Erschienen in:
06.07.2020 | Folsäure | Kasuistiken
Chorioretinale Atrophie bei kindlichem zerebralem Folatmangel – eine vermeidbare Erkrankung?
verfasst von:
V. Kakkassery, Dr. med. A. Koschmieder, F. Walther, R. Lehbrink, A. Bertsche, S. B. Wortmann, J. Buchmann, M. Jäger, C. Friedburg, B. Lorenz, A. Jünemann
Erschienen in:
Die Ophthalmologie
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Ausgabe 4/2021
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Zusammenfassung
Der zerebrale Folatmangel (CFD) führt unbehandelt neben neurologischen Veränderungen zu einer massiven Degeneration der Aderhaut/Netzhaut, die das Gesichtsfeld und die Sehschärfe zunehmend einschränken. Im Folgenden stellen wir den Fall einer Patientin mit einem CFD vor, die bereits im Vorschulalter durch autistische Persönlichkeitszüge auffiel und erst im Alter von 3 Jahren zu sprechen begann. Im Alter von 6 Jahren wurde sie wegen einer unklaren Visusminderung am rechten Auge vorgestellt. Die bei Erstvorstellung noch milden Aderhaut‑/Netzhautveränderungen beidseits in der Peripherie wurden in den Folgejahren deutlicher, und es trat eine zentral betonte chorioretinale Atrophie hinzu. Im Verlauf kam es zu einer weiteren beidseitigen Visusminderung, welche ab dem 14. Lebensjahr bei 0,1 stagnierte. Die kausale Zuordnung der Befunde der Patientin war über Jahre hinweg nicht möglich: Eine Chorioideremie wurde molekulargenetisch ausgeschlossen (CHM-Gen ohne auffällige Mutation), gegen eine Atrophia gyrata sprach der normale Ornithin-Spiegel. Eine Mitochondriopathie wurde, soweit möglich, mittels Exomsequenzierung ausgeschlossen. Mit Hinzutreten weiterer nichtokulärer Symptome (neuromuskuläre Störungen, EEG-Veränderungen, autistische Störung) erfolgte eine nochmalige intensivierte Labordiagnostik durch die behandelnde Kinderklinik. Schließlich gelang mit dem Nachweis einer äußerst niedrigen Konzentration des Folsäuremetaboliten 5‑Methyltetrahydrofolat im Liquor cerebrospinalis die Diagnose eines CFD. Daraufhin wurde eine hoch dosierte Substitutionstherapie mit Folsäure eingeleitet. Nach Ausschluss pathogener Mutationen im FOLR1-Gen für den zerebralen Folatrezeptor 1 wurden als Ursache hochtitrige blockierende Autoantikörper gegen den zerebralen Folatrezeptor 1 nachgewiesen.