Erschienen in:
01.05.2021 | Glaukom | Einführung zum Thema
Neue therapeutische Konzepte in der Glaukomtherapie
verfasst von:
Prof. Dr. Carl Erb
Erschienen in:
Die Ophthalmologie
|
Ausgabe 5/2021
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Auszug
Neuere Therapiekonzepte beim Glaukom haben in den letzten Jahren sichtbar nur im chirurgischen Bereich stattgefunden. Dort kommt ein neuer Stent nach dem anderen auf den Markt, ob aus Titan, aus mit Glutaraldehyd quervernetztem Schweinekollagen oder aus dem biokompatiblen Material SIBS, und es werden neueste Variationen der alten Techniken, wie der Goniotomie und der Cyclo-Photokoagulationen, vorgestellt, die den Augeninnendruck noch besser senken sollen. Auf den verschiedensten Tagungen und Kongressen werden fast ausschließlich chirurgische Studien präsentiert mit Ergebnissen, die mal nach 3, mal nach 6 und ganz selten nach 12 Monaten erhoben werden, die teilweise ohne irgendwelche Vergleichsgruppen, zum Teil mit den verschiedensten Glaukomgruppen vermischt durchgeführt wurden. Und häufig sind die Patientenzahlen der Glaukom-Mixgruppen zum Anfang und am Ende der Beobachtungszeit unterschiedlich groß, sodass sie statistisch gesehen nicht miteinander verglichen werden dürften. Realistisch betrachtet entsprechen viele vorgestellten Studien nicht den Qualitätskriterien guter wissenschaftlicher Arbeit und haben mehr eine lokalpolitische Bedeutung. Wir sind an einem Punkt eines chirurgischen Aktivismus angekommen, der firmenneutral zu wenig hinterfragt wird und Erwartungshaltungen einer besseren Glaukomversorgung simuliert, die im praktischen Alltag oft nicht erfüllt wird. Auf der anderen Seite hat sich gezeigt, dass der Zeitpunkt des chirurgischen Eingriffs elementar wichtig ist, um eine glaukomatöse Progression einzudämmen. Hierbei gilt, dass bei nicht ausreichend medikamentös eingestelltem Zieldruck die langfristige Progressionsprognose umso günstiger ist, je frühzeitiger chirurgisch interveniert wird. Die damit verbundenen positiven Effekte der chirurgischen Eingriffe sind die bessere Einschränkung der Augendruckschwankung, die Verbesserung der Tropf-Adhärenz der Patienten und die damit einhergehende Verminderung der augentropfenassoziierten Nebenwirkungen auf bestehende Allgemeinerkrankungen, z. B. Betablocker bei Asthmapatienten [
1] und Alpha-2-Agonisten während einer antidepressiven Therapie mit Monoaminoxidase(MAO)-Hemmern. Dennoch spielen chirurgische Eingriffe in der deutschen Ophthalmologie eine untergeordnete Rolle in der Gesamtstrategie der Glaukomversorgung. Im Jahr 2019 betrug der Anteil von Glaukomoperationen inklusive Laserphotokoagulation und der minimal-invasiven Glaukomchirurgie gerade einmal 2,8 % aller intraokularen Eingriffe [
2]. …