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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 22.10.2015

Riesenzellarteriitis/Arteriitis temporalis

Verfasst von: Wolfgang A. Schmidt
Die Arteriitis temporalis, auch Riesenzellarteriitis (RZA) genannt, ist eine primäre Vaskulitis großer Arterien, die durch mononukleäre Zellinfiltrate, Riesenzellen und/oder Granulome der Gefäßwand charakterisiert ist. Neben den Temporalarterien sind häufig andere Arterien wie die proximalen Armarterien und die Aorta betroffen (Riesenzellarteriitis großer Gefäße). Das Leitsymptom der Arteriitis temporalis ist der neu auftretende bilaterale Schläfenkopfschmerz mit derb geschwollenen und pulsreduzierten Temporalarterien. Im Vordergrund stehen Anamnese und klinischer Befund, des Weiteren Histologie der Temporalarterien, Duplexsonographie und MRT. Glukokortikoide gelten als die Hauptsäule der Therapie. Das Ansprechen auf die Prednisolontherapie ist in der Regel hervorragend.

Definition und Klassifikation

Die Arteriitis temporalis, auch Riesenzellarteriitis (RZA) genannt, ist eine primäre Vaskulitis großer Arterien, die durch mononukleäre Zellinfiltrate, Riesenzellen und/oder Granulome der Gefäßwand charakterisiert ist. Neben den Temporalarterien sind häufig andere Arterien wie die proximalen Armarterien und die Aorta betroffen (Riesenzellarteriitis großer Gefäße). Die Temporalarterien sind bei der Riesenzellarteriitis großer Gefäße nur bei 60 % der Patienten betroffen. Knapp 50 % der Patienten mit Arteriitis temporalis/Riesenzellarteriitis haben eine Polymyalgia rheumatica (PMR) (Schmidt et al. 2008). Gefürchtet ist die Komplikation der anterioren ischämischen Optikusneuropathie (AION) mit Erblindung.
Tabelle 1 listet die Klassifikationskriterien des American College of Rheumatology von 1990 auf. Mindestens drei der fünf Kriterien müssen positiv sein, um eine Arteriitis temporalis zu klassifizieren, das heißt von anderen Vaskulitiden abzugrenzen (Hunder et al. 1990).
Tab. 1
Klassifikationskriterien der Arteriitis temporalis des American College of Rheumatology
1
Alter bei Erkrankungsbeginn ≥50 Jahre
2
Neu aufgetretene, lokalisierte Kopfschmerzen
3
Lokaler Druckschmerz und/oder abgeschwächte Pulsation der Temporalarterien
4
Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) ≥50 mm/h
5
Positiver Befund durch Temporalarterienbiopsie

Pathophysiologie

Histologisch findet sich eine Panarteriitis mit granulomatöser Entzündung in der Gefäßwand. Riesenzellen können, müssen aber nicht vorkommen. Typisch ist eine Proliferation der Intima, die zur Einengung des Gefäßlumens bis hin zum kompletten Gefäßverschluss führt. Die dominierenden Zelltypen in den entzündlichen Läsionen sind CD4-positive T-Zellen und aktivierte Makrophagen. CD4-positive T-Zellen wandern über die Vasa vasorum in die Gefäßwand ein und werden in der Adventitia von dendritischen Zellen stimuliert. Aktivierte T-Zellen sezernieren proinflammatorische Zytokine wie Interferon-gamma und Interleukin(IL)-2. Die Konzentration dieser Zytokine beeinflusst die Differenzierung des Entzündungsinfiltrats. Große Mengen an Interferon-gamma begünstigen die Rekrutierung von Monozyten und Makrophagen.
Je nach Wandschicht haben Makrophagen unterschiedliche Funktionen. In der Adventitia sezernieren sie Zytokine zur Steuerung der T-Zellantwort. In der Media produzieren sie Matrixmetalloproteinasen und reaktive Sauerstoffradikale, wodurch es zur Zerstörung der glatten Muskelzellen und der Membrana elastica interna kommt. An der Media-Intima-Grenze setzen Makrophagen Wachstumsfaktoren wie den „platelet-derived growth factor“ (PDGF) und den „vascular endothelial growth factor“ (VEGF) frei, die wiederum die Intimahyperplasie und den Gefäßverschluss fördern. Die systemische Entzündungsreaktion ist durch erhöhte Blutspiegel von IL-1 und IL-6 gekennzeichnet. Diese Zytokine werden einerseits von aktivierten, im Blut zirkulierenden Monozyten produziert, andererseits von Makrophagen in der Adventitia sezerniert (Schmidt 2015).

Epidemiologie

Die Inzidenz der Arteriitis temporalis/Riesenzellarteriitis liegt in Mitteleuropa bei etwa 20 pro 100.000 Einwohner im Alter von über 50 Jahren. Nahezu alle Patienten sind ≥50 Jahre alt. Das durchschnittliche Alter liegt bei 73 Jahren. Zwei Drittel der Patienten sind weiblich. Bei entsprechender Diagnostik lässt sich bei etwa der Hälfte ein Befall großer Gefäße wie der proximalen Armarterien und der Aorta nachweisen. Etwa 15 % aller Patienten mit Polymyalgia rheumatica haben eine Riesenzellarteriitis (Schirmer et al. 2012).

Klinik

Das Leitsymptom der Arteriitis temporalis ist der neu auftretende bilaterale Schläfenkopfschmerz mit derb geschwollenen und pulsreduzierten Temporalarterien. Fast alle Patienten haben ein stark ausgeprägtes Krankheitsgefühl und deutlich erhöhte BSG- und CRP-Werte. Die Erkrankung manifestiert sich allerdings nicht bei allen Patienten in typischer Weise. Tabelle 2 schildert die häufigsten Symptome (Schmidt et al. 2005).
Tab. 2
Typische Symptome und Befunde der Arteriitis temporalis
Symptome/Befunde
Häufigkeit (%)
Bemerkungen
Krankheitsgefühl
90
Bei längerer Dauer auch Gewichtabnahme
Kopfschmerz
74
Neu, meist bilateral
Auffällige Temporalarterien
64
Schwellung, Druckschmerz, Pulsreduktion
45
Schulter-, häufig auch Beckengürtelschmerz
Kiefer- bzw. Kauschmerz
37
Sehr spezifisches Symptom
Augenbeteiligung
32
Ohne Therapie über 50 %
Der Kopfschmerz tritt typischerweise innerhalb eines Zeitintervalls von einem oder wenigen Tagen neu auf, ist meist bilateral und temporal lokalisiert, seltener okzipital. Der Schmerzcharakter ist dem Patienten bisher unbekannt gewesen.
Die Temporalarterien, insbesondere Ramus frontalis und parietalis, sind derb geschwollen, berührungsempfindlich und oft mit verminderter Pulsation.
Bestandteil der Erkrankung ist eine generelle entzündliche Reaktion mit allgemeinem Krankheitsgefühl, Abgeschlagenheit, häufig Nachtschweiß und Gewichtsabnahme.
Augensymptome treten in der Regel im Zeitintervall zwischen Symptom- und Therapiebeginn auf. Die anteriore ischämische Optikusneuropathie aufgrund eines vaskulitischen Verschlusses der Arteria ciliaris posterior führt meist zur dauerhaften Erblindung eines Auges. Häufig kommt es nur zur Amaurosis fugax. Doppelbilder, meist aufgrund einer Abduzensparese, sind seltener, aber typisch für die Erkrankung. Außerdem kann es zu Zentralarterienverschluss, Zentralvenenverschluss oder posteriorer ischämischer Optikusneuropathie bzw. zu zerebral bedingter Erblindung kommen.
Ischämische Insulte können bei akuter Erkrankung vorkommen und betreffen meistens das Stromgebiet der Arteria vertebralis. Seltener treten in der Akutphase Myokardinfarkte bei Koronaritis oder Vaskulitis der Aorta ascendens auf. Stenosen und Verschlüsse der Arteria axillaris/subclavia bzw. der Arteria femoralis/poplitea können zu Claudicatiosymptomatik der Arme und Beine führen. Aortenaneurysmen, besonders thorakal, treten später im Verlauf der Erkrankung häufiger als bei gleichaltrigen Menschen ohne Riesenzellarteriitis auf.
Manche Patienten beklagen Hörstörungen und trockenen Husten, die unter Glukokortikoidtherapie gut reversibel sind.
Patienten mit Riesenzellarteriitis großer Gefäße sind im Schnitt sechs Jahre jünger als diejenigen mit einer klassischen Arteriitis temporalis, außerdem häufiger weiblich. Erblindungen treten seltener auf, und in 40 % der Fälle sind die Temporalarterien nicht betroffen. Glukokortikoidbedarf und Verlauf sind ansonsten identisch mit der klassischen Arteriitis temporalis (Schmidt et al. 2008).

Diagnostik

Im Vordergrund stehen Anamnese und klinischer Befund. Im Fall von normalen BSG- und CRP-Werten bzw. einem Alter unter 50 Jahren ist eine Arteriitis temporalis sehr unwahrscheinlich. Die Diagnose sollte entweder histologisch mittels Temporalarterienbiopsie oder bildgebend gesichert werden (Tab. 3).
Tab. 3
Diagnostik der Arteriitis temporalis
Symptome/Befunde
Sensitivität (%)
Spezifität (%)
Bemerkungen
BSG ≥50 mm/h
85
Gering
 
BSG ≥20 mm/h
98
Sehr gering
 
Positive Histologie der Temporalarterien
85
Ca. 97
Gilt meist als Goldstandard
Positiv in Duplexsonographie
87
96
Positiv in MRT
81
91
Daten eines Zentrums
BSG Blutsenkungsgeschwindigkeit, MRT Magnetresonanztomographie
Die klinische Untersuchung beinhaltet die Palpation der Temporalarterien (Abb. 1), der Arm- und Fußarterien, die Auskultation supraaortaler Arterien einschließlich der Arteria subclavia und Arteria axillaris sowie die beidseitige Blutdruckmessung, um nach einer begleitenden Riesenzellarteriitis großer Gefäße zu suchen.
Die BSG liegt durchschnittlich bei 85 mm/h, das CRP bei durchschnittlich bei 4,9 mg/dl (normal <0,5 mg/dl). Es gibt keine Laborbefunde, die für die Arteriitis temporalis spezifisch wären.
Histologische Untersuchung: Ein mindestens 1 cm langer Abschnitt des distalen Ramus frontalis oder des Ramus parietalis der Arteria temporalis wird in Lokalanästhesie reseziert. Die Operation erfolgt in der Regel einseitig und nur bei negativem Befund und anhaltendem Verdacht ggf. innerhalb von wenigen Tagen zusätzlich kontralateral. Die Biopsie sollte so früh wie möglich stattfinden, den Therapiebeginn bei dringendem klinischen Verdacht jedoch nicht verzögern. Vor der Biopsie sollte sonographisch eine Stenose oder ein Verschluss der Arteria carotis interna ausgeschlossen werden, da die Biopsie ansonsten einen Kollateralkreislauf vom Stromgebiet der Carotis externa zum Stromgebiet der Carotis interna unterbrechen könnte.
Duplexsonographie: Bei aktiver Arteriitis temporalis lässt sich an den Temporalarterien ein Wandödem in Form einer echoarmen (dunklen) Wandverbreiterung („Halo“) darstellen (Abb. 2). Darüber hinaus treten häufig Stenosen und akute Verschlüsse auf. Auch an anderen Arterien, insbesondere der Arteria axillaris, findet sich im Falle einer Riesenzellarteriitis eine homogene Wandschwellung.
Magnetresonanztomographie (MRT): Die entzündliche Wandschwellung der Temporalarterien lässt sich inzwischen ebenfalls mittels MRT darstellen. Dabei reichert sich Kontrastmittel in der entzündlichen Wand ein. Andere Arterien wie die Arteria occipitalis und die Aorta lassen sich ebenfalls gut abbilden.
Vorteile der Sonographie und der MRT gegenüber der Histologie sind fehlende Invasivität, die sofortige Verfügbarkeit des Befundes (insbesondere bei der Sonographie) und die Übersicht über verschiedene Gefäßregionen. Die bildgebenden Verfahren können falsch negativ sein, wenn nur eine geringe Entzündung vorliegt wie bei einer ausschließlichen Vaskulitis der Vasa vasorum. Außerdem bilden sich die entzündlichen Veränderungen an den Temporalarterien unter Therapie rasch zurück. Die Sensitivität sinkt bereits in den ersten Tagen nach Therapiebeginn, und nach drei Wochen ist der größte Teil der Untersuchungsbefunde negativ. Die Sensitivität der Histologie lässt unter Therapie vermutlich langsamer nach. An anderen Arterien wie den Axillararterien lassen sich dagegen bildgebend trotz Therapie die Befunde noch über Monate nachweisen.
Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie und die Deutsche Gesellschaft für Neurologie empfehlen jeweils Histologie oder Sonographie bzw. Bildgebung als alternative Verfahren zur Diagnosesicherung. In jedem Fall sollte die Diagnosesicherung nicht nur ausschließlich klinisch erfolgen. Sind die bildgebenden Befunde nicht eindeutig, sollte eine Temporalarterienbiopsie durchgeführt werden. Sollten alle Verfahren trotz typischer Klinik negativ sein, kann ex juvantibus eine Prednisolontherapie begonnen werden. Ein Ansprechen auf Glukokortikoide weist auf die Diagnose hin. Diagnose und Kortikoidbedarf müssen in diesem Fall über mindestens sechs Monate engmaschig überprüft werden.
Die Riesenzellarteriitis großer Gefäße lässt sich auch durch Positronenemissionstomographie (PET) bzw. Computertomographie (CT) und PET-CT darstellen. Die konventionelle Angiographie hat heutzutage nur noch einen Stellenwert für Interventionen.
Die Daten zu den verschiedenen diagnostischen Verfahren stammen von unterschiedlichen Studien bzw. Metaanalysen. Die Sensitivität von Histologie, Sonographie und MRT dürfte ähnlich hoch sein. Sie liegt zwischen 80 und 90 %. Sowohl für die Histologie und die Sonographie schwanken die Angaben für die Sensitivität aus den Studien zwischen 50 und 100 %. Für die MRT liegen weniger Daten vor. Erfolgen Sonographie oder MRT auch an extrakraniellen Arterien, so können vermutlich sogar mehr Patienten mit einer Riesenzellarteriitis diagnostiziert werden als mit einer Temporalarterienbiopsie.

Differenzialdiagnostik

Die Arteriitis temporalis muss vor allen Dingen von anderen Ursachen des Kopfschmerzes unterschieden werden. Kopfschmerzen anderer Genese reagieren in der Regel nicht oder nur gering auf eine Glukokortikoidtherapie. Die Riesenzellarteriitis ist eine von verschiedenen Ursachen von Entzündung bzw. Fieber unklarer Genese. In diesem Fall sind Infektionen und Malignome auszuschließen. Sehr selten tritt eine Arteriitis temporalis im Rahmen einer anderen primären Vaskulitis wie einer Granulomatose mit Polyangiitis (GPA; ehemals Morbus Wegener) auf. Falls sich Hinweise auf eine Glomerulonephritis, pulmonale Herde oder eine Entzündung im HNO-Bereich finden, sollte eine entsprechende Diagnostik zur Abgrenzung durchgeführt werden.
Die anteriore ischämische Optikusneuropathie ist nur in ca. 10 % der Fälle vaskulitisch bedingt, in den anderen Fällen liegt ein Gefäßverschluss arteriosklerotischer und/oder embolischer Genese vor. BSG und CRP sind dann meistens normal, und die Patienten haben keine Kopfschmerzen und keine Verschlechterung des Allgemeinzustandes.
Die Polymyalgia rheumatica ist vor allem gegenüber der rheumatoiden Arthritis abzugrenzen. Dies ist der Fall, wenn andere Gelenke als Schulter- und Hüftgelenke betroffen sind. Primäre Schultersyndrome (z. B. Omarthrose oder Tendinitis calcarea der Rotatorenmanschette), Polymyositis und Malignome lassen sich in der Regel leichter klinisch abgrenzen.

Therapie

Glukokortikoide gelten weiterhin als die Hauptsäule der Therapie. Dabei sollte die Startdosis ausreichend hoch sein und möglichst rasch und konsequent reduziert werden. Bei dringendem Verdacht auf eine Arteriitis temporalis muss sofort mit einer Glukokortikoidtherapie begonnen werden. Die Diagnosesicherung mittels Histologie oder Bildgebung sollte dann so schnell wie möglich erfolgen. Einige Zentren bieten Akutsprechstunden für die Diagnose der Arteriitis temporalis an, in denen Patienten innerhalb von 24 Stunden untersucht werden können. Tabelle 4 zeigt ein einfaches Therapieschema, das sich in der Praxis als gut durchführbar erwiesen hat (Schmidt 2015).
Tab. 4
Therapieschema der Arteriitis temporalis (Angaben von Prednisolon-Äquivalenz-Tagesdosen)
 
Standardschema
(Start- bzw. Reduktionsdosis)
Niedrigdosisschema
(Start- bzw. Reduktionsdosis)
Startdosis
70 mg pro Tag
40 mg pro Tag
Reduktion bei >20 mg/Tag
10 mg pro Woche
5 mg pro Woche
Reduktion bei >10–20 mg/Tag
2,5 mg pro Woche
2,5 mg pro Woche
Reduktion bei ≤10 mg/Tag
1 mg pro Monat
1 mg pro Monat
Bei Patienten mit geringem Gewicht und/oder Risikofaktoren für eine verminderte Prednisolonverträglichkeit (z. B. Diabetes mellitus oder Glaukom) kann versucht werden, ob eine geringere Startdosis von 40 statt 70 mg Prednisolon genügt. Auf jeden Fall sollte der Patient spätestens drei Tage nach Therapiebeginn kontaktiert werden, um sicherzustellen, dass eine ausreichende Wirkung eingetreten ist. Dem Patienten muss auch später im Verlauf die Möglichkeit gegeben werden, sich zu melden, wenn wieder Beschwerden auftreten sollten. CRP und BSG sollen im Verlauf regelmäßig kontrolliert werden, insbesondere wenn erneut Symptome auftreten.
Bei Augenbeteiligung werden höhere Glukokortikoiddosen (300–1000 mg Prednisolonäquivalent i.v. pro Tag) für drei bis fünf Tage gegeben. Danach wird die Therapie per os mit 70 mg täglich fortgesetzt.
Die Dosis muss im Verlauf um ein bis zwei Stufen der in Tab. 4 genannten Schemata erhöht werden, falls erneut klinische Symptome auftreten und die Entzündungsparameter wieder ansteigen. Sollte zum Beispiel bei Reduktion der Prednisolondosis von 12,5 mg auf 10 mg/Tag ein erneuter Schub auftreten, kann die Dosis wieder auf 15 mg/Tag gesteigert werden und ggf. langsamer reduziert werden (z. B. 1 mg statt 2,5 mg pro Woche).
Kontrollierte Studien zu unterschiedlichen Dosierungsschemata liegen nicht vor, sodass bisher Empfehlungen auf Erfahrungen und Expertenmeinungen beruhen.
Wegen der Langzeitglukokortikoidtherapie sind von Anfang an Nebenwirkungen zu bedenken. So sind Augendruck, Blutzucker, Blutdruck und Knochendichte zu überprüfen. Eine Osteoporoseprophylaxe mit Vitamin D wird von Beginn der Therapie an empfohlen, je nach Ergebnis der Osteodensitometrie ggf. kombiniert mit weiterer Therapie.
Erblindungen treten jenseits von drei Tagen ab Therapiebeginn sehr selten auf. Somit ist es umstritten, ob eine tägliche Dosis von 100 mg Acetylsalicylsäure innerhalb der ersten drei Therapiemonate für jeden Patienten sinnvoll ist. Wegen der gleichzeitigen Glukokortikoidtherapie wäre in diesem Fall eine Ulkusprophylaxe mit Protonenpumpeninhibitoren erforderlich.
Methotrexat hat bei Polymyalgia rheumatica und Riesenzellarteriitis einen gering glukokortikoidsparenden Effekt, sodass ein Therapieversuch gerechtfertigt ist, wenn sich die Prednisolondosis nicht dauerhaft unter 10 mg/Tag senken lässt. Für die Wirksamkeit anderer Medikamente auf die Krankheitsaktivität der Polymyalgia rheumatica und Riesenzellarteriitis besteht bisher keine ausreichende Evidenz. Tumornekrosefaktor (TNF)-Alpha-Inhibitoren erwiesen sich als unwirksam. Auf Ergebnisse von kontrollierten Studien mit anderen Biologika wie z. B. mit dem IL-6-Inhibitor Tocilizumab muss gewartet werden, bevor Therapieempfehlungen gegeben werden können (Mukhtyar et al. 2009).

Verlauf und Prognose

Das Ansprechen auf die Prednisolontherapie ist in der Regel hervorragend, sodass die Mehrzahl der Patienten innerhalb der ersten drei Tage beschwerdefrei ist. Falls bereits eine Erblindung eingetreten ist, ist die Prognose für das Sehvermögen allerdings schlecht. Bei Beteiligung von Arm- oder Beinarterien kommt es meistens zur Rückbildung von Stenosen oder Verschlüssen, oder es bilden sich Kollateralen. Nekrosen kommen im Verlauf sehr selten vor. Eine Rekanalisation betroffener Arterien mittels Angioplastie, Stent oder Bypass ist meistens nicht erforderlich.
Die notwendige Therapiedauer mit Glukokortikoiden beträgt mindestens ein, in der Regel zwei bis drei Jahre, in einzelnen Fällen auch deutlich länger. Die meisten Patienten benötigen nach dieser Zeit keine Therapie mehr.
Literatur
Hunder GG, Bloch DA, Michel BA et al (1990) The American College of Rheumatology 1990 criteria for the classification of giant cell arteritis. Arthritis Rheum 33:1122–1128CrossRefPubMed
Mukhtyar C, Guillevin L, Cid MC et al (2009) EULAR recommendations for the management of large vessel vasculitis. Ann Rheum Dis 68:318–323CrossRefPubMed
Schirmer M, Dejaco C, Schmidt WA (2012) Riesenzellarteriitis: Update – Diagnose und Therapie. Z Rheumatol 71:754–759CrossRefPubMed
Schmidt WA, Gromnica-Ihle E (2005) What is the best approach to diagnose large-vessel vasculitis? Best Pract Res Clin Rheumatol 19:223–242CrossRefPubMed
Schmidt WA (2015) Polymyalgia rheumatica und Riesenzellarteriitis (Arteriitis temporalis). In: Busse O, Fleig WE, Mayet WJ et al (Hrsg) Rationelle Diagnostik und Therapie in der Inneren Medizin: Leitlinien-basierte Empfehlungen für die Praxis. Elsevier Deutschland, München
Schmidt WA, Seifert A, Gromnica-Ihle E et al (2008) Ultrasound of proximal upper extremity arteries to increase the diagnostic yield in large-vessel giant cell arteritis. Rheumatology 47:96–101CrossRefPubMed
Internetadressen
Diagnostik, Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh). http://​dgrh.​de/​qualitaetsmanual​3_​16.​html.
Monitoring adverse events of low-dose glucocorticoid therapy: EULAR recommendations for clinical trials and daily practice. http://​ard.​bmj.​com/​content/​early/​2010/​08/​05/​ard.​2009.​124958.​full.​pdf+html.