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Seltene Erkrankungen der extrakraniellen A. carotis

Verfasst von: Barbara Rantner und Gustav Fraedrich
Ionisierende Strahlung löst eine akute Entzündungsreaktion im Gefäßsystem aus und kann so die Plaquebildung initiieren. Abhängig vom Zeitabstand der auslösenden Strahlung können die Läsionen in akute und chronische Stenosen unterteilt werden. Bereits innerhalb weniger Monate nach der Bestrahlung kann es zu Gefäßveränderungen kommen. Ursächlich für diese akute Form ist meist eine periarterielle Entzündungsreaktion mit intravasaler Plaqueruptur bei schon vorbestehender Gefäßschädigung. Andererseits können stenosierende Gefäßveränderungen im Sinne einer Gefäßfibrose auch Jahre nach der Radiatio beobachtet werden. Die Prävalenz radiogener Karotisstenosen beträgt etwa 25 %. Typischerweise sind radiogene Stenosen der Karotisstrombahn langstreckig und aufgrund des hohen Fibrosegehalts klinisch häufig asymptomatisch. Lange Zeit wurde die Karotis-Stentbehandlung (carotid artery stenting CAS) in der Therapie symptomatischer radiogener Karotisläsionen favorisiert. Mittlerweile gibt es auch Evidenz, dass eine operative Versorgung mit guten Kurz- und wohl besseren Langzeitergebnissen als nach CAS angewendet werden kann (Rantner 2013; Abb. 1).

Radiogene Karotisstenosen

Ionisierende Strahlung löst eine akute Entzündungsreaktion im Gefäßsystem aus und kann so die Plaquebildung initiieren. Abhängig vom Zeitabstand der auslösenden Strahlung können die Läsionen in akute und chronische Stenosen unterteilt werden. Bereits innerhalb weniger Monate nach der Bestrahlung kann es zu Gefäßveränderungen kommen. Ursächlich für diese akute Form ist meist eine periarterielle Entzündungsreaktion mit intravasaler Plaqueruptur bei schon vorbestehender Gefäßschädigung. Andererseits können stenosierende Gefäßveränderungen im Sinne einer Gefäßfibrose auch Jahre nach der Radiatio beobachtet werden. Die Prävalenz radiogener Karotisstenosen beträgt etwa 25 %. Typischerweise sind radiogene Stenosen der Karotisstrombahn langstreckig und aufgrund des hohen Fibrosegehalts klinisch häufig asymptomatisch. Lange Zeit wurde die Karotis-Stentbehandlung (carotid artery stenting CAS) in der Therapie symptomatischer radiogener Karotisläsionen favorisiert. Mittlerweile gibt es auch Evidenz, dass eine operative Versorgung mit guten Kurz- und wohl besseren Langzeitergebnissen als nach CAS angewendet werden kann (Rantner 2013; Abb. 1).

Fibromuskuläre Dysplasie (FMD)

Die fibromuskuläre Dysplasie ist eine seltene degenerative Erkrankung, bei der es zu einer nicht entzündlichen Proliferation glatter Muskelzellen und Bindegewebszellen in der Arterienwand kommt. Meist tritt die FMD in den Nierenarterien auf, in seltenen Fällen (0,5 %) kann man das Krankheitsbild auch an der Arteria carotis finden. Frauen sind häufiger betroffen als Männer, meist bleiben die Gefäßveränderungen klinisch asymptomatisch und treten bilateral auf. Bildgebend findet man das typische ziehharmonika-artige Gefäßbild mit Einengungen und erweiterten Gefäßanteilen. Dissektionen finden sich bei der FMD häufiger als bei gesunden Gefäßen. Insgesamt ist der Krankheitsverlauf günstiger als bei arteriosklerotischen Läsionen in der Karotisstrombahn. Bei asymptomatischen Verläufen beschränken sich die Therapieempfehlungen auf die Thrombozytenaggregation mit ASS als Dauertherapie und regelmäßige Blutdruckkontrollen. Bei Befundprogredienz kann die endovaskuläre Therapie mit perkutaner transluminaler Angioplastie zur Anwendung kommen. Die offen operative Versorgung wird bei Ausbildung von Aneurysmen erforderlich, meist müssen die betroffen Gefäßabschnitte durch ein Interponat ersetzt werden (Olin und Sealove 2011).

Karotisdissektion

Karotisdissektionen können posttraumatisch oder auch spontan bei hypertensiven Entgleisungen mit einer Häufigkeit von 2,5–3 Fällen/100.000/Jahr auftreten. Im Anschluss an die Rissbildung in der Intima breitet sich die Dissektion häufig nach kranial aus und führt dort zu einer hochgradigen Lumeneinengung oder sogar zu einem totalen Verschluss der Arteria carotis interna. Meist bildet sich ein wandhaftendes Hämatom als Zeichen der Intima-Läsion und des „low flows“. Die mit einer Karotisdissektion einhergehende Beschwerdesymptomatik kann sehr heterogen und fluktuierend sein. Im Moment des Gefäßeinrisses berichten die Patienten in der Regel von starken Kopf- und/oder Halsschmerzen. Die neurologischen Ausfallerscheinungen reichen von isolierten Horner-Syndromen bis hin zu kompletten Halbseitenlähmungen. Eine Dissektion kann auch neurologisch asymptomatisch verlaufen. In der Akutphase sollte rasch mit einer systemischen Heparinisierung begonnen werden. Danach folgt über einen begrenzten Zeitraum (meist 6 Monate) eine Antikoagulantienbehandlung. Darunter beobachtet man Rekanalisationsraten von bis zu 80 %. Im angloamerikanischen Sprachraum wird lediglich eine aggregationshemmende Therapie mit ASS verabreicht. In Einzelfällen, insbesondere bei postoperativ aufgetretener Dissektion, kann auch eine Lysetherapie mit ggf. nachfolgender Stentbehandlung zur Anheftung der Dissektionsmembran sinnvoll sein. Diese Therapie erfolgt mit dem Ziel, das durch die Dissektion entstandene neurologische Defizit auf ein Minimum zu begrenzen, bzw. idealerweise eine Restitutio ad integrum zu erreichen. Daher ist diese Maßnahme auf einen Zeitrahmen bis zu maximal 8 h nach Symptombeginn begrenzt.

Aneurysmen der Arteria carotis

Karotisaneurysmen treten selten auf und kommen ursächlich entweder auf dem Boden arteriosklerotischer Läsionen vor oder werden nach erfolgter Revaskularisation in Form von Patchaneurysmen oder Pseudoaneurysmen beobachtet. Weitere Ursachen für die Ausbildung von Aneurysmen im Bereich der A. carotis können mykotische Erkrankungen, Traumen oder vorbestehende Dissektionen sein. Nach der Morphologie lassen sich die Aneurysmen in insgesamt 5 Typen einteilen (Eckstein et al. 1998):
  • Typ I: Kurzstreckige, isolierte Aneurysmen der Arteria carotis interna oberhalb des Bulbus caroticus distal der Bifurkation
  • Typ II: Langstreckige Aneurysmen der A. carotis interna, welche vom Bulbus bis an den Unterrand der Mandibula reichen
  • Typ III: Aneurysmen in der Karotisbifurkation
  • Typ IV: Kombinierte Aneurysmen im Bereich der A. carotis communis und in der A. carotis interna
  • Typ V: Isolierte Aneurysmen der A. carotis communis
Ohne gute Evidenzlage gelten derzeit die Empfehlungen, größenstabile, asymptomatische Aneurysmen konservativ zu behandeln und zu beobachten. Größenprogrediente Aneurysmen oder symptomatische Aneurysmen (neurologisch symptomatisch oder lokal durch Druck auf umliegende Strukturen) wurden bislang zumeist operativ versorgt. Mit zunehmender Verbreitung endovaskulärer Behandlungstechniken werden Carotis-Aneurysmen mittlerweile bei passender Anatomie und Morphologie auch durch Stentgraft-Implantation ausgeschaltet (Pourier und de Borst 2016).

Paragangliome

Paragangliome (Kap. „Tumorerkrankungen des Gefäßsystems: Diagnostik, Therapie und Nachsorge“) im Bereich des Glomus caroticus sind in der überwiegenden Anzahl gutartige neuroendokrine Tumore, die nur rund 0,6 % der am Hals auftretenden Tumore ausmachen. Frauen sind häufiger betroffen als Männer, die Tumore treten vor allem im mittleren Lebensalter auf (Altersgipfel im vierten und fünften Lebensjahrzehnt). Bei der familiären Form findet man meist mehrere Paragangliome (bilaterale Glomus caroticus Tumore, Glomus jugulare, Glomus tympanicus Tumore), wohingegen sporadische Formen in der Regel einseitig und isoliert auftreten. Meist werden die Tumore aufgrund des lokalen Wachstums als Zufallsbefund diagnostiziert. Hormonaktive Tumore mit Ausschüttung von Katecholaminen findet man nur selten (4 %). Dementsprechend unterschiedlich fällt die klinische Symptomatik aus. Können kleine, hormoninaktive Tumore lange Zeit völlig asymptomatisch bleiben, kommt es bei größenprogredienten Tumoren zu Symptomen der lokalen Kompression (Heiserkeit, Schluckbeschwerden, Stridor) und Verdrängung bis hin zu neurologischen Beschwerden oder Schwindel und Synkopenneigung. Der kurative Therapieansatz besteht in der radikalen chirurgischen Resektion. Tumore, die bis an die Schädelbasis oder sogar darüber hinaus reichen, müssen unter Umständen präoperativ vorbehandelt werden (Vorbehandlung mit radioaktiven Tracern, Embolisationen), um eine Resektion in sano zu ermöglichen. Je nach Infiltration kann eine komplette Resektion der Karotisgabel erforderlich sein. Häufiger als bei herkömmlichen Karotisoperationen kommt es bei diesen Eingriffen zu Nervenläsionen (N. vagus, N. hypoglossus, Grenzstrangschädigungen). Gerade bei familiär bedingten Paraganglionen ist im postoperativen Verlauf langfristig auf Lokalrezidive zu achten.

Karotidodynie

Unter Karotidodynie versteht man ein Syndrom, welches durch unilaterale Schmerzen im Halsbereich gekennzeichnet ist. Neben diesem Kardinalsymptom kann es auch zu Kopfschmerzen, Halsschmerzen, belastungsabhängigen Schmerzen im Kiefer oder zu verstärkter Tränensekretion kommen. In der klinischen Untersuchung fällt eine Spannung im Bereich des M. sternocleidomastoideus auf. Die Schmerzsymptomatik wird bei Bewegungen des Halses oder leichtem Druck auf die A. carotis verstärkt. Meist ist die Krankheit selbstlimitierend und dauert zwischen 2–4 Wochen. Die Pathophysiologie hinter diesem seltenen Syndrom ist bislang nicht bekannt. Aufgrund des benignen Krankheitsverlaufs benötigt es meist keine Therapie, nichtsteroidale Antiphlogistika können jedoch als symptomatischer Therapieansatz hilfreich sein. Die Karotidodynie sollte als Differenzialdiagnose zu einer Reihe anderer Erkrankungen im Kopf-Halsbereich gesehen werden: Karotisdissektion, zervikaler Diskusprolaps, Spannungskopfschmerz, Riesenzellarteriitis, akute Pharyngitis, Sinusitis oder Tonsillitis.
Literatur
Eckstein HH, Hupp T, Schumacher H, Maeder N, Kraus T, Schnabel P (1998) Die chirurgische Therapie des extrakraniellen Karotisaneurysmas. Ergebnisse in einem 16-Jahres-Zeitraum. Gefässchirurgie 3:72–81
Olin JW, Sealove BA (2011) Diagnosis, management, and future developments of fibromuscular dysplasia. J Vasc Surg 53(3):826–836CrossRef
Pourier VE, de Borst GJ (2016) Which carotid artery aneurysms need to be treated (and how)? J Cardiovasc Surg 57(2):152–157
Rantner B (2013) Evidenzbasierte Therapie radiogener Läsionen der extrakraniellen Arteria carotis und Arteria subclavia. Gefässchirurgie 18:101–106CrossRef