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Autoantikörper gegen Pankreassekret

Verfasst von: W. Stöcker
Autoantikörper gegen Pankreassekret
Synonym(e)
Autoantikörper gegen Azinuszellen des Pankreas; PAk; Pankreas-Azinuszell-Antikörper
Englischer Begriff
autoantibodies against pancreatic acini; aab to exocrine pancreas; aab to pancreatic juice
Definition
Autoantikörper bei Morbus Crohn, die sich gegen die Azinuszellen und das Sekret des Pankreas richten.
Funktion – Pathophysiologie
Autoantikörper gegen Azinuszellen des Pankreas sind ein sicheres Erkennungsmerkmal des Morbus Crohn, sie stellen das serologische Pendant zu Autoantikörper gegen intestinale Becherzellen (Becherzell-Antikörper) bei Colitis ulcerosa dar. Beide Antikörper besitzen hinsichtlich ihrer Organspezifität und Krankheitsassoziation sowie ihrer oft hohen Serumkonzentrationen eine ähnlich große Signifikanz wie andere Autoantikörper für Erkrankungen, deren Autoimmunpathogenese bereits allgemein akzeptiert wird, beispielsweise Autoantikörper gegen Desmosomen für den Pemphigus vulgaris oder Autoantikörper gegen glomeruläre Basalmembran für das Goodpasture-Syndrom. Dass nur ein Teil der Patienten Autoantikörper aufweist, ist kein Gegenargument, sondern entspricht ebenfalls den Verhältnissen bei Erkrankungen mit gesicherter Autoimmunpathogenese. Bei Patienten mit akuter oder chronischer Pankreatitis sind nur in Ausnahmefällen Pankreasantikörper feststellbar, die Titer sind immer sehr niedrig, IgG kommt bei Pankreatitis anders als bei Morbus Crohn praktisch nicht vor.
Pankreas-Azinuszell-Autoantikörper ließen sich durch Pankreassekret neutralisieren. Sie sind möglicherweise Ausdruck einer pathogenetisch bedeutsamen Autoimmunität: Es liegt nahe, dass die Entzündung der Darmwand bei Morbus Crohn durch das im Pankreassekret enthaltene Autoantigen hervorgerufen wird. Betroffen sind nur Darmabschnitte vom Ileum abwärts, in denen die Antigenkonzentration ausreicht, das sensibilisierte Immunsystem zu stimulieren. Die physiologisch vorgesehene lange Verweildauer des Darminhalts im Ileum erhebt diesen Darmabschnitt zur Prädilektionsstelle; an diesem Ort der häufigsten Manifestation des Morbus Crohn („Ileitis terminalis“) kann sich das Autoimmunpotenzial ausgiebig mit dem Autoantigen auseinandersetzen. Der für Morbus Crohn typische diskontinuierliche Übergang von Kolonbereichen mit schwerer Entzündung zu völlig normaler Schleimhaut könnte dadurch erklärt werden, dass eine zusammenhängende Stuhlsäule sich eine Zeit lang nicht verschiebt und das enthaltene Autoantigen währenddessen die Mechanismen der Autoaggression in Bewegung setzt, die zu einer lokal scharf begrenzten Entzündung führen.
Die bei Morbus Crohn mit noch höherer Prävalenz parallel auftretenden Antikörper gegen Bierhefe (Antikörper gegen Saccharomyces cerevisiae ) und gegen verschiedene Infektionserreger rühren vermutlich von einer sekundären Immunisierung her, bedingt durch die Adjuvanswirkung der spezifischen Auseinandersetzung des Immunsystems mit Pankreassekret.
Die Entdeckung der Antikörper gegen das exokrine Pankreas war ein reiner Zufallsbefund und der unmittelbare Ertrag des Einsatzes von BIOCHIP-Mosaiken. Vorher wurden allenfalls Antikörper gegen Bestandteile der Darmmukosa untersucht. Ein gegen Pankreasantigen gerichteter Autoimmunmechanismus wurde niemals in Betracht gezogen, da dieses Organ in der Regel am Krankheitsgeschehen nicht beteiligt ist.
Untersuchungsmaterial
Probenstabilität
Autoantikörper sind bei +4 °C bis zu 2 Wochen lang beständig, bei −20 °C über Monate und Jahre hinweg.
Analytik
Autoantikörper gegen Pankreassekret werden durch indirekte Immunfluoreszenz (Immunfluoreszenz, indirekte) bestimmt, als Substrat werden Gefrierschnitte eines Primatenpankreas eingesetzt:
Die Ausgangsverdünnung beträgt 1:10. Sowohl IgA als auch IgG werden untersucht, IgM spielt keine Rolle.
Mit positiven Seren kann man 2 relevante Muster differenzieren: Eine netzig-granuläre und eine tropfige Fluoreszenz im Bereich der Azinuszellen, die Inseln werden nicht mit angefärbt. Nur genau diese beiden Muster dürfen als positiv bewertet werden, die Vielzahl der übrigen Fluoreszenzbilder, die sich auf exokrinem Pankreas darstellen können, haben nichts mit Morbus Crohn zu tun. Die netzig-granuläre Fluoreszenz beruht auf einer Reaktion mit dem inzwischen identifizierten Autoantigen CUZD1; das Zielantigen, das der tropfigen Fluoreszenz entspricht, ist das Glykoprotein GP-2. Anstelle der Gewebeschnitte des Pankreas kann man heute mit diesen beiden Autoantigenen transfizierte HEK-293-Zellen als Substrate einsetzen, wodurch die Nachweisempfindlichkeit um 25 % gesteigert wird.
Autoantikörper gegen Pankreassekret bestehen in 9 % der positiven Fälle nur aus IgA, in 36 % nur aus IgG, in 55 % liegen beide Immunglobulinklassen vor. Titer ab 1:32 beweisen einen Morbus Crohn.
Referenzbereich – Erwachsene
Negativ.
Referenzbereich – Kinder
Negativ.
Indikation
Differenzialdiagnostik der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa).
Interpretation
Autoantikörper gegen Pankreassekret (Azinuszellen) sind pathognomonisch für Morbus Crohn. Deren Prävalenz beträgt im Durchschnitt 39 %, bei Bestehen der Krankheit seit mehr als 2 Jahren 50 %.
Bei Colitits ulcerosa kommen Pankreasantikörper nur in Ausnahmefällen und bei gesunden Blutspendern praktisch niemals vor.
Diagnostische Wertigkeit
Zusätzlich zu Pankreas-Azinuszell-Autoantikörpern findet man bei Morbus Crohn Anti-Saccharomyces-cerevisiae-Antikörper (ASCA), und zwar bei 67 % der Seren. Nur selten werden diese beiden Antikörper bei Colitis ulcerosa beobachtet. Zusammen mit den Autoantikörpern gegen Pankreassekret ergibt sich damit eine serologische Trefferquote für Morbus Crohn von 80 %. Unter Einbeziehung der Autoantikörper gegen intestinale Becherzellen (BAk, 28 % bei Colitis ulcerosa) und gegen neutrophile Granulozyten (pANCA; 67 % bei Colitis ulcerosa, 7 % bei Morbus Crohn) lässt sich ohne Kenntnis der Klinik allein durch eine serologische Diagnostik bei 4 von 5 Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen zwischen Colitis ulcerosa und Morbus Crohn unterscheiden (da alle Autoantikörper unabhängig voneinander vorkommen und völlig unterschiedliche Zielantigene erkennen). Allerdings sind Autoantikörper gegen Granulozytenzytoplasma nicht ausreichend spezifisch.
Literatur
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Roggenbuck D, Hausdorf G, Martinez-Gamboa L, Reinhold D, Büttner T, Büning C, Feist E, Conrad K (2009b) The zymogen granule membrane glycoprotein GP2 is a major autoantigen of pancreatic antibodies – relevance in diagnostics and pathogenesis of Crohn’s disease. In: Conrad K et al (Hrsg) From pathogenesis to therapy of autoimmune diseases. Lengerich: Pabst Science Publishers, S 449–462
Stöcker W, Otte M, Ulrich S, Normann D, Stöcker K, Jantschek G (1984) Autoantikörper gegen exokrines Pankreas und gegen intestinale Becherzellen in der Diagnostik des Morbus Crohn und der Colitis ulcerosa. Dtsch Med Wochenschr 109:1963–1969CrossRefPubMed
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