels muss „ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich“ sein (§ 92 SGB V). Dazu liegen Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses vor (Hilfsmittel-Richtlinie/HilfsM-RL, zuletzt geändert am 18. März 2021, veröffentlicht im BundesanzeigerBAnz: AT 15.04.2021 B3), wobei entscheidend jedoch jeder Einzelfall ist.

Heilmittel

  • § 32 SGB V Heilmittel
    • (1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Heilmitteln, soweit sie nicht nach § 34 ausgeschlossen sind.
Versicherte haben also Anspruch auf verschreibungspflichtige (§ 32 SGB V) Heilmittel. Der „Begriff des Heilmittels (§ 32 SGB V)“ ist „auf nichtärztliche medizinische Dienstleistungen beschränkt“ (BSG, Beschluss vom 08.02.2000 – B 1 KR 3/99 S) bzw. auf Dienstleistungen, die einem Heilzweck dienen, einen Heilerfolg sichern und nur von entsprechend ausgebildeten Leistungserbringern erbracht werden können.
Der Gemeinsame Bundesausschuss hat dazu die „Richtlinie über die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (HeilM-RL)“ – letzte Änderung zum 01.01.2023 – erlassen: „Die Richtlinie regelt die Verordnung von Heilmitteln durch Vertragsärztinnen und Vertragsärzte sowie durch Krankenhäuser im Rahmen des Entlassmanagements, insbesondere die Voraussetzungen, Grundsätze und Inhalte der Verordnungsmöglichkeiten sowie die Zusammenarbeit der Vertragsärztinnen und Vertragsärzte mit den Heilmittelerbringerinnen und Heilmittelerbringern. Bestandteil der Richtlinie ist ein Verzeichnis verordnungsfähiger Maßnahmen (Heilmittelkatalog) und eine Diagnoseliste zum langfristigen Heilmittelbedarf. Zudem sind in der Richtlinie vom G-BA geprüfte, nicht verordnungsfähige Heilmittel aufgeführt.“

Begutachtung

Dem Medizinischen Dienst kommt die Aufgabe der Begutachtung und Beratung zu und zwar zu allen Fragen, die im Rahmen der GKV streitig werden können. Ihm steht dazu ein umfangreiches im Detail gesetzlich geregeltes Informationsrecht und Ermittlungsrecht zu (§§ 275-277 SGB V).
Öffentlichkeitswirksam sind insbesondere Gutachten zu Behandlungsfehlern.
  • § 275 Abs. 3 SGB V Begutachtung und Beratung
  • Die Krankenkassen können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst prüfen lassen,
  • 4. ob Versicherten bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern ein Schaden entstanden ist (§ 66).
  • Der Medizinische Dienst hat den Krankenkassen das Ergebnis seiner Prüfung nach Satz 1 Nummer 4 durch eine gutachterliche Stellungnahme mitzuteilen, die auch in den Fällen nachvollziehbar zu begründen ist, in denen gutachterlich kein Behandlungsfehler festgestellt wird, wenn dies zur angemessenen Unterrichtung des Versicherten im Einzelfall erforderlich ist.
Während sich das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) in den §§ 630a-630h (Arzthaftpflichtrecht) mit den Pflichten des Arztes und Beweisgrundsätzen bei deren Verletzung auseinandersetzt, bezieht sich die Prüfungspflicht des Medizinichen Dienstes ausschließlich auf den behandlungsfehlerbedingten Schaden. Das Vorliegen eines Behandlungsfehlers ist zwar insofern relevant, als der behandlungsfehlerbedingte Schaden an diesen anknüpft. Dies unterscheidet Gutachten und Statistiken des MdK von entsprechenden Veröffentlichungen einzelner Gutachterkommissionen, die auf den Fehler abstellen und den – den Versicherten eigentlich interessierenden – Schaden außen vor lassen. Erklärlich ist dies aufgrund einer teilweise unterschiedlichen Zielsetzung. Gutachten der Gutachterkommissionen dienen auch der Vermeidung von Fehlern nicht nur der Ermittlung des individuellen Schadens, wie dies die Aufgabe des MdK ist.
Erfüllen kann der MdK seine Aufgabe nur, wenn ihm die entsprechenden Daten zur Verfügung stehen. Dies ist durch die § 276 SGB V und § 284 SGB V umfassend gegeben.
  • § 276 Abs.1 Satz 1 und 2 Zusammenarbeit
  • (1) Die Krankenkassen sind verpflichtet, dem Medizinischen Dienst die für die Beratung und Begutachtung erforderlichen Unterlagen vorzulegen und Auskünfte zu erteilen.
  • (2) Der Medizinische Dienst darf Sozialdaten erheben und speichern sowie einem anderen Medizinischen Dienst übermitteln, soweit dies für die Prüfungen, Beratungen und gutachtlichen Stellungnahmen nach den §§ 275 bis 275d erforderlich ist.
  • § 284 Sozialdaten bei den Krankenkassen
  • (1) Die Krankenkassen dürfen Sozialdaten für Zwecke der Krankenversicherung nur erheben und speichern, soweit diese für
  • 5. die Unterstützung der Versicherten bei Behandlungsfehlern, erforderlich sind.
Dies darf an einem Fallbeispiel aufgezeigt werden. Außerordenlich häufig sind Gutachten nach Auftreten von Druckgeschwüren. In diesen Gutachten wird ein behandlungsfehlerbedingter Schaden nahezu routinemäßig unterstellt:
Die Patientin wurde wegen einer plötzlich aufgetretenen deutlichen Verschlimmerung einer chronischen, mit einer Verengung der Atemwege verbundenen Lungenerkrankung (COPD) stationär eingewiesen. Es folgte eine Behandlung auf der Intensivstation von 16 Tagen und anschließend von 9 Tagen auf der Normalstation bis zur Entlassung aus stationärer Behandlung. Im Entlassungsbericht ist ein Dekubitus, ein Druckgeschwür, im Bereich des Gesäßes Grad 2 beschrieben. Nach 7 Tagen wurde die Patientin erneut stationär aufgenommen. Befundet wurde ein Druckgeschwür Grad 4, das 11 Tage später operativ behandelt wurde.
Es stellt sich die Frage, ob die Entwicklung eines Druckgeschwürs ein beherrschbares Risiko ist – dann tragen die Therapeuten die Beweislast (§ 630h Abs. 1 BGB) – oder ob unvermeidbare Behandlungsrisiken und Vorerkrankungen dabei eine solche Rolle spielen, so dass es bei der allgemeinen Verteilung der Beweislast verbleibt, dass derjenige, der Ansprüche geltend macht, die Voraussetzungen dafür beweisen muss. Dazu das OLG Dresden (Beschluss vom 30.22.2021 – 4 U 1764/21):
„Voll beherrschbare Risiken sind dadurch gekennzeichnet, dass sie durch die Klinik oder Praxisbetrieb gesetzt und durch dessen ordnungsgemäße Gestaltung – wie sachgerechte Organisation und Koordinierung des Behandlungsgeschehens –. objektiv voll ausgeschlossen werden können und müssen. Sie sind allerdings abzugrenzen von den Gefahren, die aus den Unwägbarkeiten des menschlichen Organismus bzw. den Besonderheiten des Eingriffs in diesen Organismus erwachsen und deshalb der Patientensphäre zuzurechnen sind.“
Überträgt man diese Grundsätze auf das Druckgeschwür, ist diesen Ausführungen ohne Einschränkung zuzustimmen. Ursächlich für das Druckgeschwür kann unzureichende Pflege und mangelnde Aufmerksamkeit gegenüber dieser Komplikation sein. Mitursächlich oder allein ursächlich können aber auch – gerade bei Intensivpatienten, die oft durch den Anschluss an unterschiedliche Apparate schwer zu lagern sind – pflegerische Zwänge und vor allem Vorerkrankungen sein, die dazu führen, dass die Haut besonders anfällig gegenüber Druck ist.
Die Beantwortung dieser Fragen ist verantwortlich nur möglich, wenn dem MdK ein umfassender Zugriff zu den entsprechenden Behandlungsinformationen, zu Vorerkrankungen und deren Verlauf gewährt wird. Leider lassen gerade Gutachten zu Druckgeschwüren diese unabdingbaren Informationen oft vermissen.
Ein zweiter Schwerpunkt sind Gutachten zur Arbeitsunfähigkeit.
  • § 275 SGB V Begutachtung und Beratung
  • (1) Die Krankenkassen sind in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet,
  • 3. bei Arbeitsunfähigkeit
    • a) zur Sicherung des Behandlungserfolgs, insbesondere zur Einleitung von Maßnahmen der Leistungsträger für die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, oder
    • b) zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen.
  • (1a) Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Nr. 3 Buchstabe b sind insbesondere in Fällen anzunehmen, in denen
    • a) Versicherte auffällig häufig oder auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig sind oder der Beginn der Arbeitsunfähigkeit häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder am Ende einer Woche fällt oder
    • b) die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt worden ist, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden ist.
  • Die Prüfung hat unverzüglich nach Vorlage der ärztlichen Feststellung über die Arbeitsunfähigkeit zu erfolgen. Der Arbeitgeber kann verlangen, daß die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einholt. Die Krankenkasse kann von einer Beauftragung des Medizinischen Dienstes absehen, wenn sich die medizinischen Voraussetzungen der Arbeitsunfähigkeit eindeutig aus den der Krankenkasse vorliegenden ärztlichen Unterlagen ergeben.
  • (1b) Die Krankenkassen dürfen für den Zweck der Feststellung, ob bei Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen ist, im jeweils erforderlichen Umfang grundsätzlich nur die bereits nach § 284 Absatz 1 rechtmäßig erhobenen und gespeicherten versichertenbezogenen Daten verarbeiten. Sollte die Verarbeitung bereits bei den Krankenkassen vorhandener Daten für den Zweck nach Satz 1 nicht ausreichen, dürfen die Krankenkassen abweichend von Satz 1 zu dem dort bezeichneten Zweck bei den Versicherten nur folgende versichertenbezogene Angaben im jeweils erforderlichen Umfang erheben und verarbeiten:
    • 1. Angaben dazu, ob eine Wiederaufnahme der Arbeit absehbar ist und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt eine Wiederaufnahme der Arbeit voraussichtlich erfolgt, und
    • 2. Angaben zu konkret bevorstehenden diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die einer Wiederaufnahme der Arbeit entgegenstehen.
  • Abweichend von Satz 1 dürfen die Krankenkassen zu dem in Satz 1 bezeichneten Zweck im Rahmen einer Anfrage bei dem die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellenden Leistungserbringer weitere Angaben erheben und verarbeiten. Den Umfang der Datenerhebung nach Satz 7 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 unter der Voraussetzung, dass diese Angaben erforderlich sind
    • 1. zur Konkretisierung der auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufgeführten Diagnosen,
    • 2. zur Kenntnis von weiteren diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die in Bezug auf die die Arbeitsunfähigkeit auslösenden Diagnosen vorgesehenen sind,
    • 3. zur Ermittlung von Art und Umfang der zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübten Beschäftigung oder
    • 4. bei Leistungsempfängern nach dem Dritten Buch zur Feststellung des zeitlichen Umfangs, für den diese Versicherten zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen.
Die Aufklärungs- und Ermittlungsmöglichkeiten der Krankenkasse sind also genau umschrieben, aber umfangreich, wobei nicht im SGB V aufgeführte Ermittlungsmöglichkeiten den Krankenkassen nicht erlaubt und damit rechtswidrig sind. Sie dürfen also z. B. keinen Detektiv einschalten.
Die Begutachtung von Arbeitsunfähigkeit hat auf der Grundlage des ICF (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit) zu erfolgen. Darzustellen und ins Verhältnis zu setzen sind also die beruflichen Anforderungen und die Fähigkeiten des Versicherten (s. Unterkapitel: Die zur Arbeitsunfähigkeit führende Krankheit).
Ein dritter Schwerpunkt ist die Überprüfung ärztlicher Abrechnungen.
  • § 275 SGB V Begutachtung und Beratung
  • (1) Die Krankenkassen sind in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet,
    • 1. bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung …
  • eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen …“
Diese Überprüfung ist einzelfallbezogen.