Allgemeines
Prinzipiell und bewiesen bleibt die Therapie der akuten Appendizitis
nach wie vor die Appendektomie. In letzter Zeit stellen sich zwei Fragen bezüglich des Zeitpunkts und der Methode der Appendektomie:
Konservative Therapie
Parenterale Flüssigkeitszufuhr, Nahrungskarenz und Bettruhe stellen die konservativen Maßnahmen dar, die bei einer subakuten oder beginnenden Appendizitis eingeleitet werden. Eine Überwachung mit erneuter Evaluation nach einigen Stunden ist absolut notwendig.
In den letzten Jahren wird zunehmend die Notwendigkeit infrage gestellt, die Appendix immer zu entfernen. Die Appendix ist ein Teil des Immunsystems und trägt zum Heilungsprozess bei intestinalen Inflammationen bei. Weiterhin ist die Appendektomie mit einer gewissen Morbidität, sogar Mortalität behaftet. Die Vorstellung, dass sich eine Entzündung der Appendix stets zu einer Gangrän und schließlich zur Perforation entwickelt, ist nicht gesichert.
Eine zunehmende Zahl von Publikationen unterstützt den Einsatz von
Antibiotika anstelle von Operationen zur Behandlung von Patienten mit unkomplizierter akuter Appendizitis. Die APPAC (Appendicitis Acuta) multizentrische, randomisierte klinische Studie (Salminen et al.
2015) wurde bei Erwachsenen mit durch CT bestätigter Appendizitis durchgeführt, mit einem Follow-up von 1 Jahr. Nur 27,3 % der mit Antibiotika behandelten Patienten benötigten eine Appendektomie.
Es ist also nicht klar, ob
Antibiotika allein die geeignete Behandlung für eine unkomplizierte Appendizitis als Alternative zur Operation sind (Rollins et al.
2016; Sallinen et al.
2016). In der Praxis könnte eine antibiotische Therapie für Patienten, die hochgradig bei einer Operation gefährdet sind oder eine Operation ablehnen, als geeignet betrachtet werden.
Bei einer primären Antibiotikabehandlung wird berichtet, dass ein Fünftel der Patienten eine Wiederaufnahme innerhalb eines Jahres mit rezidivierenden Symptomen erwartet (Rollins et al.
2016; Sallinen et al.
2016), die nicht komplizierter ist als eine ohne Behandlung der Appendizitis. Durch die kurze Nachbeobachtungszeit sind zurzeit das lebenslange Rezidivrisiko und das Risiko eines subklinisch befallenen Neoplasmas unbekannt. Die operierten Patienten hatten einen kürzeren Krankenhausaufenthalt, allerdings hatten ca. 7 % eine höhere Komplikationsrate im Vergleich zu 3 % in der Antibiotika-Gruppe (Wilms et al.
2011).
Anscheinend gibt es verschiedene Formen des Appendizitisverlaufs und Ziel weiterer Studien muss es sein, die Differenzierung dieser Verläufe zu erkennen, damit die schweren Formen von einer Notfalloperation bzw. die milderen Formen von einer konservativen Therapie profitieren. Allerdings scheint es bis jetzt so, dass die Therapie mit
Antibiotika als primäre Behandlung nur bei leichter bis mittelschwerer unkomplizierter Appendizitis angewandt werden sollte (Teixeira et al.
2012). Das Rezidivrisiko sollte beim Vergleich mit dem Risiko von Komplikationen nach einer Appendektomie geringer sein (Eko et al.
2013).
Das
lokalisierte perityphlitische Infiltrat beim stabilen Patienten stellt die Indikation dar für eine Sonderform der konservativen Therapie bei der Appendizitis. Diese entzündliche Masse besteht aus entzündetem Appendix, Omentum und Darmschlingen. Antibiotikagabe und parenterale Ernährung unter strenger klinischer Kontrolle können die Therapie bis zur Rückbildung des Infiltrats sein. Danach erfolgt die Intervallappendektomie, das Ochsner-Sherren-Regime, welches seit 1901 eingeführt wurde. Ein in dieser Zeit entwickelter perityphlitischer
Abszess wird zusätzlich mit einer Drainage versorgt, gefolgt von der Intervallappendektomie.
Studien in den 1990er-Jahren haben gezeigt, dass frühe chirurgische Intervention eine wirksame Alternative zur der o. g. konservativen Therapie sein kann, wobei der gesamte Krankenhausaufenthalt reduziert wird und sich die Notwendigkeit einer zweiten Aufnahme erübrigt (Arshad et al.
2008; Price et al.
1996).
Gegenwärtig gibt es keinen Konsens über die Behandlung des perityphlitischen Infiltrats
, obwohl in großen Studien die Intervalllappendektomie nicht gerechtfertigt war, da 95 % der Patienten konservativ ohne Rezidiv behandelt wurden (Kaminski et al.
2005; Deakin und Ahmed
2007).
Laparoskopie
Bei unklaren Befunden ist eine diagnostische Laparoskopie mit evtl. Appendektomie gerechtfertigt (Abschn.
4.4), im Vergleich zu der wesentlich höheren Morbidität einer verschleppten oder gar perforierten Appendizitis.
Die Laparoskopie mit einem Trokar kann Klarheit verschaffen. Ist eine Appendizitis
diagnostiziert, kann die Therapie angeschlossen werden, ansonsten kann diagnostisch nach einer anderen Pathologie gesucht werden. Insbesondere bei jungen Mädchen in der
Pubertät, die eine größere Anzahl an Differenzialdiagnosen mit sich bringt, kann die diagnostische Laparoskopie erheblich zur Senkung der negativen Appendektomie
beitragen (Moberg et al.
1998). Beispielsweise sollte eine diagnostische Laparoskopie durchgeführt werden, wenn es nach einer Verlaufsbeobachtung zu keiner Besserung gekommen ist. Es ist aber wichtig, die Eltern darauf hinzuweisen, dass es sich um einen chirurgischen Eingriff mit den entsprechenden Risiken (Morbidität 5 %) handelt.
Andererseits stellt sich die Frage, ob man während einer diagnostischen Laparoskopie wegen Verdachts auf akute Appendizitis eine makroskopisch blande Appendix entfernen sollte. Gründe für eine Appendektomie wären z. B. die
neurogene Appendikopathie, die laut Literatur bei bis zu 53 % der Fälle histologisch nachgewiesen werden kann und bei der eine Symptombesserung nach Appendektomie eintritt (Güller et al.
2001). Allerdings ist die Definition der neurogenen Appendikopathie umstritten. Ein anderer Grund wäre die sog.
Innenschichtappendizitis, bei der nur die Mukosa betroffen ist und von außen die Entzündung nicht sichtbar ist.
Der Autor hat hingegen in einer prospektiven Studie gezeigt, dass die Appendix belassen werden kann, wenn sie nicht entzündet ist. Wichtig dabei ist die Aufklärung der Eltern und des Kindes, dass in der Zukunft eine Appendizitis trotzdem möglich ist. Diese Befunde wurden auch in einer Studie aus Holland bestätigt, bei der die Patienten nach in situ belassener makroskopisch unauffälliger Appendix 4 Jahre lang beobachtet wurden. Nur in 1 % der Fälle entwickelte sich eine Appendizitis, was dem normalen Life-time-Risiko entspricht. 90 % der Patienten waren nach 4 Jahren beschwerdefrei (Van den Broek et al.
2001).
Somit wird empfohlen, eine blande Appendix in situ zu belassen, wenn eine andere Ursache für die Beschwerden gefunden wird.
Wenn dagegen keine pathologischen Befunde während der Laparoskopie zu finden sind, sollte die Entscheidung für eine Gelegenheitsappendektomie von Fall zu Fall getroffen werden (Phillips et al.
2009; Slotboom et al.
2014; Lee et al.
2014), und zwar unter Berücksichtigung von folgenden Überlegungen:
-
Risiko, Schaden zu verursachen, indem der Blinddarm in situ gelassen wird, nachdem er fälschlicherweise als normal betrachtet wurde,
-
Lebenszeitrisiko des Patienten, später eine Blinddarmentzündung zu entwickeln,
-
Lebenszeitrisiko des Patienten, später ein Malignom zu entwickeln,
-
Risiko von chirurgischen Komplikationen durch Entfernung einer histologisch normalen Appendix.
Die laparoskopische Appendektomie ist heute die Methode der Wahl, da mehrere
Metaanalysen und zahlreiche randomisierte Studien klare Vorteile belegen (Esposito et al.
2012; Alkhoury et al.
2012).
Die laparoskopische Appendektomie mit 3 Ports (three port laparoscopic appendectomy, TPLA
) ist die am häufigsten durchgeführte minimalinvasive Prozedur im Kindesalter und gleichzeitig die Einstiegsoperation für die laparoskopische Ausbildung. Neuerdings wird die Appendektomie auch mit SILA (single incision laparoscopic appendectomy) durchgeführt (s. unten), wobei die vorhandenen Daten keinen klaren Vorteil zwischen TPLA und SILA aufzeigen. Der einzige scheinbare Vorteil ist kosmetisch – ein Aspekt, welcher noch kontrovers diskutiert wird (Iqbal und Ostlie
2012).
Konversion ist keine Komplikation, sondern eine Notwendigkeit, wenn die Sicht, aber v. a. die Übersicht verloren geht.
Konventionelle Appendektomie