Erschienen in:
18.08.2015 | Originalien
Zeitverzögerte Indikationsstellung zur additiv ventralen Versorgung thorakolumbaler Berstungsfrakturen
Welcher Korrekturverlust ist zu erwarten
verfasst von:
PD Dr. habil. U.J.A. Spiegl, J.-S. Jarvers, C.-E. Heyde, S. Glasmacher, N. Von der Höh, C. Josten
Erschienen in:
Die Unfallchirurgie
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Ausgabe 8/2016
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Zusammenfassung
Einleitung
Es herrscht weitestgehend Einigkeit darüber, dass instabile Wirbelkörperfrakturen des thorakolumbalen Übergangs nach adäquatem Trauma mit begleitender B-Komponente bzw. hohen „load shear indices“ primär dorsal stabilisiert werden müssen. Wir sehen zusätzlich die Indikation, diese Verletzungen im Falle eines relevanten Knochendefekts an der ventralen Säule additiv ventral anzugehen. Zudem besteht die Indikation zum ventralen Vorgehen im Falle traumatischer Bandscheibenschäden im postprimären MRT bzw. bei relevantem Repositionsverlust. Unklar ist jedoch, ob durch eine zeitverzögerte Versorgungsstrategie das initiale Repositionsergebnis gefährdet wird.
Methode und Technik
In den Jahren 2013 und 2014 wurden 59 Patienten nach traumatischer Wirbelkörperfraktur im Bereich des thorakolumbalen Übergangs und der mittleren LWS primär kurzstreckig von dorsal stabilisiert. Alle Wirbelkörperfrakturen wiesen einen McCormack-Index von mindestens 5 bzw. eine B-Komponente auf. Nach stationärer Entlassung erfolgten konventionelle radiologische Verlaufskontrollen im Stehen nach 2 und 6 Wochen sowie ein MRT nach 6 Wochen. Eine additiv ventrale Versorgung wurde bei relevanter Nachsinterung der frakturierten Wirbelkörper (≥ 5°) sowie im Falle relevanter Bandscheibenschäden indiziert. Das Ausmaß der Nachsinterung wurde in Abhängigkeit vom Patientenalter, von der Frakturmorphologie, der Frakturlokalisation, vom verwendeten dorsalen Implantat und von der Versorgungstechnik (Indexschraube, Zementaugmentation, Laminektomie) analysiert.
Ergebnisse
Insgesamt waren 23 Frauen und 36 Männer (Durchschnittsalter 51±17 Jahre) betroffen. Der durchschnittliche Repositionsverlust betrug 5,1° (± 5,2°) nach durchschnittlich 60 (±56 Tagen). Dabei war der Repositionsverlust signifikant höher nach Verwendung polyaxialer Implantate (10,8° vs. 4,0°; p < 0,001) sowie nach additiver Laminektomie (11,3° vs. 4,3°; p = 0,01). Kein statistisch signifikanter Unterschied zeigte sich bei Verwendung einer Indexschraube (4,5° vs. 5,3°). Zusätzlich zeigte sich bei den über 60-Jährigen ein signifikant geringerer Repositionsverlust nach Zementaugmentation der Schrauben (3,9° vs. 11,3°; p = 0,02). Der durchschnittliche Repositionsverlust nach dorsaler Stabilisierung mit monoaxialem System, ohne Laminektomie und zementaugmentierter Schraubenimplantation ab dem 60. Lebensjahr (n = 39) betrug 2,8° (± 2,5°). Keine signifikanten Korrelationen zeigten sich zwischen dem Repositionsverlust und der Frakturmorphologie (Klassifikation der Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen [AO], McCormack) bzw. der Frakturhöhe.
Schlussfolgerung
Eine zeitverzögerte Indikationsstellung zur additiv ventralen Versorgung nach dorsal stabilisierter Wirbelkörperfraktur der thorakolumbalen Wirbelsäule geht ohne relevante Nachsinterungen einher, falls ein monoaxiales Implantat verwendet wird und auf eine Laminektomie verzichtet werden kann. Zur Minimierung der Nachsinterung sollte ab dem 60. Lebensjahr die Indikation für die zementaugmentierte Schraubenimplantation großzügig gestellt werden.