Erschienen in:
01.09.2010 | Phoniatrie und Pädaudiologie
Lesen und schreiben CI-Kinder anders?
Schriftspracherwerb nach Versorgung mit einem Cochlear implant
verfasst von:
A. Fiori, Diplom-Lehr- und Forschungslogopädin, K. Reichmuth, P. Matulat, C.-M. Schmidt, A. am Zehnhoff-Dinnesen
Erschienen in:
HNO
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Ausgabe 9/2010
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Zusammenfassung
Hintergrund
Obwohl die Schriftsprachentwicklung hörgeschädigter Kinder oftmals beeinträchtigt ist, ist die regelmäßige Dokumentation des Lese- und Schreiberwerbs kein Standard in der Evaluation der Sprachentwicklung nach Versorgung mit einem Cochlear implant (CI). In dieser Längsschnittstudie wurde 2 Jahre lang der Schriftspracherwerb von Kindern mit CI untersucht.
Material und Methode
Die 18 prälingual ertaubten CI-Kinder im Vor- und Grundschulalter waren bei Implantation zwischen 0,9 und 5,9 Jahre alt, normal intelligent, wuchsen monolingual deutschsprachig und lautsprachorientiert auf. Ein familiäres Risiko einer Lese-Rechtschreib-Schwäche wurde ausgeschlossen. Zur Beurteilung der Entwicklung der Lese- und Rechtschreibkompetenzen wurden Teilfertigkeiten i. S. eines 2-Wege-Modells der Schriftsprachverarbeitung und von Phasenmodellen des Schriftspracherwerbs (ganzheitlich-lexikalisch vs. einzelheitlich-sublexikalisch, auditive und visuelle Merkspanne) und relevante Vorläuferfertigkeiten (phonologische Bewusstheit, Entwicklung des aktiven Wortschatzes) untersucht.
Ergebnisse
Ein breites Leistungsspektrum bestand in der Entwicklung des aktiven Wortschatzes und der schriftsprachlichen Leistung. Meist bestand eine lebensaltersgerechte visuelle, aber unterdurchschnittliche auditive Merkspanne sowie eine Diskrepanz zwischen guter Bearbeitung von Aufgaben zur impliziten phonologischen Bewusstheit und sehr schwachen Leistungen bei expliziten Anforderungen zur Lautanalyse und -manipulation. Hier finden sich Hinweise auf eine deutliche Orientierung am Mundbild der Testleiterin. Die Leistungen im durchgeführten Rechtschreibtest weisen auf die Bevorzugung einer eher ganzheitlich-lexikalischen Schreibstrategie hin, einzelheitlich-sublexikalisches Schreiben scheint den Kindern vergleichsweise schwerer zu fallen.
Schlussfolgerungen
Die erleichterte Verarbeitung visueller Informationen im Bereich der Teil- und Vorläuferfunktionen findet ihr Pendant in der Bevorzugung einer visuell-ganzheitlichen Rechtschreibstrategie. Die Studie unterstützt die Forderung, Schriftsprache in die Evaluation der Sprachentwicklung nach CI generell einzubeziehen. Dabei sind die untersuchten Teil- und Vorläuferfunktionen zu berücksichtigen, um eine verzögerte Entwicklung rechtzeitig zu diagnostizieren und um in Förderung und Therapie gezielt auf individuelle qualitative Abweichungen eingehen zu können.