Definition
Die akute Pankreatitis
ist die häufigste Erkrankung der exokrinen Bauchspeicheldrüse und der häufigste Grund für eine stationäre Krankenhausaufnahme unter allen nicht malignen Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes (Peery et al.
2012). Die akute Pankreatitis ist gekennzeichnet durch eine primär sterile Entzündung des Pankreas unterschiedlichster Ursache in deren Folge ein teils irreversibler Funktionsverlust fortbestehen kann.
Aufgrund der heterogenen Ätiologie und des teils schweren, gelegentlich tödlichen Verlaufes stellt das klinische Management der akuten Pankreatitis noch heute eine Herausforderung dar.
Pathophysiologie und Ätiologie
Die pathophysiologische Basis der akuten Pankreatitis ist ein Selbstverdau (Autodigestion) des Organs (Krüger et al.
1998), verbunden mit lokalen und systemischen Entzündungsreaktionen (Mayerle et al.
2005), die beide weitgehend unabhängig von der zugrunde liegenden Ursache sind. Die häufigsten Ursachen stellen im europäischen Raum der Alkoholabusus und die biliäre Genese (jeweils 30–50 %) dar.
Die exakten Zusammenhänge zwischen Alkoholkonsum
und akuter Pankreatitis konnten bis heute noch nicht vollständig aufgeklärt werden (Maléth et al.
2014). Die Dauer des chronischen Alkoholkonsums sowie die täglich zugeführte Menge bis zum Ausbruch einer Pankreatitis zeigen starke individuelle Schwankungen. Möglicherweise handelt es sich bei der akuten alkoholinduzierten Pankreatitis
bei einem Teil der Patienten um die Erstmanifestation einer beginnenden
chronischen Pankreatitis (Kap.
Chronische Pankreatitis) (Gress et al.
1994). Die pathophysiologische Erklärung für die biliäre Genese besagt, dass ein Gallenstein, der durch die Gallenwege wandert, zu einem Abflusshindernis für die Pankreassekretion führt (Hernandez und Lerch
1993).
Weitere Auslöser der akuten Pankreatitis sind mechanische Reizungen, die zu einer Druckerhöhung im Pankreasgang oder Parenchym führen (Trauma, Oberbauchoperationen, endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikographie [ERCP]), metabolische Entgleisungen (Hypertriglyceridämie,
Hyperkalzämie) sowie Nebenwirkungen bestimmter Medikamente (u. a.
Valproinsäure,
Glukokortikoide, Zytostatika).
Eine seltene, jedoch nicht unbedeutende Ursache stellt die hereditäre, familiäre Pankreatitis
dar. Diese Erkrankung kann auf verschiedenen genetischen Mutationen basieren. Am häufigsten ist das Gen für das kationische Trypsinogen (PRSS1-, p.R122H-, p.R122C-, p.N291-Mutationen) betroffen (Keim et al.
2001).
Der initiale Zellschaden wird begleitet von einer Inflammationsreaktion mit Chemoattraktion und Aktivierung von Immunzellen, insbesondere neutrophiler Granulozyten und
Makrophagen (Mayerle et al.
2005). Freigesetzte
Zytokine und proinflammatorische Mediatoren bewirken im Zusammenspiel mit den Verdauungsproteasen weitere lokale und systemische Schäden. Durch die Ausschüttung vasodilatatorisch wirkender Substanzen (z. B. Bradykinin,
Histamin) entsteht das intra- und peripankreatische Ödem. Es kommt zu Nekrosen des Fettgewebes (Lipase), des Pankreasparenchyms (
Trypsin,
Chymotrypsin) sowie zur Zerstörung der Gefäße (Elastase).
Basierend auf der heftigen Inflammationsreaktion sind systemische Effekte wie „systemic inflammatory response syndrome“ (
SIRS), „acute respiratory distress syndrome“ (ARDS) gefürchtete Komplikationen, die zum Multiorganversagen führen.
Epidemiologie
Die akute Pankreatitis hat eine Inzidenz von 13–45/100.000 Personen pro Jahr. In Deutschland werden jährlich 54.000 Patienten stationär wegen einer akuten Pankreatitis behandelt. Einen geschlechtsspezifischen Unterschied in der Inzidenz gibt es nicht. Jedoch ist das männliche Geschlecht eher mit der alkoholinduzierten Pankreatitis assoziiert (Lankisch et al.
2002), während die Ursache beim weiblichen Geschlecht häufiger biliär ist. Das Risiko an einer akuten Pankreatitis zu erkranken, steigt mit dem Alter kontinuierlich an.
Die schwarze Bevölkerung der USA hat gegenüber der weißen Bevölkerung ein zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko, eine Pankreatitis zu entwickeln (Yang et al.
2008).
Gemäß des typischen Verlaufes entwickeln 20–30 % der Patienten eine rekurrierende Verlaufsform sowie 10 % eine
chronische Pankreatitis (Nojgaard et al.
2011).
Die durchschnittliche Mortalität ist abhängig vom Subtyp der akuten Pankreatitis. Im Falle der leichten Form (75–85 %) liegt sie bei nur 1 %. Im Falle des schweren Verlaufes (15–25 %) beträgt die Mortalität bis zu 24 % (Working Group IAP/APA
2013).
Klinik
Die klinische Diagnose der akuten Pankreatitis umfasst zwei der drei folgenden Kriterien:
-
Schmerzen im Oberbauch
-
Erhöhung der Serumlipase (mindestens dreifach über der Norm)
-
Zeichen der akuten Pankreatitis in der Bildgebung (Computertomographie, Ultraschall)
Atlanta-Klassifikation
Die akute Pankreatitis wird nach der revidierten Atlanta-Klassifikation von 2013 klassifiziert (Banks et al.
2013). Diese Klassifikation unterscheidet zwei unterschiedliche Typen der Erkrankung:
Die interstitielle ödematöse Pankreatitis ist durch eine ödematöse Vergrößerung des Pankreas und/oder peripankreatische Flüssigkeitsansammlungen gekennzeichnet. Die Symptome verschwinden meist binnen einer Woche.
Etwa 5–10 % der Patienten entwickeln über die interstitielle ödematöse Form hinaus eine nekrotisierende Pankreatitis. Diese ist definiert durch teils massive Gewebeuntergänge innerhalb des Pankreasparenchyms und/oder des Nachbargewebes. Eine solche Nekrose ist primär steril. Eine gefürchtete Komplikation ist die sekundäre Superinfektion. Mit zunehmender Schwere der Komplikationen steigt die Mortalität der betroffenen Patienten deutlich an.
Die Atlanta-Klassifikation von 2013 unterscheidet drei Schweregrade der Pankreatitis:
Lokale Komplikationen
Im Falle von anhaltendem, therapierefraktärem oder rekurrierendem Abdominalschmerz
, einem sekundären Anstieg der Pankreasenzyme im
Serum, einer Verschlechterung der Organfunktion und/oder klinischen Zeichen der
Sepsis sollte eine beginnende oder bereits manifeste lokale Komplikationen der Pankreatitis angenommen werden.
In der aktuellen (revidierten) Fassung der Atlanta-Klassifikation werden die lokalen Komplikationen anhand folgender Kriterien beschrieben:
-
Lokalisation (Pankreas, peripankreatisches Gewebe, anderer Ort)
-
Inhalt (flüssig, solide, gasförmig)
-
Wandstruktur (vorhanden [dünne oder dicke Wand], nicht vorhanden).
Frühe und späte Komplikationen
Anhand der Morphologie als auch im Kontext des Manifestationszeitpunktes ist es sinnvoll, zwischen frühen und späten Komplikationen zu unterscheiden:
Systemische Komplikationen
Zu den systemischen Komplikationen der akuten Pankreatitis gehören das respiratorische, renale oder kardiovaskuläre Organversagen (Johnson und Abu-Hilal
2004). Dies schließt die akute Exazerbation einer Begleiterkrankung als auch ein neu auftretendes Organversagen ein. Für das Multiorganversagen müssen mindestens zwei der dreigenannten Systeme betroffen sein (Buter et al.
2002). Hierbei ist es wichtig zu differenzieren, ob das Organversagen weniger oder länger als 48 Stunden besteht. Aus dieser Unterscheidung resultiert die Einteilung des Schweregrades der Pankreatitis (mäßig schwer oder schwer). Zur klinischen Entscheidungshilfe, ob ein Organversagen vorliegt, dient der modifizierte Marshall-Score
(Tab.
1).
Tab. 1
Modifizierter Marshall-Score. Ein Wert über 2 definiert das Organversagen innerhalb eines Organsystems
Respiratorisch (PaO2/FiO2) | >400 | 301–400 | 201–300 | 101–200 | ≤100 |
Renal Serumkreatinin [μmol/l] | ≤134 | 134–169 | 170–310 | 311–439 | >439 |
Renal Serumkreatinin [mg/dl] | <1,4 | 1,4–1,8 | 1,9–3,6 | 3,6–4,9 | >4,9 |
Systolischer Blutdruck [mmHg] | >90 | <90, Ansprechen auf Flüssigkeit | <90, kein Ansprechen auf Flüssigkeit | <90 pH <7,3 | <90 pH <7,2 |
Therapie
Vorab sei erwähnt, dass es für den behandelnden Arzt wichtig ist, Patienten mit einer schweren Pankreatitis so früh wie möglich zu identifizieren. Patienten mit dem Verdacht einer schweren Pankreatitis bedürfen schnellstmöglicher und intensivierter Therapiemaßnahmen, um eine möglichst komplikationsarme Rekonvaleszenz zu ermöglichen.
Ebenso ist es von enormer Bedeutung, diejenigen Patienten herauszufiltern, die aufgrund der Schwere der Erkrankung selbst und den damit einhergehenden Begleitkomplikationen von einer Behandlung auf einer Intensivstation oder in einem Kompetenzzentrum profitieren. Unabhängig von der Schwere der Pankreatitis sollte jeder Patient stationär betreut werden. Falls Zweifel bei der Einschätzung des Schweregrads der Erkrankung bestehen, darf die Indikation für eine intensivmedizinische Betreuung großzügig gestellt werden.
Basisbehandlung
Hierbei handelt es sich um Maßnahmen die bei Diagnosestellung einer akuten Pankreatitis, unabhängig ihres Schweregrades, unbedingt erfolgen müssen.
Individuelle Behandlung
Während die oben genannten Maßnahmen auf die Mehrzahl der Patienten mit akuter Pankreatitis zutreffen, handelt es sich bei den folgenden Punkten um Individualentscheidungen in Abhängigkeit der klinischen Gesamtsituation. Besonders die schweren Verläufe der akuten Pankreatitis sollten in einem multidisziplinären Team diskutiert werden.