Erschienen in:
11.04.2017 | Frühgeburten | Originalien
Eltern frühgeborener Kinder
Belastungen und Bewältigungsstrategien nach Geburt und während der primären Behandlung von sehr unreifen Frühgeborenen unter besonderer Berücksichtigung der Entfernung zum Wohnort
verfasst von:
Dr. O. von Rahden, Prof. Dr. J. Seidenberg
Erschienen in:
Monatsschrift Kinderheilkunde
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Ausgabe 8/2018
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Zusammenfassung
Hintergrund
Zur Sicherstellung einer hohen Behandlungsqualität wird die medizinische Versorgung von sehr unreifen Frühgeborenen in Perinatalzentren durchführt. Folge dieser Zentralisation sind sehr große Entfernungen vom Wohnort insbesondere zu Level-1-Perinatalzentren mit entsprechender Trennung der Familien über mehrere Wochen. Die VOLL-FRÜH-WEIT-Studie untersuchte die daraus resultierenden Belastungen und Bewältigungsstrategien.
Fragestellung
Folgende Fragen wurden untersucht: Welche Bedeutung kommt der Wohnortnähe und der notwendigen Betreuung älterer Geschwister bei der Bewältigung dieser Lebensphase unmittelbar nach Geburt sowie im weiteren Verlauf zu? Welche Probleme entstehen und wie werden Lösungsansätze gefunden. Welche Rolle kommt hierbei dem familiären bzw. sozialen Umfeld bei der Unterstützung der Eltern zu und welche Ressourcen stehen bei unterschiedlichen Risikofaktoren zur Verfügung?
Methodik
Zur Erfassung des subjektiven Erlebens der Eltern und der Dynamik des Prozesses wurde die Studie in einem qualitativen Längsschnittdesign durchgeführt. 14 Eltern(-paare) willigten ein, zu 3 Zeitpunkten nach der Geburt an einem Interview nach der Methode des problemzentrierten Interviews nach Witzel teilzunehmen. Die Auswertung der Interviews erfolgte mittels der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring.
Ergebnisse
Mit zunehmender Dauer der stationären Behandlung des Frühgeborenen steigt die Belastung der Eltern und Geschwisterkinder. Die familiäre Trennung stellte bei entfernt wohnenden Eltern die gravierendste Belastung dar. Bei kliniknah wohnenden Familien war das tägliche Pendeln zentraler Belastungsfaktor. Die Unterbringung im kliniknahen Elternhaus konnte die Belastungen durch Trennung oder Pendeln abmildern. Ein familiäres Netz, das verbindlich abrufbar war und sowohl emotionalen Beistand als auch konkrete Hilfen bot, stellte unabhängig vom Wohnort eine zentrale Ressource dar.
Fazit
Die häufig problematisierte weite Entfernung zwischen Wohnort und Perinatalzentrum ist nur ein Belastungsfaktor unter vielen. Somit ergibt sich die Notwendigkeit, frühzeitig eine individuelle Analyse der psychosozialen Lebensumstände und den daraus resultierenden Belastungen vorzunehmen. Darauf aufbauend lassen sich Hilfs- und Unterstützungsangebote durch das psychosoziale Team gezielt einsetzen. Weiterhin erscheint eine kliniknahe Wohnmöglichkeit für weit entfernt wohnende Eltern unerlässlich.