Kompensationsmechanismen
Die verringerte Wasserstoffionenkonzentration dämpft den zentralen Atemantrieb. Die alveoläre Ventilation nimmt ab und der p
aCO
2 steigt. Mit steigendem p
aCO
2 sinkt der pH-Wert (Gl.
6;
respiratorische Kompensation).
Eine vollständige Kompensation einer metabolischen Alkalose durch Verminderung der Ventilation kann jedoch aus 2 Gründen nicht gelingen:
Der hypoventilationsbedingte Anstieg des p
aCO
2 verstärkt zwangsläufig die tubuläre Wasserstoffionensekretion, wodurch die Bikarbonatrückgewinnung gesteigert wird (Abb.
1). Die
renale Kompensation der metabolischen Alkalose wird dadurch erschwert. In der Bilanz werden bei normaler GFR und einer großen Menge alkalosebedingt glomerulär filtrierter HCO
3
−-Ionen jedoch mehr Bikarbonationen renal ausgeschieden als zurückgewonnen. So tragen die Nieren letztlich auch zur Kompensation einer metabolischen Alkalose bei.
Metabolische Alkalosen bestehen häufig über längere Zeit. Dafür sind hauptsächlich 4 Faktoren verantwortlich [
11,
12,
22]:
1.
Eine Verminderung des Extrazellulärvolumens (z. B. NaCl- und Wasserverlust durch Erbrechen und
Diuretika) führt zu einer sog. „
Kontraktionsalkalose“
(bei gleichbleibender HCO
3
−-Menge nimmt das Extrazellulärvolumen ab, d. h. die Plasma- HCO
3
−-Konzentration steigt). Außerdem kommt es bei einem Extrazellulärvolumenmangel zu einer gesteigerten Na
+-Rückresorption durch Ankurbelung des Na
+/H
+-Antiporters in der Niere und damit zu einer erhöhten Azidifizierung der proximalen Tubulusflüssigkeit. Die verstärkte Sekretion von Wasserstoffionen steigert die proximale Bikarbonationenrückgewinnung.
2.
Ist bei einer erhöhten HCO3
−-Plasmakonzentration die GFR eingeschränkt und die Menge des filtrierten HCO3
− vermindert (z. B. bei Nierenerkrankungen oder großen Volumenverlusten), so kann auch bei unveränderter oder sogar verminderter tubulärer Wasserstoffionensekretionsrate eine vollständige Rückgewinnung des in kleinerer Menge filtrierten HCO3
− resultieren. Die Ausscheidung überschüssiger Bikarbonationen würde dadurch deutlich erschwert.
3.
Erhöhte Mineralokortikoid-(Aldosteron-)Plasmakonzentrationen, hervorgerufen z. B. durch Volumenmangel
, steigern über eine verstärkte Wasserstoffionensekretion im distalen Tubulus die Bikarbonationenresorption. Zusätzlich fördert
Aldosteron die Kaliumionenausscheidung im distalen Tubulus, was zu einer Hypokaliämie führen kann.
4.
Eine Hypokaliämie vermehrt die Aufnahme von Wasserstoffionen sowohl in die Körperzellen als auch in die Tubuluszellen der Niere. Die erhöhte intrazelluläre H+-Konzentration verstärkt den Übertritt von Wasserstoffionen in die tubuläre Flüssigkeit und damit die Wasserstoffionenverluste. Dies fördert das Fortbestehen der metabolischen Alkalose.
Therapie
Besonders die Chloridionenverluste, z. B. durch Diuretikabehandlung (Inhibition des Na-K-2 Cl-Kotransporters durch Furosemid; erhöhte Ausscheidung von NH4Cl nach Thiaziddiuretika) und Erbrechen, können zur Persistenz der metabolischen Alkalose beitragen. Diese Form der Alkalose ist durch NaCl- und KCl-Gabe (zur Therapie der häufig vorliegenden Hypokaliämie) gut zu therapieren („chloridsensitive“ Alkalose). Dabei sollte auch auf einen Ausgleich der Magnesiumverluste, die unter Schleifendiuretikatherapie neben den Kaliumverlusten häufig zu beobachten sind, geachtet werden.
Bei Erbrechen kann eine H2-Blockergabe indiziert sein. Zusätzlich ist häufig ein Volumenmangel auszugleichen.
Die Effektivität dieser Therapie kann durch die Bestimmung des Urin-pH erfolgen. Diagnostisch fällt bei diesen Alkalosen neben der Hypochlorämie eine besonders niedrige Urinchloridkonzentration (unter 20 mmol/l) auf [
11].
Während der Urin-pH bei einer metabolischen Alkalose häufig unter 5,5 liegt, kann er unter Volumen- und Cl−-Ersatz durch die Zunahme der HCO3
−-Ausscheidung bis auf über 7,0 ansteigen (dies kann als Indikator für eine wirksame Therapie herangezogen werden).
Beispiele für „
chloridresistente“ Alkalosen
sind der primäre Hyperaldosteronismus
, das
Cushing-Syndrom, die Nierenarterienstenose
mit hoher Reninfreisetzung und das
Bartter-Syndrom [
24].
Bei einer metabolischen Alkalose sollte bei pH-Werten über 7,5 eine Therapie erwogen werden. Diese erfolgt bei den „chloridsensitiven“ Alkalosen primär durch Zufuhr von Volumen und Chloridionen (s. oben).
Der Carboanhydrasehemmer
Azetazolamid (bei Erwachsenen 250–375 mg 1- bis 2-mal täglich) kann besonders bei ödematösen Zuständen indiziert sein. Azetazolamid steigert neben der NaHCO
3-Ausscheidung mit dem
Urin auch die Kaliumausscheidung [
24]. Bei bestehender oder sich entwickelnder Hypokaliämie muss der Kaliumverlust durch KCl substituiert werden.
Die Indikation für
Salzsäure (HCl) stellt sich nur bei schweren (chloridresistenten) metabolischen Alkalosen, besonders wenn gleichzeitig eine Herz-, Nieren- oder Leberinsuffizienz („ödematöse Zustände“) besteht (3,6 % = 1 mmol HCl/ml oder 7,25 % = 2 mmol/ml, Infusionsgeschwindigkeit maximal 0,2 mmol/kgKG/h). Zunächst sollte nur ca. 50 % des nach der Gl.
9 errechneten Bedarfs gegeben werden, dann erfolgt eine Kontrolle.
Die Therapie der metabolischen Alkalose mit
Argininhydrochlorid hat gegenüber HCl Nachteile. Argininhydrochlorid wird zwar auch zu HCl abgebaut, soll aber eher zu lebensbedrohlichen
Hyperkaliämien führen können – wahrscheinlich bedingt durch das Verschieben von
Kalium in den Extrazellulärraum, wenn das Kation
Arginin in die Zellen eindringt [
2,
24].
Besteht ein Hyperaldosteronismus, so ist dessen Ursache zu beheben z. B. durch das Entfernen eines Nebennierenadenoms. Symptomatisch ist der Einsatz kaliumsparender Diuretika (z. B. Amilorid) oder von Aldosteronantagonisten (z. B. Spironolacton) zu erwägen.
Haben die Patienten große Mengen Volumen eingelagert, kann es u. U. günstig sein, den Volumenüberschuss und die Alkaliämie durch
Dialyse oder
Hämofiltration zu beseitigen (Dialysat mit reduzierter Bikarbonatkonzentration; [
2]).