Vorbemerkungen
Operationsprinzip und -ziel
Vorteile
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Die augmentierte Primärnaht der Kollateralbänder, Extensoren und Flexoren am Ellenbogen erlaubt nach Ellenbogenluxation auch bei hochgradiger Instabilität die frühzeitige Wiederherstellung der Stabilität und damit eine frühfunktionelle Behandlung.
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Der Vorteil gegenüber einer alleinigen Primärnaht der Kollateralbänder besteht in der überlegenen biomechanischen sofortigen Stabilität, die einer Rekonstruktion mit einem autologen oder allogenen Sehnentransplantat biomechanisch nicht unterlegen ist.
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Gegenüber der Behandlung mit einem Fixateur externe bietet die augmentierte Primärnaht v. a. einen deutlich höheren Patientenkomfort mit der Möglichkeit der frühfunktionellen Behandlung.
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Eine bestehende Gelenkinkongruenz als Zeichen der Instabilität kann damit primär aufgehoben werden.
Nachteile
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Mögliche Irritationen durch einliegendes Fadenmaterial
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Technisch anspruchsvoll, da die Möglichkeit der Fehlplatzierung der Anker mit potenzieller Dezentrierung des Gelenks besteht
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Allgemeine Operationsrisiken
Indikation
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Ellenbogenluxation mit unmittelbarer Reluxation auch unter Ruhigstellung im Oberarmgips > 90° und Pronation oder anhaltender Dezentrierung im Oberarmgips, wobei die Richtung der Luxation nicht für die Indikation entscheidend ist
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Fehlende Möglichkeit der aktiven muskulären Zentrierung des Ellenbogens nach 5 bis 7 Tagen
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Verbleibende Instabilität des Ellenbogens nach Stabilisierung knöcherner Strukturen bei knöchern ligamentären Luxationen
Kontraindikation
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Inoperabilität aufgrund von Begleitverletzungen/-erkrankungen
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Eine alleinige augmentierte Primärnaht ist bei knöchernen Begleitverletzungen des Ellenbogens in der Regel nur bei kleineren (undislozierten) knöchernen Absprengungen beispielsweise des Processus coronoideus oder des Radiuskopfes indiziert
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Ausgeprägte Arthrose des Ellenbogengelenks
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Ausgedehnte Weichteilverletzungen
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Ellenbogengelenkinfektion
Patientenaufklärung
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Allgemeine Operationsrisiken
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Ellenbogengelenksteife mit möglicher folgender Arthrolyse
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Möglichkeit des Entstehens heterotoper Ossifikationen mit folgender Bewegungseinschränkung
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Verbleibende Instabilität
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Verletzung des N. ulnaris
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Posttraumatische Arthrose
Operationsvorbereitung
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Konventionelle Röntgenaufnahmen des Ellenbogens (a.-p. und lateral) vor und nach Reposition des Ellenbogens
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Wir verwenden die MRT-Diagnostik regelhaft bei jeder Ellenbogenluxation, insbesondere um das Verletzungsausmaß des medialen und lateralen Kollateralbandkomplexes sowie der stabilisierenden Muskulatur am Ellenbogen (insbesondere Extensoren und Flexoreninsertionen am lateralen bzw. medialen Epikondylus sowie M. brachialis, M. biceps brachii und M. triceps brachii) zu quantifizieren. Bei fehlender stabiler Führung oder Zeichen der Gelenkinkongruenz des Ellenbogens (beispielsweise „drop-sign“) kann die MRT zur Beurteilung der stabilisierenden Strukturen verwendet werden. Allerdings wird die Indikation zur Operation nicht allein an morphologischen Veränderungen in der MRT gestellt. Bei der MRT-Diagnostik der Bandstrukturen wird generell eine ausgestreckte Stellung des Armes über dem Kopf präferiert, da hierbei die Bandstrukturen besser beurteilt werden können. Dies ist aber in der Regel schmerz- und stabilitätsbedingt nicht möglich, eine gröbere Verletzung an den Strukturen ist in der Regel aber auch in Beugestellung möglich. Bei knöchernen Verletzungen führen wir ergänzend eine CT des Ellenbogens durch.
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Neurologischer Status vor und nach Reposition sowie Untersuchung der peripheren Motorik und Sensibilität
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Untersuchung des Ellenbogengelenks in Bezug auf Voroperationen und Weichteile des Ellenbogens. Bei ausgedehnten Weichteildefekten oder (seltenen) offenen Luxationen sollte primär ein Fixateur externe angelegt werden.
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Single-shot-Antibiose (beispielsweise Cefazolin 2 g i.v. nach Ausschluss von Allergien) in der Einleitung
Instrumentarium
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Standard-Knocheninstrumentarium
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Verschiedene Fadenanker zur Fixation der augmentierten Primärnaht: (1) 3,5 mm Interferenzschraube zur humeralen Fixation (beispielsweise BioComposite SwiveLock-Anker, Fa. Arthrex, München, Deutschland), (2) Polyethylen-tape-beladene All-suture-Anker für den Augmentationsfaden ulnar (beispielsweise ICONIX, Fa. Stryker, Portage, MI, USA), (3) Titan-Fadenanker zur Refixation der gemeinsamen Extensoren- bzw. Flexorenansätze an den Epikondylen (beispielsweise GII-Anker, Fa. Mitek, Raynham, MA, USA; Abb. 3).
Anästhesie und Lagerung
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Allgemeinanästhesie, möglichst in Kombination mit Regionalanästhesie
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Der Patient wird in Rückenlage gelagert und der Arm auf einem Armtisch ausgelagert (Abb. 4)
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Anlegen der Blutsperre, steriles Abdecken (beispielsweise mit einem Lochtuch)
Postoperative Behandlung
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Intraoperativ dynamische Kontrolle der Stabilität unter dem Bildwandler, postoperativ radiologische Stellungskontrolle im a.-p.- und lateralen Strahlengang
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Bedarfsgerechte postoperative Analgesie nach WHO-Stufenschema
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Bei stabiler Führung in der Bildwandlerkontrolle frühfunktionelle Therapie ohne Belastung des Ellenbogens in Bewegungsorthese unter Vermeidung von Varus- und Valgusbelastung. Extension und Flexion werden in der Bewegungsorthese direkt freigegeben. Das Handteil der Orthese wird ebenfalls entfernt, sodass auch Pro- und Supination freigegeben sind.
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In der Regel wird unmittelbar postoperativ eine aktiv-assistive Beübung im Overhead-Motion-Protokoll empfohlen [23]. Hierfür wird der Oberarm über den Kopf gebracht, die Flexion des Ellenbogens erfolgt mit der Schwerkraft. Bei guter Schmerzkontrolle kann der Ellenbogen auch direkt aktiv beübt werden.
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Belastungsaufbau ab 6 Wochen postoperativ und fehlender Beschwerdesymptomatik. Nach 6 Wochen wird der Ellenbogen zudem radiologisch verlaufskontrolliert und die Bewegungsorthese abgenommen.
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Eine medikamentöse Prophylaxe zur Verhinderung heterotoper Ossifikationen wird aufgrund fehlender Evidenz nicht generell empfohlen. Sollten Risikofaktoren für die Entwicklung heterotoper Ossifikationen vorliegen (Verletzungen des ZNS, größere Verbrennungen oder bekannte Vorerkrankungen wie Morbus Paget) kann aber eine medikamentöse Prophylaxe beispielsweise mit Indometacin oder Ibuprofen erwogen werden.
Fehler, Gefahren und Komplikationen
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Rezidivinstabilität durch Versagen der primären Naht oder Dislokation der Fadenkanker: Revision der Naht möglichst mit Neuplatzierung und ggf. additivem Fixateur externe
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Sekundäre Ellenbogensteife durch Narbengewebe oder heterotope Ossifikationen: arthroskopische oder offene Arthrolyse (je nach Expertise und intra- bzw. extraartikulärer Ursache)
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Heterotope Ossifikationen: prophylaktische Behandlung beispielsweise mit Ibuprofen oder Indometacin, bei ausgeprägten heterotopen Ossifikationen offene Arthrolyse mit Resektion der Ossifikationen und ggf. Bestrahlungstherapie
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Verletzungen oder Irritationen des N. ulnaris: routinemäßige Darstellung und Schonung des N. ulnaris intraoperativ
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Irritationen durch eingebrachtes Fadenmaterial: je nach Schwere der Irritationen Entfernung von prominentem Fadenmaterial nach stabiler Einheilung
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Frühinfekt des Ellenbogengelenks nach operativer Versorgung: offene Spülung, Débridement und resistenzgerechte antibiotische Therapie
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Die besten Ergebnisse werden mit einer frühfunktionellen Therapie erzielt. Der Patient sollte über eine ausführliche funktionelle Beübung des Ellenbogens unter Vermeidung von Varus- und Valgusbelastung bei anliegender Orthese aufgeklärt werden. Der Patient sollte außerdem darüber aufgeklärt werden, dass der Ellenbogen für 6 Wochen nicht belastet werden darf.
Ergebnisse
Alter | Geschlecht | Zugang | MEPS | Funktioneller Bogen (°) | Pro‑/Supination (°) |
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76 | Weiblich | Kocher + FCU-Split | 100 | 110 | 90-0-70 |
74 | Weiblich | Kocher + FCU-Split | 100 | 110 | 90-0-90 |
58 | Weiblich | Kocher + FCU-Split | 95 | 90 | 90-0-90 |
34 | Männlich | FCU-Split | 100 | 150 | 90-0-90 |
63 | Weiblich | Kocher + FCU-Split | 100 | 125 | 90-0-90 |
51 | Weiblich | Kocher + FCU-Split | n. verf | n. verf | n. verf |
63 | Weiblich | Kocher + FCU-Split | n. verf | n. verf | n. verf |
22 | Männlich | Kocher + FCU-Split | 100 | 140 | 80-0-80 |
52 | Weiblich | Kocher + FCU-Split | 95 | 70 | 70-0-60 |
76 | Weiblich | Kocher + FCU-Split | 100 | 140 | 80-0-80 |
65 | Weiblich | Kocher + FCU-Split | 100 | 125 | 80-0-80 |
61 | Weiblich | FCU-Split | 95 | 90 | 90-0-90 |