Besonderheiten
Die laterale Clavicula
und das mediale Acromion
bilden ein diarthrodiales Gelenk, das sowohl von kapselförmigen als auch von extrakapsulären Bändern getragen wird. Die Gelenkflächen sind zunächst mit hyalinem Knorpel bedeckt, der später im frühen Erwachsenenalter zu Faserknorpel wird. Ein intraartikulärer faserknorpelartiger Discus unterschiedlicher Größe und Form befindet sich im Gelenk bis ins mittlere Erwachsenenalter. Er wirkt als Stoßdämpfer und gleicht Inkongruenzen der konvexen claviculären und der konkaven acromialen Gelenkfläche aus (Depalma
1963; Mall et al.
2013). Mit dem Altern degeneriert der Discus und ist rudimentär über das vierte Jahrzehnt hinaus zu finden (Depalma
1963). Der Discus wird von einer fibrösen Kapsel umgeben und besteht vor allem aus Wasser, Typ-I-Kollagen und
Proteoglykanen (Mall et al.
2013).
Dreidimensionale Computertomografie-Scans haben eine große Variabilität sowohl in der Größe als auch in der Form des seitlichen Schlüsselbeins gezeigt (Nourissat et al.
2007). Die Neigung des Gelenks kann, von ventral betrachtet, fast senkrecht oder bis zu 50° geneigt sein, wobei das Schlüsselbein das Schulterdach überragt. Der normale Abstand zwischen dem cranialen Aspekt des Proc. coracoideus und dem Unterrand des Schlüsselbeins liegt zwischen 11–13 mm.
Stabilisiert wird das Gelenk durch ein komplexes Zusammenspiel von Kapsel, Bändern und Muskeln. Die acromioclaviculären (AC) Bänder
überspannen die Gelenkkapsel und verhindern primär die horizontale
Translation, wobei die coracoclaviculären (CC) Bänder
vor allem vertikale Verschiebungen der Gelenkpartner gegeneinander limitieren (Fukuda et al.
1986). Die AC-Bänder inserieren clavicularseitig ca. 3,5 mm von der Gelenkfläche entfernt mit einer Ausdehnung von durchschnittlich 2,2–2,9 mm, acromialseitig etwa 2,8 mm von der Gelenkfläche aus über 1,6–2,5 mm (Boehm et al.
2004). Eine Resektion des distalen Schlüsselbeins von 7,5 mm oder mehr führt demzufolge zu einer Beeinträchtigung der clavicularseitig gelegenen
Insertionen der Kapselbänder mit dem Risiko der Destabilisierung des Gelenks.
Der coracoclaviculäre Bandkomplex besteht aus 2 kräftigen Bändern (Lig. conoideum und trapezoideum), die von der Basis des oberen Proc. coracoideus bis zur Unterseite des Schlüsselbeins reichen. Die claviculären
Insertionen variieren je nach Länge der Clavicula. Das Lig. trapezoideum
befindet sich superior, anterior und lateral am Unterrand der Clavicula ausgerichtet. Der mittlere Abstand vom seitlichen Rand des Schlüsselbeins bis zur Mitte des Bands beträgt 25,9 mm und die mittlere Breite der Bandinsertion 11,8 mm. Das medial davon gelegene Lig. conoideum
inseriert etwas weiter posterior am Corpus claviculae und markiert die Verbindung der medialen zwei Drittel und des lateralen Drittels des Schlüsselbeins. Der mittlere Abstand vom seitlichen Rand des Schlüsselbeins bis zur Mitte der Bandinsertion beträgt 35 mm, die mittlere Breite des Bands 25,3 mm (Rios et al.
2007).
Der Delta- und der Trapeziusmuskel fungieren als dynamische
Stabilisatoren, wobei die deltotrapezoidale Faszie – gebildet aus der Pars descendens des Trapeziusmuskels sowie der Pars clavicularis des Deltamuskels, das Acromioclaviculargelenk
(AC-Gelenk
) flächig überziehend – eine wichtige Funktion für die horizontale Stabilität besitzt (Mall et al.
2013).
Die Blutversorgung des AC-Gelenks erfolgt über die A. thoracoacromialis und A. suprascapularis. Die Innervation über kleine Äste des N. pectoralis lateralis und des N. suprascapularis (Mazzocca et al.
2007).
Biomechanisch betrachtet stellen das AC-Gelenk und das Sternoclaviculargelenk die einzige knöcherne Verbindung des Schulter-Arm-Komplexes mit dem Rumpf dar. Dementsprechend finden Bewegungen im AC-Gelenk bei fast allen Armbewegungen statt, genaue Bewegungsausmaße sind aber wenig untersucht. Dennoch spielt die Bewegung des AC-Gelenks eine Rolle bei der gesamten Schultergürtelbewegung
und der Positionierung des Schulterblatts. Das Schlüsselbein dreht sich bis zu 45° in Bezug auf das Brustbein, den Brustkorb und das restliche axiale Skelett, wobei 5–8° dieser Drehung am AC-Gelenk und der Rest mit koordinierter glenohumeraler, scapulothorakaler und sternoclaviculärer Bewegung auftreten (Sahara et al.
2006). Das AC-Gelenk ist entscheidend für die Kinesiologie des Schultergelenks, indem es Schlüsselbein- und Schulterbewegung koppelt, und somit können Schulterdyskinesien
oft mit einer Verletzung des AC-Gelenks assoziiert sein. Die geringe Gelenkfläche und die hohen Belastungen bei alltäglicher Aktivität führen zu sehr hohen Kontaktspannungen im AC-Gelenk. Die schräge Ausrichtung der Gelenkflächen, Inkongruenzen der Gelenkflächen und Degeneration des Discus können diese Belastungen verstärken, wodurch lokale Bereiche des Gelenkknorpels sehr hohen Belastungen ausgesetzt werden und degenerative Veränderungen beschleunigt werden (Colegate-Stone et al.
2010).
Pathogenese
Infolge der anatomischen Gegebenheiten ist die
Arthrose des AC-Gelenks eine der häufigsten des menschlichen Körpers und somit oftmals Ursache für anterosuperiore Schulterbeschwerden
. Primär arthrotische Veränderungen gelten praktisch als physiologisch, da sich in einer Untersuchung bei fast 100 % der über 50-Jährigen ein pathologisch anatomisches Korrelat fand. Frühe histologische Veränderungen stellen sich teilweise ab der zweiten Lebensdekade ein, während radiologische Zeichen schon im dritten Lebensjahrzehnt zu beobachten sind (Tauber
2016). Mögliche Ursachen einer Arthrose im AC-Gelenk sind z. B. Traumata, Osteolysen der lateralen Clavicula
, entzündliche und septische Arthritiden, Gelenkinstabilitäten, Impingementphänomene und repetitive Wechsel an Kompressions- und Scherkräften (Mazzocca et al.
2007; Mall et al.
2013). Ähnlich dem Meniskus des Kniegelenks degeneriert der intraartikuläre Discus durch Ausfransen, Reißen und Bilden von Löchern. Dies wiederum führt zu Arthrose. Es bleibt jedoch unklar, wie oft diese Veränderungen bei asymptomatischen Patienten auftreten, was die Diagnose erschweren kann. Wiederholte Mikrotraumata können zu einer AC-Gelenkdegeneration durch den gleichen Mechanismus führen, der zur lateralen Claviculaosteolyse
führt (Nevalainen et al.
2016). Dieser Mechanismus, der am häufigsten bei Gewichthebern auftritt, wurde auch in anderen Sportarten wie Basketball und Schwimmen beobachtet. Darüber hinaus können entzündliche Arthropathien eine AC-Gelenkdegeneration verursachen. Eine
septische Arthritis, obwohl selten, muss bei akutem Auftreten,
Fieber, signifikantem Erguss und Einschränkung der Beweglichkeit und erhöhten systemischen Entzündungsmarkern durch Gelenkaspiration ausgeschlossen werden. Die häufigsten Ursachen für eine
septische Arthritis des AC-Gelenks sind offene Verletzungen, eine kürzlich durchgeführte Operation und hämatogene Streuung. Risikofaktoren hierfür sind Alter, intravenöser Drogenkonsum, frühere Operationen, vorherige Gelenkerkrankungen, intraartikuläre Injektion,
rheumatoide Arthritis,
Diabetes mellitus, Immunschwäche,
Alkoholismus und Sichelzellenanämie (Hammel und Kwon
2005; Hernigou et al.
2010).
Schließlich können Instabilitäten
zu einer Gelenkdegeneration durch lokale Erhöhung der Kontaktspannungen, dynamischen Verlust der Gelenkkongruenz und Veränderungen im Bewegungsumfang beitragen. Hierbei kann die Instabilität von subtiler bis grober Instabilität reichen. Wichtig ist das Identifizieren auch subtiler Instabilitäten, da hierbei AC-Gelenkresektionen komplikationsbehaftet sein können (Mall et al.
2013).