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Enzyklopädie der Schlafmedizin
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Publiziert am: 24.01.2020

Atmung beim Schlaf in großer Höhe

Verfasst von: Christian Reinhardt, Tobias Raupach und Stefan Andreas
Nächtliche Atmungsstörungen in großen Höhen sind gekennzeichnet durch regelmäßige zu- und abnehmende Atemzugvolumina mit Phasen der Apnoe oder der Hyperpnoe. Diese Atmungsstörungen werden als periodische Atmung bezeichnet (high-altitude periodic breathing, HAPB). Gemäß ICSD-3 sind sie konstituierend für die Zentrale Schlafapnoe infolge periodischer Atmung in großer Höhe (central sleep apnea due to high altitude periodic breathing), eine von acht Formen der Zentralen Schlafapnoesyndrome. Phänomenologisch und pathophysiologisch bestehen Ähnlichkeiten zur periodischen Atmung oder Cheyne-Stokes-Atmung bei Patienten mit Herzinsuffizienz.

Englischer Begriff

ventilation and sleep at high altitude

Definition

Nächtliche Atmungsstörungen in großen Höhen sind gekennzeichnet durch regelmäßige zu- und abnehmende Atemzugvolumina mit Phasen der Apnoe oder der Hyperpnoe. Diese Atmungsstörungen werden als periodische Atmung bezeichnet (high-altitude periodic breathing, HAPB). Gemäß „ICSD-3“ sind sie konstituierend für die Zentrale Schlafapnoe infolge periodischer Atmung in großer Höhe (central sleep apnea due to high altitude periodic breathing), eine von acht Formen der „Zentrale Schlafapnoesyndrome“. Phänomenologisch und pathophysiologisch bestehen Ähnlichkeiten zur periodischen Atmung oder Cheyne-Stokes-Atmung bei Patienten mit Herzinsuffizienz. („Herzinsuffizienz und Schlafbezogene Atmungsstörungen“).
Grundlagen
Da immer mehr Menschen sich meist kurzfristig in den Bergen aufhalten, werden höhenbedingte Erkrankungen zunehmend beobachtet (Bloch et al. 2015). Hypoxie ist der Hauptgrund für höhenbedingte Erkrankungen, doch auch andere Stressoren des sympathischen Nervensystems, zum Beispiel Kälte und Anstrengung, tragen zur Krankheitsentstehung und -progression bei. Obwohl von Person zu Person verschieden, äußern sich Symptome der höhenbedingten Erkrankungen normalerweise erst in Höhen von über 2500 m und typischerweise in einer von vier Formen:
  • akute Höhenkrankheit (acute moutain sickness, AMS);
  • höhenbedingtes Hirnödem (high-altitude cerebral edema, HACE);
  • höhenbedingtes Lungenödem (high-altitude pulmonary edema, HAPE);
  • periodische Atmung im Schlaf.
Bei Höhen über 4000 m tritt bei einem großen Teil der Personen eine gestörte nächtliche Atmung auf (Hackett 1999; Weil 2004). Die drei anderen genannten höhenbedingten Erkrankungen treten in diesen Höhen noch nicht regelhaft auf. Erkrankungen, die sich in Höhenlagen einstellen, sollten primär auf die Höhe zurückgeführt werden. Die Behandlung besteht am einfachsten durch einen Abstieg in niedrigere Lagen. Die Gabe von Sauerstoff oder pharmakologische Interventionen sind ebenfalls effektiv. Unter keinen Umständen sollte eine Person, die unter sich verschlechternden Symptomen der höhenbedingten Erkrankung leidet, einen Abstieg verzögern.
Zum potenziellen Einfluss ethnischer oder genetischer Unterschiede auf die nächtliche Atmung im Schlaf in großer Höhe gibt es keine wirklich aussagekräftigen Untersuchungen (Bloch et al. 2015). Analog den Beobachtungen bei der periodischen Atmung bei Herzinsuffizienz mag eine niedrigere Atemantwort auf Hypoxie und Hyperkapnie bei Frauen ein gewisser Schutz vor Atmungsstörungen in der Höhe sein. Dies konnte in kontrollierten Studien bestätigt werden (Caravita et al. 2015; Lombardi et al. 2013).

Pathophysiologie

Der inspiratorische Sauerstoffpartialdruck beträgt 150 mmHg in Seehöhe, 95 mmHg auf 4000 m und 56 mmHg auf 8000 m. Bei Teilnehmern einer Everest-Expedition ließ sich in einer Höhe von ca. 5300 m eine arterielle Sauerstoffsättigung von etwa 90 % nachweisen. Diese fiel in 8400 m bis auf 54 % ab (Grocott et al. 2009). Die akute Hypoxie führt zu einem Anstieg des Atemminutenvolumens mit konsekutiver Hypokapnie. Die so entstehende Alkalose wird metabolisch kompensiert. Da die Alkalose einen hemmenden Einfluss auf den Atemantrieb hat, führt die metabolische Kompensation zu einer weiteren Zunahme des Atemminutenvolumens. Diese Adaptation verläuft über einen Zeitraum von etwa 5–10 Tagen. Weitere Adaptationsmechanismen betreffen das kardiovaskuläre System und die Blutbildung.
Zum Ende des 19. Jahrhunderts hatten Douglas und Haldane bereits Experimente mit variierenden Kombinationen von freiwilliger Hyperventilation, Sauerstoffverabreichung, Kohlendioxidabsorbern und Totraumatmung durchgeführt, um Mechanismen der periodischen Atmung zu erklären. Es zeigte sich, dass Hypoxie und Hypokapnie in der Pathogenese der periodischen Atmung eine zentrale Rolle spielen. Dies wurde später durch die erfolgreiche Therapie der periodischen Atmung in Höhenlagen durch die Gabe von Sauerstoff und Kohlendioxid bestätigt (Berssenbrugge et al. 1983). Mehrere Studien zeigten außerdem, dass Versuchspersonen, die eine ausgeprägte Atemantwort auf Hypoxie aufwiesen, eine vermehrte periodische Atmung in Höhenlagen entwickelten. Dies wird eindrücklich durch geschlechtsspezifische Untersuchungen untermauert (Caravita et al. 2015; Lombardi et al. 2013). Die periodische Atmung in der Höhe reflektiert den Wechsel von respiratorischer Stimulation bei Hypoxie und anschließender Inhibition durch die durch Hyperventilation herbeigeführte Hypokapnie. Dies führt zu einer Oszillation des rückgekoppelten Regelkreises der Atmung. Die periodische Atmung tritt fast ausschließlich im Schlaf auf, da im Schlaf stabilisierende kortikale Einflüsse auf das Atemzentrum weitestgehend ausgefallen sind. Damit wird die Atmung überwiegend über Chemorezeptoren gesteuert. Periodische Atmung nimmt während der Akklimatisation über mehrere aufeinander folgende Tage in mittlerer Höhenlage (bis ca. 3500m) ab. In Höhen >4500 m wurde hingegen eine Zunahme der periodischen Atmung während der Akklimatisation beobachtet (Bloch et al. 2015). Offenbar wird die Atemantwort auf Hypoxie und Hypokapnie höhenabhängig unterschiedlich reguliert. (Siehe auch „Atmung“.)
Konsequenzen der periodischen Atmung
In Studien mit simulierter großer Höhenlage (Operation Everest II) war das nächtliche Aufwachen eher mit Apnoen als mit Hyperpnoen assoziiert. Manche Versuchspersonen zeigten verstärktes Aufwachen in der Höhenlage ohne periodisches Atmen. In einer Studie an 16 Probanden in einer Höhe von ca. 4500 m fand sich eine Besserung der Schlafarchitektur nach drei Tagen Aufenthalt, obwohl die periodische Atmung im gleichen Zeitraum zunahm (Nussbaumer-Ochsner et al. 2012a). Dies deutet daraufhin, dass die Hypoxie an sich das Erwachen auslöst (Netzer und Strohl 1999). Weiter tragen die mechanischen Folgen der Hyperpnoe zum Aufwachen bei.
Es wurde postuliert, dass ein periodisches Atmungsmuster mechanische und energetische Vorteile hat, indem die hohen Atemzugvolumina während Hyperpnoe die alveoläre (vs. Totraum-) Ventilation verstärken, während eine Apnoe Energie sparen könnte. Des Weiteren reduziert die niedrigere Luftdichte in Höhenlagen wahrscheinlich die Anstrengung, die das verstärkte Atemzugvolumen während der Hyperpnoephase mit sich bringt.
Obstruktive Apnoen
Da obstruktive Apnoen eine hohe Prävalenz haben, ist es nicht verwunderlich, dass sie auch in der Höhe auftreten. In mittleren Höhen kommt es zu einer geringen Zunahme der Häufigkeit obstruktiver Apnoen; in großen Höhen werden wohl wegen der starken hypoxischen Stimulation mit konsekutiver Tonisierung der pharyngealen Muskulatur keine obstruktiven Apnoen beobachtet (Netzer und Strohl 1999).
Schlaf bei Einwohnern in großen Höhen
Wenig ist bekannt über Schlaf und Atmung von Personen, die ständig in Höhenlagen leben. Die Bewohner von Leadville, Colorado (3100 m), zeigten ähnliche Schlafdauer und Schlafphasenverteilung wie Personen in niedrigerer Höhe.

Symptomatik

Abnehmende Schlafqualität mit konsekutiver erhöhter Tagesmüdigkeit wird nach akutem Aufstieg ab etwa 2000–3000 m festgestellt. Erhebliche interindividuelle Unterschiede bezüglich der Schlafstörung und der Tagesmüdigkeit werden beobachtet. Die bekannte Abnahme der intellektuellen Funktion am Tag in Höhenlagen reflektiert wahrscheinlich zu Teilen den Effekt der Hypoxämie auf das zentrale Nervensystem, der durch die Vasokonstriktion bei Hypokapnie aggraviert wird.
Schlafarchitektur
In einer Untersuchung aus dem Jahr 2012 wurde bei 16 Bergsteigern eine Polysomnographie auf niedriger Höhe und dann an Tag 1 und 3 auf 4559 m durchgeführt (Nussbaumer-Ochsner et al. 2012a). Wie schon in vorherigen Untersuchungen konnte auch hier eine Verschiebung von tieferen zu leichteren Schlafphasen, eine Abnahme des REM-Schlafes und eine Zunahme der Frequenz des nächtlichen Erwachens gefunden werden. Nach weiterer Akklimatisation stieg an Tag 3 die Tiefschlafzeit wieder an und der Arousal-Index fiel ab, obwohl die periodische Atmung zunahm. Dies war mit einer Besserung des Schlafempfindens verbunden. Die periodische Atmung an sich ist also nicht allein ursächlich für das gestörte Schlafempfinden. Vielmehr scheinen der Einfluss der Hypoxie und das Auftreten einer Höhenkrankheit eine Rolle zu spielen.
Periodische Atmung kommt gewöhnlich im frühen Schlaf und in Leichtschlafphasen vor. Sie kann bei Müdigkeit auch im Wachzustand auftreten.
Periodische Atmung und andere höhenbedingte Erkrankungen
Es gibt keine klare Assoziation zwischen Kopfschmerzen und periodischer Atmung im Schlaf. Eher wird die periodische Atmung bei Personen, die akut an starken Symptomen der Höhenkrankheit leiden, durch ein irreguläres nicht periodisches Atmungsmuster ersetzt.
Periodische Atmung kommt häufiger bei Personen mit höhenbedingtem Lungenödem (high-altitude pulmonary edema, HAPE) vor als bei solchen mit akuter Höhenkrankheit oder bei Gesunden. Dies ist Folge des Lungenödems mit Hyperventilation durch Stimulation der intrapulmonalen Afferenzen sowie der Hypoxämie.
Die meisten Studien zeigen, dass es zu keiner Zunahme der akuten Höhenkrankheit bei Versuchspersonen mit periodischer Atmung oder schlechtem Schlaf kommt; trotz der Tatsache, dass beide besonders häufig im frühen Zeitraum nach dem Aufstieg auftreten.

Diagnostik

Wie oben erwähnt, sollten Symptome, die in großen Höhen auftreten, primär als Manifestation einer höhenbedingten Erkrankung gewertet werden. Das heißt, dass häufiges nächtliches Erwachen oder eine erhöhte Tagesmüdigkeit als Ausdruck der gestörten nächtlichen Atmung interpretiert werden sollten. Falls möglich, kann die Diagnose durch Fremdbeobachtung oder Evaluation der nächtlichen Sauerstoffsättigung verifiziert werden.

Prävention

Präventive Maßnahmen, wie insbesondere der stufenweise Aufstieg, stellen eine effektive Möglichkeit dar, schlafbezogene Symptome zu verhindern oder zu mildern. Aufgrund der begrenzten Zeit, die für die meisten Expeditionen in große Höhen zur Verfügung steht, ist dies jedoch selten umzusetzen.

Therapie

Zu den effektiven pharmakologischen Mitteln gehören Carboanhydrasehemmer, Benzodiazepine und Dexamethason.
Carboanhydrasehemmer
Acetazolamid blockiert die enzymatische Hydration von CO2 zu Kohlensäure. In der Niere führt dies zur Bikarbonatdiurese. Die daraus folgende Stoffwechselazidose reduziert die respiratorische Alkalose. Acetazolamid ist das häufigste und bestuntersuchte Mittel zur Verbesserung von Schlafstörungen in Höhenlagen. Es hat den Vorteil, dass es auch die Symptome der akuten Höhenkrankheit mindert. Acetazolamid führt zu einer Abnahme der periodischen Atmung im Schlaf um etwa 50 % mit höherer und weniger stark oszillierender Sauerstoffsättigung. Das nächtliche Aufwachen wird reduziert, die subjektive und objektive Schlafqualität wird durch eine Zunahme des Schlafstadiums II und einer Reduktion des Wachzustandes verbessert.
Benzodiazepine
Mehrere Studien zeigen die Sicherheit und Effektivität von Benzodiazepinen bei Schlafstörungen in Höhenlagen. Niedrige Dosierungen dieser Mittel verkürzen die Schlaflatenz, vermindern das nächtliche Aufwachen, verbessern die Schlafeffizienz, verstärken den REM-Schlaf und führen zu einem subjektiv besser empfundenen Schlaf.
Auch durch die GABA-Rezeptoragonisten Zopiclon und Zaleplon konnte eine Besserung des Schlafes in Höhenlagen erreicht werden.
Dexamethason
Das zur Prophylaxe des höhenbedingten Lungenödems bei raschem Aufstieg eingesetzte Dexamethason verbesserte in einer Studie auch die Schlafqualität und Schlafeffizienz in der ersten Nacht in großer Höhe (Nussbaumer-Ochsner 2012b). Dies lässt sich durch den positiven Einfluss auf den pulmonalarteriellen Blutdruck und das damit verminderte Lungenödem erklären.

Prognose

Nach Abstieg in geringere Höhen bessert sich die höhenbedingte periodische Atmung in den meisten Fällen. Nach Aufenthalt in großen Höhen (6000 m) wurde allerdings eine periodische Atmung noch sechs Wochen nach Rückkehr zur Seehöhe nachgewiesen. Die anderen höhenbedingten Erkrankungen wie höhenbedingtes Hirnödem und Lungenödem bedürfen der raschen Intervention, um irreversible Schäden zu vermeiden.

Zusammenfassung, Bewertung

Das subjektive Empfinden des schlechten Schlafes nach dem Aufstieg in Höhenlagen wird durch häufiges Erwachen und eine gestörte Schlafarchitektur bestimmt. Relevante Effekte treten jedoch erst in Höhen deutlich über 3000 m auf.
Gekennzeichnet ist die Atmung in Höhenlagen durch die periodische Atmung. Hierbei führen Hypoxie mit konsekutiver Hypokapnie zu einer Oszillation der rückgekoppelten Atmungsregulation. Mit der Akklimatisation nehmen Schlafstörungen mit der Zeit ab. Präventiv ist ein langsamer Aufstieg in die Höhenlagen wirksam. Therapeutisch sind Acetazolamid, das zu einer Korrektion der Alkalose führt, Benzodiazepine und Dexamethason effektiv.
Literatur
Berssenbrugge A, Dempsey J, Iber C et al (1983) Mechanisms of hypoxia-induced periodic breathing during sleep in humans. J Physiol 343:507–524CrossRef
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Grocott MP, Martin DS, Levett DZ et al (2009) Arterial Blood Gases and Oxygen Content in Climbers on Mount Everest. N Engl J Med 360(2):140–149CrossRef
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