Vergleich der internen Daten mit den Ergebnissen der Metaanalysen
Die Ergebnisse der Auswertung der im Beobachtungszeitraum am Universitätsklinikum Bonn durchgeführten Rektumresektionen stimmen überwiegend mit den Erkenntnissen der Metaanalysen überein. Sowohl hinsichtlich des Auftretens postoperativer Komplikationen im Allgemeinen als auch hinsichtlich des Auftretens von Anastomoseninsuffizienzen zeigte die Auswertung unserer Patienten keinen Unterschied zwischen robotergestützten und laparoskopischen Eingriffen, analog zu den Ergebnissen der Metaanalysen. Auch die Krankenhausverweildauer wurde in unserem Kollektiv nicht durch die Operationstechnik beeinflusst, was ebenfalls den Ergebnissen der 5 Metaanalysen, die diesen Endpunkt untersuchten, entspricht.
Bezüglich des Auftretens des ersten postoperativen Stuhlgangs berichten die Metaanalysen zwar eine geringgradige Reduktion, da es sich aber um eine Reduktion von weniger als einem Tag handelt, hat dieser Unterschied keine klinische Relevanz. Daher muss auch hier von einem fehlenden Effekt ausgegangen werden muss. Auch unsere Daten konnten keinen Einfluss der Operationstechnik auf das Auftreten des ersten Stuhlgangs zeigen.
Abweichungen zwischen den Ergebnissen der Metaanalysen und unseren eigenen Daten gibt es jedoch bei den Endpunkten „Dauer der Operation“ und „Konversionsrate“. Während es innerhalb der Metaanalysen keinen Konsens über den Effekt der robotergestützten Chirurgie auf die Operationsdauer gibt, zeigt unsere Auswertung einen deutlichen Unterschied. So dauerten robotergestützte Rektumresektionen am Universitätsklinikum Bonn im Durchschnitt 2,5 h länger als laparoskopische. Allerdings korreliert die Operationsdauer in hohem Maße mit der Expertise beim jeweiligen Verfahren. In diesem Falle war es so, dass die Lernkurve der drei Robotikoperateure genau in den untersuchten Zeitraum fällt, wohingegen alle drei eine hohe Expertise im Bereich der Laparoskopie hatten und diese Eingriffe seit Jahren routinemäßig durchführen. Daher könnte man zumindest eine moderate Angleichung der Operationszeit durch mehr Erfahrung mit dem robotergestützten System erwarten.
In Bezug auf die Konversionsrate zeigen die Reviews ebenfalls kein einheitliches Ergebnis. Während 4 der 6 Metaanalysen eine Reduktion der Konversionsrate nachweisen konnten, zeigte unsere Analyse keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen robotergestützten und laparoskopischen Eingriffen. Jedoch stimmt ein Trendunterschied von 12,5 % (2 Konversionen bei 16 laparoskopischen Eingriffen) gegenüber 8,6 % (3 Konversionen von 35 robotergestützten Eingriffen) mit den Daten der Metaanalysen überein. Aufgrund der geringen Fallzahl unserer Analyse sind diese Daten jedoch wenig verlässlich.
Beurteilung der verfügbaren Klasse-1a-Evidenz
Unser Scoping-Review konnte zeigen, dass es bereits Klasse-1a-Evidenz zum Vergleich von robotergestützten vs. laparoskopischen Rektumresektionen gibt [
8,
10,
16‐
18,
24,
28]. Die identifizierten Reviews unterscheiden sich jedoch nicht nur hinsichtlich der Auswahl der untersuchten Outcomeparameter, sondern auch in Bezug auf die methodische Qualität und die berechneten Effektschätzer einzelner Outcomes.
Zu den methodischen Einschränkungen gehören Kritikpunkte wie das Fehlen eines Protokolls mit vorab festgelegter Methodik sowie fehlende oder unzureichend durchgeführte Untergruppen- und Sensitivitätsanalysen. Obwohl die meisten Reviews das Biasrisiko der einzelnen Studien bewerten, wurde diese Bewertung bei der Interpretation der Ergebnisse meist nicht berücksichtigt. Darüber hinaus wird zwar in jeder Metaanalyse die Heterogenität zwischen den eingeschlossenen Studien berechnet und bei vorhandener Heterogenität teilweise sogar als limitierender Faktor der Analyse genannt, aber es wird selten versucht, die Gründe für die Heterogenität herauszufinden.
Um das Ergebnis einer Metaanalyse besser bewerten zu können, sollten neben dem berechneten Effekt auch andere Aspekte wie das Biasrisiko der eingeschlossenen Studien oder eine nachgewiesene Heterogenität zwischen den Studien in die Interpretation der Ergebnisse einbezogen werden. Der GRADE-Ansatz ist eine inzwischen gut bekannte Methode, die darauf abzielt, das Vertrauen in die Evidenz anhand von 8 Punkten zu prüfen [
9]. Keine der identifizierten Metaanalysen hat diesen oder einen ähnlichen Ansatz zur Interpretation ihrer Ergebnisse verwendet, was es dem Leser unmöglich macht, das Vertrauen in die Evidenz zu beurteilen.
Die Gründe für die abweichenden Ergebnisse liegen vor allem in der Variation der eingeschlossenen Studien. Neben dem Aspekt der zeitlichen Verfügbarkeit – in älteren Metaanalysen fehlen neuere RCTs – ergeben sich die Unterschiede aus Abweichungen bei der Literatursuche und Studienauswahl. So enthält der Review von Liao 2014 [
16] auch eine randomisierte klinische Studie zu roboterassistierten vs. laparoskopischen rechtsseitigen Hemikolektomien. Aber auch andere eingeschlossene Metaanalysen zeigen Abweichungen von der in ihrer Methodik definierten Population. Mit Ausnahme der Metaanalyse von Liao 2014 [
16] geben alle Reviews an, dass die zu untersuchende Population auf Patienten mit Rektumkarzinom beschränkt war. Dennoch ist die 2011 publizierte RCT von Rodriguez et al. [
13] in den Metaanalysen von Eltair 2020 [
8], Han 2020 [
10] und Prete 2018 [
24] enthalten, obwohl diese Studie hauptsächlich Sigmaresektionen untersuchte.
Insgesamt beruhen die Ergebnisse der hier betrachteten Metaanalysen auf 11 verschiedenen RCTs [
1,
5,
11,
13,
15,
21,
22,
27,
29,
31,
34], wobei die eingeschlossenen Studien je Review stark variieren, obwohl die genannten Ein- und Ausschlusskriterien weitgehend identisch sind. Eine Auflistung der im Volltextscreening ausgeschlossenen Studien mit den jeweiligen Ausschlussgründen könnte Aufschluss darüber geben, ob die gefundenen Unterschiede auf der durchgeführten Suche oder dem erfolgten Auswahlprozess beruhen. Diese Information wurde jedoch in keiner der gefundenen Reviews berichtet.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Frage der Effektivität und Sicherheit der robotergestützten Rektumchirurgie im Vergleich zu laparoskopischen Verfahren noch nicht abschließend geklärt ist, obwohl Evidenz der Klasse 1a verfügbar ist. Weitere Metaanalysen zu diesem Thema sollten klar definierte Ein- und Ausschlusskriterien enthalten, die bereits in einem Protokoll festgelegt sind und den Prozess der Literatursuche und -auswahl möglichst detailliert und nachvollziehbar beschreiben. Darüber hinaus ist eine adäquate Qualitätsbewertung der eingeschlossenen Studien erforderlich, deren Ergebnisse ebenfalls in die Bewertung der Ergebnisse einfließen. Zusätzlich sollten die Ergebnisse auch auf ihre Verlässlichkeit hin überprüft werden, bestenfalls anhand des GRADE-Ansatzes.
Abschließend gilt es jedoch zu beachten, dass Metaanalysen nur so gut sein können wie die eingeschlossenen Studien. Die bisher veröffentlichten und in die untersuchten Metaanalysen inkludierten RCTs weisen einige Einschränkungen auf (z. B. geringer Stichprobenumfang, breite Population ohne Subgruppenanalysen, methodische Limitationen etc.). Um die Effektivität der robotergestützten Chirurgie bei Rektumkarzinomen besser beurteilen zu können, ist es daher notwendig, weitere qualitativ hochwertige RCTs durchzuführen und mehr Evidenz zu generieren, die in zukünftigen Metaanalysen zu einer besseren Beurteilbarkeit beitragen kann.
Eine Einschränkung aller Metaanalysen zu diesem Vergleich ist jedoch, dass RCTs in der Regel nur an kolorektalen Zentren oder Kliniken mit hohen Fallzahlen und Expertise sowohl in der robotergestützten als auch in der laparoskopischen Rektumchirurgie durchgeführt werden. Angesichts des bekannten Volume-Outcome-Effekts [
2,
6,
7] ist daher zu erwarten, dass in diesen Studien bessere Ergebnisse erzielt werden als in kleineren Kliniken mit geringerer Expertise, sodass die Ergebnisse dieser Studien sowie der darauf basierenden Metaanalysen hinsichtlich ihrer Übertragbarkeit in den klinischen Alltag immer kritisch hinterfragt werden müssen, insbesondere, weil die robotische Chirurgie durch ihre relative Neuartigkeit noch nicht so weit verbreitet ist wie die konventionelle Laparoskopie.
Limitationen unserer Überprüfung
Eine der Einschränkungen unserer Auswertung besteht darin, dass die Literatursuche auf nur zwei Datenbanken beschränkt war. Aufgrund einer großen Überschneidung zwischen Medline und Embase sowie einer fehlenden Lizenz wurde eine Suche in Embase für diese Überprüfung nicht durchgeführt. Eine zusätzliche Suche in Registern für systematische Übersichten wie PROSPERO (
https://www.crd.york.ac.uk/PROSPERO/) hätte jedoch weitere Metaanalysen sowie geplante Projekte aufzeigen können.
Eine weitere Einschränkung besteht darin, dass die in dieser Übersichtsstudie bewerteten klinischen Ergebnisse nur einen Bruchteil der für die Entscheidung relevanten Endpunkte, welches chirurgische Verfahren bevorzugt werden sollte, untersucht. Insbesondere pathoonkologische Aspekte wie die Vollständigkeit des Resektats oder patientenrelevante Aspekte wie die Häufigkeit postoperativer Harn- oder Sexualfunktionsstörungen wurden in dieser Auswertung nicht berücksichtigt. Die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) hat bereits 2017 Qualitätsindikatoren für die Rektumkarzinomchirurgie definiert. Dazu gehören ein tumorfreier zirkumferenzieller Resektionsrand, die Rate an Anastomoseninsuffizienzen und abdominellen Wundheilungsstörungen, die Rate an Patienten mit einer neu angelegten permanenten Harnableitung und der damals neu definierte Endpunkt MTL30, der das Versterben des Patienten innerhalb von 30 Tagen nach der Operation, die Verlegung in ein anderes Akutkrankenhaus innerhalb von 30 Tagen oder einen stationären Aufenthalt von mehr als 30 Tagen subsumiert. Von diesen Qualitätsindikatoren haben wir allerdings nur Anastomoseninsuffizienzen und Teilaspekte von MTL30 untersucht [
32].