Skip to main content
Pädiatrie
Info
Publiziert am: 24.09.2019

Adenovirus-Infektionen bei Kindern und Jugendlichen

Verfasst von: Marcus Panning und Johannes Forster
Adenoviren vermehren sich primär in den Epithelien der Schleimhäute und erzeugen dabei typische (Keratokonjunktivitis epidemica, pharyngokonjunktivales Fieber) und untypische (Bronchitis, Pneumonie, Gastroenteritis) Krankheitsbilder. Eine spezifische Diagnostik ist bei den gastroenteritischen Erkrankungen durch Schnelltest, bei den übrigen durch PCR möglich. Die Therapie ist primär supportiv. Schwererkrankte können mit Cidofovir (deutliche Nebenwirkungen), Immuninkompetente mit Adenovirus-spezifischem adoptivem Immuntransfer (experimentell) behandelt werden.
Epidemiologie
Adenoviren verursachen im Kindesalter hauptsächlich Krankheiten der Atemwege und des Darms, seltener Krankheiten der Harnwege, der Lymphorgane, sehr selten kardiologische und neurologische Krankheitsbilder.
Adenovirus-Infektionen werden nur von Mensch zu Mensch übertragen (Schmier- oder Tröpfcheninfektion, fäkal-oral). Sie treten das ganze Jahr über auf, insbesondere mit gastroenteritischen Symptomen. Konjunktivale/pharyngeale Krankheiten kommen häufiger im Sommer, Infektionen der Atemwege häufiger im Winter vor. Nosokomiale Infektionen sind beschrieben.
Durch diaplazentar übertragene mütterliche neutralisierende Antikörper sind die meisten Kinder bis etwa zum 6. Lebensmonat vor klinisch schweren Manifestationen geschützt. Wenn Neugeborene und junge Säuglinge erkranken, verläuft die Infektion überwiegend sehr schwer. Die meisten Adenovirus-Infektionen treten zwischen dem 6. Lebensmonat und dem 5. Lebensjahr auf. Mit 5 Jahren haben 70–80 % der Kinder neutralisierende Antikörper gegen Typ 1 und 2 sowie 50 % gegen Typ 5.
Insgesamt sind Adenoviren für etwa 25 % der Atemwegsinfektionen und 10–15 % der gastrointestinalen Infektionen im Kindesalter verantwortlich.
Ätiologie
Adenoviren sind hüllenlose Doppelstrang-DNA-Viren und sind sehr umweltresistent. Die DNA liegt in einem Kapsid (Eikosaeder) aus 240 sechseckigen Untereinheiten (Hexone) vor, welche das gruppenspezifische Antigen tragen; 12 Untereinheiten sind fünfeckig (Pentone) und tragen mit den Fibern das typenspezifische Antigen. Gegenwärtig (2018) sind 7 humanpathogene Adenovirusspezies (A–G) mit >60 Typen bekannt. Tab. 1 zeigt eine Auswahl der durch sie ausgelösten Krankheitsbilder.
Tab. 1
Gruppen und Serotypen humaner Adenoviren
Spezies
Typ
Infektionsort und Krankheitsbild
A
12, 18, 31
Gastroenteritis, z. B. bei Kindern
B1
3, 7, 16, 21
Atemwege, Auge, Darm
B2
11, 14, 34, 35
Harnwege (hauptsächlich bei immunsupprimierten Patienten) und Atemwege
C
1, 2, 5, 6
Atemwege und generalisiert (vor allem mit Hepatitis) bei immunsupprimierten Patienten
D
8–10, 13, 15, 17, 19, 20, 22–30, 32, 33, 36–39, 42–49
Augeninfektion allgemein; gastrointestinale Krankheiten bei immunsupprimierten Patienten
E
4
Augen und Atemwege
F
40, 41
Gastroenteritis
G
52
Gastroenteritis
Pathogenese
Primär infiziert werden die Schleimhäute des Auges und der oberen Atemwege. Von dort aus gelangt das Virus an das Epithel der Bronchien und des Darms. Es führt zu zytopathogenen Effekten und ruft dadurch eine Nekrose des Epithels hervor. Es ist in den Zellkernen dieser Zellen als Einschlusskörper oder durch DNA-Nachweis zu finden. Der Entzündungsort wird durch ein mononukleäres Infiltrat umschlossen. Virämie findet statt, führt jedoch nur bei immunsupprimierten Patienten zu allgemeiner Organbeteiligung. Immungesunde Patienten entwickeln gelegentlich ein Exanthem, das auf Gefäßschädigung im Rahmen der Virämie zurückgeht.
Klinische Symptome
Die klinischen Symptome richten sich nach dem betroffenen Organsystem.
Akute respiratorische Krankheiten
Diese treten 2–4 Tage nach der Ansteckung auf und sind klinisch von Krankheiten, die durch andere Erreger hervorgerufen sind, nicht zu unterscheiden. Die häufigsten Erreger sind die Typen 1, 2, 3, 5 und 6.
Obere Atemwege
Eine typische Manifestation ist die isolierte Pharyngitis mit Fieber und Exsudation.
Das pharyngokonjunktivale Fieber ist ein typisches Syndrom, das häufig durch Typ 3 ausgelöst wird: 4- bis 5-tägiges hohes Fieber, zusammen mit ausgeprägter Pharyngitis und entsprechender präaurikulärer und zervikaler Adenopathie sowie nichteitriger Konjunktivitis und Rhinitis.
Pneumonie
Im Kindesalter sind bis zu 5–10 % der Pneumonien durch Adenoviren verursacht. Sehr selten kommen dabei die „einseitig helle Lunge“ oder Residuen vor, wie Bronchiektasen, Bronchiolitis obliterans oder Lungenfibrose.
Konjunktivitis und Keratokonjunktivitis
Die typische follikuläre Konjunktivitis und Keratokonjunktivitis tritt oft epidemisch (Typ 8, 19, 37) im Sommer und in Gemeinschaftseinrichtungen auf. Zu beachten ist, dass Virusnachweise von der Bindehaut bei Keratokonjunktivitis (ICD-10 B30.0 und 30.1) nach dem Infektionsschutzgesetz (IFSG) meldepflichtig sind.
Gastrointestinale Infektionen
Adenoviren (Typ 40 und 41) werden als Gastroenteritiserreger ganzjährig gefunden, es treten jedoch auch viele asymptomatische Fälle auf, sodass die Ätiologie immer etwas zweifelhaft bleibt. Eine mechanische Ursache für Invaginationen können die durch Adenovirus-Infektionen angeschwollenen Lymphfollikel des Darms sein. Adenoviren sind auch im lymphatischen Gewebe bei Appendizitis gefunden worden.
Hämorrhagische Zystitis
Hier findet sich ein typisches, plötzlich einsetzendes Krankheitsbild mit Hämaturie (Typ 11 und 21) und Dysurie für 1–2 Wochen.
Reye-Syndrom und ähnliche Syndrome
Typische Reye-Syndrome sind nach Infektionen mit verschiedenen Adenovirus-Typen gefunden worden, ein Reye-ähnliches Syndrom nach Adenovirus-Typ-7-Infektion mit Bronchopneumonie, Krampfanfällen, Hepatitis und disseminierter intravasaler Gerinnung.
Infektionen bei Neugeborenen und immundefizienten Patienten
Bei Neugeborenen und Menschen mit T-Zell-Defekten führt ein Multiorganbefall (Lunge, Leber, Niere, ZNS) mit Adenoviren zu schweren und oft tödlichen Krankheiten. Kinder mit B-Zell-Defekt können chronische Meningoenzephalitiden durchmachen.
Diagnose
Gegenwärtiger Laborstandard zum Nachweis von Adenovirus-Infektionen sind molekulare Nachweisverfahren. Antigen-Nachweise zeigen eine teilweise deutlich reduzierte Sensitivität und Spezifität. Die Diagnostik bei akuter Atemwegsinfektion gelingt mit Multiplex-PCR. Die Diagnostik und Bestimmung der Viruslast bei schwer erkrankten Patienten geschieht mithilfe quantitativer Real-time-PCR. Bei allen Virusnachweisverfahren ist zu bedenken, dass klinisch asymptomatische Infektionen im Darm und chronische Virusausscheidungen aus lymphatischem Gewebe (Tonsillen) vorkommen können, sodass positive Tests nicht immer zwingend auch die Ätiologie beweisen.
Bei schwer kranken Patienten soll die antivirale Therapie von dem PCR-Nachweis im Blut abhängig gemacht werden. Serologische Tests sind für die Akutdiagnostik obsolet.
Differenzialdiagnose
Die durch Adenovirus ausgelösten Krankheiten der Atemwege können in ähnlicher Form auch durch Parainfluenzaviren, RSV (respiratory syncytial virus) und Influenzaviren ausgelöst werden, prominente Lymphadenopathien auch durch Epstein-Barr-Virus oder Zytomegalievirus. Pulmonale Krankheiten, vor allem beim Schulkind, können gleichermaßen durch Mycoplasma pneumoniae oder Chlamydia pneumoniae hervorgerufen sein.
Konjunktivale und korneale Krankheiten werden auch durch Herpes-simplex-Virus, Varicella-Zoster-Virus und Chlamydien ausgelöst.
Therapie
Eine spezifische Behandlung der leichten Krankheitsformen ist nicht nötig, bei schweren systemischen Verläufen und bei immunsupprimierten Patienten ist die virusstatische Therapie immer noch experimentell und mit deutlichen Nebenwirkungen belastet. Die günstigste Nutzen/Schaden-Relation scheint eine niedrigdosierte Cidofovir-Therapie (3-mal 1 mg/kg KG 3-mal pro Woche mit begleitender Nephroprotektion) zu haben. Bei immunsupprimierten Patienten kann es nötig sein, zusätzlich die Immunsuppression zu lockern.
Prognose
Die Prognose der Adenovirus-Infektionen ist im Allgemeinen gut, zweifelhaft aber bei schweren Pneumonien in jedem Lebensalter wie auch bei generalisierten Infektionen im Neugeborenen- und frühen Säuglingsalter sowie bei immunsupprimierten Patienten. Bei letzteren ist die Prognose von der Zahl der funktionellen T-Zellen bestimmt.
Weiterführende Literatur
Ganapathi L, Arnold A, Jones S, Patterson A, Graham D, Harper M, Levy O (2016) Use of cidofovir in pediatric patients with adenovirus infection. Version 2. F1000Res 5:758. https://​doi.​org/​10.​12688/​f1000research.​8374.​2. [Revised 2016 Jan 1] eCollection 2016. PubMed PMID: 27239277; PubMedCentral PMCID: PMC4863673CrossRefPubMedPubMedCentral
Hiwarkar P, Kosulin K, Cesaro S, Mikulska M, Styczynski J, Wynn R, Lion T (2018) Management of adenovirus infection in patients after haematopoietic stem cell transplantation: state-of-the-art and real-life current approach: a position statement on behalf of the infectious diseases working party of the European society of blood and marrow transplantation. Rev Med Virol 28(3):e1980. https://​doi.​org/​10.​1002/​rmv.​1980. Epub 2018 Apr 16. ReviewCrossRefPubMed
Krause JC, Panning M, Hengel H, Henneke P (2014) The role of multiplex PCR in respiratory tract infections in children. Dtsch Arztebl Int 111(38):639–645. https://​doi.​org/​10.​3238/​arztebl.​2014.​0639CrossRefPubMedPubMedCentral
Vora SB, Brothers AW, Englund JA (2017) Renal toxicity in pediatric patients receiving cidofovir for the treatment of adenovirus infection. J Pediatric InfectDis Soc 6(4):399–402. https://​doi.​org/​10.​1093/​jpids/​pix011CrossRef