Erschienen in:
19.01.2017 | Hormonsubstitution | Leitthema
Transgenderproblematik aus pädiatrisch-endokrinologischer Sicht
verfasst von:
Dr. Klaus Kapelari
Erschienen in:
Gynäkologische Endokrinologie
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Ausgabe 1/2017
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Zusammenfassung
Geschlechtsinkongruenz (GI) bezeichnet ein Phänomen, bei dem die empfundene Geschlechtsidentität und das anatomische (phänotypische) Geschlecht in unterschiedlicher Intensität im Widerspruch stehen. Bereits im zweiten Lebensjahr können Kinder Anzeichen einer GI zeigen. Versuchte man bis vor wenigen Jahren, diese Kinder an die gesellschaftlich mit einer Geschlechtsrolle verbundenen Erwartungshaltungen anzupassen, hat sich dies in jüngster Zeit grundsätzlich verändert. Nicht die Formung eines Kindes in eine bestimmte Richtung, sondern das Ermöglichen einer offenen Zukunft gilt als oberstes Ziel. Der Großteil der Kinder mit GI strebt keinen Wechsel des phänotypischen Geschlechts an. Diese Kinder entwickeln später im Leben deutlich häufiger eine gleichgeschlechtliche Geschlechtsorientierung. Bei einem kleinen Prozentsatz persistiert die kindliche GI bis in das Jugendalter und entwickelt sich zu einer Geschlechtsdysphorie (GD) mit dem Wunsch nach geschlechtsanpassenden somatomedizinischen Maßnahmen. Die Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit einer GI unterscheidet sich wesentlich von der Betreuung Erwachsener. Eine frühzeitige Diagnose und frühzeitige Unterstützungsangebote für Betroffene und deren Familien zielen auf die Verhinderung psychischer Erkrankungen. Früh begonnene hormonelle Maßnahmen zur Pubertätsunterdrückung können die Unzufriedenheit Betroffener mit ihrem Körper zwar nicht verringern, sie verhindern aber die spontane Entwicklung ungewünschter, teilweise irreversibler und als belastend empfundener sekundärer Geschlechtsmerkmale, die zu einer Zunahme psychischer Komorbiditäten führen können. Zudem werden im Erwachsenenalter eventuell angestrebte operative Eingriffe zur Geschlechtsanpassung erleichtert und das kosmetische Ergebnis verbessert.