Beeinträchtigungen des
Schlafes sind ein häufiges Thema auch bei gesunden Menschen. Üblicherweise handelt es sich um eine oder einige wenige Nächte, in denen der Schlaf als zu kurz oder nicht erfrischend erlebt wird. Mit zunehmendem Alter nehmen Schlafstörungen jedoch zu und werden immer häufiger als dauerhafte Beeinträchtigung erlebt. Es wird dann von einer Schlafstörung im engeren Sinne gesprochen. Gegen solche Schlafstörungen werden oft zunächst
Hypnotika verschrieben. Deren chronischer Gebrauch ist jedoch nicht unbedenklich. Zum einen kommt es bei längerem Gebrauch zu einem Nachlassen der Wirkung. Zum anderen kann sich aus chronischem Gebrauch eine Abhängigkeit entwickeln. Hinzu kommt noch, dass mittlerweile eine Vielzahl an verschiedenen Störungen des Schlafens und des Wachens differenziert werden können und auch differenziell zu behandeln sind, sodass eine genauere Abklärung der Schlafproblematik vor einer therapeutischen Maßnahme dringend anzuraten ist.
Physiologie des Schlaf-Wach-Verhaltens
Der gesunde junge Erwachsene schläft im Mittel 7–8 Stunden (Steptoe et al.
2006). Es gibt jedoch erhebliche
Varianzen in der subjektiv benötigten
Schlafdauer, wobei Menschen, die sich nach weniger als 6 Stunden
Schlaf als ausgeschlafen erleben, als Kurzschläfer
bezeichnet werden können und Menschen, die sich erst nach mehr als 9 Stunden regelmäßigen Schlafes als ausgeschlafen erleben, als Langschläfer
gelten. Als
Hypersomnie oder exzessive Tagesmüdigkeit wird dagegen ein unzureichendes Erholtsein trotz zeitlich ausreichenden und polysomnographisch unauffälligen Schlafes bezeichnet.
In den meisten Industrieländern
schlafen Erwachsene nur nachts. Es gibt jedoch auch Länder, in denen ein Mittagsschlaf allgemein üblich ist und der Nachtschlaf entsprechend verkürzt ist, denn die Gesamtschlafmenge ist in den Ländern mit 2 Schlafphasen üblicherweise ähnlich lang.
Der subjektive Schlafeindruck wird meist über Schlafprotokolle dokumentiert. Die Betroffenen tragen auf diesen Bögen die Bettzeit, die geschätzte Einschlafzeit, die Zahl und Dauer der Wachphasen in der Nacht und die Aufwachzeit am Morgen ein. Darüber hinaus bewerten sie die Schlafqualität, das Gefühl des Erholtseins und die Wachheit über Tag. Der Insomnia Severity Index (ISI) und der Pittsburgh Sleep Quality Index (PSQI) sind etablierte Schlaffragebögen
, die das Schlafverhalten in der letzten Woche (ISI) bzw. dem letzten Monat (PSQI) abfragen (Buysse et al.
1989; Bastien et al.
2001). Für die subjektive Bestimmung der Tagesmüdigkeit
bzw.
Tagesschläfrigkeit haben sich die Epworth Sleepines Scale (ESS) und die Stanford Sleepiness Scale (SSS) bewährt (Johns
1991; Hoddes et al.
1973).
Eine objektive Schlafmessung erfolgt mittels Schlafpolysomnographie, die sich u. a. aus einer elektroenzephalographischen Ableitung, einer Ableitung der Augenbewegungen und des Muskeltonus zusammensetzt. Über diese genannten Ableitungen kann man den
Schlaf in verschiedene Schlafstadien
einteilen (Iber et al.
2007). Vom Wachzustand wir das Einschlafstadium (N1), der leichte Schlaf (N2), der Tiefschlaf (N3) und der Rapid-Eye-Movement-(REM-)Schlaf unterschieden (Kriterien der AASM). Dieses letzte Stadium ist durch schnelle Augenbewegungen gekennzeichnet, die in den übrigen Schlafstadien nicht auftreten, verbunden mit einer deutlichen Tonusminderung in der Skelettmuskulatur und einem Hirnstrombild, das N1 ähnelt. In diesem Schlafstadium werden typischerweise dynamische
Träume berichtet, wenn man die Probanden aus diesem Schlafstadium weckt. Der gesunde Nachtschlaf eines jungen Erwachsenen ist gekennzeichnet durch das Durchlaufen von N1 über N2 bis zu N3, worauf eine Phase
REM-Schlafes folgt. Das Ganze bezeichnet man als NonREM-REM-Zyklus. In einer Nacht werden 4 bis 5 solcher Zyklen durchlaufen, wobei die Zeit in N3 über Nacht immer mehr abnimmt und schließlich gegen Ende der Nacht kein N3 mehr auftritt, während umgekehrt der REM-Schlaf vom ersten Zyklus an über die Nacht zunimmt.
Die Tagesmüdigkeit kann objektiviert werden über den Multiplen Schlaflatenztest (MSLT) und den Multiplen Wachtest (MWT). Im MSLT werden die Patienten aufgefordert, alle 2–3 Stunden tagsüber im Bett einzuschlafen und die Latenz bis zum Einschlafen wird polysomnographisch gemessen. Beim MWT sollen die Probanden im dunklen Raum sitzend versuchen wach zu bleiben, was wiederum polysomnographisch überprüft wird.
Das Schlafmuster ändert sich über die gesamte Lebensspanne. Vom jungen Erwachsenen zum höheren Alter nimmt das Schlafstadium N3 immer mehr ab und die Zeit in Schlafstadium N2 zu. Die Zahl kurzer Wachzeiten während des Nachtschlafes nimmt zu. Im höheren Alter vermindert sich dann auch der
REM-Schlaf.
Ein gesunder
Schlaf hat offenbar eine Vielzahl an systemstabilisierenden bzw. informationsverarbeitenden Funktionen. So werden neue Gedächtnisinhalte besonders gut im Schlaf konsolidiert, wobei der Tiefschlaf besonders wichtig für deklaratives Gedächtnis ist (Plihal und Born
1997; Rasch et al.
2007; Diekelmann und Born
2010). Die Verminderung des Tiefschlafes (N3) geht parallel mit einer nachlassenden deklarativen Gedächtnisleistung (Backhaus et al.
2006,
2008). Aber auch Einsichten in Zusammenhänge und prozedurales Lernen werden durch Schlaf gefördert (Backhaus und Junghanns
2006; Wagner et al.
2004). Schlaf fördert auch die emotionale Ausgeglichenheit und stabilisiert u. a. die Regulierung des Glukosemetabolismus (Gujar et al.
2011), der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Stressachse (Backhaus et al.
2004,
2006; Lange et al.
2003) und die Immunabwehr (Lange et al.
2003,
2011; Besedovsky et al.
2012).