Ätiologie
Historische Definition der Hüftdysplasie
Pathomechanismus der Hüftdysplasie
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ein defizitäres Containment des Hüftkopfes
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die Inkongruenz der artikulierenden Gelenkflächen [21]
Klinische Symptomatik
Radiologische Beurteilung
Pathognomonische, supportive und deskriptive Parameter
Parameter | Definition | Abb. 3 |
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Pathognomonische Parameter | Alleinig zur Diagnose der Hüftgelenksdysplasie ausreichend | Abb. 3a–e |
„Lateral-center-edge“(LCE)-Winkel (°) [31] | Winkel zwischen Gerade durch den lateralen Pfannenrand und das Femurkopfzentrum und der Vertikalen | Abb. 3a |
Anteriore Überdachung (%) [26] | Anteil des Hüftkopfes, der vom vorderen Pfannenrand in a.-p. Richtung bedeckt ist | Abb. 3b |
Shenton-Linie [7] | Linie entlang des Schenkelhalsunterrandes, die harmonisch in den Unterrand des Ramus superior ossis pubis übergeht | Abb. 3c |
Drittel-Regel azetabuläre Vorderwand [23] | Schnittpunkt des vorderen Pfannenrandes mit der Schenkelhalsachse im Verhältnis zum Hüftkopfradius | Abb. 3d |
Hohe Luxation | Proximalisierter Hüftkopf mit Bildung eines Neoazetabulums am proximalen Pfannenpol | Abb. 3e |
Supportive Parameter | Abb. 3f–n | |
Sharp Winkel (°) [19] | Winkel, der durch die Horizontale und eine Gerade durch das kaudale Ende der Köhler-Tränenfigur und den lateralen Pfannenrand gebildet wird | Abb. 3f |
Azetabulärer Index (°) [29] | Winkel, der durch die Horizontale und eine Gerade durch den medialsten Punkt der Sklerosezone und den lateralen Pfannenrand gebildet wird | Abb. 3g |
Femoroepiphysealer azetabulärer „Roof“-Index (FEAR-Index, °) | Winkel zwischen einer Geraden durch den medialsten Punkt der Sklerosezone und den lateralen Pfannenrand und einer Geraden entlang des mittleren Drittels der Epiphysennarbe des Hüftkopfes | Abb. 3h |
Lateral aufsteigende Braue | Neigung des lateralen Pfannenrandes von kaudal nach kranial mit Verlust der normalen lateralen Konkavität des Azetabulums | Abb. 3i |
„Medial-center-edge“(MCE)-Winkel (°) [25] | Winkel, der durch eine zur Beckenlängsachse parallele Linie und eine Verbindungslinie zwischen der Mitte des Hüftkopfes mit dem medialen Rand der Hüftgelenkspfanne gebildet wird | Abb. 3j |
Azetabulärer Bogen (°) [25] | Summe aus LCE- und MCE-Winkel. Winkel, der durch zwei Linien gebildet wird, die durch das Zentrum des Hüftkopfes und den medialen, beziehungsweise lateralen Rand der Hüftgelenkspfanne gehen | Abb. 3k |
Femurkopfextrusionsindex (%) [15] | Prozentualer Anteil des unbedeckten Hüftkopfes (A) im Vergleich zum gesamten horizontalen Hüftkopfdurchmesser (A + B) | Abb. 3l |
Femurkopfform [22] | Form des Hüftkopfes; bei Dysplasie typischerweise abgeflacht/entrundet, mit hoher Fovea capitis femoris, schmaler Epiphyse und ggf. valgischer Konfiguration des Schenkelhalses | Abb. 3m |
Fovea alta [17] | Kranialisierte Fovea capitis femoris, die in die Hauptbelastungszone hineinreicht | Abb. 3m |
Deskriptive Parameter | Abb. 3n–t | |
Überkreuzungszeichen („cross-over sign“) [20] | Positiv, wenn die projizierte azetabuläre Vorderwand die Hinterwand kreuzt | Abb. 3n |
Retroversionsindex (%) [20] | Der prozentuale Anteil der Überlappung des anterioren und posterioren Pfannenrandes im Vergleich zur gesamten Länge der lateralen Azetabulumöffnung | Abb. 3o |
Hinterwandzeichen („posterior wall sign“) [24] | Positiv, wenn der hintere Pfannenrand medial des Hüftkopfzentrums liegt | Abb. 3p |
Spina-ischiadica-Zeichen („ischial-spine sign“) [8] | Positiv, wenn die Spina ischiadica innerhalb des Beckenrings sichtbar ist | Abb. 3q |
Posteriore Überdachung (%) [26] | Prozentualer Anteil des Hüftkopfes, der vom vorderen Hüftpfannenrand in a.-p. Richtung bedeckt ist | Abb. 3r |
Kraniokaudale Überdachung (%) [26] | Prozentualer Anteil des Hüftkopfes, der von der Hüftpfanne in kraniokaudaler Richtung bedeckt ist | Abb. 3s |
Drittel-Regel azetabuläre Hinterwand [23] | Schnittpunkt des hinteren Pfannenrandes mit der Schenkelhalsachse im Verhältnis zum Hüftkopfdurchmesser | Abb. 3t |
Parameter | Dysplasie | Normal | Pincer |
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Pathognomonische Parameter | |||
„Lateral-center-edge“(LCE)-Winkel (°) [31] | < 22 | 23–33 | 34–39 |
Anteriore Überdachung (%) [26] | < 14 | 15–26 | 27–32 |
Shenton-Linie [7] | Unterbrochen | Intakt | Intakt |
Drittel-Regel azetabuläre Vorderwand [23] | VW-SHA-SP im ant./mittl./post. Drittel | VW-SHA-SP im mittl. 1/3 | VW-SHA-SP im ant./mittl./post. Drittel |
Hohe Luxation | +/− | − | − |
Supportive Parameter | |||
Sharp-Winkel (°) [19] | > 43 | 38–42 | 34–37 |
Azetabulärer Index (°) [29] | > 14 | 3–13 | −7–2 |
Femoroepiphysealer azetabulärer „Roof“-Index (FEAR-Index, °) | > 5 | < 5 | n. a. |
Lateral aufsteigende Braue | +/− | − | − |
„Medial-center-edge“(MCE)-Winkel (°) [25] | > 45 | 35–44 | 34–29 |
Azetabulärer Bogen (°) [25] | < 60 | 61–65 | 66–69 |
Femurkopfextrusionsindex (%) [15] | > 27 | 17–27 | 12–16 |
Femurkopfform [22] | Elliptisch | Sphärisch | Sphärisch |
Fovea alta [17] | +/− | − | − |
Deskriptive Parameter | |||
Überkreuzungszeichen („cross-over sign“) [20] | +/− | − | − |
Retroversionsindex (%) [20] | ≥ 40 | < 40 | k. A. |
Hinterwandzeichen („posterior wall sign“) [24] | +/− | + | +/− |
Spina-ischiadica-Zeichen („ischial-spine sign“) [8] | +/− | − | − |
Posteriore Überdachung (%) [26] | < 35 | 36–47 | 48–55 |
Kraniokaudale Überdachung (%) [26] | < 69 | 70–83 | 84–93 |
Drittel-Regel azetabuläre Hinterwand [23] | HW-SHA-SP im ant./mittl./post. Drittel | HW-SHA-SP im mittl. Drittel | HW-SHA-SP im ant./mittl./post. Drittel |
Messung der femoralen Torsion
Arthro-MRT der Hüfte
Sekundäre Veränderungen
Parameter | Ebene +/− Sequenz | Definition | Abb. 5 |
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Konventionelles Röntgen | Abb. 5a–e | ||
Scheinbare Gelenkspaltverschmälerung | BüS/Abduktionsaufnahme | Durch anterolaterale Subluxation des Femurkopfes scheinbar verschmälerter Gelenkspalt | Abb. 5a, b |
Minimus-Delle [1] | BüS | Entrundung des superolateralen Hüftkopfanteils durch chronischen Kontakt mit der Sehne des M. gluteus minimus | gelber Pfeil in Abb. 5c |
Hüftkopfform [28] | BüS/axiale Aufnahme | Asphärischer, elliptischer Hüftkopf mit breitem Schenkelhals und valgischer Konfiguration der Schenkelhalsachse und Bildung eines Os acetabuli (gelber Pfeil in Abb. 5d) | Abb. 5d, e |
Arthro-MRT | Abb. 5f–l | ||
Sichel-Zeichen [32] | Axiale/radiäre Schnitte mit intraartikulärem Kontrastmittel | Ungleiche Kontrastmittelverteilung um den dezentralisierten Hüftkopf mit vermehrter, sichelförmiger Ansammlung von Kontrastmittel posterior | gelbe Pfeile in Abb. 5f, g |
Labrumschaden „inside-out-lesion“ [9] | Radiäre Schnitte | Superolaterale Pfannenrandläsion mit Abscherung von azetabulärem Knorpel und Labrum | gelber Pfeil in Abb. 5h |
Labrumhypertrophie | Radiäre/koronare Schnitte | Breitbasiges, kompensatorisch vergrößertes und aufgelockertes Labrum (gestrichelte Linie entlang des Labrums in Abb. 5i) | gelber Pfeil in Abb. 5i |
Ganglion | Sagittale/radiäre Schnitte | Paraartikuläre Ganglien im superolateralen Bereich | |
Iliocapsularis-Index [4] | Axiale Schnitte | M. iliocapsularis (IC) – M. rectus femoris (RF)-Verhältnis > 1,30 | gelbe Umrandung in Abb. 5l |
Makro- versus Mikroinstabilität
Fazit für die Praxis
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Ausgeprägte Dysplasien und hohe Luxation stellen mittlerweile eine Seltenheit dar und wurden durch subtilere, residuelle Pathomorphologien abgelöst.
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Die folgenden pathognomonischen Parameter erlauben einzeln oder in Kombination die Diagnose einer Hüftdysplasie: „Lateral-center-edge“(LCE)-Winkel < 22°, anteriore Hüftkopfüberdachung < 14 %, unterbrochene Shenton-Linie, insuffiziente anteriore Überdachung nach der Drittel-Regel für die azetabuläre Vorderwand und hohe Luxation.
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In Borderline-Fällen (LCE-Winkel 20–25°) gewinnen supportive und deskriptive Parameter mittels Arthro-MRT zunehmend an Bedeutung, um subtile Zeichen einer Instabilität zu detektieren.
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Es ist wichtig zu erkennen, ob eine Hüfte stabil oder instabil ist, die Unterscheidung zwischen Makro- und Mikroinstabilität ist ungenau und liefert keine Zusatzinformationen.
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Die adäquate Therapie basiert auf einer ganzheitlichen Analyse der Pathomorphologie und sollte spezialisierten Zentren für gelenkerhaltende Chirurgie vorbehalten sein.