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Orthopädie und Unfallchirurgie
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Publiziert am: 13.09.2022

Indikationen für Stumpfkorrekturen

Verfasst von: Kim Glapa, Reinhard Hoffmann und Bernhard Greitemann
Die Stellung der Indikation zu einer operativen Stumpfkorrektur fällt nicht leicht, weil viele Patienten nach Amputationen aufgrund der Grunderkrankungen ein erhöhtes Operationsrisiko aufweisen. Probleme in der Prothesenversorgung und Mobilität nach Amputationen, auch Einschränkungen der Lebensqualität Betroffener, sind aber nicht selten Folge einer schlechten primären Stumpfqualität. Es ist von Bedeutung, dass der behandelnde Arzt diese erkennen und Indikationen zu Stumpfkorrekturen stellen kann. Hierzu bedarf es profunder Kenntnisse der Amputationschirurgie und deren optimaler Möglichkeiten, sowie der Prothesenversorgungen und deren Beurteilung.
Zu unterscheiden ist zwischen Phantomgefühl, Phantomschmerzen und Stumpfschmerzen. Bei Letzteren muss der behandelnde Arzt deren Ursache diagnostizieren und Möglichkeiten der Korrektur mit dem Patienten besprechen. Ursachen für Stumpfbeschwerden können vielfältig sein, sie betreffen einerseits die Haut, den Weichteilumfang des Stumpfes, die Stumpfweichteile sowie die knöcherne und nervale Situation.
Durch gut durchgeführte Revisionseingriffe können die Rehabilitationsaussichten und die Lebensqualität der Betroffenen deutlich verbessert werden. Daher sollten Stumpfrevisionen, gerade bei jüngeren Betroffenen, häufiger indiziert werden und sie sollten zum Standardrepertoire orthopädisch-unfallchirurgischer Abteilungen gehören.

Einleitung

Die Stellung der Indikation zu einer operativen Stumpfkorrektur fällt nicht leicht, weil viele Patienten nach Amputationen aufgrund der Grunderkrankungen ein erhöhtes Operationsrisiko aufweisen. Probleme in der Prothesenversorgung und Mobilität nach Amputationen, auch Einschränkungen der Lebensqualität Betroffener, sind aber nicht selten Folge einer schlechten primären Stumpfqualität. Es ist von Bedeutung, dass der behandelnde Arzt diese erkennen und Indikationen zu Stumpfkorrekturen stellen kann. Hierzu bedarf es profunder Kenntnisse der Amputationschirurgie und deren optimaler Möglichkeiten, sowie der Prothesenversorgungen und deren Beurteilung.
Zu unterscheiden ist zwischen Phantomgefühl, Phantomschmerzen und Stumpfschmerzen. Bei Letzteren muss der behandelnde Arzt deren Ursache diagnostizieren und Möglichkeiten der Korrektur mit dem Patienten besprechen. Ursachen für Stumpfbeschwerden können vielfältig sein, sie betreffen einerseits die Haut, den Weichteilumfang des Stumpfes, die Stumpfweichteile sowie die knöcherne und nervale Situation.
Durch gut durchgeführte Revisionseingriffe können die Rehabilitationsaussichten und die Lebensqualität der Betroffenen deutlich verbessert werden. Daher sollten Stumpfrevisionen, gerade bei jüngeren Betroffenen, häufiger indiziert werden und sie sollten zum Standardrepertoire orthopädisch-unfallchirurgischer Abteilungen gehören.
Der Verlust einer Extremität stellt auch heute noch eine hohe Hürde im Hinblick auf die Teilhabe in Alltag und Beruf dar. Die Amputationschirurgie determiniert dabei die Belastungsfähigkeit des Stumpfes und damit die späteren Rehabilitations- und Reintegrationschancen (Greitemann et al. 2000; Greitemann 2004; Glapa et al. 2020). Nicht selten mangelt es an der erforderlichen primären chirurgischen Qualität der Amputation selbst, andererseits kommt es aber über die Jahre im Rahmen der Prothesenversorgungen zu Veränderungen der Stumpfweichteile mit eventuell verminderter Stumpfqualität. Daher ist es wichtig, dass sich der betreuende Arzt, auch wenn derartige Patienten nicht so häufig in nicht spezialisierten Praxen und Kliniken behandelt werden, in dieser Thematik auskennt, um seine Patienten gut betreuen zu können. In dieser Hinsicht ist es wichtig, dass der behandelnde Arzt sich einerseits im Groben ein Bild über die Prothese selbst machen kann, diese also auch kontrollieren kann, andererseits aber in der Lage ist, Stumpfprobleme zu erkennen und gegebenenfalls Stumpfkorrekturen zu indizieren. Hierzu bedarf es profunder Kenntnisse des amputationschirurgischen Vorgehens, der Voraussetzungen für eine gute Stumpfbelastbarkeit und möglicher Ursachen für Stumpfprobleme (Greitemann 2015a; Glapa et al. 2020).
Selbstverständlich müssen bei einer derartigen Untersuchung und Indikationsstellung das Gesamtbild des Patienten, sein Allgemeinzustand, das Lebensalter und die zu prognostizierende Lebensdauer, die Grunderkrankung und häufig vorliegende Komorbiditäten, die Motivation und der Anspruch des Patienten, aber auch das private und soziale unterstützende Umfeld im Rahmen einer ganzheitlichen Abwägung mit beleuchtet werden. Je jünger ein Patient allerdings ist, umso aggressiver sollte die Indikation zur Revisionsoperation gestellt werden. Hier ist ein Maximum an Stumpfqualität für einen weitestgehenden Behinderungsausgleich zu fordern.
Voraussetzungen für einen belastbaren Stumpf sind (Greitemann et al. 2016):
  • alles avitale Gewebe entfernen,
  • kein stärkerer Weichteilüberhang,
  • ausreichende Deckung mit spannungsfreier und belastbarer Haut am Stumpfende,
  • wenn möglich Fixation der Muskulatur bzw. der Weichteile am knöchernen Stumpfende (Myo Plastik, Myodese)
  • ausreichende Durchblutung,
  • Nerven weit genug oberhalb der knöchernen Belastungsfläche kürzen und spannungsfrei in die Weichteile verlagern,
  • knöcherne Stumpfenden glätten und abrunden.

Definitionen von Phantomgefühl/Stumpfschmerzen/Phantomschmerzen

Im Rahmen der Anamnese und klinischen Untersuchung bei amputierten Patienten muss man sehr genau die Ursachen der Schmerzen unterscheiden. Man differenziert hierbei zwischen Phantomgefühl, Stumpfschmerz, und Phantomschmerz.
1.
Phantomgefühl:
Phantomgefühle stellen Wahrnehmungen im nicht mehr existenten Körperteil dar und sind auf das zunächst weiterhin bestehende kortikale Körperschema zurückzuführen. Sie sind strikt von Phantom- und Stumpfschmerzen abzugrenzen. Phantomgefühle treten nach fast allen Amputationen auf, bevorzugt in den distalen Anteilen der als Phantom empfundenen Extremität, besonders stark nach Traumata oder vorher schmerzhaften Ulzerationen. Problematische Stumpfnarben und auch Neurome haben Einfluss. Zentrale Effekte wie Ruhe und Entspannung können ebenso wie Willkürbewegungen, verbunden mit intensiver Konzentration und Kontraktion der Stumpfmuskulatur, Phantomsensationen reduzieren, emotionaler Stress verstärkt sie (Brückner 2016).
 
2.
Stumpfschmerzen:
Stumpfschmerzen lokalisieren sich im verbliebenen Teil der Extremität. Meist können sie palpatorisch ausgelöst werden. Ursachen können sein:
  • postoperativer Wundschmerz
  • chronische Stumpfschmerzen:
    • Weichteile: Problemnarben, Narbenadhärenzen, schlechte Weichteildeckung, verruköse Hyperplasie, andere Hautveränderungen, Allergien, Druckstellen durch schlechte Prothesenanpassung
    • Durchblutung: Durchblutungsprobleme, aber auch venöse Stauungen
    • Knochen: prominente oder scharfkantige Knochen, mangelhafte knöcherne Abrundungen in der Belastungsfläche, Exostosen
    • neurogen bedingt: Neurome, schmerzhafte Nervenendigungen, lokale oder zentrale Wurzelreizsymptomatik und Plexusschäden, Polyneuropathie
    • arthrogen bedingt: aus angrenzenden, pathologisch veränderten Gelenken fortgeleitet, Fehlstatik angrenzender Gelenke
    • sympathikogen bedingt: CRPS (Complex Regional Pain Syndrome) vom Typ 1 („Morbus Sudeck“) oder Typ 2 („Kausalgie“)
 
3.
Phantomschmerzen:
Phantomschmerz ist als schmerzhafte Sensation im amputierten Körperteil definiert. Er ist in Intensität, Frequenz, Dauer und Charakter, mitunter auch in den prädisponierenden Faktoren unvorhersagbar. Als Ursache wird eine plötzliche Beendigung eines Afferenzmusters zum Rückenmark und zu höher gelegenen Strukturen beschrieben. Im Rahmen der Amputation wird ein letztes, schmerzhaftes Afferenzerleben zum Hirn transportiert. Dieses wird nach der Amputation durch ein anderes ersetzt (neuronale Plastizität – „Schmerzgedächtnis“). Das Schmerzempfinden steigt mit dem Ausmaß an kortikaler Reorganisation. Stärkste Schmerzen und somit die deutlichste Reorganisation zeigen nicht prothetisch versorgte Patienten. Prophylaxe ist dabei die wirksamste Therapie. Als therapeutische Maßnahmen haben sich bewährt:
  • Konsequentes präoperatives Schmerzmanagement, um eine zentral-nervöse Engrammierung zu verhindern,
  • Amputationen in rückenmarksnaher Anästhesie. Falls dies nicht möglich oder gewünscht ist, intraoperativ zumindest perineurale Lokalanästhesie vor Nervendurchtrennungen,
  • Ketamingabe (vermeintlich protektive Wirkung durch Beeinflussung der NMDA-Rezeptoren als wichtige Rezeptoren neuroplastischer Veränderungen und damit des „Schmerzgedächtnisses“),
  • ggf. Spiegeltherapie,
  • möglichst schnelle Prothesenversorgung.
Ein eindeutiges, den Phantomschmerz beherrschendes Therapieschema wurde bisher nicht nachgewiesen. Phantomschmerzen, die länger als 6 Monate bestehen, sind wenig bis kaum beeinflussbar (Brückner 2016).
 

Anamnese

Die Anamnese ist im Hinblick auf die Detektion der Probleme am Stumpf des Patienten von immanenter Bedeutung. Bei der Erhebung der Anamnese wird gezielt nach den Ursachen für eine eingeschränkte Belastbarkeit gefragt. Zunächst wird der Patient detailliert nach seinen Schmerzen befragt, dies beinhaltet
  • Lokalisation,
  • Qualität (stechend, brennend, dumpf),
  • Ausbreitung,
  • Zeitpunkt des Auftretens,
  • zeitlicher Verlauf,
  • mögliche Einflussfaktoren (beispielsweise Geh- oder Stehbelastungen, Hitze, Kälte, Druck, Gehstrecke, Druckstellen in der Prothese),
  • Modulatoren (beispielsweise Therapien, Druck am Stumpf),
  • Medikamenteneinnahme.
Hieraus ergeben sich bereits Hinweise darauf, ob die Schmerzursache infolge gewisser Belastungen auftritt (beispielsweise Gehen), Folge von Durchblutungsproblemen ist, oder sich der Fokus mehr auf Probleme der Prothesenversorgung richtet.
Die Ursache für die Amputation, der zeitliche Verlauf nach der Operation und Rehabilitation, der Zeitpunkt der ersten Prothesenversorgung und der weitere Verlauf klinisch, aber auch von Seiten der Prothesenversorgung, spielen eine entscheidende Rolle. Im Rahmen der detaillierten Anamnese im Hinblick auf die Prothesenhistorie erfragt man den Zeitpunkt der ersten Prothesenversorgung, von Folgeversorgungen, Schaftprobleme/-änderungen, Änderungen der Passteile und Probleme mit der Prothese im Alltag. Wichtige Punkte sind die Gehstrecke, die längste, zu bewältigende Strecke am Stück, Freizeit- und berufliche Aktivitäten sowie Gewichtszunahmen bzw. -abnahmen.

Klinische Untersuchung

Die klinische Untersuchung bei Amputierten beginnt mit einer orientierenden visuellen Ganganalyse. Hierbei achtet man auf seitengleich annähernd symmetrische Schrittlänge, Belastungsphasen, Schrittabwicklung und Gangbild-Asymmetrien wie Hinken, Zirkumduktion oder ähnliches. In komplexen Fällen kann gegebenenfalls eine instrumentierte Ganganalyse zusätzliche Beurteilungsfaktoren ergeben.
Nicht selten ergeben sich Probleme seitens der Prothesenversorgung durch einen fehlerhaften Aufbau der Prothesenstatik. Der statische Aufbau der Prothese (Alignment) ist von besonderer Bedeutung und muss mit beurteilt werden. Aber auch dynamische Achsabweichungen wie beispielsweise ein Varus- oder Valgusknick beim Auftritt können bereits im Rahmen einer normalen klinischen Beobachtung erkannt werden. Bei getragener Prothese wird orientierend die Beinlänge kontrolliert, die auf der betroffenen Seite in aller Regel etwas verkürzt ist (bei Amputationshöhen oberhalb des Knies). Grob orientierend wird der Sitz und die Passform der Prothese überprüft. Geachtet wird dabei auf:
  • Vollkontakt des Stumpfes im Schaft
  • sichtbare Druckstellen?
  • Hinterschneidungen?
  • Sitzbein umgriffen?
  • Tuber im Schaft
  • Shifting-Test bei transfemoralen Schäften
  • Zug an der Prothese.
Es wird registriert, wie viel Strümpfe der Betroffene in der Prothese trägt (Volumenausgleich).
Von besonderer Bedeutung ist es, dass man sich einen Eindruck darüber verschafft, ob im Prothesenschaft Endkontakt für das distale Stumpfende vorlag. Hierzu tastet man bei Oberschenkelschäften das Stumpfende durch das Ventilloch. Unter dem Stumpfende sollte zum Schaftboden kein Platz verbleiben. Bei den Unterschenkelschäften kann man sich ein Bild durch Palpation am Ende des Weichwandschaftes oder des Liners machen. Bei Schäften, bei denen die Kniescheibe mit umfasst ist, kann man sich auch an der Position des Schaftes zum unteren Patellapol orientieren. Proximale Hinterschneidungen sind bis auf bestimmte Ausnahmen (Knieexartikulationsschäfte) möglichst zu vermeiden, um Weichteilprobleme am Stumpfende durch Zirkulationsstörungen zu verhindern.
Nach dem Ausziehen der Prothese werden zunächst die Stumpfweichteile inspiziert. Dabei achtet man insbesondere auf Hautverfärbungen. Rötungen sind in aller Regel ein Zeichen für lokale Druckstellen durch die Prothese. Diese werden markiert und mit der Prothese abgeglichen, da nicht alle derartige Verfärbungen problematisch sind. So können beispielsweise leichtere Rötungen supracondylär bei einer Unterschenkel-Prothesenversorgung mit einer Verklammerung durchaus normal sein. Bläulich-livide Verfärbungen hingegen deuten auf proximale Strangulationen in der Prothese hin oder sind Hinweise für Durchblutungsprobleme. Bräunliche Verfärbungen, verruköse Hyperplasien und plattenartige Verhärtungen der Weichteile am Stumpfende zeigen, dass der Stumpf über eine längere Zeit keinen Endkontakt in der Prothese hatte.
Anschließend palpiert man Narben und deren Verschieblichkeit und Schmerzempfindlichkeit auf der Unterlage. Auf eine ausreichende Weichteildeckung über dem knöchernen Stumpfende ist zu achten, aber auch darauf, ob ein Weichteilüberhang oder eine fehlende Weichteilfixation mit Dislokation vorhanden ist. Dies ist häufig bei Unterschenkelstümpfen der Fall, wenn die Wadenmuskulatur zur Unterschenkelrückseite disloziert und dadurch an der vorderen Tibiakante eine Prominenz entsteht, an der sich nicht selten schmerzhafte Bursitiden und Druckstellen entwickeln. Durch flächigen Druck analysiert man die Belastbarkeit des Stumpfendes und prüft damit, welchen Druck der Stumpf in der Prothese toleriert. Die Hauttemperatur und somit eventuelle Temperaturunterschiede werden erfasst als Hinweis für Durchblutungsstörungen. Im Weiteren wird das knöcherne Stumpfende auf ausreichende Abrundung, eventuelle Druckstellen oder Exostosen palpiert. Der Stumpf wird auf schmerzhafte Prominenzen oder auch störende Fremdkörper hin untersucht. Es schließt sich eine Untersuchung auf Neurome an. Hierzu muss der Untersucher die Lage, den anatomischen Verlauf und mögliche Variationen der wesentlichen Nerven am Stumpf kennen. Sinnvoll ist es, bei jeder klinischen Untersuchung die Umfangmaße des Stumpfes und der betroffenen Extremität zu erfassen. Dies sollte in einer standardisierten, definierten Weise erfolgen, um Vergleiche im Verlauf zu ermöglichen. Abgeschlossen wird die Untersuchung durch die Untersuchung der Gelenkbeweglichkeit der angrenzenden großen Gelenke, gegebenenfalls auch der Wirbelsäule.
Zur genauen Beurteilung möglicher Ursachen für Stumpf- oder Phantomschmerzen bedarf es immer (!) eines Röntgenbildes des Stumpfendes mit angrenzendem Gelenk in zwei Ebenen. Bei bestimmten Fragestellungen (Flüssigkeitsansammlung, Bursa etc.) ist die Sonographie ein wichtiges Untersuchungsmittel.

Indikationen für Stumpfkorrekturen

Wundheilungsstörungen/Nekrosen

Lokale Wundheilungsstörungen sind nicht immer eine sofortige Indikation für Korrekturoperationen. In jedem Fall ist eine genaue Risiko-Nutzen-Analyse erforderlich, bei der das Operationsrisiko und auch mögliche erneute Wundheilungsstörungen in Betracht zu ziehen sind und gegenüber einer prognostischen Einschätzung der Dauer der durch die Wundheilungsstörung verursachten Immobilität und mangelhaften Prothesenversorgungsfähigkeit, aber auch dem potenziellen Infektionsrisiko bei der vorliegenden Wundheilungsstörung abzuwiegen gilt (Greitemann 2015b). Ist erkennbar, dass die Wunde auch ohne einen Eingriff sekundär heilt, so ist gegebenenfalls ein Abwarten möglich. Hierbei gilt es zu berücksichtigen, dass auch eine verlängerte Zeit der Immobilisation oder sekundär breite, wenig belastbare Narben für den Patienten problematisch sein können.
Größere oberflächliche Nekrosen, immer aber alle tiefen Nekrosen sind durch Revisionen zu entfernen. Ziel ist es, dass gerade im Belastungsbereich eine belastungsfähige Weichteildeckung erfolgt. Dabei ist immer die funktionelle Beurteilung im Hinblick auf Belastung, Biomechanik, Hebelarm und Steuerung der Bewegung erforderlich.

Nachblutung, Hämatom

Alle größeren Hämatome (Abb. 1) und größere Flüssigkeitsansammlungen sind unter dem Aspekt, dass es sich oft um durchblutungsgestörte Regionen handelt, bei denen der geringste vermehrte Druck innerhalb des Stumpfes zur Durchblutungsproblemen führt, aggressiv zu entfernen. Postoperativ kommt einer effizienten Drainage eine eminente Bedeutung zu.

Neurome

Neurome stellen mit die Hauptursache für Stumpfkorrekturen dar. Einerseits können sie durch primär zu lang belassene Nervenenden im Rahmen der Operation bedingt sein, andererseits können sie aber auch sekundär durch Aussprossen in die Belastungszonen hinein sich entwickeln. Bei störenden Neuromen (Abb. 2) in den Belastungszonen (palpierbar, elektrisierender Schmerz nach distal ins Versorgungsgebiet), aber auch bei starken Phantomschmerzen besteht die Indikation zur Revision. Dabei sollten die Neurome etwa 3–4 Querfinger oberhalb der knöchernen Belastungsfläche nach perineuraler Anästhesie reseziert werden.

Knöcherne Probleme

Knöcherne Probleme können ursächlich durch fehlerhafte chirurgische Technik bedingt sein, andererseits aber auch durch wachstumsbedingte Veränderungen der Knochenpositionen, durch Zug der Muskulatur an den Knochenenden und (seltener) sekundär im Rahmen einer Myositis ossificans.
Ist die knöcherne Belastungsfläche primär im Rahmen der chirurgischen Vorgehensweise mangelhaft für einen belastbaren Stumpf vorbereitet, so ist eine Korrekturoperation in der Regel sinnvoll. Dies ist insbesondere der Fall, wenn spitze Knochenkanten in der Belastungsfläche liegen. In den meisten Fällen tritt dieses Problem an der Tibia auf (Abb. 3).
Aber auch bei sich entwickelnden sekundären Fehlstellungen (beispielsweise beim Chopart-Stumpf, bei dem sich durch das Muskelungleichgewicht im Rahmen des Ansatzverlustes der Strecker und Pronatoren gern eine Spitzfuß-/Supinationsfehlstellung entwickelt) können Korrekturoperationen notwendig und sinnvoll sein (Abb. 4). Gleiches gilt auch für kindliche Amputationsstümpfe, bei denen es durch das weitere Wachstum der Knochen bei noch offenen Wachstumsfugen nicht selten zu Druckproblemen am Stumpfende kommt, bis hin zur Stumpfperforation. In diesen Fällen sind im Rahmen der Wachstumsphasen gegebenenfalls mehrfache operative Eingriffe oder plastische Operationen (s. u.) erforderlich.
Ein Beispiel stellt ein sich entwickelnder Hallux valgus nach Amputation der zweiten Zehe dar. Durch den Platz im Interdigitalraum wandert die erste Zehe in diese Lücke, es kommt nicht selten zu Druckstellen am medialen Schuhrand. Hier löst eine frühzeitige Strahlresektion des zweiten Strahls an der Basis des Mittelfußknochens das Problem. Der Fuß wird insgesamt etwas schmaler, die Entstehung eines Hallux valgus mit dessen Folgeproblemen wird aber meist verhindert (Abb. 5).
Sich entwickelnde Exostosen (Abb. 6 und 7) führen meist zu einer mangelhaften Belastbarkeit und müssen dementsprechend häufig sekundär entfernt werden. Periostfransen müssen vermieden werden, um keine erneute Exostosenbildung zu provozieren. Allerdings müssen Exostosen nicht immer entfernt werden. Ein typisches Beispiel hierfür ist der Ansatz der Adduktoren am Femur, bei dem es in der Regel zu Ossifikationen kommt, die aber oft unproblematisch für die Prothesenversorgung sind, wenn sie nicht zu groß ausfallen.
Ein besonderes Phänomen und Problem stellt, gerade nach einem Polytrauma mit Schädel-Hirn-Verletzungen die Myositis ossificans dar. Hier sollte vor einer Revision zumindest gewartet werden, bis ein geringer oder gar kein Aktivitätsgrad der Verkalkungstendenz mehr vorhanden ist. Hierzu ist ggf. eine Szintigraphie hilfreich. In komplexen Fällen kann hierbei allerdings das Verkalkungsareal auch zur Verbreiterung der knöchernen Auflagefläche und damit zu einer besseren Belastbarkeit genutzt werden. In diesen Fällen sollten dann die Last-tragenden knöchernen Bereiche möglichst abgerundet und von Spitzen befreit werden (Abb. 8). Vor einer derartigen Revisionsoperation sollte eine Strahlentherapie im OP-Areal durchgeführt werden.

Weichteilprobleme

Die Deckung des knöchernen Stumpfendes durch belastbare Weichgewebe ist eine conditio sine qua non für eine effektive Prothesenversorgung. Dementsprechend ist eine ungenügende Weichteildeckung des knöchernen Stumpfes immer eine Indikation zu einer Revisionsoperation. In dieser Hinsicht sollte aber vor zu schnellen Nachkürzungen des Stumpfes gewarnt werden. Unter funktionellen Aspekten ist beispielsweise ein erhaltener Unterschenkelkurzstumpf wertvoller als eine Knieexartikulation. Dementsprechend ist bei der Planung der Revision möglichst eine Stumpfkürzung auf ein funktionell schlechteres Niveau zu vermeiden, gegebenenfalls ist an proximale Verkürzungs-Osteotomien (Abb. 9) oder auch plastische Verfahren zu denken.
Weichteilüberhänge sind meist durch gute Prothesentechnik (oft Linertechnik) beherrschbar. Die Weichteile werden dabei durch diese Technik vorkomprimiert und ähnlich dem PET-Flaschen-Prinzip dadurch stabilisiert.
Gerade bei der Unterschenkelamputation ist die sekundäre Dislokation der Weichteile (Gastrocnemii) besonders problematisch. In aller Regel wird bei der Technik des langen hinteren Lappens diese Muskulatur an das ventrale Periost und/oder die Tibia fixiert. Diese Fixierung neigt allerdings zum Abreißen. Gerade durch die Liner-Technik und mangelhafte Schulung der Betroffenen in deren Nutzung kommt es beim Abrollen des Liners nicht selten dazu, dass der Ansatzbereich disloziert. Es entwickelt sich dann eine prominente, nicht von Weichteilen gedeckte Tibiakante, die beim Vorbringen des Beines in der Schwungphase an der Vorderkante der Prothese anstößt und bei der sich dann konsequenterweise oft eine Bursa bildet (Abb. 10). Um eine Dislokation und fettige Degeneration der Muskulatur zu vermeiden, ist in diesen Fällen eine schnelle Korrektur anzustreben, die oft nur mit einer – milden – Stumpfkürzung und erneuter Fixierung der Muskulatur unter Vorspannung erreicht werden kann.
Chronische Druckstellen und Narben in Belastungszonen der Prothesenversorgung bedürfen häufiger operativer Stumpfkorrekturen. Dabei spielen insbesondere schlecht verschiebliche Narbenareale eine besondere Rolle, da sie zur keloidartigen Verhärtung und zum schmerzhaften Einreißen neigen. Dabei können Druckstellen einerseits entlastet werden, indem der „innere“ Druck durch Resektion oder Glättung prominenter Knochenanteile darunter reduziert wird, andererseits aber auch dadurch, dass adhärente und/oder störende Narben oder Hautnekrosen in Belastungsflächen mittels plastischer Maßnahmen korrigiert werden (Abb. 11).
Ein besonderes Problem stellt die bei kindlichen Amputationen oft vorkommende Neigung zur Stumpfdurchspießung an der Tibia dar. Diese sind bedingt durch das weitere Wachstum bei offenen Wachstumsfugen (s.o.). In diesen Fällen sind häufigere Nachresektionen erforderlich, bergen aber das Problem, dass sich die Stumpflänge über die Jahre verringert und dadurch der Hebelarm zum Steuern der Prothese sich verschlechtert. Alternativ bietet sich die Möglichkeit einer Ertl-Dederich-Plastik (Vergrößerung der knöchernen Oberfläche) oder einer Fibulakopf-Umdrehplastik an. Beide Verfahren bedürfen eines erfahrenen Operateurs, der sich mit kindlichen Amputationen auskennt (Abb. 12).

Infektionen

Infektionen im Stumpfbereich bedürfen immer einer operativen Revision nach den Grundlagen der septischen Chirurgie. Allerdings sollte auch hierbei an den Erhalt von Stumpflänge und Funktion gedacht werden. Dennoch ist immer ein radikales Debridement erforderlich. Bei knöcherner Beteiligung ist insbesondere der Markraum sorgfältig zu debridieren und auszufräsen. Passager können Antibiotikaträger (Kollagenschwämme, Ketten) eingelegt werden. Bei den Ketten ist darauf zu achten, dass diese längerfristig nicht in der knöchernen Belastungszone am Stumpfende liegen bleiben dürfen, da sie eine Prothesenversorgung sonst unmöglich machen. Gerade bei Amputationsstümpfen ist aber auch die altbewährte Technik der Fensterung des Knochens, Kürretage (Kugelfräse etc.) und der Einlage von Muskellappen eine probate Möglichkeit (Abb. 13).

Fremdkörper

Fremdkörper sollten im Stumpf weitestgehend, wenn nicht vollständig entfernt werden. Spitze, auch im Weichteilbereich liegende Fremdkörper führen unweigerlich zu Druckproblemen in der Prothese. Auch starre Gefäßbypässe verursachen nicht selten Druck- oder Hautprobleme.

Fazit für die Praxis

  • Um ein Optimum an Rehabilitationschancen zu ermöglichen, bedarf es eines gut belastbaren Amputationsstumpfes.
  • Hierzu ist die chirurgische Qualität der primären Amputation entscheidend.
  • Bei verbleibenden Problemen in der Prothesenversorgung sind oftmals nicht optimale Stumpfverhältnisse die Ursache.
  • Der behandelnde Arzt sollte mögliche Indikationen zu Stumpfrevisionen erkennen und unter Berücksichtigung der Risiken und Absprache mit dem Patienten indizieren können.
  • Dazu bedarf es profunder Kenntnisse der Amputationschirurgie und Prothesenversorgung.
  • Durch gut durchgeführte Revisionseingriffe können die Rehabilitationsaussichten und die Lebensqualität der Betroffenen deutlich verbessert werden.
Literatur
Brückner L (2016) Phantomschmerz. In: Greitemann B, Brückner L, Schäfer M, Baumgartner R (Hrsg) Amputation und Prothesenversorgung, 4. Aufl. Thieme, Stuttgart
Glapa K, Hoffmann R, Greitemann B (2020) Rehabilitation bei Patienten nach Amputationen an den unteren Extremitäten. Gefäßchirurgie 1–12. https://​doi.​org/​10.​1007/​s00772-020-00668-7
Glapa K, Hoffmann R, Greitemann B (2021) Indikationen für Stumpfkorrekturen. Orthopäde 50:24–31CrossRef
Greitemann B (2004) Rehabilitation nach Amputationen. In: Stein V, Greitemann B (Hrsg) Rehabilitation in Orthopädie und Traumatologie. Springer, Heidelberg
Greitemann B (2015a) Rehabilitation bei Patienten mit Amputationen an den unteren Extremitäten. Rehabilitation 6:409–420
Greitemann B (2015b) Fehler und Komplikationen bei Amputationen an der unteren Extremität. Orthopäde 44:426–435. Springer-online. https://​doi.​org/​10.​1007/​s00132-015-3116-xCrossRefPubMed
Greitemann B, Bork H, Brückner L (Hrsg) (2000) Rehabilitation nach Amputationen an den unteren und oberen Extremitäten. Gentner-Verlag, Stuttgart
Greitemann B, Brückner L, Schäfer M, Baumgartner R (2016) Amputation und Prothesenversorgung, 4. Aufl. Thieme, Stuttgart